Bundesfinanzhof, Urteil vom 06.05.2010, Az. V R 29/09

5. Senat | REWIS RS 2010, 6886

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Gegenstand

("Sphärentheorie": Vorsteuerabzug eines Unternehmers aus der Begebung von Inhaberschuldverschreibung - richtlinienkonforme Auslegung von § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG - Verzicht auf Steuerbefreiung von Umsätzen)


Leitsatz

1. Dient eine vom Unternehmer begebene Inhaberschuldverschreibung dazu, seine umsatzsteuerpflichtige Unternehmenstätigkeit zu finanzieren, ist der Unternehmer aus den bei der Ausgabe der Inhaberschuldverschreibung entstehenden Kosten zum Vorsteuerabzug berechtigt    .

2. Zur richtlinienkonformen Auslegung von § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG nach Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG    .

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine Aktiengesellschaft, die nach ihrem Unternehmensgegenstand steuerpflichtige Umsätze erbringt, begab als Anleiheschuldnerin zwei [X.] über einen Gesamtbetrag von [X.] und einer Laufzeit vom 1. Februar 2005 bis 31. Januar 2010. Die Klägerin hatte die Teilschuldverschreibungen mit 7 % zu verzinsen. Die Teilschuldverschreibungen und die sich aus ihr ergebenden Zinsansprüche waren für die gesamte Laufzeit der Anleihe in einer bei der [X.] hinterlegten [X.] verbrieft. Die Klägerin verpflichtete sich, die Teilschuldverschreibungen am 1. Februar 2010 zum Nennbetrag zurückzuzahlen. Als Zahlstelle war die [X.] für die Klägerin tätig. Die Zahlstelle hatte die zu zahlenden Beträge als Beauftragte der Klägerin an die C-AG zur Zahlung an die Anleihegläubiger zu überweisen.

2

Nach den mit der [X.] für jede der beiden Schuldverschreibungen gesondert abgeschlossenen Verträgen über Abwicklungsdienstleistungen und Zahlstellendienst übertrug die Klägerin auf die [X.] den Zahlstellendienst als Zentralzahlstelle. Die Klägerin stellte der [X.] eine Globalurkunde zur Verfügung, die die [X.] nach Prüfung der Sammelverwahrfähigkeit bei der [X.] zur Verwahrung einzureichen hatte. Der Vertrieb der beiden Schuldverschreibungen sollte durch die Klägerin ohne Einschaltung der Bank erfolgen. Die Klägerin hatte die Käufer der beiden Schuldverschreibungen aufzufordern, den jeweiligen Kaufpreis auf ein bei der [X.] geführtes Konto zu überweisen. Die Klägerin hatte nach Eingang des jeweiligen Kaufpreises die [X.] zu beauftragen, Schuldverschreibungen in der entsprechenden Stückzahl an den angegebenen Käufer bei dessen Depotbanken zu übertragen, wodurch das bei der [X.] geführte [X.] der Klägerin entsprechend belastet wurde. Die [X.] übernahm Planung, Koordination und Durchführung des [X.], aber keine Beratungs- oder Überwachungspflichten hinsichtlich der Vorbereitung und Platzierung der Schuldverschreibungen, der kapitalmarktrechtlichen Verpflichtungen wie Prospekt- oder Mitteilungspflichten während der Laufzeit der beiden Anleihen.

3

Für die Übernahme und Einrichtung der Zahlstellenfunktion (Konten- und Depoteinrichtungen, Vornahme und Abgleich von Depotüberträgen sowie Disposition der Anlagebeträge) erhielt die [X.] nach beiden Verträgen 1,6 % des platzierten [X.] sowie für die Durchführung des Zahlstellendienstes (Einlösung von Zinsscheinen und Anleiherückzahlung) nach einem der Verträge weitere 3.000 € jährlich. Diese Entgelte "verstanden sich zuzüglich der gesetzlichen Mehrwertsteuer".

4

Für die Begebung der Anlage nahm die Klägerin in den Streitjahren 2004 und 2005 Leistungen anderer Unternehmen für die Prospekterstellung, die Erstellung eines Gesamtkonzepts, zum "Business Process Outsourcing" zur Zeichnungsabwicklung sowie Beratungsleistungen in Anspruch. Diese Leistungen wurden ebenso wie die Leistungen der [X.] gegenüber der Klägerin umsatzsteuerpflichtig abgerechnet.

5

Da die Klägerin das durch die Begebung der beiden Schuldverschreibungen aufgenommene Kapital für ihre umsatzsteuerpflichtige Unternehmenstätigkeit verwendete, ging sie davon aus, dass sie aus den für die Begebung der beiden Anleihen entstandenen Kosten zum Vorsteuerabzug berechtigt sei.

6

Im [X.] an eine Außenprüfung war der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --[X.]--) demgegenüber der Auffassung, dass die Klägerin mit der Begebung der Schuldverschreibungen eine nach § 4 Nr. 8 des Umsatzsteuergesetzes 1999/2005 (UStG) steuerfreie Leistung erbracht habe und sie daher nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt sei. Das [X.] erließ entsprechende Änderungsbescheide für beide Streitjahre.

7

Das Finanzgericht ([X.]) gab der hiergegen mit Zustimmung des [X.] eingelegten Sprungklage nach § 45 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) überwiegend statt. Die Klägerin sei zum Vorsteuerabzug berechtigt, da die für die Begebung der beiden Schuldverschreibungen bezogenen Leistungen mit der wirtschaftlichen Gesamttätigkeit der Klägerin direkt und unmittelbar zusammenhingen. Durch die Begebung der beiden Anleihen selbst habe die Klägerin ebenso wie bei der Aufnahme eines Gesellschafters gegen Bareinlage keine steuerbare Leistung erbracht. Es sei insoweit nicht zwischen Eigen- und Fremdkapital zu differenzieren. Der Vorsteuerabzug sei daher nur insoweit zu versagen, als die Klägerin im Rahmen ihrer Gesamttätigkeit zu 0,60 % (2004) und 0,64 % (2005) auch steuerfreie Leistungen ohne Recht auf Vorsteuerabzug erbracht habe.

8

Die Entscheidung des [X.] ist in "Entscheidungen der Finanzgerichte" 2009, 1861 veröffentlicht.

9

Hiergegen wendet sich das [X.] mit der Revision, die es auf die Verletzung materiellen Rechts stützt. Bei den Inhaberschuldverschreibungen handele es sich um Wertpapiere, deren Ausgabe steuerbar und nach § 4 Nr. 8 Buchst. e UStG steuerfrei sei. Es handele sich nicht um die erstmalige Ausgabe einer gesellschaftsrechtlichen Beteiligung. Im Vordergrund habe die Beschaffung von Fremdkapital wie bei einer Darlehensaufnahme gestanden, so dass es auf die Beurteilung bei der Beschaffung von Eigenkapital nicht ankomme. Die Klägerin sei wie bei einem gewerbsmäßigen Wertpapierhandel nachhaltig tätig geworden. Ebenso wie bei einer steuerbaren und steuerfreien Kreditgewährung handele es sich bei der Emission von Inhaberschuldverschreibungen um die Zurverfügungstellung von Fremdkapital. Die Beurteilung der Ausgabe neuer Aktien im Rahmen einer Börseneinführung sei nicht entscheidungserheblich, da sich die Klägerin auf dem allgemeinen gewerblichen Kreditmarkt betätigt habe.

Das [X.] beantragt,

den Gerichtsbescheid des [X.] aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Ebenso wie bei der Ausgabe einer gesellschaftsrechtlichen Beteiligung liege auch bei der Emission von Inhaberschuldverschreibungen keine steuerbare Leistung vor. Der Umstand, dass die Ausgabe der Inhaberschuldverschreibungen zur zeitlich befristeten Aufnahme von [X.] führe, sei unerheblich, da auf die Sicht der emittierenden Gesellschaft und den bei ihr fehlenden Leistungswillen abzustellen sei. Es bestehe kein Unterschied zwischen Eigenkapital und einem eine Kapitalforderung verbriefenden Wertpapier. In beiden Fällen sei der Erwerb von Kapital für den Emittenten maßgeblich. Auch für den Erwerber handele es sich in beiden Fällen um eine Kapitalanlage. Zumindest unter Berücksichtigung der zur [X.] zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/[X.] (Richtlinie 77/388/[X.]) ergangenen Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] (seit 1. Dezember 2009: [X.] --EuGH--) sei sie zum Vorsteuerabzug berechtigt.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision des [X.] ist aus anderen als den geltend gemachten Gründen begründet. Das Urteil des [X.] ist aufzuheben und die Sache an das [X.] zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 [X.]O). Wie das [X.] zwar zutreffend entschieden hat, ist die Klägerin aus den zur Begebung der Schuldverschreibungen angefallenen Kosten dem Grunde nach zum Vorsteuerabzug berechtigt. Der [X.] kann jedoch nicht entscheiden, in welchem Umfang die Klägerin für die Begebung der beiden Anleihen umsatzsteuerpflichtige Leistungen bezogen hat. Dies ist entscheidungserheblich, weil nur die "geschuldete" Umsatzsteuer als Vorsteuer abziehbar ist.

1. Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG kann der Unternehmer die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen. Ausgeschlossen ist der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG für Leistungen, die der Unternehmer für steuerfreie Umsätze verwendet.

Diese Vorschriften beruhen auf [X.]. 17 Abs. 2 Buchst. a der [X.]/[X.] und sind entsprechend dieser Bestimmung richtlinienkonform auszulegen (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Urteil des [X.] --BFH-- vom 3. Juli 2008 [X.], [X.], 128, [X.], 213, unter [X.]). Soweit der Steuerpflichtige (Unternehmer) Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet, ist er nach dieser Bestimmung befugt, die im Inland geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen, die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert oder erbracht werden, von der von ihm geschuldeten Steuer abzuziehen.

Trotz der Unterschiede im Wortlaut entspricht das nationale Recht im Ergebnis [X.]. 17 Abs. 2 Buchst. a der [X.]/[X.]. Denn das Unternehmen i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG umfasst (nur) "die gesamte gewerbliche und berufliche Tätigkeit des Unternehmers" (§ 2 Abs. 1 Satz 2 UStG) und daher nur eine "nachhaltige Tätigkeit zur Einnahmeerzielung" (§ 2 Abs. 1 Satz 3 UStG). "Für das Unternehmen" i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG wird eine Leistung daher nur bezogen, wenn sie zur (beabsichtigten) Verwendung für Zwecke einer nachhaltigen und gegen Entgelt ausgeübten Tätigkeit bezogen wird, die im Übrigen steuerpflichtig sein muss, damit der Vorsteuerabzug nicht nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG ausgeschlossen ist.

2. Ein Unternehmer bezieht eine Leistung für Zwecke seiner besteuerten Umsätze (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG i.V.m. [X.]. 17 Abs. 2 Buchst. a der [X.]/[X.]), wenn die Eingangsleistung direkt und unmittelbar mit den zum Vorsteuerabzug berechtigenden [X.] zusammenhängt.

a) Der erforderliche Zusammenhang kann nach der Rechtsprechung des [X.] zu einzelnen [X.] oder zur wirtschaftlichen Gesamttätigkeit des Unternehmers (Steuerpflichtigen) bestehen.

aa) Für den Vorsteuerabzug kommt es zunächst darauf an, ob der erforderliche Zusammenhang zu einzelnen [X.] des Unternehmers (Steuerpflichtigen) vorliegt und ob diese Umsätze zum Vorsteuerabzug berechtigen.

(1) Erforderlich ist ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen einem bestimmten Eingangsumsatz und einem oder mehreren [X.], die das Recht auf Vorsteuerabzug eröffnen, damit der Steuerpflichtige zum Vorsteuerabzug berechtigt ist und der Umfang dieses Rechts bestimmt werden kann (vgl. [X.]-Urteile vom 8. Juni 2000 [X.]/98, [X.], [X.]. 2000, [X.]. 24; vom 22. Februar 2001 [X.]/98 [X.], [X.]. 2001, [X.] Rdnr. 26, und vom 3. März 2005 [X.]/03, [X.], [X.]. 2005, [X.]. 26). Das Recht auf Abzug der für den Erwerb von Gegenständen oder Dienstleistungen entrichteten Mehrwertsteuer ist nur gegeben, wenn die hierfür getätigten Aufwendungen zu den Kostenelementen der zum Abzug berechtigenden Ausgangsumsätze gehören ([X.]-Urteile [X.] in [X.]. 2000, [X.]. 30; [X.] in [X.]. 2001, [X.] Rdnr. 28; vom 27. September 2001 [X.]/00, [X.], [X.]. 2001, [X.]. 31, und vom 8. Februar 2007 [X.]/05, [X.], [X.]. 2007, [X.]. 23).

(2) Soweit die von einem Steuerpflichtigen bezogenen Gegenstände oder Dienstleistungen für die Zwecke steuerbefreiter Umsätze oder solcher Umsätze verwendet werden, die nicht vom Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer erfasst werden, kann es demgegenüber weder zur Erhebung der Steuer auf der folgenden Stufe noch zum Abzug der Vorsteuer kommen (vgl. [X.]-Urteile vom 30. März 2006 [X.]/04, [X.], [X.]. 2006, [X.]. 24; vom 14. September 2006 [X.], [X.], [X.]. 2006, [X.]. 20; vom 12. Februar 2009 [X.]/07, [X.], [X.]. 2009, [X.] Rdnr. 28). Dementsprechend berechtigen Aufwendungen eines Steuerpflichtigen nicht zum Vorsteuerabzug, wenn sich diese auf Tätigkeiten beziehen, die aufgrund ihres nichtwirtschaftlichen Charakters nicht in den Anwendungsbereich der [X.]/[X.] fallen ([X.]-Urteil vom 13. März 2008 [X.]/06, [X.], [X.]. 2008, [X.], Rdnr. 30).

bb) Besteht kein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen einem bestimmten Eingangsumsatz und einem oder mehreren [X.], ist der Unternehmer (Steuerpflichtige) gleichwohl zum Vorsteuerabzug berechtigt, wenn die Kosten für die fraglichen Dienstleistungen zu seinen allgemeinen Aufwendungen gehören und --als solche-- Bestandteile des Preises der von ihm gelieferten Gegenstände oder erbrachten Dienstleistungen sind. Derartige Kosten hängen dann direkt und unmittelbar mit der wirtschaftlichen Gesamttätigkeit des Steuerpflichtigen zusammen (vgl. [X.]-Urteile [X.] in [X.]. 2000, [X.]n. 23 und 31; vom 26. Mai 2005 [X.]/03, [X.], [X.]. 2005, [X.]. 36, und [X.] in [X.]. 2007, [X.]. 24). Voraussetzung ist hierfür allerdings, dass diese Gesamttätigkeit zu zum Vorsteuerabzug berechtigenden Umsätzen führt.

cc) Geht der Unternehmer (Steuerpflichtige) schließlich zugleich steuerpflichtigen oder steuerfreien wirtschaftlichen Tätigkeiten und nichtwirtschaftlichen, nicht in den Anwendungsbereich der [X.]/[X.] fallenden Tätigkeiten nach, ist der Abzug der Vorsteuer auf Aufwendungen für bezogene Leistungen nur insoweit zulässig, als diese Aufwendungen der wirtschaftlichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen i.S. des [X.]. 2 Nr. 1 der [X.]/[X.] zuzurechnen sind ([X.]-Urteil [X.] in [X.]. 2008, [X.] Rdnr. 31).

b) Dieser Abgrenzung nach der Umsatztätigkeit des Unternehmers (Steuerpflichtigen) entspricht die Rechtsprechung des [X.]s, nach der ein Unternehmer wie z.B. ein Verein, der einerseits in einem wirtschaftlichen Tätigkeitsbereich steuerbare Leistungen erbringt und andererseits in nichtwirtschaftlicher Weise seinen ideellen Vereinszweck verfolgt, ohne dabei steuerbare Leistungen zu erbringen (zur Erbringung entgeltlicher Leistungen bei der Verfolgung des ideellen Vereinszwecks vgl. aber [X.]-Urteil vom 21. März 2002 [X.]/00, [X.], [X.]. 2002, [X.], Leitsatz 3), nur hinsichtlich seines wirtschaftlichen Tätigkeitsbereichs zum Vorsteuerabzug berechtigt ist (BFH-Urteil vom 20. Dezember 1984 [X.], [X.], 524, [X.] 1985, 176, Leitsätze 1 und 2; ebenso das [X.]-Urteil [X.] in [X.]. 2009, [X.]).

Dagegen erhält eine Gesellschaft mit besteuerten Umsätzen grundsätzlich z.B. auch für Dienstleistungen bei der Aufnahme eines Gesellschafters gegen Bareinlage oder beim Erwerb einer Beteiligung den Vorsteuerabzug, obwohl dies für sich betrachtet keine wirtschaftlichen Tätigkeiten sind, weil die Kosten dieser Dienstleistungen zu ihren allgemeinen Kosten gehören und deshalb grundsätzlich direkt und unmittelbar mit ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit zusammenhängen (BFH-Urteil vom 1. Juli 2004 [X.], [X.], 555, [X.] 2004, 1022, unter II.3.c bb).

3. Wie das [X.] zu Recht entschieden hat, ist die Klägerin aus den für die Begebung der Schuldverschreibungen angefallenen Kosten dem Grunde nach zum Vorsteuerabzug berechtigt.

a) Die Klägerin hat entgegen der Auffassung des [X.] mit der Begebung der Schuldverschreibungen keine steuerbare Leistung erbracht.

aa) Schuldverschreibungen sind Wertpapiere i.S. von § 4 Nr. 8 Buchst. e UStG. Zwar definiert das UStG den Begriff des Wertpapiers nicht. § 4 Nr. 8 Buchst. e UStG beruht jedoch auf [X.]. 13 Teil [X.]. d Nr. 5 der [X.]/[X.]. Bei richtlinienkonformer Auslegung entsprechend dieser Bestimmung sind neben Aktien insbesondere auch Schuldverschreibungen als Wertpapiere anzusehen.

bb) Nach der Rechtsprechung des [X.] ist zwischen der erstmaligen Begebung von Wertpapieren und der Übertragung bereits bestehender Wertpapiere (nach ihrer Begebung) zu unterscheiden. Während es sich z.B. bei der Aktienveräußerung durch einen Unternehmer um einen nach [X.]. 13 Teil [X.]. d Nr. 5 der [X.]/[X.] steuerfreien Umsatz handeln kann ([X.]-Urteil vom 29. Oktober 2009 [X.]/08, [X.], [X.], 2099, Leitsatz 2 zu [X.]. 135 Abs. 1 Buchst. f der Richtlinie 2006/112/[X.] vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem, [X.] 347, 1), will eine Gesellschaft, die neue Aktien ausgibt (begibt), ihr Vermögen durch die Beschaffung zusätzlichen Kapitals vergrößern, wobei sie den neuen Anteilseignern ein Eigentumsrecht an einem Teil des auf diese Weise erhöhten Kapitals einräumt. Vom Standpunkt der ausgebenden Gesellschaft aus besteht das Ziel im Erwerb von Kapital und nicht in der Erbringung einer Dienstleistung. Aus der Sicht des Anteilseigners stellt die Zahlung der zur Kapitalerhöhung erforderlichen Beträge keine Gegenleistung dar, sondern eine Investition oder Kapitalanlage ([X.]-Urteil [X.] in [X.]. 2005, [X.]. 26).

cc) Da im Hinblick auf die Wertpapiereigenschaft nach [X.]. 13 Teil [X.]. d Nr. 5 der [X.]/[X.] nicht zwischen Schuldverschreibungen und Aktien zu differenzieren ist, kommt der originären Begebung von Schuldverschreibungen ebenso wenig Leistungscharakter zu wie der erstmaligen Ausgabe von Aktien. War die Tätigkeit der Klägerin bei der Ausgabe der Schuldverschreibungen somit bereits nicht steuerbar, stellt sich die Frage einer Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 8 UStG nicht.

b) Dass die Klägerin die von ihr für die Begebung der Schuldverschreibungen bezogenen Leistungen nicht unmittelbar für eine steuerbare Ausgangsleistung verwendet hat, steht dem Vorsteuerabzug der Klägerin nicht entgegen, da sie das durch die Schuldverschreibungen erhaltene Kapital für ihre umsatzsteuerpflichtige Umsatztätigkeit zu verwenden beabsichtigte.

aa) Die Klägerin ist nicht bereits aufgrund ihrer Unternehmerstellung zum Vorsteuerabzug, sondern nur im Umfang ihrer besteuerten Umsätze zum Vorsteuerabzug berechtigt.

bb) Für die Klägerin bestand auch kein Recht auf Vorsteuerabzug im Hinblick auf die Begebung der Schuldverschreibungen, da diese Tätigkeit nicht steuerbar ist und deshalb kein unmittelbarer Zusammenhang mit einem Ausgangsumsatz vorliegt, anhand dessen über die Berechtigung zum Vorsteuerabzug entschieden werden könnte.

cc) Gibt der Unternehmer (Steuerpflichtige) aber nichtsteuerbare Aktien --oder wie im Streitfall [X.] aus, um sein Kapital zugunsten seiner wirtschaftlichen Tätigkeit im Allgemeinen zu stärken, sind die Kosten der Dienstleistungen, die er hierfür bezieht, Teil seiner allgemeinen Kosten und gehören damit zu den Preiselementen seiner Produkte. Die bezogenen Dienstleistungen hängen dann direkt und unmittelbar mit der wirtschaftlichen Gesamttätigkeit des Steuerpflichtigen zusammen (vgl. [X.]-Urteile vom 6. April 1995 [X.], [X.], [X.]. 1995, [X.]. 25; [X.] in [X.]. 2000, [X.]. 31; [X.] in [X.]. 2001, [X.] [X.]. 35 und 36; [X.] in [X.]. 2001, [X.]. 33, und [X.] in [X.]. 2005, [X.]. 36; BFH-Urteil in [X.], 555, [X.] 2004, 1022).

Das Recht der Klägerin auf Vorsteuerabzug ergibt sich somit --wie das [X.] zu Recht entschieden hat-- daraus, dass trotz des Fehlens eines direkten und unmittelbaren Zusammenhangs zu einem bestimmten zum Vorsteuerabzug berechtigenden Ausgangsumsatz gleichwohl ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zu ihrer wirtschaftlichen und zum Vorsteuerabzug berechtigenden Gesamttätigkeit besteht, da die Klägerin mit der Begebung der Inhaberschuldverschreibungen beabsichtigte, ihre steuerpflichtige Tätigkeit zu finanzieren.

4. Die Sache ist gleichwohl nicht spruchreif. Der Vorsteuerabzug setzt voraus, dass die Steuer für den berechneten Umsatz auch gesetzlich geschuldet wird (BFH-Urteil vom 2. April 1998 [X.], [X.], 536, [X.] 1998, 695, Leitsatz 1). Hierzu sind weitere Feststellungen zu treffen.

a) Der [X.] vermag mangels Feststellungen des [X.] nicht zu entscheiden, ob die Leistungen der [X.] als Umsatz im Zahlungs- und Überweisungsverkehr nach § 4 Nr. 8 Buchst. d UStG steuerfrei oder als Verwahrung und Verwaltung von Wertpapieren gemäß § 4 Nr. 8 Buchst. e UStG steuerpflichtig sind. Für die Steuerfreiheit spricht, dass Umsätze im Überweisungsverkehr vorliegen, wenn die Leistung eine Weiterleitung von [X.] bewirkt und zu rechtlichen und finanziellen Änderungen führt (BFH-Urteil vom 13. Juli 2006 [X.], [X.], 451, [X.] 2007, 19, Leitsatz 1). Eine Steuerfreiheit könnte sich auch daraus ergeben, dass bei Leistungen, die an den Emittenten von Wertpapieren erbracht werden, keine nach § 4 Nr. 8 Buchst. e UStG steuerpflichtige Verwahrung und Verwaltung vorliegt (vgl. Abschn. 65 Satz 2 der [X.] 2000/2005).

b) Sollte sich die Steuerpflicht der von der [X.] an die Klägerin erbrachten Leistungen erst aufgrund eines Verzichts nach § 9 Abs. 1 UStG ergeben, ist weiter zu berücksichtigen, dass zumindest die in den zwischen der [X.] und der Klägerin geschlossenen Verträgen enthaltene Formulierung, dass sich die Entgelte zuzüglich gesetzlicher Mehrwertsteuer verstehen, für sich allein die Annahme einer Verzichtserklärung nicht rechtfertigt (BFH-Urteil vom 16. Juli 1997 [X.], [X.], 301, [X.] 1997, 670, unter [X.]).

Meta

V R 29/09

06.05.2010

Bundesfinanzhof 5. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht Baden-Württemberg, 24. Juni 2009, Az: 12 K 1944/09, Urteil

§ 4 Nr 8 UStG 1999, § 15 Abs 1 S 1 Nr 1 UStG 1999, Art 17 Abs 2 Buchst a EWGRL 388/77, § 15 Abs 1 S 1 Nr 1 UStG 2005, § 4 Nr 8 UStG 2005, § 15 Abs 2 S 1 Nr 1 UStG 1999, § 15 Abs 1 S 1 Nr 1 UStG 2005, § 9 Abs 1 UStG 1999, § 9 Abs 1 UStG 2005

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 06.05.2010, Az. V R 29/09 (REWIS RS 2010, 6886)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 6886

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