Bundesfinanzhof, Urteil vom 11.04.2013, Az. V R 29/10

5. Senat | REWIS RS 2013, 6700

STRAFRECHT STEUERRECHT STRAFVERFAHREN BUNDESFINANZHOF (BFH) UMSATZSTEUER ANWALTSKOSTEN

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Gegenstand

Vorsteuerabzug aus Strafverteidigerleistungen beim Vorwurf der Auftragserlangung durch Bestechung potentieller Auftraggeber - Direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen Eingangsumsatz und Ausgangsumsatz


Leitsatz

1. Der für den Vorsteuerabzug erforderliche direkte und unmittelbare Zusammenhang zwischen der Eingangsleistung und der Tätigkeit des Steuerpflichtigen bestimmt sich nach dem objektiven Inhalt der von ihm bezogenen Leistung .

2. Anwaltsdienstleistungen, deren Zweck darin besteht, strafrechtliche Sanktionen gegen natürliche Personen zu vermeiden, die Geschäftsführer eines steuerpflichtigen Unternehmens sind, eröffnen keinen Anspruch auf Vorsteuerabzug .

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war Einzelunternehmer und Mehrheitsgesellschafter der [[[X.].].] (GmbH). Der Kläger und [[X.].] waren Geschäftsführer der GmbH, die im Rahmen ihrer unternehmerischen (wirtschaftlichen) Tätigkeit nach § 2 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes 1999/2005 (UStG) und Art. 4 der [[X.].] zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/[[X.].] (Richtlinie 77/388/[[X.].]) steuerpflichtige Bauleistungen gegen Entgelt erbrachte. [X.]rokurist und später ebenfalls Geschäftsführer der GmbH war [[X.].] Zwischen dem Kläger als Organträger und der GmbH als Organgesellschaft bestand eine Organschaft nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG.

2

Nachdem die GmbH einen Bauauftrag erhalten und diesen gegen Entgelt steuerpflichtig ausgeführt hatte, eröffnete die für die Strafverfolgung zuständige Staatsanwaltschaft ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen den Kläger und [X.], da der Verdacht bestand, die GmbH habe zur Erlangung dieses Auftrags bei der Ausschreibung eines Bauprojekts vertrauliche Informationen über Angebote konkurrierender Bauunternehmen erhalten und habe deshalb [[X.].] bei der Ausschreibung unterbieten können. Die GmbH habe für die Erlangung dieser Informationen Zuwendungen geleistet, die strafrechtlich als "Bestechung" oder Beihilfe durch den Kläger, [[X.].] und [X.] und für den Zuwendungsempfänger als "Bestechlichkeit" zu würdigen seien. Die gegen den Kläger und gegen [X.] eröffneten Strafverfahren wurden gemäß § 153a der Strafprozessordnung gegen Zahlung von Geldbeträgen eingestellt.

3

Im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren wurde der Kläger durch einen Rechtsanwalt und [X.] durch eine Rechtsanwältin vertreten. Nach den bei der jeweiligen Mandatserteilung getroffenen Honorarvereinbarungen waren Auftraggeber des Rechtsanwalts der Kläger als Beschuldigter und die GmbH sowie Auftraggeber der Rechtsanwältin der Beschuldigte [X.] und die GmbH. Beide Rechtsanwälte erteilten über ihr Honorar jeweils eine an die GmbH adressierte Rechnung. Aus den Rechnungen der beiden Rechtsanwälte nahm der Kläger --als Organträger der [X.] im Streitjahr 2005 den Vorsteuerabzug vor.

4

Im [X.] an eine [X.] ging der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --[X.]--) davon aus, dass die Klägerin nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt sei und änderte den [X.] November 2005 entsprechend. Der hiergegen eingelegte Einspruch hatte keinen Erfolg.

5

Demgegenüber gab das Finanzgericht ([X.]) der Klage mit seinem in "Entscheidungen der Finanzgerichte" 2011, 192 veröffentlichten Urteil statt, da die Klägerin aus den Leistungen der beiden Strafverteidiger zum Vorsteuerabzug berechtigt sei. Während des [X.] erging der Umsatzsteuerbescheid 2005 vom 9. März 2009, der gemäß § 68 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) Gegenstand des Verfahrens wurde.

6

Gegen das Urteil des [X.] wendet sich das [X.] mit der Revision, mit der es geltend macht, dass das Urteil materielles Recht verletzt habe.

7

Der Senat hat mit Beschluss vom 22. Dezember 2011 V R 29/10 ([X.], 242, [X.], 441) das Revisionsverfahren ausgesetzt und dem [X.] ([X.]) folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

8

1. Bestimmt sich der von der [X.]-Rechtsprechung bei der Auslegung des Begriffs für "Zwecke seiner besteuerten Umsätze" i.S. von Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 77/388/[[X.].] als maßgeblich erachtete direkte und unmittelbare Zusammenhang
- nach dem objektiven Inhalt der vom Steuerpflichtigen bezogenen Leistung (hier: Tätigkeit eines Strafverteidigers, damit eine natürliche [X.]erson nicht strafrechtlich verurteilt wird) oder
- nach dem [X.] der bezogenen Leistung (hier: wirtschaftliche Tätigkeit des Steuerpflichtigen, bei der angeblich eine Straftat durch eine natürliche [X.]erson begangen wurde)?

9

2. Falls es auf den [X.] ankommt: Ist ein Steuerpflichtiger, der eine Leistung zusammen mit einem Angestellten in Auftrag gibt, gemäß Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 77/388/[[X.].] zum vollen oder nur zum anteiligen Vorsteuerabzug berechtigt und welche Anforderungen bestehen bei Bezug einer Leistung durch mehrere Empfänger an die Rechnungserteilung gemäß Art. 22 Abs. 3 Buchst. b fünfter Gedankenstrich der Richtlinie 77/388/[[X.].]?

Der [X.] hat in seinem Urteil vom 21. Februar 2013 [X.], [[[X.].].] ([X.], 220) nur eine Antwort auf die erste Frage für erforderlich gehalten und diese wie folgt beantwortet:

"Für die Feststellung, ob Gegenstände und Dienstleistungen von einem Steuerpflichtigen im Sinne von Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der [X.]/[[X.].] des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern − Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage in der durch die Richtlinie 2001/115/[X.] vom 20. Dezember 2001 geänderten Fassung 'für Zwecke seiner besteuerten Umsätze' verwendet wurden, bestimmt sich das Vorliegen eines direkten und unmittelbaren Zusammenhangs zwischen einem konkreten Umsatz und der gesamten Tätigkeit des Steuerpflichtigen nach dem objektiven Inhalt der von ihm bezogenen Gegenstände oder Dienstleistungen.

Im vorliegenden Fall eröffnen die [X.], deren Zweck darin besteht, strafrechtliche Sanktionen gegen natürliche [X.]ersonen, die Geschäftsführer eines steuerpflichtigen Unternehmens sind, zu vermeiden, diesem Unternehmen keinen Anspruch auf Abzug der für die erbrachten Leistungen geschuldeten Mehrwertsteuer als Vorsteuer."

Das [X.] beantragt,
das Urteil des [X.] aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision des [X.] ist begründet. Das Urteil des [X.] ist aufzuheben und die Klage abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 [X.]O). Entgegen dem Urteil des [X.] kann der Kläger aus den Leistungen der beiden Strafverteidiger keinen Vorsteuerabzug in Anspruch nehmen.

1. Der Unternehmer ist nach § 15 UStG zum Vorsteuerabzug berechtigt, soweit er [X.] für Zwecke seines Unternehmens und damit für seine wirtschaftliche Tätigkeit bezieht.

a) Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG kann der Unternehmer die gesetzlich geschuldete Steuer für Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen. Ausgeschlossen ist der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG für Leistungen, die der Unternehmer für steuerfreie Umsätze verwendet. Diese Vorschriften beruhen auf Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der [X.]/[X.], wonach der Steuerpflichtige (Unternehmer), der Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet, befugt ist, die im Inland geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen, die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert oder erbracht werden, von der von ihm geschuldeten Steuer abzuziehen.

b) Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] ([X.]) ist der Unternehmer gemäß § 15 Abs. 1 und 2 UStG zum Vorsteuerabzug berechtigt, soweit er Leistungen für sein Unternehmen und damit für seine wirtschaftlichen Tätigkeiten zur Erbringung entgeltlicher Leistungen zu verwenden beabsichtigt. Im Hinblick auf den weiter erforderlichen direkten und unmittelbaren Zusammenhang zwischen Eingangs- und Ausgangsumsatz ist dabei wie folgt zu differenzieren (vgl. z.B. [X.]-Urteil vom 9. Februar 2012 V R 40/10, [X.]E 236, 258, [X.], 844, unter II.1.).

aa) Besteht der direkte und unmittelbare Zusammenhang zu einem einzelnen Ausgangsumsatz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit, der steuerpflichtig ist (gleichgestellt: Umsatz i.S. von § 15 Abs. 3 UStG und Art. 17 Abs. 3 der [X.]/[X.]), kann der Unternehmer den Vorsteuerabzug in Anspruch nehmen. Die für den Leistungsbezug getätigten Aufwendungen gehören dann zu den Kostenelementen dieses Ausgangsumsatzes.

bb) Bei einem direkten und unmittelbaren Zusammenhang zu einem Ausgangsumsatz, der mangels wirtschaftlicher Tätigkeit nicht dem Anwendungsbereich der Steuer unterliegt oder --ohne Anwendung von § 15 Abs. 3 UStG (Art. 17 Abs. 3 der [X.]/[X.])-- steuerfrei ist, besteht keine Berechtigung zum Vorsteuerabzug. Dies gilt auch, wenn der Unternehmer eine Leistung z.B. für einen steuerfreien Ausgangsumsatz bezieht, um mittelbar seine zum Vorsteuerabzug berechtigende wirtschaftliche Gesamttätigkeit zu stärken, da der von ihm verfolgte endgültige Zweck unerheblich ist.

cc) Fehlt ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen einem bestimmten Eingangsumsatz und einem oder mehreren [X.], kann der Unternehmer zum Vorsteuerabzug berechtigt sein, wenn die Kosten für die Eingangsleistung zu seinen allgemeinen Aufwendungen gehören und --als solche-- Bestandteile des Preises der von ihm erbrachten Leistungen sind. Derartige Kosten hängen direkt und unmittelbar mit seiner wirtschaftlichen Gesamttätigkeit zusammen und berechtigen nach Maßgabe dieser Gesamttätigkeit zum Vorsteuerabzug.

2. Im Streitfall ist der Kläger nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt, da die Leistungen der beiden Strafverteidiger nicht in direktem und unmittelbarem Zusammenhang zur wirtschaftlichen Tätigkeit des [X.] standen. Ohne dass insoweit eine Bindung des Senats an eine Einzelfallbeurteilung durch den [X.] besteht, ist dabei von Folgendem auszugehen.

a) Nach dem im Streitfall ergangenen [X.]-Urteil [X.] in [X.] 2013, 220 bestimmt sich der für den Vorsteuerabzug erforderliche direkte und unmittelbare Zusammenhang zwischen der Eingangsleistung und der gesamten Tätigkeit des Steuerpflichtigen nach dem objektiven Inhalt der von ihm bezogenen Leistung. Dabei eröffnen [X.], deren Zweck darin besteht, strafrechtliche Sanktionen gegen natürliche Personen zu vermeiden, die "Geschäftsführer eines steuerpflichtigen Unternehmens" sind, dem Kläger als Organträger der GmbH keinen Anspruch auf Vorsteuerabzug ([X.]-Urteil [X.] in [X.] 2013, 220, erster und zweiter Leitsatz). Dies gilt zumindest dann, wenn es --wie im [X.] um den Vorwurf der Begehung einer Straftat durch verbotene Zuwendungen an potentielle Auftraggeber geht.

Der [X.] begründet dies damit, dass die [X.] direkt und unmittelbar dem Schutz der privaten Interessen der beiden Beschuldigten dienten, die wegen in ihrem persönlichen Verhalten liegender Zuwiderhandlungen strafrechtlich verfolgt wurden, und dass die Strafverfolgungsmaßnahmen nur gegen sie persönlich und nicht gegen die "GmbH" gerichtet waren ([X.]-Urteil [X.] in [X.] 2013, 220 Rdnr. 30).

b) Dass der Kläger nicht nur Geschäftsführer der GmbH, sondern zugleich gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG auch Organträger der GmbH und damit umsatzsteuerrechtlich Träger des Unternehmens der GmbH als Organgesellschaft war, ändert hieran nach dem Urteil des [X.] nichts, da die Strafverteidigungsleistungen gleichwohl dem "Schutz der privaten Interessen", nicht aber der wirtschaftlichen Tätigkeit des [X.] in seiner Eigenschaft als Organträger dienten. Danach ist z.B. auch nicht danach zu differenzieren, ob es sich bei den "privaten Interessen", die durch die Anwaltsleistung geschützt werden sollen, um die eines Geschäftsführers einer juristischen Person oder um die eines Einzelunternehmers handelt.

3. Das Urteil des [X.] war daher aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Meta

V R 29/10

11.04.2013

Bundesfinanzhof 5. Senat

Urteil

vorgehend FG Köln, 30. Juni 2009, Az: 8 K 1265/07, Urteil

§ 15 UStG 1999, § 15 UStG 2005, Art 17 Abs 2 EWGRL 388/77, UStG VZ 2005

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 11.04.2013, Az. V R 29/10 (REWIS RS 2013, 6700)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 6700

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