Bundesgerichtshof, Urteil vom 06.07.2015, Az. AnwZ (Brfg) 24/14

Senat für Anwaltssachen | REWIS RS 2015, 8668

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Gegenstand

Anwaltliches Berufsrecht: Geltung des Umgehungsverbots für einen zum Insolvenzverwalter bestellten Rechtsanwalt


Leitsatz

Das Verbot, ohne die Einwilligung des Rechtsanwalts eines anderen Beteiligten mit diesem unmittelbar Verbindung aufzunehmen oder zu verhandeln, gilt auch für einen Rechtsanwalt, der zum Insolvenzverwalter bestellt worden ist und für die verwaltete Masse eine Forderung geltend macht.

Tenor

Die Berufung des [X.] gegen das Urteil des 4. Senats des Bayerischen Anwaltsgerichtshofs vom 17. Februar 2014 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Der Streitwert wird auf 5.000 € festgesetzt.

Tatbestand

1

Der Kläger ist im Bezirk der Beklagten zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Er ist als Insolvenzverwalter tätig und wurde im Insolvenzverfahren über das Vermögen der [X.] (fortan: Schuldnerin) zum Verwalter bestellt. Mit Schreiben vom 9. Oktober 2008 forderte er den damaligen Vorstand der Schuldnerin zur Rückgewähr eines Betrages von 4.250 € zur Masse auf. Daraufhin zeigte Rechtsanwalt [X.]aus D.      dessen anwaltliche Vertretung an und bat, jeglichen Schriftverkehr über sein Büro zu führen. In einem weiteren Schreiben nahm er sachlich zu dem vom Kläger erhobenen Anspruch Stellung. Der Kläger verlangte mit einem erneut an den Vorstand persönlich gerichteten Schreiben vom 16. Dezember 2011 weiterhin die Rückgewähr von 4.250 €. Das Schreiben war auf dem Briefpapier der Anwaltskanzlei [X.]verfasst. Es enthielt den Satz: "In meiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter fordere ich Sie hiermit dazu auf, den Betrag von insgesamt 4.250,00 an folgendes Anderkonto zu überweisen …". Unterschrieben war das Schreiben wie folgt: "[X.], LL.M. Rechtsanwältin für [X.]      Rechtsanwalt und vBP als Insolvenzverwalter".

2

Der Anwalt der Gegenseite beanstandete einen Verstoß gegen das Umgehungsverbot des § 43 [X.], § 12 [X.]. Mit Bescheid vom 18. April 2013 erteilte der Vorstand der Beklagten dem Kläger einen belehrenden Hinweis,

"dass das [X.] auch im Rahmen der Tätigkeit als Partei kraft Amtes oder kraft Ernennung jedenfalls dann gilt, wenn - wie im vorliegenden Fall - die Partei kraft Amtes nach außen als "Rechtsanwalt" auftritt und einen Zahlungsanspruch gegen einen in gleicher Sache anwaltlich vertretenen [X.] durchzusetzen sucht".

3

Der Kläger meint, er sei erkennbar als Insolvenzverwalter tätig geworden. Auf diese Tätigkeit sei § 12 [X.] nicht anwendbar. Er hat beantragt,

den belehrenden Hinweis der Beklagten an den Kläger vom 18. April 2013 gemäß § 73 Abs. 2 Nr. 1 [X.], wonach das Umgehungsverbot des § 43 [X.] [X.]. § 12 Abs. 1 [X.] auch für einen Insolvenzverwalter als Partei kraft Amtes gilt, zumindest wenn er nach außen als "Rechtsanwalt" auftritt und einen Zahlungsanspruch gegen einen in gleicher Sache anwaltlich vertretenen [X.] durchzusetzen sucht, aufzuheben.

4

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

5

Ihrer Ansicht nach gehört die Tätigkeit als Insolvenzverwalter zum Berufsbild des Rechtsanwalts. Die [X.] für Rechtsanwälte seien anwendbar, wenn der Rechtsanwalt als solcher in Erscheinung trete, insbesondere seinen Briefkopf nutze.

6

Der [X.] hat die Klage abgewiesen ([X.], 830 mit zust. [X.]. Kleine-Cosack, EWiR 2014, 361).

7

Der Kläger beantragt nunmehr,

1. Das Urteil des Bayerischen [X.]s (Az. [X.] - 4 - 5/13) vom 17. Februar 2014 wird aufgehoben.

2. Der belehrende Hinweis der Beklagten an den Kläger vom 18. April 2013 gemäß § 73 Abs. 2 Nr. 1 [X.], wonach das Umgehungsverbot des § 43 [X.] [X.]. § 12 Abs. 1 [X.] auch für einen Insolvenzverwalter als Partei kraft Amtes gilt, zumindest wenn er nach außen als "Rechtsanwalt" auftritt und einen Zahlungsanspruch gegen einen in gleicher Sache anwaltlich vertretenen [X.] durchzusetzen sucht, wird aufgehoben.

8

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

9

Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

Entscheidungsgründe

Die [X.]erufung ist nach § 112e Satz 1 [X.] kraft der Zulassung durch den Senat statthaft und auch im Übrigen zulässig (§ 112e Satz 2 [X.], § 124a Abs. 6 VwGO). Sie bleibt jedoch ohne Erfolg.

1. Die Klage ist als Anfechtungsklage nach § 112a Abs. 1, § 112c Abs. 1 [X.], § 42 VwGO statthaft. Nach § 73 Abs. 2 Nr. 1 [X.] obliegt es dem Vorstand der Rechtsanwaltskammer, die Kammermitglieder in Fragen der [X.]erufspflichten zu beraten und zu belehren. Gemäß § 73 Abs. 2 Nr. 4 [X.] hat er die Erfüllung der den Kammermitgliedern obliegenden Pflichten zu überwachen und das Recht der Rüge zu handhaben. Stellt er fest, dass sich ein Rechtsanwalt berufswidrig verhalten hat, kann er ihn auf die Rechtsauffassung der Kammer hinweisen und über den Inhalt seiner [X.]erufspflichten belehren. Er kann ihm auch aufgeben, das beanstandete Verhalten zu unterlassen. Erteilt der Vorstand der Rechtsanwaltskammer eine derartige missbilligende [X.]elehrung, so stellt dies eine hoheitliche Maßnahme dar, die geeignet ist, den Rechtsanwalt in seinen Rechten zu beeinträchtigen; als solche ist sie anfechtbar ([X.], [X.]eschluss vom 25. November 2002 - [X.] ([X.]) 41/02, [X.]Z 153, 61, 63; Urteil vom 23. April 2012 - [X.] ([X.]rfg) 35/11, [X.], 3039 Rn. 5).

2. Die Klage ist jedoch nicht begründet. Der belehrende Hinweis ist nicht rechtswidrig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

a) Nach § 12 Abs. 1 der [X.]erufsordnung der Rechtsanwälte ([X.]) darf der Rechtsanwalt nicht ohne Einwilligung des Rechtsanwalts eines anderen [X.]eteiligten mit diesem unmittelbar Verbindung aufnehmen oder verhandeln. Gegen diese [X.]estimmung hat der Kläger verstoßen, indem er unter Nutzung des [X.]riefkopfs der Sozietät den Geschäftsführer der Schuldnerin persönlich angeschrieben hat, obwohl sich bereits ein Rechtsanwalt für ihn gemeldet hatte. Das Schreiben vom 16. Dezember 2011 ist ein Schreiben des [X.]. Es ist in seinem Namen verfasst und von einer anderen Rechtsanwältin für ihn unterschrieben worden. Dass er das Schreiben nicht veranlasst habe, hat der Kläger nicht behauptet; hierfür gibt es auch keine sonstigen Anhaltspunkte.

b) Die Vorschrift des § 12 [X.] ist verfassungsgemäß. Sie beruht auf der Satzungskompetenz, welche der bei der [X.]undesrechtsanwaltskammer eingerichteten Satzungsversammlung durch § 59b Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 lit. a, § 191a Abs. 2 [X.] übertragen worden ist ([X.]VerfG, NJW 2001, 3325, 3326; [X.]RAK-Mitt. 2009, 73, 77). Auch inhaltlich teilt der Senat die vom Kläger erhobenen [X.]edenken nicht. Zwar wird mit dem [X.] in die Freiheit der [X.]erufsausübung eingegriffen, weil es Rechtsanwälten den unmittelbaren Kontakt mit anwaltlich vertretenen Gegnern grundsätzlich untersagt und damit deren berufliche Tätigkeit reglementiert. Diese [X.]eschränkung der [X.]erufsfreiheit ist jedoch nicht nur durch vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls legitimiert, sondern genügt auch dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ([X.]VerfG, [X.]RAK-Mitt. 2009, 73, 77).

aa) Das [X.] dient einer funktionsfähigen Rechtspflege und damit einem bedeutenden Gemeinwohlbelang. Es zielt vorrangig auf den Schutz des gegnerischen Mandanten. Hat dieser zur Wahrung seiner Rechte die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts für notwendig erachtet, so soll er davor geschützt sein, bei direkter Kontaktaufnahme durch den Rechtsanwalt der Gegenseite wegen fehlender eigener Rechtskenntnisse und mangels rechtlicher [X.]eratung übervorteilt zu werden ([X.], Urteil vom 17. Oktober 2003 - [X.], NJW 2003, 3692, 3693). Mit diesem Schutz vor Überrumpelung dient die Regelung einem fairen Verfahren und damit dem Gemeinwohlinteresse an einer geordneten Rechtspflege. Daneben liegt dem [X.] die Überlegung zugrunde, dass durch den unmittelbaren Kontakt zwischen Rechtsanwälten die sachgerechte und zügige Erledigung einer Rechtssache gefördert wird. Auch dies dient der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege.

bb) Der Eingriff in die Freiheit der [X.]erufsausübung ist geeignet, das angestrebte Ziel einer geordneten Rechtspflege insbesondere durch den Schutz der Rechtsuchenden vor Überrumpelung zu erreichen. Ein weniger belastendes, aber gleichermaßen wirksames Mittel ist nicht ersichtlich. Wird schließlich das Gewicht des verfolgten Gemeinwohlziels der vergleichsweise geringen [X.]elastung gegenübergestellt, die mit dem Verbot des unmittelbaren Kontakts zum anwaltlich vertretenen Gegner verbunden ist, so zeigt sich, dass das [X.] den betroffenen Rechtsanwälten grundsätzlich zumutbar ist.

c) Der Kläger war auch insofern Adressat des Verbotes des § 12 [X.], als er in seiner Eigenschaft als Verwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin gehandelt hat.

aa) Die Vorschriften der [X.]erufsordnung richten sich an Rechtsanwälte im Sinne der [X.]undesrechtsanwaltsordnung. Sie ist von der bei der [X.]undesrechtsanwaltskammer eingerichteten Satzungsversammlung (§ 191a Abs. 1 [X.]) aufgrund der dieser in § 59b Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 lit. a, § 191a Abs. 2 [X.] übertragenen Satzungskompetenz erlassen worden. Wer nicht Rechtsanwalt ist, braucht die Vorschriften der [X.]erufsordnung der Rechtsanwälte nicht einzuhalten.

bb) Der Kläger ist Rechtsanwalt. Er hat das Mahnschreiben vom 16. Dezember 2011 auf dem [X.]riefpapier der Sozietät verfasst, welcher er angehört, und die [X.]erufsbezeichnung "Rechtsanwalt" auch in der Unterschriftszeile verwandt. Zugleich hat er zum Ausdruck gebracht, in seiner Eigenschaft als Verwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin zu handeln. Damit hat er den Anwendungsbereich des § 12 [X.] jedoch nicht verlassen. Ein Anwalt, der zum Insolvenzverwalter bestellt worden ist und für die verwaltete Masse Forderungen einzieht, hat sich an das [X.] des § 12 [X.] zu halten.

(1) Verfassungsrechtlich ist die Insolvenzverwaltung ein eigenständiger [X.]eruf. Das [X.]undesverfassungsgericht hat die Tätigkeit von Insolvenzverwaltern schon im Jahre 2004 nicht mehr als bloße Nebentätigkeit der [X.]erufsausübung von Rechtsanwälten oder von Kaufleuten angesehen, sondern als [X.]eruf im Sinne von Art. 12 GG, der vielen Personen maßgeblich zur Schaffung und Aufrechterhaltung der Lebensgrundlage diene, entweder allein oder neben einem anderen [X.]eruf ([X.]VerfG, [X.], 1781, 1782; ebenso z.[X.]. Zipperer in: [X.], [X.], 14. Aufl., § 56 Rn. 4). Es hat hieraus das Erfordernis eines justiziablen Vorauswahlverfahrens abgeleitet, welches dem einzelnen [X.]ewerber den Zugang zu gerichtlichen [X.]estellungen gibt. Der [X.]undesgerichtshof geht in gefestigter Rechtsprechung ebenfalls davon aus, dass die Ausübung des Amtes eines Insolvenzverwalters durch Art. 12 GG geschützt ist, und macht deshalb die Entlassung eines Insolvenzverwalters gemäß § 56 [X.] grundsätzlich vom Vorliegen eines wichtigen Grundes abhängig ([X.], [X.]eschluss vom 8. Dezember 2005 - IX Z[X.] 308/04, [X.], 440, 44; vgl. auch [X.], [X.]eschluss vom 9. Juli 2009 - IX Z[X.] 35/09, [X.], 1662 Rn. 6 zum Amt des Treuhän[X.]).

(2) Der Zugang zum verfassungsrechtlich anerkannten [X.]eruf des Insolvenzverwalters ist damit in den Vorschriften der [X.], insbesondere in den §§ 56 ff. [X.] beson[X.] geregelt, welche nach Maßgabe der Rechtsprechung des [X.]undesverfassungsgerichts verfassungskonform auszulegen sind. Die Ausübung des [X.]erufs des Insolvenzverwalters hat dagegen keine gesetzliche Regelung erfahren. In der [X.] finden sich lediglich [X.]estimmungen zur Abwahl, Entlassung, Vergütung und Haftung des Verwalters sowie zu einer Aufsicht des Insolvenzgerichts über den Verwalter, die allein auf das jeweilige Insolvenzverfahren bezogen ist. Aus diesem Grund hat der [X.]undesgerichtshof ([X.], Urteil vom 12. Oktober 2004 - [X.] (R) 1/04, [X.]St 49, 258, 263 f. = NJW 2005, 1057, 1058) es für möglich gehalten, auf die Vorschriften der [X.]erufsordnung desjenigen [X.]erufs zurückzugreifen, welchem der Verwalter angehört. Voraussetzung ist, dass die Verwaltungstätigkeit dem [X.]erufsbild des jeweiligen freien [X.]erufs zugeordnet werden kann. Ist dies der Fall, ist unter [X.]eachtung der Grundsätze der [X.]erufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG) und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu prüfen, ob das konkrete Verhalten des Verwalters an den einschlägigen Vorschriften der [X.]erufsordnung zu messen ist. Die durch sie statuierten [X.]erufspflichten sind bereichsspezifisch auszulegen.

An den im Urteil vom 12. Oktober 2004 entwickelten Grundsätzen hält der Senat insbesondere deshalb fest, weil es nach wie vor es keine [X.]erufsordnung für Insolvenzverwalter gibt (ebenso etwa [X.]/Prütting/[X.]usse, [X.], 4. Aufl., § 3 Rn. 14; Kleine-Cosack, EWiR 2014, 361, 362; [X.]/[X.], [X.], 14. Aufl., § 58 Rn. 26 f.; HmbKomm-[X.]/Frind, 5. Aufl., § 58 Rn. 4; [X.]/[X.], [X.], 8. Aufl., § 56 Rn. 59; [X.] in [X.]/[X.]/Ringstmeier, Insolvenzrecht, 2. Aufl., § 56 Rn. 35; [X.], Die Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters, 2010, [X.] ff.; [X.] auch [X.]/[X.], [X.], § 58 Rn. 19). Die eingangs zitierte Rechtsprechung des [X.]undesverfassungsgerichts steht diesem rechtlichen Ansatz nicht entgegen. Der [X.]egriff des [X.]erufs im Sinne von Art. 12 GG unterscheidet sich von demjenigen, welcher der [X.]undesrechtsanwaltsordnung und der [X.]erufsordnung der Rechtsanwälte zugrunde liegt. Unter einem [X.]eruf im verfassungsrechtlichen Sinne wird jede erlaubte Tätigkeit verstanden, unabhängig davon, ob sie einem traditionellen oder rechtlich fixierten [X.]erufsbild entspricht ([X.]VerfGE, 68, 272, 281; 78, 179, 193; [X.]VerfG, [X.], 2048, 2049). [X.]estimmte Tätigkeitsfelder eines überkommenen oder gesetzlich geregelten [X.]erufsbildes können also einen [X.]eruf im verfassungsrechtlichen Sinne darstellen. Die verfassungsrechtliche Anerkennung einer Tätigkeit als "[X.]eruf" sagt deshalb nichts darüber aus, ob diese Tätigkeit zu einem weiter gefassten überkommenen oder gesetzlich geregelten [X.]eruf gehört und damit den betreffenden Regelungen unterfällt.

cc) Die Tätigkeit als Insolvenzverwalter (§ 56 [X.]), als Treuhänder im vereinfachten Insolvenzverfahren (§ 313 [X.]), als Treuhänder in der Wohlverhaltensperiode (§ 292 [X.]) oder als Sachwalter im Rahmen der Eigenverwaltung (§ 270 [X.]) gehört zum [X.]erufsbild des Rechtsanwalts ([X.], Urteil vom 17. Januar 1985 - [X.], [X.]Z 93, 278, 286 (obiter); [X.] in Prütting/[X.], [X.], 4. Aufl., § [X.] Rn. 6; [X.]/[X.]/[X.], [X.], 8. Aufl., Einl [X.] Rn. 18; aA etwa [X.]rüning, Die berufsrechtliche Stellung des Rechtsanwalts als Funktionsträger im Insolvenzverfahren, 1998, [X.]; [X.]/[X.], [X.], 2290, 2296).

(1) Die Verwaltertätigkeit unterscheidet sich vom Kernbereich der anwaltlichen Tätigkeit, die insbesondere in § 3 [X.] beschrieben wird. Als Insolvenzverwalter wird der Anwalt nicht oder jedenfalls nicht in erster Linie rechtsberatend tätig. Er vertritt den Schuldner nicht nur in Rechtsangelegenheiten (vgl. § 3 Abs. 1 [X.]), sondern ist - weit darüber hinausgehend - von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens an befugt, dessen zur Masse gehörendes Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen (§ 80 Abs. 1 [X.]). Diese [X.]efugnis verdankt er nicht der freien Wahl des Schuldners (vgl. § 3 Abs. 3 [X.]), sondern einem Hoheitsakt, nämlich seiner [X.]estellung durch das Insolvenzgericht (vgl. § 56 [X.]). Die Vorschrift des § 45 Abs. 1 Nr. 3 [X.], welche der Abgrenzung des [X.]erufs des Rechtsanwalts von nicht anwaltlichen Zweitberufen dienen soll ([X.]T-Drucks. 12/4993, [X.]), scheint zwischen der Tätigkeit des Rechtsanwalts und der Tätigkeit des Rechtsanwalts als Insolvenzverwalter unterscheiden zu wollen.

(2) Auf der anderen Seite sind Rechtsanwälte jedoch seit dem Inkrafttreten der Konkursordnung im Jahre 1879 zu Konkursverwaltern bestellt und seit dem Inkrafttreten der [X.] am 1. Januar 1999 als Insolvenzverwalter tätig geworden. Konkurs- und Insolvenzverwalter mussten und müssen zwar nicht zur Rechtsanwaltschaft zugelassen sein. Schon in den Materialien zur Konkursordnung [X.]/[X.], Die gesamten Materialien zu den Reichs-Justizgesetzen, [X.]and 4, Neudruck 1983, [X.]) heißt es, der Entwurf sehe bewusst davon ab, "die im Einzelfall ebenso schwierige wie verantwortliche Auswahl des Verwalters durch die [X.]eschränkung auf eine bestimmte Klasse von Personen zu erleichtern". Die Anforderungen an einen Verwalter wurden schon damals und werden auch heute in § 56 [X.] nicht berufsrechtlich beschrieben, sondern nach den Anforderungen, welche die Verwaltung im jeweiligen Einzelfall voraussichtlich stellt. Gleichwohl stand nie im Zweifel, dass Rechtsanwälte zu Konkurs- und später zu Insolvenzverwaltern bestellt werden konnten und können. In den bereits zitierten Materialien ist von den "grundsätzlich nirgendwo ausgeschlossenen Rechtsanwälten" die Rede [X.]/[X.], aaO S. 280). Die [X.]eklagte hat vorgetragen und durch Auszüge aus der Fachliteratur belegt, dass derzeit mehr als 90 v.H. der Insolvenzverwalter Rechtsanwälte sind. [X.] soll der Anteil der Rechtsanwälte unter den Insolvenzverwaltern bei knapp 90 v.H. gelegen haben, während er im Jahr 1978 noch bei 56 v.H. lag ([X.], Die Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters, 2010, S. 32 f.).

(3) [X.]erufsrechtliche Folgen hat die Verwaltertätigkeit für die zu Insolvenzverwaltern bestellten Rechtsanwälte mit Recht nicht nach sich gezogen. Die Tätigkeit als Insolvenzverwalter stellt für einen Rechtsanwalt keinen Zweitberuf im berufsrechtlichen Sinne dar, dessen Zulässigkeit bei der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft gemäß § 7 Nr. 8 [X.] oder später gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 8 [X.] eigens geprüft werden müsste. Gegenteiliges behauptet selbst der Kläger nicht. Die Fachanwaltsordnung, welche die bei der [X.]undesrechtsanwaltskammer eingerichtete Satzungsversammlung aufgrund der Satzungskompetenz des § 43c Abs. 1 Satz 2, § 59b Abs. 2 Nr. 2 [X.] erlassen hat, versteht die Insolvenzverwaltertätigkeit als Teil der Anwaltstätigkeit. Dies zeigt beson[X.] die Vorschrift des § 5 Abs. 1 lit. g [X.]. Ein Rechtsanwalt, der die [X.]ezeichnung "Fachanwalt für Insolvenzrecht" führen will, muss unter anderem nachweisen, "als Rechtsanwalt" persönlich und weisungsfrei mindestens fünf eröffnete Insolvenzverfahren aus dem ersten bis sechsten Teil der [X.] bearbeitet zu haben. Das wäre nicht möglich, wenn es sich bei der Insolvenzverwaltung nicht um eine anwaltliche Tätigkeit handelte.

dd) Die bereichsspezifische Auslegung des § 12 [X.] ergibt, dass sich der zum Insolvenzverwalter bestellte Rechtsanwalt, der Forderungen der Masse gegen einen anwaltlich vertretenen Gegner durchzusetzen versucht, sich an das [X.] des § 12 [X.] zu halten hat.

(1) Die außergerichtliche und gerichtliche Durchsetzung einer Forderung ist eine typische Anwaltstätigkeit. Insbesondere dann, wenn der Gegner nicht nur nicht zahlt, sondern Einwände gegen den [X.]estand und die Durchsetzbarkeit erhebt, wird ein Anwalt beauftragt, der diese Angelegenheit vom ersten Anspruchsschreiben über die gerichtliche Geltendmachung der Forderung bis zur [X.]eitreibung des geschuldeten [X.]etrages im Wege der Zwangsvollstreckung bearbeiten kann. Die Einziehung fremder Forderungen ist eine Rechtsdienstleistung im Sinne des Rechtsdienstleistungsgesetzes, wenn die Forderungseinziehung als eigenständiges Geschäft betrieben wird (§ 2 Abs. 2 Satz 1 [X.]). [X.] erfordern gemäß § 11 Abs. 1 [X.] besondere Sachkunde in den für die beantragte Inkassotätigkeit bedeutsamen Gebieten des Rechts.

(2) Aus Sicht des Forderungsschuldners unterscheidet sich das Anspruchsschreiben eines Anwalts, der zugleich Insolvenzverwalter ist, nicht von einem entsprechenden Schreiben eines Anwalts, der einen Mandanten kraft eines ihm erteilten Auftrags (§ 675 [X.]G[X.]) vertritt. [X.] ist er in beiden Fällen. In beiden Fällen sieht er sich einem sachkundigen und ihm an Rechtskenntnissen überlegenen Gegner gegenüber. Er wird in der Regel nicht unterscheiden können, ob ein zum Insolvenzverwalter bestellter Anwalt, der den [X.]riefkopf seiner Anwaltskanzlei verwendet und sich bei der Unterzeichnung des Schreibens durch einen anderen Anwalt vertreten lässt, als Insolvenzverwalter oder als Anwalt handelt oder handeln will. [X.]eauftragt er seinerseits einen Anwalt mit der Wahrnehmung seiner Interessen, befindet er sich in derjenigen Situation, die § 12 [X.] voraussetzt und in der er vor Überrumpelung und Übervorteilung mangels eigener Rechtskenntnisse geschützt werden soll. In der berufsrechtlichen Kommentarliteratur wird folgerichtig danach unterschieden, ob der Anwalt, der als Partei kraft Amtes oder in eigener Sache tätig wird, als Privatmann oder als Rechtsanwalt auftritt. Werde etwa - wie im vorliegenden Fall - das [X.]riefpapier der Anwaltskanzlei verwandt, trete der Anwalt als solcher in Erscheinung und habe sich grundsätzlich an das [X.] des § 12 [X.] zu halten ([X.]/[X.]/[X.]öhnlein, [X.], 8. Aufl., § 12 [X.] Rn. 4; Zuck in [X.]/Wolf/Göcken, Anwaltliches [X.]erufsrecht, 2. Aufl., § 12 [X.]/§ 43 [X.] Rn. 10; Prütting in [X.]/Prütting, [X.], 4. Aufl., § 12 [X.] Rn. 5; Nasse, [X.]RAK-Mitt. 2007, 14, 15; weitergehend für eine Geltung des § 12 [X.] unabhängig vom "Auftritt" des Anwalts [X.], NJW 2007, 1411 ff.; [X.], NJW 2011, 1850 ff.; [X.], Anw[X.]l. 2007, 64, 65; [X.]., [X.]erufs- und Fachanwaltsordnung, 5. Aufl., § 12 [X.] Rn. 21 ff.; [X.]/[X.]/[X.]öhnlein, [X.], 8. Aufl., § 12 [X.] Rn. 4; wohl auch Kleine-Cosack, [X.], 6. Aufl., § 12 [X.] Rn. 2).

(3) Die weitere der Vorschrift des § 12 [X.] zugrunde liegende Überlegung, dass die Verhandlungen zwischen den [X.]erufsträgern zu einer Versachlichung der Auseinan[X.]etzung, zu einer schnelleren Einigung und damit zur Funktionsfähigkeit der Rechtspflege beitragen können, greift ebenfalls unabhängig davon ein, ob der Anwalt eine Forderung der von ihm verwalteten Insolvenzmasse oder eine solche eines Mandanten einzieht. Insolvenzrechtliche [X.]esonderheiten sind nicht zu berücksichtigen. In der Kommentarliteratur wird die Anwendung des § 12 [X.] auf den Umgang des zum Insolvenzverwalter bestellten Anwalts mit dem anwaltlich vertretenen Schuldner in Zweifel gezogen, soweit es um dessen Auskunfts- und Mitwirkungspflichten nach § 97 [X.] geht (Zuck in [X.]/Wolf/Göcken, Anwaltliches [X.]erufsrecht, 2. Aufl., § 12 [X.]/§ 43 [X.] Rn. 8; [X.]/Schilken, [X.], § 97 Rn. 11; MünchKomm-[X.]/[X.], 3. Aufl., § 97 Rn. 26; [X.]/[X.], [X.], 18. Aufl., § 56 Rn. 59; HmbKomm-[X.]/[X.], 5. Aufl., § 97 Rn. 11; vgl. bereits [X.] 1956, 63). [X.]ei § 97 [X.] handelt es sich um eine zentrale, das Insolvenzverfahren prägende Vorschrift, welche auf der Überlegung beruht, dass das Insolvenzverfahren nur dann effektiv durchgeführt werden kann, wenn der Schuldner mitwirkt ([X.]/Schilken, [X.], § 97 Rn. 3; HK-[X.]/[X.], 7. Aufl., § 97 Rn. 1). Der Schuldner hat sich deshalb auf Anordnung des Insolvenzgerichts jederzeit zur Verfügung des Verwalters zu halten, um die erforderlichen Auskünfte zu erteilen (Schilken, aaO Rn. 4; HK-[X.]/[X.], aaO Rn. 2). Der Grundsatz der "Waffengleichheit" und der mit § 12 [X.] beabsichtigte Schutz vor Überrumpelung tritt hier zurück. Das Ziel einer effektiven Rechtspflege wird durch die unmittelbare [X.]efragung des Schuldners eher verwirklicht als durch die Einschaltung eines rechtlichen [X.]eraters, der nicht zur jederzeitigen Auskunftsbereitschaft angehalten werden kann.

Forderungen der Masse sind hingegen nach den allgemeinen Regeln geltend zu machen. Im Zivilprozess gelten insoweit keine [X.]esonderheiten. Dann spricht auch nichts gegen die Einhaltung des [X.]es des § 12 [X.].

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 [X.] i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 1 Satz 1 [X.], § 52 Abs. 1, 2 GKG. Fehlen Anhaltspunkte für eine Streitwertbestimmung, ist für das Klagebegehren der [X.] von 5.000 € anzusetzen (§ 52 Abs. 2 GKG).

[X.]                      Roggenbuck                          Lohmann

               Quaas                                [X.]

Meta

AnwZ (Brfg) 24/14

06.07.2015

Bundesgerichtshof Senat für Anwaltssachen

Urteil

Sachgebiet: False

vorgehend Anwaltsgerichtshof München, 17. Februar 2014, Az: BayAGH III - 4 - 5/13, Urteil

§ 12 RABerufsO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 06.07.2015, Az. AnwZ (Brfg) 24/14 (REWIS RS 2015, 8668)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 8668

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