Bundesgerichtshof, Urteil vom 25.10.2011, Az. XI ZR 67/11

11. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 2070

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BUNDESGERICHTSHOF (BGH) GERICHTE INSOLVENZ BANK- UND KAPITALMARKTRECHT BANKEN BÖRSE VERMÖGEN

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Gegenstand

Entschädigung nach dem Anlegerentschädigungsgesetz: Berücksichtigung von Provisionsansprüchen des Instituts; Verwirkung der Provisionsansprüche


Leitsatz

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 9. Zivilsenats des [X.] in [X.] vom 25. Januar 2011 wird zurückgewiesen.

Auf die Anschlussrevision der Klägerin werden das Urteil des 9. Zivilsenats des [X.] in [X.] vom 25. Januar 2011 aufgehoben und das Urteil der Zivilkammer 2 des Landgerichts [X.] vom 6. April 2010 abgeändert.

Es wird festgestellt, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist.

Die durch die Anrufung des unzuständigen Verwaltungsgerichts B.   entstandenen Mehrkosten hat die Klägerin zu tragen. Die übrigen Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin nimmt die beklagte Entschädigungseinrichtung der Wertpapierhandelsunternehmen auf Entschädigung nach dem [X.] (im Folgenden: [X.]) in Anspruch.

2

Die Klägerin beteiligte sich mit [X.] vom 22. April 1998 und 12. Februar 2002 mit [X.] von 18.735,41 € und 8.560 € jeweils einschließlich [X.] an dem [X.] (im Folgenden: [X.]), einer von der [X.] (im Folgenden: [X.]) im eigenen Namen und für gemeinsame Rechnung der Anleger verwalteten Kollektivanlage, deren Gegenstand nach Nummer 1.4 der in den Geschäftsbesorgungsvertrag einbezogenen [X.] (im Folgenden: [X.]) die Anlage der Kundengelder in "Termingeschäften (Futures und Optionen) für gemeinsame Rechnung zu Spekulationszwecken mit Vorrang von Stillhaltergeschäften" war. Die [X.] sahen ferner in Nummer 10.2 vor, dass der [X.] eine Verwaltungsgebühr von 0,5% pro Monat von dem jeweiligen Vermögensstand des [X.] zustehen sollte.

3

Die [X.] war bis Ende 1997 auf dem sogenannten Grauen Kapitalmarkt tätig. Ab dem 1. Januar 1998 wurde sie als Wertpapierhandelsbank eingestuft und der Aufsicht des [X.] für den Wertpapierhandel unterstellt. Spätestens seit jenem Jahr legte die [X.] nur noch einen geringen Teil der von ihren Kunden vereinnahmten Gelder vertragsgemäß in Termingeschäften an. Ein Großteil der Gelder wurde im Wege eines "Schneeballsystems" für Zahlungen an [X.] und für die laufenden Geschäfts- und Betriebskosten verwendet.

4

Im März 2005 untersagte die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht der [X.] den weiteren Geschäftsbetrieb und stellte am 15. März 2005 den [X.] fest. Am 1. Juli 2005 wurde über das Vermögen der [X.] das Insolvenzverfahren eröffnet.

5

Die Klägerin meldete ihren Entschädigungsanspruch bei der [X.] im April 2005 an. Im Juni 2009 erhob sie gegen die Beklagte vor dem [X.]Untätigkeitsklage mit dem Antrag, die Beklagte zur Bescheidung ihres Entschädigungsantrags, hilfsweise zur Zahlung von 20.000 € zu verpflichten. Das Verwaltungsgericht hat den Verwaltungsrechtsweg für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit mit Beschluss vom 23. Oktober 2009 an das [X.] verwiesen. Bereits mit Schreiben vom 21. September 2009 hatte die Beklagte der Klägerin eine Teilentschädigung von 12.732,75 € gewährt. Darin stellte sie - nach Abzug von [X.], [X.] und [X.] - den "Endstand der Beteiligung" der Klägerin mit 21.618,45 € fest. Ferner machte sie - neben der Berücksichtigung des gesetzlichen Selbstbehalts von 10% - einen Einbehalt in Höhe von 7.470,96 € wegen möglicher Aussonderungsrechte der Klägerin an den auf den (Treuhand-)Konten noch vorhandenen Geldern geltend. Insoweit berief sie sich darauf, dass der Insolvenzverwalter über das Vermögen der [X.] zur Frage des Bestehens von [X.] Rechtsgutachten eingeholt und Wirtschaftsprüfer beauftragt habe, die in ihren Gutachten zu unterschiedlichen Berechnungsmethoden mit unterschiedlichen Ergebnissen gekommen seien.

6

Mit der Klage hat die Klägerin von der [X.] die Zahlung von 90% des einbehaltenen Betrages, d.h. von 6.723,86 €, verlangt. Sie ist der Ansicht, der Einbehalt wegen etwaiger Aussonderungsrechte und - hilfsweise - die Abzüge der [X.] über 3.759,82 € seien nicht gerechtfertigt.

7

Das [X.] hat der Klage nach dem Hauptantrag der Klägerin stattgegeben. Auf die Berufung der [X.] hat das Berufungsgericht der Klage nur in Höhe von 3.384,17 € stattgegeben; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen und die weitergehende Berufung zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter, während die Klägerin mit ihrer Anschlussrevision zunächst die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils begehrt hat. Nachdem die Beklagte mit Schreiben vom 18. Juli 2011 eine weitere Teilentschädigung in Höhe von 6.723,86 € gewährt und anschließend gezahlt hat, hat die Klägerin den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt. Sie begehrt nunmehr - da die Beklagte der Erledigung widersprochen hat - die Feststellung, dass die Hauptsache erledigt ist.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision der [X.] ist unbegründet. Dagegen ist auf die Anschlussrevision der Klägerin unter Aufhebung des Berufungsurteils und Abänderung des Urteils des [X.] festzustellen, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist, weil die Klage zum Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses zulässig und begründet war.

I.

9

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ([X.], Urteil vom 25. Januar 2011 - 9 U 117/10, juris) im Wesentlichen ausgeführt:

Der Klägerin stehe zwar gegen die Beklagte dem Grunde nach ein Entschädigungsanspruch aus § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 [X.] zu; bei dem [X.] handele es sich um ein Finanzkommissionsgeschäft. Die Beklagte habe aber zu Recht wegen möglicher Aussonderungsrechte der Klägerin einen Einbehalt vornehmen dürfen. Durch Aussonderungsrechte gesicherte Verbindlichkeiten seien nach §§ 3, 4 [X.] nicht entschädigungsfähig. Da der [X.] nicht die Prüfung und Klärung der offenen insolvenzrechtlichen Fragen im Verhältnis zwischen den Anlegern und dem Insolvenzverwalter obliege, dürfe sie die höchstrichterliche Klärung dieser Fragen abwarten.

Die Klägerin habe aber gegen die Beklagte einen weiteren - hilfsweise geltend gemachten - Teilentschädigungsanspruch in Höhe von 90% der abgezogenen [X.], mithin in Höhe von 3.384,17 € (rechnerisch richtig: 3.383,84 €). Dieser Abzug sei zu Unrecht erfolgt. Die Klägerin sei so zu stellen, wie wenn sie die Beteiligungsverträge nach Aufnahme des [X.] gekündigt bzw. nicht abgeschlossen hätte. Die Provisionen müsse sie sich nicht anrechnen lassen, weil die [X.] ihren Anspruch auf die vertraglich vereinbarte Vergütung mit Aufnahme des fortgesetzt betrügerischen und vertragswidrigen Verhaltens verwirkt habe.

II.

Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nur teilweise stand.

A. Revision der [X.]

Die Revision der [X.] ist unbegründet. Das Berufungsgericht hat den von der Klägerin hilfsweise geltend gemachten Entschädigungsanspruch aus § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 [X.] in Höhe von 90% der von der [X.] abgezogenen [X.], nach seiner von der Revision nicht angegriffenen Berechnung 3.384,17 €, zu Recht bejaht.

1. Die [X.], ein unter anderem mit [X.]n befasstes Kreditinstitut (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 KWG), war nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ein der beklagten Entschädigungseinrichtung zugeordnetes Institut (§ 1 Abs. 1 Nr. 2, § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 [X.]). Den Eintritt des [X.] hat die [X.] gemäß § 1 Abs. 5, § 5 Abs. 1 [X.] festgestellt.

2. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei eine Verbindlichkeit der [X.] gegenüber der Klägerin aus Wertpapiergeschäften bejaht.

a) Zwischen der Klägerin und der [X.] ist ein Geschäftsbesorgungsvertrag über die Anschaffung und die Veräußerung von Finanzinstrumenten (hier: Derivate, § 1 Abs. 11 Sätze 1 und 4 KWG) im eigenen Namen für fremde Rechnung geschlossen worden. Dabei handelt es sich - wie der [X.] mit Urteil vom 20. September 2011 ([X.], Rn. 15 ff., für [X.] bestimmt) im Einzelnen begründet hat - um [X.] im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 KWG und somit um Wertpapiergeschäfte nach § 1 Abs. 3 [X.].

b) Es bestand auch eine Verbindlichkeit der [X.] gegenüber der Klägerin aus dem Geschäftsbesorgungsvertrag.

Gemäß § 1 Abs. 4 Satz 1 [X.] in der hier maßgeblichen Fassung des [X.] ([X.] I S. 2010; vgl. hierzu [X.]surteil vom 23. November 2010 - [X.], [X.] 187, 327 Rn. 15) sind Verbindlichkeiten aus Wertpapiergeschäften Verpflichtungen eines Instituts zur Rückzahlung von [X.], die Anlegern aus Wertpapiergeschäften geschuldet werden oder gehören und die für deren Rechnung im Zusammenhang mit Wertpapiergeschäften gehalten werden. Wie der [X.] mit Urteil vom 23. November 2010 ([X.], [X.] 187, 327 Rn. 14 ff.) entschieden und im Einzelnen begründet hat, wird von dieser Vorschrift auch der von der Klägerin gegen die [X.] geltend gemachte Anspruch auf Rückzahlung der von ihr eingezahlten Gelder, der seine Grundlage in § 675 Abs. 1, § 667 Fall 1 [X.] hat, erfasst. Denn bei den vertragswidrig verwendeten [X.] handelt es sich um Gelder, die dem Anleger gehören und für dessen Rechnung im Zusammenhang mit Wertpapiergeschäften gehalten werden. Das [X.] und Anlegerentschädigungsgesetz bezweckt gerade auch den Schutz des Anlegers vor solchen Vertragsverletzungen eines Instituts, die den Anspruch des Kunden auf Rückzahlung der eingezahlten, aber vertragswidrig verwendeten Gelder vereiteln ([X.]surteil vom 23. November 2010, aaO, Rn. 28).

3. Wie das Berufungsgericht weiter zutreffend ausgeführt hat, umfasst der Entschädigungsanspruch auch die von der [X.] in ihrem Schreiben vom 21. September 2009 - zu Unrecht - abgezogene Bestandsprovision.

a) Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 [X.] richtet sich der Entschädigungsanspruch des Anlegers nach Höhe und Umfang der ihm gegenüber bestehenden Verbindlichkeiten aus Wertpapiergeschäften unter Berücksichtigung etwaiger Aufrechnungs- und Zurückbehaltungsrechte des Instituts.

aa) Die Bemessung des [X.] erfolgt danach in zwei Schritten. Zunächst sind Höhe und Umfang der Verbindlichkeiten aus Wertpapiergeschäften festzustellen. Diese umfassen nach § 1 Abs. 4 Satz 1 [X.] die Verpflichtungen des Instituts auf Rückzahlung von [X.], die Anlegern aus Wertpapiergeschäften geschuldet werden oder gehören und die für deren Rechnung im Zusammenhang mit Wertpapiergeschäften gehalten werden. Sodann sind etwaige Aufrechnungs- und Zurückbehaltungsrechte des Instituts zu klären und gegebenenfalls nach allgemeinen Grundsätzen dem Entschädigungsanspruch gegenüberzustellen; die Darlegungs- und Beweislast trifft insoweit die Entschädigungseinrichtung (vgl. [X.]surteil vom 23. November 2010 - [X.], [X.] 187, 327 Rn. 32). Der so bemessene Entschädigungsanspruch ist gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 [X.] auf 90% der Verbindlichkeiten aus Wertpapiergeschäften und einen Gegenwert von 20.000 € begrenzt.

bb) Entgegen der Auffassung der Revision sind die [X.] bei der Feststellung der Höhe und des Umfangs der Verbindlichkeiten aus Wertpapiergeschäften i.S.d. § 1 Abs. 4 Satz 1 [X.] nicht zu berücksichtigen.

(1) Bereits der Wortlaut des § 1 Abs. 4 Satz 1 [X.] spricht dafür, dass unter den Begriff der Verbindlichkeiten aus Wertpapiergeschäften sämtliche Gelder fallen, die der Anleger dem Institut zur Anlage in Wertpapiergeschäften übergeben hat. Die Vorschrift stellt auf die Verbindlichkeiten des Instituts gegenüber dem Anleger auf Rückzahlung von [X.] oder Herausgabe von Instrumenten ab. Diese Ansprüche haben ihre Grundlage in § 675 Abs. 1, § 667 Fall 1 [X.].

Gegenansprüche des Instituts auf Provisionszahlung werden dagegen von dem Wortlaut des § 1 Abs. 4 Satz 1 [X.] nicht erfasst. Dies wäre nur dann anders, wenn es sich dabei um unselbständige Rechnungsposten der in dieser Vorschrift genannten Ansprüche handeln würde. Dies ist indes nicht der Fall. Die Provisionsansprüche sind eigenständige Ansprüche des Instituts, die ihre Grundlage in § 396 HGB bzw. hier in Nr. 10.2 AGB finden. Gegen die Einordnung als bloßer Rechnungsposten spricht im Übrigen auch, dass ein solcher nur im Rahmen eines Rückzahlungsanspruchs berücksichtigt, nicht dagegen dem Anspruch auf Herausgabe von Instrumenten entgegengesetzt werden könnte und für eine solche unterschiedliche Behandlung kein sachlicher Grund besteht.

(2) Diese Auslegung wird durch die Systematik der § 1 Abs. 4 Satz 1, § 4 Abs. 1 Satz 1 [X.] bestätigt. Danach sind die Ansprüche des Anlegers gegen das Institut einerseits und die Gegenansprüche des [X.] ("Aufrechnungs- und Zurückbehaltungsrechte") andererseits voneinander zu trennen. Provisionsansprüche des Instituts sind Gegenansprüche.

(3) Davon ist auch nach dem Willen des Gesetzgebers auszugehen. Nach der Gesetzesbegründung zur bis zum 30. Juni 2002 geltenden Fassung des § 1 Abs. 4 [X.] sollten in den Schutzbereich der Norm nur solche Verpflichtungen aus Wertpapiergeschäften fallen, die zu den vertraglichen Hauptleistungspflichten gehören, nicht dagegen beispielsweise Schadensersatzansprüche aus [X.] (BT-Drucks. 13/10188, [X.]). Mit der Neufassung des § 1 Abs. 4 [X.] durch das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz vom 21. Juni 2002 ([X.] I S. 2010) sollten nach dem Willen des Gesetzgebers im Wesentlichen redaktionelle Unklarheiten des [X.] beseitigt werden (vgl. BT-Drucks. 14/8017, S. 69 f.), die den Schutzbereich der Vorschrift unberührt gelassen haben. Wenngleich die Unterscheidung zwischen Hauptleistungspflichten und Schadensersatzansprüchen aus [X.] im Hinblick darauf zweifelhaft ist, dass auch die Beratungsleistung eine vertragliche Hauptleistungspflicht darstellen kann, ist das vom Gesetzgeber verfolgte Ziel klar. Geschützt werden (nur) solche Ansprüche des Anlegers, die sich unmittelbar auf die Verschaffung von Rechten, Besitz oder Eigentum an [X.] oder Wertpapieren richten. Dazu gehören auch Ansprüche wegen der Verletzung vertraglicher Pflichten, durch die - wie etwa im Falle der Unterschlagung oder Untreue  die Ansprüche des Kunden auf die Verschaffung von Rechten, Besitz oder Eigentum an [X.] oder Wertpapieren vereitelt werden (vgl. [X.]surteil vom 23. November 2010 - [X.], [X.] 187, 327 Rn. 24 mwN). Maßgebend für die Bemessung des [X.] sind daher im Ausgangspunkt die Gelder, die der Anleger dem Institut zur Anlage in Wertpapieren überlassen hat. Dies ist der Nettobetrag seiner "Beteiligung".

(4) Diese Bestimmung des Schutzbereichs ist auch europarechtskonform. § 1 Abs. 4 Satz 1 [X.] beruht auf Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 97/9/[X.] des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. März 1997 über Systeme für die Entschädigung der Anleger ([X.]. [X.] 1997 Nr. L 84 S. 22). Dieser bestimmt, dass dem Anleger Gelder zurückzuzahlen sind, die ihm geschuldet werden oder gehören und für seine Rechnung im Zusammenhang mit Wertpapiergeschäften gehalten werden. Weiterhin gewährleistet diese Norm, dass dem Anleger die Finanzinstrumente zurückgegeben werden, die diesem gehören und für seine Rechnung im Zusammenhang mit Wertpapiergeschäften gehalten, verwahrt oder verwaltet werden. Auch danach sind Ausgangspunkt für die Berechnung des [X.] die Gelder, die der Anleger dem Institut zur Anlage in Wertpapiergeschäften überlassen hat. Etwaige gesetzliche oder vertragliche Gegenansprüche des Instituts werden erst in Art. 2 Abs. 4 der Richtlinie erwähnt. Beides ist daher zu trennen.

(5) Aus dem [X.]surteil vom 23. November 2010 ([X.], [X.] 187, 327) ergibt sich nichts anderes. Darin hat der [X.] entschieden, dass  neben den Scheingewinnen (aaO, Rn. 22 ff.) - auch das auf die [X.] gezahlte Agio (aaO, Rn. 30) und tatsächlich erzielte [X.] (aaO, Rn. 31) nicht entschädigungspflichtig sind. Dies ist indes die Konsequenz aus dem vorstehend umrissenen Schutzumfang der Anlegerentschädigung. Das Agio ist nach den vertraglichen Vereinbarungen nicht zur [X.] bestimmt, sondern soll den Verwaltungsaufwand des Instituts abdecken. Aufgrund dessen kann der Anleger das Agio allenfalls als Schadensersatz wegen von vornherein beabsichtigter Nichtdurchführung der Vermögensanlage herausverlangen. Dieser Anspruch wird vom [X.] und Anlegerentschädigungsgesetz indes - wie oben dargelegt - nicht geschützt. Entsprechendes gilt für den Ausgleich von Handels- oder Kursverlusten, die aufgrund einer fehlerhaften Anlagestrategie entstanden sind; auch diese kann der Anleger gegebenenfalls nur im Wege des Schadensersatzes von seinem Vertragspartner, nicht dagegen von der Entschädigungseinrichtung ersetzt verlangen, weil Beratungs- oder Anlagefehler nicht dem Schutz des [X.] und Anlegerentschädigungsgesetzes unterfallen.

cc) Provisionsansprüche des Instituts können nach § 4 Abs. 1 Satz 1 [X.] (nur) im Wege der Aufrechnung berücksichtigt werden. Diese Vorschrift verweist insoweit - was auch im Einklang mit Art. 2 Abs. 4 der Richtlinie 97/9/[X.] steht - auf die allgemeinen Vorschriften, hier der §§ 387 ff. [X.]. Danach muss die Gegenforderung insbesondere gleichartig und wirksam sein. Lediglich das Merkmal der Gegenseitigkeit wird durch § 4 Abs. 1 Satz 1 [X.] modifiziert. Die zur Aufrechnung gestellte Forderung muss somit vollwirksam und fällig sein, d.h. es muss sich um eine Forderung handeln, deren Erfüllung erzwungen werden kann und die frei von Einwendungen oder Einreden ist (§ 390 [X.]; vgl. nur [X.], Urteil vom 14. Juli 2005 - [X.], [X.], 1855, 1856).

b) Nach diesen Maßgaben kann die Beklagte der Klägerin einen Anspruch auf Zahlung von [X.] nicht entgegenhalten. Für eine hier allein in Betracht kommende Aufrechnung fehlt es an einer Gegenforderung.

aa) Die [X.] hat ihren Anspruch auf die Verwaltungsgebühr, der seine Grundlage in Nr. 10.2 AGB hat, verwirkt.

Nach gefestigter Rechtsprechung des [X.] kann ein Vergütungsanspruch nach dem Rechtsgedanken des § 654 [X.] verwirkt sein, wenn ein Dienstverhältnis eine besondere Treuepflicht begründet und der Dienstleistende in schwerwiegender Weise diese Treuepflicht verletzt und sich dadurch als seines Lohnes unwürdig erweist. Das ist der Fall, wenn die Treuepflicht vorsätzlich, wenn nicht gar arglistig, mindestens aber in einer grob leichtfertigen Weise verletzt wird, die dem Vorsatz nahekommt ([X.], Beschluss vom 6. Mai 2004 - [X.] 349/02, [X.] 159, 122, 131 f.; Urteil vom 19. Mai 2005 - [X.], [X.], 1480, 1481; Beschluss vom 23. September 2009 - [X.], NJW-RR 2009, 1710 Rn. 8 ff. und Urteil vom 9. Dezember 2010 - [X.], [X.], 364 Rn. 14; jeweils mwN).

Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Nach den tatbestandlichen Feststellungen des Berufungsgerichts hat die [X.] schon vor der ersten Einzahlung der Klägerin die eingetretenen hohen Verluste zu verschleiern versucht, indem sie zunächst Buchungen manipulierte, später fiktive gewinnbringende Anlagegeschäfte über ein nicht existierendes Konto vortäuschte und die Einzahlungen der Anleger entgegen der vertraglichen Vereinbarung weit überwiegend nicht mehr für neue Anlagen, sondern für Auszahlungen an Altkunden und für die laufenden Kosten verwendete. Damit hat sie ihre Treuepflicht in besonders grobem Maße verletzt und ihren Provisionsanspruch verwirkt (ebenso [X.], Urteil vom 9. Dezember 2010 - [X.], [X.], 364 Rn. 14).

bb) Der Provisionsanspruch der [X.] kann auch nicht im Wege der fiktiven Betrachtung einer vertragsgemäßen Abwicklung der Wertpapiergeschäfte Berücksichtigung finden. Dafür fehlt es an einer gesetzlichen Grundlage. § 4 Abs. 1 Satz 1 [X.] stellt ausdrücklich auf etwaige Aufrechnungs- und Zurückbehaltungsrechte ab. Damit sind - wie dargelegt - nur tatsächlich und rechtlich bestehende und durchsetzbare Ansprüche gemeint.

B. Anschlussrevision der Klägerin

Die Anschlussrevision der Klägerin hat Erfolg. Auf den geänderten Antrag der Klägerin ist die Erledigung der Hauptsache festzustellen, weil die mit dem Hauptantrag erhobene Zahlungsklage im Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses, d.h. bei Zahlung der [X.], zulässig und begründet gewesen ist. Der Klägerin stand gegen die Beklagte aus § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 und 2, § 5 Abs. 1 und 4 [X.] ein weiterer Teilentschädigungsanspruch in Höhe von 6.723,86 € zu, weil die Beklagte insoweit - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - zu Unrecht einen Einbehalt wegen möglicher Aussonderungsrechte der Klägerin an den auf den (Treuhand-)Konten noch vorhandenen [X.] geltend gemacht hat.

1. Das Berufungsgericht ist allerdings zutreffend davon ausgegangen, dass - wie der [X.] nach Erlass der angefochtenen Entscheidung mit Urteil vom 20. September 2011 ([X.], Rn. 41 ff., für [X.] bestimmt) entschieden und im Einzelnen begründet hat - § 4 Abs. 1 [X.] die Berücksichtigung von [X.] bei der Bemessung des [X.] gebietet. Indes hat der [X.]. Zivilsenat des [X.] mit Urteil vom 10. Februar 2011 ([X.] ZR 49/10, [X.] 188, 317 Rn. 12 ff.) das Bestehen von [X.] oder Mitaussonderungsrechten der Anleger nach § 47 Abs. 1 [X.] an den von der [X.] eingerichteten Einzahlungs- und [X.] verneint. Dies wird auch von der [X.] nicht mehr in Frage gestellt. Aufgrund dessen bestand der Anspruch - unter Abzug des 10%-igen Selbstbehalts - in der vom [X.] zuerkannten Höhe.

2. Der Entschädigungsanspruch der Klägerin ist - wie der [X.] ebenfalls mit Urteil vom 20. September 2011 ([X.], Rn. 50 ff., für [X.] bestimmt) entschieden und näher begründet hat - zum Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses auch fällig gewesen. In diesem Zusammenhang hat der [X.] (aaO, Rn. 63) ausgesprochen, dass für die Fälligkeit der Erlass des Urteils des [X.] vom 10. Februar 2011 ([X.] ZR 49/10, [X.] 188, 317) keine Rolle spielte. Hierdurch ist zwar entschieden worden, dass den Anlegern an den Einzahlungs- und [X.] der [X.] weder ein [X.] noch ein Mitaussonderungsrecht nach § 47 Abs. 1 [X.] zusteht. Dieses von dem Insolvenzverwalter über das Vermögen der [X.] gegen einen Großanleger mit einer [X.] von 11.130.000 US-Dollar betriebene Verfahren stellt aber keinen (tauglichen) "Musterprozess" dar, dessen Ausgang die Beklagte abwarten durfte. Dies folgt bereits daraus, dass die Beklagte nicht "Herrin" des Verfahrens war und z.B. eine Unterbrechung des Verfahrens im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gegenpartei nicht hätte verhindern können. Aufgrund dessen ist das unter Beweisantritt gestellte neue Tatsachenvorbringen der [X.] im Schriftsatz vom 18. Oktober 2011, sie habe über den Gläubigerausschuss auf dieses Verfahren einwirken können, unerheblich. Darüber hinaus hat die Beklagte auch nicht dargelegt, dass sie auf dieses Verfahren in gleichem Maße Einfluss auf die Prozessführung nehme konnte, wie ihr dies in einem von ihr selbst geführten Rechtsstreit möglich gewesen wäre.

Der von der Klägerin geltend gemachte Entschädigungsanspruch war daher bereits bei Klageerhebung und erst recht im Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses fällig. Aufgrund dessen kann offenbleiben, ob - würde man entgegen der hier vertretenen Auffassung mit der [X.] für den Eintritt der Fälligkeit im Ausgangspunkt erst auf den Erlass des Urteils des [X.]. Zivilsenats des [X.] vom 10. Februar 2011 ([X.] ZR 49/10, [X.] 188, 317) zuzüglich einer weiteren Überlegungsfrist und der Frist des § 5 Abs. 4 Satz 6 [X.] abstellen - auch danach inzwischen Fälligkeit des von der Klägerin geltend gemachten [X.] eingetreten wäre.

III.

Das Berufungsurteil ist daher auf die Anschlussrevision der Klägerin aufzuheben, weil das Berufungsgericht zu Unrecht den von der Klägerin mit ihrer [X.] verfolgten Zahlungsanspruch in Höhe von 6.723,86 € verneint hat (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da auch im Hinblick auf den infolge der Erledigung der Hauptsache geänderten Antrag der Klägerin keine weiteren Feststellungen erforderlich sind und die Sache damit zur Endentscheidung reif ist, hat der [X.] selbst zu entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO). Dies führt - unter Abänderung des Urteils des [X.] - zur Feststellung, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist.

                 

Frau Ri[X.] Mayen ist
im Urlaub und kann daher
nicht unterschreiben

                 

[X.]     

        

[X.]

        

Grüneberg

        

Maihold     

        

     Pamp     

        

Meta

XI ZR 67/11

25.10.2011

Bundesgerichtshof 11. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend KG Berlin, 25. Januar 2011, Az: 9 U 117/10, Urteil

§ 4 Abs 1 S 1 EAEG, § 387 BGB, §§ 387ff BGB, § 654 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 25.10.2011, Az. XI ZR 67/11 (REWIS RS 2011, 2070)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 2070

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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