Bundessozialgericht, Beschluss vom 09.03.2011, Az. B 4 AS 60/10 BH

4. Senat | REWIS RS 2011, 8795

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensmangel - Versäumung der Berufungsfrist - gerichtlicher Eingangsstempel


Tenor

Der Antrag des [X.], ihm für die Durchführung des Verfahrens der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 18. August 2010 - L 6 AS 381/08 - vor dem [X.] Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwältin A beizuordnen, wird abgelehnt.

Gründe

1

I. Streitig sind Kosten der Unterkunft und Heizung für die [X.] von Januar 2005 bis Juni 2008.

2

Der [X.] des [X.] gegen das am 7.10.2008 zugestellte klageabweisende Urteil des [X.] vom 11.9.2008 trägt den Eingangsstempel des [X.] vom 10.11.2008. Der zugehörige Umschlag enthält als vom Kläger unterschriebenen Vermerk ua "Einwurf Fristenbriefkasten, Sozialgericht MR am 7.11.2008 um 19.30 Uhr" (Unterschrift). Nachdem dem Kläger zunächst mitgeteilt worden war, die Berufung sei fristgerecht eingelegt worden, weil der 10.11.2008 ein Montag sei (Schreiben vom 20.11.2008), hat das L[X.] nach [X.] im März 2010 Auskünfte des [X.] Marburg angefordert, danach den früheren Leiter der Poststelle des [X.] zur Frage des Eingangs der Berufungsschrift vernommen und die Berufung als unzulässig verworfen (Urteil des L[X.] vom [X.]). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das L[X.] ausgeführt, ausweislich des [X.] sei die Berufungsschrift erst am Montag, dem 10.11.2008, und damit verspätet beim [X.] eingegangen. Der Vermerk auf dem Umschlag spreche gegen den fristgerechten Einwurf in den Gerichtsbriefkasten. Der Kläger habe nicht dargelegt, dass und/oder warum er Anlass gehabt habe, der Fristendokumentation des Briefkastens zu misstrauen. Der als Zeuge vernommene ehemalige Leiter der Poststelle habe ausgeführt, dass er sich an den Vorgang noch gut erinnern könne, weil der [X.] mit dem auffallenden Umschlag am 10.11.2008 auf der Klappe des [X.] zusammen mit der Tagespresse vom selben Tag gelegen habe, also nach Schließen der Klappe eingeworfen worden sei. Eine Störung des Mechanismus sei ihm nicht erinnerlich und wäre selbst bei einem Stromausfall nicht anzunehmen, weil dann der Kontakt zur Klappenschließung nicht ausgelöst worden wäre.

3

II. Der Antrag des [X.] auf Bewilligung von [X.] für die Durchführung des Beschwerdeverfahrens ist abzulehnen. Nach § 73a [X.]G iVm § 114 ZPO kann einem bedürftigen Beteiligten für das Beschwerdeverfahren vor dem B[X.] nur dann [X.] bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Daran fehlt es hier. Es ist nicht zu erkennen, dass ein zugelassener Prozessbevollmächtigter (§ 73 Abs 4 [X.]G) eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des L[X.] unter Berücksichtigung der in § 160 Abs 2 [X.]G abschließend aufgezählten Zulassungsgründe erfolgreich begründen könnte.

4

Das B[X.] darf gemäß § 160 Abs 2 [X.] bis 3 [X.]G die hier angestrebte Revision gegen eine Entscheidung des L[X.] nur zulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und tatsächlich vorliegt. Weder aus dem Akteninhalt noch aus dem [X.] wird deutlich, worin eine grundsätzliche, über den Fall des [X.] hinausgehende allgemeine Bedeutung iS des § 160 Abs 2 [X.] [X.]G liegen könnte, die rechtlich noch ungeklärte Fragestellungen aufwirft. Auch eine Abweichung des angefochtenen Urteils von einer Entscheidung des B[X.], des [X.] oder des [X.] ist weder zu erkennen noch geltend gemacht.

5

Aus dem Akteninhalt und dem Vortrag des [X.] ergeben sich auch keine Anhaltspunkte dafür, dass ein Prozessbevollmächtigter des [X.] erfolgreich einen Verfahrensmangel iS des § 160 Abs 2 [X.] [X.]G geltend machen kann, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann. Der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 [X.]G und auf eine Verletzung des § 103 [X.]G nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das L[X.] ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist (§ 160 Abs 2 Satz 1 [X.] Halbs 2 [X.]G). Soweit der Kläger als Verstoß gegen die Grundsätze eines fairen Verfahrens (vgl hierzu zB B[X.] vom 21.7.2009 - B 7 [X.] 9/09 B) rügt, das L[X.] habe die angebotene Gegenbeweisführung vereitelt, indem es ihm erst 20 Monate nach Eingang des Rechtsmittels der Berufung mitgeteilt habe, dass diese verfristet sei, liegen keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass das L[X.] zu einem anderen Beweisergebnis hätte gelangen können. Ein entsprechender Beweisantrag liegt nicht vor. Das L[X.] hat insofern eine Beweiswürdigung vorgenommen, die einer Überprüfung im Revisionsverfahren grundsätzlich nicht zugänglich ist (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]G). Gerichtliche Eingangsstempel erbringen im Übrigen regelmäßig den Beweis für [X.] und Ort des Eingangs eines Schreiben oder eines Schriftsatzes ([X.] Beschluss vom 30.10.1997 - [X.] - NJW 1998, 461). Wird die Unrichtigkeit eines gerichtlichen [X.] nach Einwurf eines Schriftsatzes in den Nachtbriefkasten vorgetragen, muss das Gericht zunächst durch Einholung einer dienstlichen Äußerung der Wachtmeisterei aufklären, ob es im Hinblick auf die Funktionsweise des [X.] oder das bei der Leerung zu beachtende Verfahren einen Fehler gegeben hat (vgl zB [X.] Beschluss vom 3.7.2008 - [X.] 169/07 - NJW 2008, 3501). Diese Überprüfung hat das L[X.] mit für den Kläger negativem Ergebnis durchgeführt, welches durch die Vernehmung des [X.] bestätigt worden ist. Dabei ist in Ausnahmefällen - hier der vorgelagerten Prüfung der Zulässigkeit der Berufung - die Vernehmung von Zeugen im Verfahren der Bewilligung von [X.] nach § 118 Abs 2 Satz 3 ZPO möglich.

6

Auch soweit der Kläger als Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör (§ 62 [X.]G, Art 103 GG) geltend macht, mangels zeitnaher Entscheidung über seinen [X.] habe das L[X.] seine Teilnahme an der mündlichen Verhandlung vom [X.] vereitelt und ihm die Möglichkeit genommen, dem Zeugen Fragen zu stellen, ist nicht erkennbar, dass ein zugelassener Prozessbevollmächtigter insofern erfolgreich einen Verfahrensfehler im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde geltend machen könnte. Prüfungsgegenstand bei der Nichtzulassungsbeschwerde ist insofern nicht die Rechtmäßigkeit des Beschlusses über die Ablehnung der [X.], sondern die Frage, ob dem Kläger durch rechtswidrige Vorenthaltung der beantragten [X.] eine sachgerechte Prozessführung und insbesondere die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung des Berufungsgerichts vom [X.] verwehrt und dadurch sein in Art 103 Abs 1 GG verfassungsrechtlich garantierter Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt worden ist. Insofern muss rückschauend beurteilt werden, ob dem Kläger bei zeitgerechter Entscheidung über seinen Antrag [X.] zugestanden hätte (B[X.] Beschluss vom 4.12.2007 - B 2 U 165/06 B - [X.] 4-1500 § 62 [X.], Rd[X.]0). Eine hinreichende Aussicht auf Erfolg iS des § 114 ZPO ist ua gegeben, wenn das Gericht in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist. Umgekehrt kann die Erfolgsaussicht verneint werden, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist ([X.]E 81, 347, 356 ff). Nach diesen Maßstäben war - wegen der Beweiskraft des gerichtlichen [X.] - im konkreten Fall bereits bei Einlegung der Berufung im November 2008 eine hinreichende Erfolgsaussicht nicht anzunehmen.

7

Mit der Ablehnung der beantragten [X.] entfällt zugleich die Beiordnung von Rechtsanwältin A im Rahmen der [X.] (§ 73a Abs 1 [X.]G iVm § 121 ZPO).

Meta

B 4 AS 60/10 BH

09.03.2011

Bundessozialgericht 4. Senat

Beschluss

Sachgebiet: AS

vorgehend SG Marburg, 11. September 2008, Az: S 8 AS 21/06, Urteil

§ 160a Abs 2 S 3 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 151 Abs 1 SGG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 09.03.2011, Az. B 4 AS 60/10 BH (REWIS RS 2011, 8795)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 8795

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

B 5 RS 76/11 B (Bundessozialgericht)

Nichtzulassungsbeschwerde - sozialgerichtliches Verfahren - rechtliches Gehör - Gegenbeweis - Verfahrensmangel - Rückverweisung an das …


B 1 KR 13/21 B (Bundessozialgericht)

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensmangel - Wiedereinsetzung in den vorigen Stand - Einwerfen der …


10 Sa 1425/98 (Landesarbeitsgericht Düsseldorf)


B 2 U 4/22 BH (Bundessozialgericht)


B 1 KR 45/21 B (Bundessozialgericht)

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensmangel - Verletzung rechtlichen Gehörs - Antrag auf Reiseentschädigung - …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.