Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 06.07.2015, Az. AnwZ (Brfg) 24/14

Senat für Anwaltssachen | REWIS RS 2015, 8667

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[X.]UNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
AnwZ ([X.]) 24/14

Verkündet am:

6. Juli 2015

[X.]oppel

Justizamtsinspektor

als Urkundsbeamter

der Geschäftsstelle

in der verwaltungsrechtlichen Anwaltssache

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
[X.]
§ 12
Das Verbot, ohne die Einwilligung des Rechtsanwalts eines anderen [X.]eteiligten mit die-sem unmittelbar Verbindung aufzunehmen oder zu verhandeln, gilt auch für einen Rechtsanwalt, der zum Insolvenzverwalter bestellt worden ist und für die verwaltete Masse eine Forderung geltend macht.

[X.], Urteil vom 6. Juli 2015 -
AnwZ ([X.]) 24/14 -
[X.]

wegen eines belehrenden Hinweises
-

2

-

Der [X.]undesgerichtshof, [X.],
hat durch [X.] [X.], die Richt[X.]nen
Roggenbuck und [X.] sowie den
Rechtsanwalt Prof. Dr. [X.] und die Rechtsanwältin
Schäfer

am
6. Juli 2015
für Recht erkannt:

Die [X.]erufung des [X.]
gegen das Urteil des 4. Senats des [X.]ayerischen [X.]s vom 17. Februar 2014 wird [X.].

Der Kläger trägt die
Kosten des [X.]erufungsverfahrens.

Der Streitwert

Tatbestand:

Der Kläger ist im [X.]ezirk der [X.]eklagten zur Rechtsanwaltschaft zugelas-sen. Er ist als Insolvenzverwalter tätig und wurde im Insolvenzverfahren über das Vermögen der
M.

AG
(fortan: Schuldn[X.])
zum Verwalter bestellt. Mit Schreiben vom 9. Oktober 2008 forderte er den damaligen
[X.] der Schuldn[X.] zur Rückgewähr eines [X.]etrages von 4.250

auf. Daraufhin zeigte Rechtsanwalt R.

aus D.

dessen
anwaltliche Vertretung an
und bat, jeglichen Schriftverkehr über sein [X.]üro zu führen. In ei-nem weiteren
Schreiben nahm er sachlich zu dem vom Kläger erhobenen [X.]
-

3

-

spruch Stellung.
Der Kläger verlangte mit einem
erneut
an den Vorstand
per-sönlich gerichteten Schreiben vom 16.
Dezember 2011 weiterhin
die Rückge-währ von
4.250

G.

& [X.].

verfasst. Es enthielt den Satz: "In meiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter fordere ich Sie hiermit dazu auf, den [X.]etrag von insge-". Unterschrieben war das Schreiben wie folgt: "C.

S.

, LL.M. Rechtsanwältin für Dr. [X.]

G.

Rechtsanwalt und [X.] als Insolvenzverwalter".

Der Anwalt der Gegenseite beanstandete einen Verstoß gegen das [X.] des §
43 [X.], §
12 [X.]. Mit [X.]escheid vom 18. April 2013 erteilte der Vorstand der [X.]eklagten
dem Kläger
einen
belehrenden Hinweis,

"Partei kraft Amtes oder kraft Ernennung jedenfalls dann gilt, wenn -
wie im vorliegenden Fall
-
die Partei kraft Amtes nach außen als "Rechtsanwalt"
auftritt und einen Zahlungsanspruch gegen einen in gleicher Sache anwaltlich vertretenen [X.] durchzusetzen sucht".

Der Kläger
meint, er sei erkennbar als Insolvenzverwalter tätig gewor-den. Auf diese Tätigkeit sei §
12 [X.] nicht anwendbar. Er
hat beantragt,

den belehrenden Hinweis der [X.]eklagten an den Kläger vom 18.
April 2013 gemäß §
73 Abs.
2 Nr.
1
[X.], wonach das [X.] des §
43 [X.] [X.].
§
12 Abs.
1 [X.] auch für einen Insolvenzverwalter als Partei kraft Amtes gilt, zumindest wenn er nach außen als "Rechtsanwalt"
auftritt und einen Zah-lungsanspruch gegen einen in gleicher Sache anwaltlich vertrete-nen [X.] durchzusetzen sucht, aufzuheben.
2
3
-

4

-

Die [X.]eklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Ihrer Ansicht nach gehört die Tätigkeit als Insolvenzverwalter zum [X.]e-rufsbild des Rechtsanwalts. Die [X.] für Rechtsanwälte seien an-wendbar, wenn der Rechtsanwalt als solcher in Erscheinung trete, [X.] seinen [X.]riefkopf nutze.

Der [X.] hat die Klage abgewiesen
([X.], 830 mit zust. [X.]. Kleine-Cosack, EWiR 2014, 361).

Der Kläger beantragt nunmehr,

1. Das Urteil des [X.]ayerischen [X.]s (Az. [X.] -
4
-
5/13) vom 17. Februar 2014 wird aufgehoben.

2. Der belehrende Hinweis der [X.]eklagten an den Kläger vom 18.
April 2013 gemäß §
73 Abs.
2 Nr.
1 [X.], wonach das [X.] des §
43 [X.] [X.]. §
12 Abs.
1 [X.] auch für einen Insolvenzverwalter als Partei kraft Amtes gilt, zumindest wenn er nach außen als "Rechtsanwalt"
auftritt und einen Zah-lungsanspruch gegen einen in gleicher Sache anwaltlich vertrete-nen [X.] durchzusetzen sucht, wird aufgehoben.

Die [X.]eklagte beantragt,

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8
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5

-

die [X.]erufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

Entscheidungsgründe:

Die [X.]erufung
ist nach §
112e Satz 1 [X.] kraft der Zulassung durch den Senat statthaft und auch im Übrigen zulässig (§
112e Satz 2 [X.], §
124a Abs.
6 VwGO). Sie
bleibt
jedoch
ohne Erfolg.

1. Die Klage ist
als Anfechtungsklage nach §
112a Abs.
1, §
112c Abs.
1 [X.], §
42 VwGO statthaft. Nach §
73 Abs.
2 Nr.
1 [X.] obliegt es dem [X.], die Kammermitglieder in Fragen der [X.]erufs-pflichten zu beraten und zu belehren. Gemäß §
73 Abs.
2 Nr.
4 [X.] hat er die Erfüllung der den Kammermitgliedern obliegenden Pflichten zu überwachen und das Recht der Rüge zu handhaben. Stellt er fest, dass sich ein Rechtsanwalt berufswidrig verhalten hat, kann er ihn auf die Rechtsauffassung der Kammer hinweisen und über den Inhalt seiner [X.]erufspflichten belehren. Er kann ihm auch aufgeben, das beanstandete Verhalten zu unterlassen. Erteilt der [X.] eine derartige missbilligende [X.]elehrung, so stellt dies eine hoheitliche Maßnahme dar, die geeignet ist, den Rechtsanwalt in seinen Rechten zu beeinträchtigen; als solche ist sie anfechtbar ([X.], [X.] vom 25. November 2002 -
AnwZ
([X.]) 41/02, [X.]Z 153, 61, 63; Urteil vom
23. April 2012 -
AnwZ ([X.]) 35/11, [X.], 3039
Rn. 5).

2. Die Klage ist jedoch nicht begründet. Der belehrende Hinweis ist nicht rechtswidrig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
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12
-

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a) Nach §
12
Abs.
1
der [X.]erufsordnung der Rechtsanwälte ([X.]) darf der Rechtsanwalt nicht ohne Einwilligung des Rechtsanwalts eines anderen [X.]eteiligten mit diesem unmittelbar Verbindung aufnehmen oder verhandeln. Gegen diese [X.]estimmung hat der Kläger verstoßen, indem er
unter Nutzung des [X.]riefkopfs der Sozietät
den Geschäftsführer der Schuldn[X.] persönlich angeschrieben hat, obwohl sich bereits ein Rechtsanwalt für ihn gemeldet hatte.
Das Schreiben vom 16.
Dezember 2011 ist ein Schreiben des [X.]. Es ist in seinem Namen verfasst und von einer anderen Rechtsanwältin für ihn unter-schrieben worden. Dass er das Schreiben nicht veranlasst habe, hat der Kläger nicht behauptet; hierfür gibt es auch keine sonstigen Anhaltspunkte.

b) Die Vorschrift des §
12 [X.] ist verfassungsgemäß.
Sie beruht auf der Satzungskompetenz, welche der bei der [X.]undesrechtsanwaltskammer ein-gerichteten Satzungsversammlung durch §
59b Abs.
1, Abs.
2 Nr.
1
lit. a, §
191a Abs.
2 [X.] übertragen worden ist
([X.]VerfG,
NJW 2001, 3325, 3326; [X.]RAK-Mitt. 2009, 73, 77). Auch inhaltlich teilt der Senat die vom Kläger erho-benen [X.]edenken nicht. Zwar wird mit dem [X.] in die Freiheit der [X.]erufsausübung eingegriffen, weil es Rechtsanwälten den unmittelbaren [X.] mit anwaltlich vertretenen Gegnern grundsätzlich untersagt und damit de-ren berufliche Tätigkeit reglementiert. Diese [X.]eschränkung der [X.]erufsfreiheit ist jedoch nicht nur durch vernünftige Erwägungen
des Gemeinwohls legitimiert, sondern genügt auch dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ([X.]VerfG,
[X.]RAK-Mitt. 2009, 73, 77).

aa) Das [X.] dient einer funktionsfähigen Rechtspflege und damit einem bedeutenden Gemeinwohlbelang. Es zielt vorrangig auf den Schutz des gegnerischen Mandanten. Hat dieser zur Wahrung seiner Rechte 13
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7

-

die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts für notwendig erachtet, so soll er davor geschützt sein, bei direkter Kontaktaufnahme durch den Rechtsanwalt der Ge-genseite wegen fehlender eigener Rechtskenntnisse und mangels rechtlicher [X.]eratung übervorteilt zu werden ([X.], Urteil vom 17.
Oktober 2003 -
V
ZR 429/02, NJW 2003, 3692, 3693). Mit diesem Schutz vor Überrumpelung dient die Regelung einem fairen Verfahren und damit dem Gemeinwohlinteresse an einer geordneten Rechtspflege. Daneben liegt dem [X.] die Überlegung zugrunde, dass durch den unmittelbaren Kontakt zwischen Rechts-anwälten die sachgerechte und zügige Erledigung einer Rechtssache gefördert wird. Auch dies dient der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege.

bb) Der Eingriff in die Freiheit der [X.]erufsausübung ist geeignet, das an-gestrebte Ziel einer geordneten Rechtspflege insbesondere durch den Schutz der Rechtsuchenden vor Überrumpelung zu erreichen. Ein weniger belasten-des, aber gleichermaßen wirksames Mittel ist nicht ersichtlich. Wird schließlich das Gewicht des verfolgten Gemeinwohlziels der vergleichsweise g[X.]gen [X.]e-lastung gegenübergestellt, die mit dem Verbot des unmittelbaren Kontakts zum anwaltlich vertretenen Gegner verbunden ist, so zeigt sich, dass das Umge-hungsverbot den betroffenen Rechtsanwälten grundsätzlich zumutbar ist.

c) Der Kläger war auch insofern Adressat des Verbotes
des §
12 [X.], als er
in seiner Eigenschaft als Verwalter im Insolvenzverfahren über das Ver-mögen der Schuldn[X.] gehandelt hat.

aa)
Die Vorschriften der [X.]erufsordnung richten sich an Rechtsanwälte
im Sinne der [X.]undesrechtsanwaltsordnung.
Sie ist von der bei der [X.]undesrechts-anwaltskammer eingerichteten Satzungsversammlung

191a Abs.
1 [X.]) aufgrund der dieser in §
59b Abs.
1, Abs.
2 Nr. 1 lit. a, §
191a Abs.
2 [X.]
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übertragenen Satzungskompetenz erlassen worden. Wer nicht Rechtsanwalt ist, braucht die Vorschriften der [X.]erufsordnung der Rechtsanwälte nicht einzu-halten.

bb) Der Kläger ist Rechtsanwalt. Er hat das Mahnschreiben vom 16.
Dezember 2011 auf dem [X.]riefpapier der Sozietät verfasst, welcher er ange-hört, und die [X.]erufsbezeichnung "Rechtsanwalt"
auch in der Unterschriftszeile verwandt. Zugleich hat er zum Ausdruck gebracht, in seiner Eigenschaft als Verwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldn[X.] zu han-deln.
Damit hat er
den Anwendungsbereich des §
12 [X.] jedoch nicht [X.].
Ein Anwalt, der zum Insolvenzverwalter bestellt worden ist und für
die verwaltete Masse Forderungen
einzieht, hat sich an das [X.] des §
12 [X.] zu halten.

(1)
Verfassungsrechtlich ist die Insolvenzverwaltung ein eigenständiger [X.]eruf. Das [X.]undesverfassungsgericht hat die Tätigkeit von Insolvenzverwaltern schon im Jahre 2004 nicht mehr als bloße Nebentätigkeit der [X.]erufsausübung von Rechtsanwälten oder von Kaufleuten angesehen, sondern als [X.]eruf im Sinne von Art.
12 GG, der vielen Personen maßgeblich zur Schaffung und [X.] der Lebensgrundlage
diene, entweder
allein oder neben einem anderen [X.]eruf
([X.]VerfG,
[X.], 1781, 1782; ebenso z.[X.].
Zipperer in: Uhlen-bruck, [X.], 14.
Aufl., §
56 Rn.
4).
Es hat hieraus das Erfordernis eines justizi-ablen Vorauswahlverfahrens abgeleitet, welches dem einzelnen
[X.]ewerber den Zugang zu gerichtlichen [X.]estellungen gibt. Der [X.]undesgerichtshof geht in ge-festigter Rechtsprechung ebenfalls davon aus, dass die Ausübung des Amtes eines Insolvenzverwalters durch Art.
12 GG geschützt ist, und macht deshalb die Entlassung eines Insolvenzverwalters gemäß §
56 [X.] grundsätzlich vom Vorliegen eines wichtigen Grundes abhängig
([X.], [X.]eschluss vom 8. Dezem-19
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-

ber 2005 -
IX
Z[X.] 308/04, [X.], 440, 44; vgl. auch [X.], [X.]eschluss vom 9.
Juli 2009 -
IX
Z[X.] 35/09, [X.], 1662 Rn.
6 zum Amt
des Treuhän[X.]).

(2) Der Zugang zum verfassungsrechtlich anerkannten [X.]eruf des Insol-venzverwalters ist damit in den Vorschriften der [X.], [X.]
in
den §§
56 ff.
[X.] beson[X.] geregelt, welche
nach Maßgabe der Recht-sprechung des [X.]undesverfassungsgerichts verfassungskonform auszulegen
sind. Die
Ausübung
des [X.]erufs des
Insolvenzverwalters hat dagegen keine [X.] Regelung erfahren. In der [X.] finden sich lediglich [X.]e-stimmungen zur Abwahl, Entlassung, Vergütung und Haftung des Verwalters sowie zu einer
Aufsicht des Insolvenzgerichts
über den Verwalter, die allein auf das jeweilige Insolvenzverfahren bezogen ist. Aus diesem Grund hat der [X.]un-desgerichtshof ([X.], Urteil vom 12.
Oktober 2004 -
WpSt (R) 1/04,
[X.]St 49,
258, 263
f.
=
NJW 2005, 1057, 1058) es für möglich gehalten, auf die Vorschrif-ten der [X.]erufsordnung desjenigen [X.]erufs zurückzugreifen, welchem der
Ver-walter angehört. Voraussetzung ist, dass die Verwaltungstätigkeit dem [X.]erufs-bild des jeweiligen freien [X.]erufs zugeordnet werden kann. Ist dies
der Fall, ist unter [X.]eachtung der Grundsätze der
[X.]erufsausübungsfreiheit (Art.
12 Abs.
1 Satz
1 GG) und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu prüfen, ob das [X.] Verhalten des Verwalters an den einschlägigen Vorschriften der [X.]erufs-ordnung zu messen ist. Die durch sie statuierten [X.]erufspflichten sind bereichs-spezifisch auszulegen.

An den im Urteil vom 12.
Oktober 2004 entwickelten Grundsätzen hält der Senat
insbesondere deshalb fest, weil es nach wie vor es keine [X.]erufsord-nung für Insolvenzverwalter gibt
(ebenso etwa [X.]/Prütting/[X.]usse, [X.], 4.
Aufl., §
3 Rn.
14; Kleine-Cosack, EWiR 2014,
361, 362; Uhlen-bruck/Vallender, [X.], 14.
Aufl., §
58 Rn.
26 f.; HmbKomm-[X.]/Frind, 5.
Aufl., 21
22
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10

-

§
58 Rn.
4; K.
Schmidt/[X.], [X.],
8.
Aufl.,
§
56 Rn.
59; [X.] in [X.]/[X.]/Ringstmeier, Insolvenzrecht, 2.
Aufl., §
56 Rn.
35;
Laukemann, Die Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters, 2010, S.
47 ff.;
iE auch Jae-ger/Gerhardt, [X.], §
58 Rn.
19). Die eingangs zitierte Rechtsprechung des [X.]undesverfassungsgerichts steht diesem rechtlichen Ansatz nicht entgegen. Der [X.]egriff des [X.]erufs im Sinne von Art.
12 GG
unterscheidet sich von
demje-nigen, welcher
der [X.]undesrechtsanwaltsordnung und der [X.]erufsordnung der Rechtsanwälte zugrunde
liegt. Unter einem [X.]eruf im verfassungsrechtlichen Sinne wird jede erlaubte Tätigkeit verstanden, unabhängig davon, ob sie einem traditionellen oder rechtlich fixierten [X.]erufsbild entspricht ([X.]VerfGE,
68, 272, 281; 78, 179, 193; [X.]VerfG,
[X.], 2048, 2049). [X.]estimmte Tätigkeitsfelder
eines überkommenen oder gesetzlich geregelten [X.]erufsbildes können also ei-nen [X.]eruf im verfassungsrechtlichen Sinne darstellen. Die verfassungsrechtli-che Anerkennung einer Tätigkeit als "[X.]eruf"
sagt
deshalb
nichts darüber aus,
ob diese
Tätigkeit
zu einem weiter gefassten überkommenen oder gesetzlich geregelten [X.]eruf
gehört
und damit den betreffenden Regelungen unterfällt.

cc) Die Tätigkeit als Insolvenzverwalter

56 [X.]), als Treuhänder im vereinfachten Insolvenzverfahren (§
313 [X.]),
als Treuhänder in der Wohlver-haltensperiode (§
292 [X.])
oder als Sachwalter im Rahmen der Eigenverwal-tung (§
270 [X.]) gehört zum [X.]erufsbild des Rechtsanwalts
([X.], Urteil vom 17.
Januar 1985 -
IX
ZR 59/84, [X.]Z 93, 278, 286 (obiter);
[X.] in Prüt-ting/[X.], [X.], 4.
Aufl., §
59c Rn.
6; [X.]/[X.]/[X.], [X.], 8.
Aufl., Einl [X.] Rn.
18; aA etwa
[X.]rüning, Die berufsrechtliche Stel-lung des Rechtsanwalts als Funktionsträger im Insolvenzverfahren, 1998, S.
279 f.;
Deckenbrock/[X.], [X.], 2290, 2296).

23
-

11

-

(1) Die Verwaltertätigkeit unterscheidet sich
vom Kernbereich der anwalt-lichen Tätigkeit, die
insbesondere in §
3 [X.] beschrieben wird. Als Insol-venzverwalter wird
der Anwalt nicht oder
jedenfalls
nicht in erster Linie [X.] tätig. Er vertritt den Schuldner nicht nur in Rechtsangelegenheiten
(vgl. §
3 Abs.
1 [X.]), sondern ist
-
weit darüber hinausgehend
-
von der Er-öffnung des Insolvenzverfahrens an befugt, dessen zur Masse gehörendes Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen (§
80 Abs.
1 [X.]). Diese [X.]e-fugnis verdankt er nicht der freien Wahl des Schuldners (vgl. §
3 Abs.
3 [X.]), sondern einem Hoheitsakt, nämlich seiner [X.]estellung durch das Insolvenzge-richt (vgl. §
56 [X.]). Die Vorschrift des §
45 Abs.
1 Nr.
3 [X.], welche der Abgrenzung des [X.]erufs des Rechtsanwalts von nicht anwaltlichen Zweitberufen dienen soll ([X.]T-Drucks. 12/4993, S.
29),
scheint zwischen der Tätigkeit des Rechtsanwalts und der Tätigkeit des Rechtsanwalts als Insolvenzverwalter un-terscheiden zu wollen.

(2) Auf der anderen Seite
sind Rechtsanwälte
jedoch
seit dem Inkrafttre-ten der Konkursordnung im Jahre 1879 zu Konkursverwaltern
bestellt und
seit dem Inkrafttreten der [X.] am 1. Januar 1999 als Insolvenzverwal-ter
tätig geworden.
Konkurs-
und Insolvenzverwalter mussten und müssen
zwar
nicht zur Rechtsanwaltschaft zugelassen sein. Schon in den Materialien zur Konkursordnung [X.]/[X.], Die gesamten Materialien zu den Reichs-Justizgesetzen, [X.]and 4, Neudruck 1983, [X.]) heißt es, der Entwurf sehe bewusst davon ab, "die im Einzelfall ebenso schwierige wie verantwortliche Auswahl des Verwalters durch die [X.]eschränkung auf eine bestimmte Klasse von Personen zu erleichtern".
Die Anforderungen an einen Verwalter wurden
schon damals und werden auch heute in §
56 [X.]
nicht berufsrechtlich be-schrieben, sondern nach den Anforderungen, welche
die Verwaltung im [X.] Einzelfall voraussichtlich stellt. Gleichwohl stand nie im Zweifel, dass 24
25
-

12

-

Rechtsanwälte zu Konkurs-
und später zu Insolvenzverwaltern bestellt werden konnten und können. In den bereits zitierten Materialien ist von den "grundsätz-lich nirgendwo ausgeschlossenen Rechtsanwälten"
die
Rede [X.]/[X.], aaO S.
280). Die [X.]eklagte hat vorgetragen und durch Auszüge aus der Fachli-teratur
belegt, dass derzeit mehr als 90
v.[X.] der Insolvenzverwalter Rechtsan-wälte sind. [X.] soll der Anteil der Rechtsanwälte unter den Insolvenz-verwaltern bei knapp 90
v.[X.] gelegen haben, während er im Jahr 1978 noch bei 56
v.[X.] lag (Laukemann, Die Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters, 2010, S.
32 f.).

(3) [X.]erufsrechtliche Folgen
hat die Verwaltertätigkeit
für die zu [X.] bestellten Rechtsanwälte
mit Recht nicht nach sich gezogen. Die Tätigkeit als Insolvenzverwalter stellt
für einen Rechtsanwalt keinen Zweit-beruf
im berufsrechtlichen Sinne dar, dessen Zulässigkeit bei der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft gemäß §
7 Nr.
8 [X.] oder später gemäß §
14 Abs.
2 Nr.
8 [X.] eigens geprüft werden müsste.
Gegenteiliges behauptet selbst der Kläger nicht. Die Fachanwaltsordnung, welche die bei der [X.]undesrechtsan-waltskammer eingerichtete Satzungsversammlung aufgrund der Satzungskom-petenz des §
43c Abs.
1 Satz 2, §
59b Abs.
2 Nr.
2 [X.] erlassen hat, versteht die Insolvenzverwaltertätigkeit als Teil der Anwaltstätigkeit. Dies zeigt beson-[X.] die
Vorschrift des §
5 Abs.
1
lit. g [X.]. Ein Rechtsanwalt, der die [X.]e-zeichnung "Fachanwalt für Insolvenzrecht"
führen will, muss unter anderem nachweisen, "als Rechtsanwalt"
persönlich und weisungsfrei mindestens fünf eröffnete Insolvenzverfahren aus dem ersten bis sechsten Teil der Insolvenz-ordnung
bearbeitet zu haben.
Das wäre nicht möglich, wenn es sich bei der In-solvenzverwaltung nicht um eine anwaltliche Tätigkeit handelte.

26
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13

-

dd) Die bereichsspezifische Auslegung des §
12 [X.] ergibt, dass sich
der zum Insolvenzverwalter bestellte Rechtsanwalt,
der Forderungen der Masse gegen einen anwaltlich vertretenen Gegner durchzusetzen
versucht, sich an das [X.] des §
12 [X.] zu halten
hat.

(1) Die außergerichtliche und gerichtliche Durchsetzung einer Forderung ist eine typische Anwaltstätigkeit. Insbesondere dann, wenn der Gegner nicht nur nicht zahlt, sondern Einwände gegen den [X.]estand und die Durchsetzbarkeit erhebt, wird ein Anwalt beauftragt, der diese Angelegenheit vom [X.] über die gerichtliche Geltendmachung der Forderung bis zur [X.]eitreibung des geschuldeten [X.]etrages im Wege der Zwangsvollstreckung [X.] kann.
Die Einziehung fremder Forderungen ist eine Rechtsdienstleis-tung im Sinne des Rechtsdienstleistungsgesetzes, wenn die Forderungseinzie-hung als eigenständiges Geschäft betrieben wird (§
2 Abs.
2 Satz
1 [X.]). [X.] erfordern gemäß §
11 Abs. 1 [X.] besondere Sachkun-de in den
für die beantragte Inkassotätigkeit bedeutsamen Gebieten des Rechts.

(2) Aus Sicht des Forderungsschuldners unterscheidet sich das An-spruchsschreiben eines Anwalts, der zugleich Insolvenzverwalter ist, nicht von einem
entsprechenden
Schreiben eines Anwalts, der einen Mandanten
kraft eines ihm erteilten Auftrags (§
675 [X.]G[X.])
vertritt. [X.] ist er in beiden Fällen. In beiden Fällen sieht er sich einem sachkundigen und ihm an [X.] überlegenen Gegner gegenüber.
Er wird in der Regel
nicht [X.] können, ob ein zum Insolvenzverwalter bestellter Anwalt, der den [X.]riefkopf seiner Anwaltskanzlei verwendet und sich bei der Unterzeichnung des Schreibens durch einen anderen Anwalt vertreten lässt, als Insolvenzverwalter oder als Anwalt
handelt oder handeln will.
[X.]eauftragt er seinerseits einen An-27
28
29
-

14

-

walt mit der Wahrnehmung seiner Interessen, befindet er sich in
derjenigen Si-tuation, die §
12 [X.] voraussetzt und in der er vor Überrumpelung und Über-vorteilung mangels eigener Rechtskenntnisse geschützt werden soll. In der [X.] Kommentarliteratur wird folgerichtig danach unterschieden, ob der Anwalt, der
als Partei kraft Amtes
oder in eigener Sache tätig wird, als Pri-vatmann oder als Rechtsanwalt auftritt. Werde etwa -
wie im vorliegenden Fall
-
das [X.]riefpapier der
Anwaltskanzlei verwandt, trete
der Anwalt als solcher in Er-scheinung und habe
sich grundsätzlich
an
das [X.] des §
12 [X.] zu halten ([X.]/[X.]/[X.]öhnlein, [X.], 8.
Aufl., §
12 [X.] Rn.
4; Zuck in [X.]/Wolf/Göcken, Anwaltliches [X.]erufsrecht, 2.
Aufl., §
12 [X.]/§
43 [X.]
Rn.
10; Prütting in [X.]/Prütting, [X.], 4.
Aufl., §
12 [X.] Rn.
5;
Nasse, [X.]RAK-Mitt. 2007, 14, 15; weitergehend für eine Geltung des §
12 [X.] unabhängig vom "Auftritt"
des Anwalts
Steike, NJW 2007, 1411
ff.;
Thümmel, NJW 2011, 1850 ff.; aA
Hartung, Anw[X.]l. 2007, 64, 65; [X.]., [X.]erufs-
und Fachanwaltsordnung, 5.
Aufl., §
12 [X.] Rn.
21 ff.;
[X.]/[X.]/[X.]öhnlein, [X.], 8.
Aufl., §
12 [X.] Rn.
4;
wohl auch
Kleine-Cosack, [X.], 6.
Aufl., §
12 [X.] Rn.
2).

(3) Die weitere
der Vorschrift des §
12 [X.] zugrunde liegende
Überle-gung, dass die Verhandlungen zwischen den [X.]erufsträgern zu einer Versachli-chung der Auseinan[X.]etzung, zu einer schnelleren Einigung und damit zur Funktionsfähigkeit der Rechtspflege beitragen können, greift ebenfalls unab-hängig davon ein, ob der Anwalt eine Forderung der von ihm verwalteten [X.] oder eine solche eines Mandanten einzieht. Insolvenzrechtliche [X.]esonderheiten sind nicht zu berücksichtigen. In der Kommentarliteratur wird die Anwendung des §
12 [X.] auf den Umgang des zum Insolvenzverwalter bestellten Anwalts mit dem anwaltlich vertretenen Schuldner in Zweifel gezo-gen, soweit es um dessen Auskunfts-
und Mitwirkungspflichten nach
§
97 [X.] 30
-

15

-

geht (Zuck in [X.]/Wolf/Göcken, Anwaltliches [X.]erufsrecht, 2.
Aufl., §
12 [X.]/§
43 [X.] Rn.
8; [X.]/Schilken, [X.], §
97 Rn.
11; MünchKomm-[X.]/[X.], 3.
Aufl., §
97 Rn.
26; [X.]/[X.], [X.],
18.
Aufl.,
§
56 Rn.
59; HmbKomm-[X.]/Herchen, 5.
Aufl.,
§
97 Rn.
11; vgl. bereits [X.] 1956, 63).
[X.]ei §
97 [X.] handelt es sich um eine zentrale, das In-solvenzverfahren prägende Vorschrift, welche auf der Überlegung beruht, dass das Insolvenzverfahren nur dann effektiv durchgeführt werden kann, wenn der Schuldner mitwirkt ([X.]/Schilken, [X.], §
97 Rn.
3; HK-[X.][X.], 7.
Aufl., §
97 Rn.
1). Der Schuldner hat sich deshalb auf Anordnung des [X.] jederzeit zur Verfügung des Verwalters zu halten, um die [X.] Auskünfte zu erteilen (Schilken, aaO Rn.
4; HK-[X.][X.], aaO Rn.
2). Der
Grundsatz der "Waffengleichheit"
und der
mit §
12 [X.] beabsichtigte Schutz vor Überrumpelung tritt hier zurück. Das Ziel einer
effektiven
Rechts-pflege wird durch die unmittelbare [X.]efragung des Schuldners eher verwirklicht als durch die Einschaltung eines rechtlichen [X.]eraters, der nicht zur jederzeiti-gen Auskunftsbereitschaft angehalten werden kann.

Forderungen der Masse sind
hingegen
nach den allgemeinen Regeln geltend zu machen. Im Zivilprozess gelten insoweit keine [X.]esonderheiten. Dann spricht auch nichts gegen die Einhaltung des [X.]es des §
12 [X.].

31
-

16

-

[X.].

Die Kostenentscheidung beruht auf §
112c Abs.
1 Satz 1 [X.] [X.]. §
154 Abs.
2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf §
194 Abs.
1 Satz 1 [X.], §
52 Abs.
1, 2 GKG. Fehlen Anhaltspunkte für eine Streitwertbestimmung, ist für das Klagebegehren der [X.] von 5.000

52 Abs.
2 GKG).

Kayser
Roggenbuck
[X.]

[X.]
Schäfer

Vorinstanz:
[X.], Entscheidung vom 17.02.2014 -
[X.] -
4 -
5/13 -

32

Meta

AnwZ (Brfg) 24/14

06.07.2015

Bundesgerichtshof Senat für Anwaltssachen

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 06.07.2015, Az. AnwZ (Brfg) 24/14 (REWIS RS 2015, 8667)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 8667

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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