Bundessozialgericht, Urteil vom 30.09.2015, Az. B 12 KR 13/13 R

12. Senat | REWIS RS 2015, 4634

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 22. März 2013 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Revisionsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten im Wesentlichen darüber, ob der Beitrag zur [X.] Pflegeversicherung ([X.]) bei Eltern mit mehreren Kindern im Hinblick auf einen höheren Betreuungs- und Erziehungsaufwand in Abhängigkeit von der Kinderzahl zu mindern ist.

2

Die 1967 geborene, verheiratete Klägerin ist Mutter von vier in den Jahren 2001, 2002, 2004 und 2009 geborenen Kindern. Sie war bis 15.4.2008 versicherungspflichtig beschäftigt und ist seitdem arbeitslos bzw wegen der Geburt ihres vierten Kindes nicht mehr erwerbstätig. Die Klägerin ist Mitglied der beklagten Krankenkasse und der [X.]; Krankenversicherungs- und Pflegeversicherungsbeiträge wurden in gesetzlicher Höhe entrichtet.

3

Im Januar 2008 stellte die Klägerin bei der Beklagten als Einzugsstelle unter Hinweis auf das Urteil des [X.] zur [X.] vom [X.] - 1 BvR 1629/94 ([X.]E 103, 242 = [X.]-3300 § 54 [X.] 2; im Folgenden: [X.]-Urteil) ua den Antrag, ihr in der [X.] ab sofort "für den Zeitraum, in dem für sie … Anspruch auf Kindergeld für das entsprechende Kind besteht", anstatt des ihr im Vergleich zu einem kinderlosen Beitragszahler gegenwärtig pauschal gewährten [X.] "denselben Beitragsnachlass je Kind" zu gewähren. Derzeit würden noch immer Beitragszahler mit (nur) einem Kind gegenüber solchen mit mehreren Kindern verfassungswidrig privilegiert, weil der Gesetzgeber die tatsächlichen Unterschiede in der Erziehungsleistung von Beitragszahlern mit mehr als einem Kind sachwidrig außer [X.] lasse. Mit Bescheid vom [X.] lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin auf "Reduzierung" ihres Beitrags zur [X.] unter Hinweis darauf ab, dass der Gesetzgeber die Entscheidung des [X.] mit dem [X.] ([X.]) vom 15.12.2004 ([X.] 3448) zutreffend umgesetzt habe. Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12.3.2008 zurück. Mit Bescheid vom 28.11.2008 "konkretisierte" die Beklagte die vorangegangenen Bescheide dahingehend, dass der Beitrag zur [X.] für den [X.] bis 15.4.2008 in gesetzlicher Höhe 95,04 Euro betrage und jeweils zur Hälfte (47,52 Euro) vom Arbeitgeber und von ihr - der Klägerin - als Arbeitnehmerin zu tragen sei.

4

Das [X.] hat die hiergegen gerichtete Anfechtungs- und Feststellungsklage abgewiesen (Urteil vom 14.9.2010).

5

Im anschließenden Berufungsverfahren hat die Klägerin ihre Klageanträge "präzisiert" und beantragt, unter Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils die angefochtenen Bescheide insoweit aufzuheben, als darin in der [X.] für den Zeitraum, in dem Anspruch auf Kindergeld besteht, kein dem [X.] entsprechender Nachlass für jedes Kind berücksichtigt ist, und die Beklagte zu verurteilen, den Beitrag unter Berücksichtigung dieses Nachlasses für weitere zwei im [X.] erzogene Kinder zu berechnen sowie ihr ab Januar 2008 Beiträge zur [X.] zunächst für das [X.] in Höhe von 29,86 Euro (= Beitragsnachlass für zwei Kinder) zu erstatten.

6

Das L[X.] hat ihre Berufung zurückgewiesen: Die angefochtenen Bescheide seien rechtmäßig. Die Bemessung der Beiträge zur [X.] entspreche den gesetzlichen Bestimmungen. Diese Regelungen verstießen nicht gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG. Der Gesetzgeber habe mit dem [X.] den Auftrag des [X.] zu einer gesetzlichen Neuregelung im Hinblick auf die Pflegeversicherung ohne Verstoß gegen diesen Auftrag erfüllt und für Kinderlose einen Beitragszuschlag eingeführt. Diese Umsetzung bewege sich im Rahmen des dem Gesetzgeber eingeräumten verfassungsrechtlichen Gestaltungsspielraums. Das [X.] habe lediglich beanstandet, dass Mitglieder der [X.], die Kinder betreuen und erziehen, gleich hohe Pflegeversicherungsbeiträge wie Versicherte ohne Kinder zu entrichten hatten. Wie der Gesetzgeber die Betreuungs- und Erziehungsleistungen bei der Beitragsbemessung von beitragspflichtigen Versicherten mit Kindern berücksichtige, habe das [X.] dem Gesetzgeber überlassen. Das [X.] habe insoweit nur eine verfassungsrechtliche Verpflichtung dahingehend ausgesprochen, dass der Gesetzgeber eine Lösung wählen müsse, die Unterhaltsverpflichtete bereits ab dem ersten Kind relativ entlaste. Insbesondere sei der Gesetzgeber für die Umsetzung des Urteils des [X.] nicht dazu verpflichtet gewesen, an die Zahl der Kinder anzuknüpfen; er habe allein die [X.] als maßgebendes Kriterium für die unterschiedliche Beitragshöhe heranziehen dürfen. Nach den Feststellungen des [X.] habe sich nämlich aufgrund der Anhörung eines Sachverständigen ergeben, dass die [X.] und nicht die Zahl der Kinder die Wahl der Versicherten zwischen den verschiedenen Leistungsarten der ambulanten Pflege entscheidend bestimme. Dieser Vorgabe werde das [X.] gerecht. Durch den höheren Beitrag für Kinderlose würden Unterhaltsverpflichtete gegenüber [X.] bereits ab dem ersten Kind entlastet (Urteil vom 22.3.2013).

7

Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie rügt einen Verstoß der - vom L[X.] angewandten - "gesetzlichen Regelungen zur Berücksichtigung der Kindererziehung im Beitragsrecht der [X.] Pflegeversicherung", soweit darin "von einer Staffelung des [X.] nach der Kinderzahl abgesehen" wird, gegen Art 3 Abs 1 GG. Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor: Das L[X.] habe verkannt, dass der Gesetzgeber den allgemeinen Gleichheitssatz verletzt habe, weil das [X.] keine Staffelung des [X.] nach der Kinderzahl vorsehe. Das [X.] habe im [X.]-Urteil schon als verfassungswidrig angesehen, dass kinderlose Beitragszahler und Beitragszahler mit (nur) einem Kind gleichbehandelt würden. Weil Versicherte mit mehreren Kindern einen größeren generativen Beitrag erbrächten und der mit der Kindererziehung einhergehende Verzicht auf Konsum und Vermögensbildung proportional mit der Kinderzahl steige, könne allein die Kinderzahl - und nicht die (bloße) [X.] - sachliches Differenzierungskriterium sein. Das Ausmaß der tatsächlichen Unterschiede in Bezug auf die Erziehungsleistung bzw der generative Beitrag für das Sozialversicherungssystem dürfe im Beitragsrecht der [X.] nicht außer Betracht bleiben. Erziehungsleistung bzw generativer Beitrag würden im Beitragsrecht der [X.] aber bisher unabhängig von der Kinderzahl gleichbehandelt. Zwar dürfe der Gesetzgeber typisieren; dieser Gesichtspunkt führe jedoch nicht zu einem anderen Ergebnis, schon weil die Gruppe der Familien mit zwei oder mehr Kindern im Vergleich zur Gruppe der Familien mit (nur) einem Kind keine zu vernachlässigende Minderheit darstelle.

8

Die Klägerin beantragt sinngemäß,
die Urteile des [X.] vom 22. März 2013 und des [X.] vom 14. September 2010 aufzuheben, soweit sie die Beiträge zur [X.] Pflegeversicherung betreffen,
ferner
den Bescheid der Beklagten vom 26. Februar 2008 in der Gestalt ihres Widerspruchsbescheides vom 12. März 2008 und in der Gestalt des Bescheides vom 28. November 2008 aufzuheben, soweit darin höhere Pflegeversicherungsbeiträge erhoben werden als sich unter Berücksichtigung eines dem Beitragszuschlag für Kinderlose entsprechenden Nachlasses für jedes ihrer Kinder ergäbe, so wie diese zu verurteilen, ihr - der Klägerin - für das [X.] Beiträge zur Pflegeversicherung in Höhe von 29,86 Euro zu erstatten.

9

Die Beklagte und die Beigeladene beantragen,
die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

Sie verteidigen das angefochtene Urteil.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet.

1. In diesem Revisionsverfahren zu überprüfen ist das Berufungsurteil nur insoweit, als es die Pflegeversicherungsbeiträge der Klägerin betrifft; hinsichtlich der leistungsrechtlichen Fragen zur gesetzlichen Rentenversicherung hat der Senat angeordnet, dass diese Rechtsstreitigkeit in einem getrennten Prozess verhandelt wird (anhängig bei dem 13. Senat des B[X.] unter dem Aktenzeichen [X.] R 19/14 R). Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid der beklagten Krankenkasse in ihrer Eigenschaft als Einzugsstelle vom [X.] in der Gestalt ihres Widerspruchsbescheides vom 12.3.2008, ferner in der Gestalt ihres Bescheides vom [X.], mit dem sie die vorangegangenen Bescheide "konkretisierte" und den für die [X.] vom 9.1. bis 15.4.2008 zu entrichtenden [X.] der Klägerin festsetzte. Zu befinden ist über diese Bescheide allerdings nur insoweit, als sie die Höhe der Beiträge ohne Berücksichtigung eines dem Beitragszuschlag für Kinderlose entsprechenden Nachlasses für weitere zwei Kinder bemessen. Im Umfang dieses Beitragsteils ist auch über einen Anspruch auf Beitragserstattung zu entscheiden.

2. Zu Recht hat das [X.] - in Bezug auf den genannten Verfahrensgegenstand - das Urteil des [X.] bestätigt und die Berufung der Klägerin insoweit zurückgewiesen. Die von der Klägerin erhobene kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage ist jedenfalls unbegründet, weil die angefochtenen Bescheide rechtmäßig sind. Die Bemessung der Pflegeversicherungsbeiträge der Klägerin für die [X.] vom 9.1. bis 15.4.2008 entspricht den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen des Beitragsrechts der [X.] (dazu a). Diese sind verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (dazu b). Infolgedessen besteht auch kein Anspruch auf Erstattung von - aus der Sicht der Klägerin - überzahlten Pflegeversicherungsbeiträgen (dazu c).

a) Die Bemessung der Beiträge der Klägerin zur [X.] ohne Berücksichtigung eines Beitragsnachlasses für weitere zwei von ihr im [X.] erzogene Kinder steht im Einklang mit den gesetzlichen Beitragsvorschriften.

Nach § 54 [X.] S 1 [X.]B XI (diese wie auch die folgenden Bestimmungen des [X.]B XI im Wesentlichen in der bis heute [X.] Fassung des Gesetzes vom [X.], [X.] 1014) werden die Pflegeversicherungsbeiträge nach einem Vomhundertsatz (Beitragssatz) von den beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder bis zur Beitragsbemessungsgrenze (§ 55 [X.]B XI) erhoben. § 55 Abs 1 [X.]B XI regelt den Beitragssatz. Er betrug in der hier streitigen [X.] bundeseinheitlich [X.] der beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder. Nach § 55 Abs 3 S 1 [X.]B XI (eingefügt durch Art 1 [X.] vom 15.12.2004, [X.] 3448) erhöht sich der Beitragssatz nach [X.] und 2 für Mitglieder nach Ablauf des Monats, in dem sie das 23. Lebensjahr vollendet haben, um einen Beitragszuschlag in Höhe von 0,25 Beitragssatzpunkten (Beitragszuschlag für Kinderlose). Den Beitragszuschlag für Kinderlose tragen grundsätzlich die Mitglieder (§ 58 Abs 1 S 3, § 59 Abs 5 [X.]B XI). Kein Beitragszuschlag ist nach § 55 Abs 3 S 2 [X.]B XI von versicherten Eltern iS des § 56 [X.] [X.] und Abs 3 [X.] und 3 [X.]B I zu entrichten. Keinen Beitragszuschlag zahlen auch vor dem 1.1.1940 geborene Versicherte, Wehr- und Zivildienstleistende und Bezieher von [X.] (§ 55 Abs 3 S 7 [X.]B XI). § 57 [X.] [X.]B XI bestimmt, dass bei Mitgliedern der Pflegekasse, die in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert sind, für die Beitragsbemessung ua § 226 [X.]B V gilt. Nach § 58 [X.] [X.]B XI tragen die versicherungspflichtigen Beschäftigten, die in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert sind, und ihre Arbeitgeber die nach dem Arbeitsentgelt zu bemessenden Beiträge jeweils zur Hälfte. Dass die Pflegeversicherungsbeiträge der Klägerin in der [X.] vom 9.1. bis 15.4.2008 in zutreffender Anwendung dieser Vorschriften erhoben wurden, ist zwischen den Beteiligten nicht im Streit.

Der Gesetzgeber hat mit den Regelungen über den Beitragszuschlag für Kinderlose das [X.]-Urteil des [X.] ([X.]E 103, 242 = [X.]-3300 § 54 [X.]) umgesetzt (vgl dazu bereits B[X.]E 100, 77 = [X.]-3300 § 55 [X.], Rd[X.] 10). Das [X.] hatte in dieser Entscheidung die damaligen beitragsrechtlichen Vorschriften § 54 Abs 1 und 2, § 55 [X.] und [X.] sowie § 57 [X.]B XI für unvereinbar mit Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 [X.] erklärt, soweit Mitglieder der [X.] mit Kindern mit einem gleich hohen [X.] belastet wurden wie Mitglieder ohne Kinder. Es hat ausgeführt, dass Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 [X.] dadurch verletzt ist, dass die Betreuung und Erziehung von Kindern als konstitutive Leistung für das Pflegeversicherungssystem bei der Bemessung von Beiträgen beitragspflichtiger Versicherter keine Berücksichtigung findet. Dadurch wird die Gruppe der Versicherten mit Kindern gegenüber kinderlosen Mitgliedern der [X.], die aus dieser Betreuungs- und Erziehungsleistung im Fall ihrer Pflegebedürftigkeit Nutzen ziehen, in verfassungswidriger Weise benachteiligt. Wird dieser "generative Beitrag" nicht mehr in der Regel von allen Versicherten erbracht, führt dies zu einer spezifischen Belastung kindererziehender Versicherter im Pflegeversicherungssystem, deren benachteiligende Wirkung auch innerhalb dieses Systems auszugleichen ist.

Das [X.] hat damit verbindlich entschieden, dass der Nachteil kindererziehender Versicherter bzw der Vorteil kinderloser Versicherter in der [X.] systemspezifisch beitragsrechtlich zu kompensieren ist. Für die vom [X.] geforderte beitragsrechtliche Kompensation des Nachteils kindererziehender Versicherter in der [X.] hat der Gesetzgeber allerdings nicht die Beiträge der Versicherten mit Kindern - etwa (allein) anknüpfend an den Tatbestand ihrer Elterneigenschaft oder sogar in Abhängigkeit von der Kinderzahl - reduziert, sondern die Beiträge für Kinderlose um 0,25 Beitragssatzpunkte erhöht.

b) Der Aussetzung des Verfahrens und der Vorlage an das [X.] gemäß Art 100 Abs 1 [X.] bedurfte es nicht. Der Senat ist nicht davon überzeugt, dass die hier einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen des Beitragsrechts der [X.] unter Einschluss ihrer Änderungen in Umsetzung des [X.]-Urteils verfassungswidrig sind, soweit danach der [X.] bei Eltern mit mehreren Kindern nicht wegen eines höheren [X.] in Abhängigkeit von der Kinderzahl - wie von der Klägerin gefordert - zu mindern ist. Die Klägerin kann nicht unter Hinweis auf das [X.]-Urteil, dh Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 [X.] in der Anwendung dieses Prüfungsmaßstabes durch das [X.], beanspruchen, wegen des [X.] für ihre Kinder beitragsrechtlich weitergehend - als mit dem [X.] bereits geschehen - entlastet zu werden. Es ist nicht ersichtlich, dass der Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers durch das [X.]-Urteil in der von der Klägerin behaupteten Weise eingeschränkt war (dazu [X.]). Bei der Ausfüllung des ihm insoweit zustehenden Gestaltungsspielraums hat der Gesetzgeber die ihm eingeräumte Befugnis zur Generalisierung und Typisierung bei der Ordnung von [X.] nicht überschritten (dazu bb).

[X.]) Das [X.] stellt in seinem [X.]-Urteil - abweichend von der Ansicht der Klägerin - nicht auf die jeweilige Anzahl der betreuten und erzogenen Kinder ab. Der Gesetzgeber des [X.] hat dieses Urteil nicht deshalb missachtet, weil § 55 Abs 3 [X.]B XI lediglich einen Beitragszuschlag für Kinderlose anordnet, aber keine Differenzierung nach der Kinderzahl enthält. Der Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers war durch das [X.]-Urteil nicht in der von der Klägerin geltend gemachten Weise verengt.

Wie der Senat bereits entschieden hat (B[X.]E 100, 77 = [X.]-3300 § 55 [X.], Rd[X.] 15, 17) hat die Entscheidung des Gesetzgebers, Kinderlose mit einem erhöhten Beitrag zu belasten, Versicherte mit Kindern aber ohne Unterscheidung nach der Kinderzahl, (allein) in Anknüpfung an ihre Elterneigenschaft weiter Pflegeversicherungsbeiträge nach dem bisherigen Beitragssatz zahlen zu lassen, die vom [X.] geforderte relative Beitragsentlastung bewirkt. Es ist nicht erkennbar, dass danach verfassungsrechtlich zusätzlich eine Reduzierung der (eigenen) Pflegeversicherungsbeiträge von Eltern ggf in Abhängigkeit von der Zahl der Kinder - etwa durch die Berücksichtigung eines dem Beitragszuschlag für Kinderlose entsprechenden Nachlasses für jedes weitere Kind - geboten gewesen wäre. An dieser Bewertung des [X.]-Urteils hält der Senat fest. Die von der Klägerin geforderte Regelung würde demgegenüber zu Beitragsausfällen führen, die mit Beitragssatzerhöhungen für andere Pflegeversicherte kompensiert werden müssten; bei angestrebter Beibehaltung des Beitragsaufkommens hätte das zur Folge, dass Kinderlose (noch) höhere Pflegeversicherungsbeiträge zahlen müssten (B[X.]E 100, 77 = [X.]-3300 § 55 [X.], Rd[X.] 15).

Zwar formuliert das [X.] im [X.]-Urteil, dass den Versicherten ohne Kinder im Versicherungsfall ein Vorteil aus der Erziehungsleistung anderer beitragspflichtiger Versicherter erwächst, die wegen der Erziehung zu ihrem Nachteil auf Konsum und Vermögensbildung verzichten ([X.]E 103, 242, 264 = [X.]-3300 § 54 [X.] S 17 mwN). An anderer Stelle wird ausgeführt, dass der danach zwischen Eltern und kinderlosen Personen vorzunehmende Ausgleich jedenfalls durch Regelungen erfolgen muss, die die Elterngeneration während der [X.] der Betreuung und Erziehung entlasten; denn die Beiträge, die von der heutigen [X.] später im Erwachsenenalter auch zugunsten pflegebedürftiger kinderloser Versicherter geleistet werden, basieren maßgeblich auf den [X.] ihrer heute versicherungspflichtigen Eltern. Die hiermit verbundene Belastung der Eltern tritt in deren Erwerbsphase auf und ist deshalb auch in diesem [X.]raum auszugleichen ([X.]E 103, 242, 270 = [X.]-3300 § 54 [X.] S 22 mwN).

Vor diesem Hintergrund ist der Klägerin zwar einzuräumen, dass die Erziehung von mehreren Kindern auch zu entsprechend größeren Erziehungslasten führt und Konsumverzicht und Vermögensbildung nicht nur abhängig vom Einkommen, sondern insbesondere auch von der Kinderzahl größer oder kleiner ausfallen (so auch die Ausführungen des Bundesrates in seiner Unterrichtung des [X.] über die Anrufung des Vermittlungsausschusses zum [X.]: BT-Drucks 15/4176 unter a; [X.]/[X.], NJW 2005, 180, 181 f). Das [X.] zieht jedoch in seinen Ausführungen gerade nicht den Schluss, dass ein Nachteilsausgleich nur durch eine Beitragsentlastung der Eltern - ggf gestaffelt nach der Kinderzahl - erfolgen könne. Vielmehr verweist es darauf, dass dem Gesetzgeber mehrere Möglichkeiten offenstehen, die [X.]widrigkeit zu beseitigen. Das [X.] verpflichtet den Gesetzgeber - so das [X.] - lediglich dazu, beitragspflichtige Versicherte mit einem oder mehreren Kindern gegenüber kinderlosen Mitgliedern der [X.] bei der Bemessung der Beiträge relativ zu entlasten. Insoweit ist er von [X.] wegen verpflichtet, eine Lösung zu wählen, die Unterhaltsverpflichtete bereits ab dem ersten Kind relativ entlastet. Das ist zwar nicht in der Weise geschehen, dass eine individuelle, die jeweilige konkrete Familiensituation erfassende Beitragsvergünstigung für versicherte Eltern gewährt wird, sondern indem kinderlosen Versicherten generalisierend eine zusätzliche Belastung in Form eines höheren Beitragssatzes allgemein auferlegt wird.

bb) War der Gesetzgeber danach in den geschilderten Grenzen frei zu entscheiden, wie er Versicherte mit einem Kind oder mehreren Kindern im Hinblick auf ihren Betreuungs- und Erziehungsaufwand gegenüber kinderlosen Mitgliedern bei der Bemessung der Pflegeversicherungsbeiträge relativ entlastete, so hat er hier bei der Ausgestaltung eines den verfassungsgerichtlichen Vorgaben entsprechenden Beitragsrechts der [X.] durch das [X.] die ihm von [X.] wegen im Sozialrecht gezogenen Grenzen für generalisierende bzw typisierende Regelungen eingehalten (vgl allgemein zu der hier bestehenden Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers [X.] [X.]-3300 § 55 [X.] Rd[X.] 9-11).

Jede Norm muss verallgemeinern. Bei der Ordnung von [X.] wie bei der Beitragsbemessung in der [X.] (vgl - zur Beitragsbemessung bei freiwillig Versicherten der [X.] - B[X.] Urteil vom [X.] KR 15/13 R - Juris Rd[X.]9, zur Veröffentlichung in B[X.]E und [X.]-2500 § 240 [X.]5 vorgesehen) sind generalisierende, typisierende und pauschalierende Regeln allgemein als notwendig anerkannt und vom [X.] im Grundsatz ständig als verfassungsrechtlich unbedenklich angesehen worden (vgl [X.]E 17, 1, 23; aus der letzten [X.] [X.]E 113, 167, 236; stRspr); der Gesetzgeber ist dabei gezwungen, aber auch berechtigt, sich am Regelfall zu orientieren. Unbedenklich ist eine Typisierung aber nur, soweit eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen benachteiligt wird und der Grundrechtsverstoß nicht sehr intensiv ist (vgl [X.]E 26, 265, 275 f; aus jüngerer [X.] [X.]E 133, 377, 413); wesentlich für die Zulässigkeit einer typisierenden Regelung ist hierbei auch, ob eine durch sie entstehende Ungerechtigkeit nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wäre (vgl [X.]E 63, 119, 128; [X.]E 133, 377, 413).

Hieran gemessen ist die Entscheidung des Gesetzgebers, bei der Bemessung der Beiträge zur [X.] von Mitgliedern mit Kindern nicht nach der Kinderzahl zu differenzieren, nicht zu beanstanden. Das Gesetz behandelt die von der Klägerin in der streitigen [X.] repräsentierte Personengruppe - Eltern mit drei Kindern - und Eltern mit (nur) einem Kind oder zwei Kindern zwar gleich, weil alle Eltern weiter Pflegeversicherungsbeiträge nach dem bisherigen Beitragssatz bzw ohne (weitere) dem Beitragszuschlag für Kinderlose entsprechende Nachlässe für Kinder zahlen. Die hierdurch entstehenden Härten und Ungerechtigkeiten sind jedoch hinzunehmen.

Der Senat hat bereits entschieden, dass der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Beitragsrechts in der [X.] durch das [X.] vom Regelfall ausgegangen ist und so die vom [X.] geforderte relative Entlastung gegenüber [X.] an das (bloße) Vorhandensein bereits eines Kindes knüpfen sowie ab dessen Geburt eine dauerhafte Beitragsentlastung vorsehen durfte (B[X.]E 100, 77 = [X.]-3300 § 55 [X.], Rd[X.] 17). So lebten im [X.] in 15,6% aller Privathaushalte ein Kind, in 11% aller Privathaushalte zwei Kinder, in 2,8% der Privathaushalte - wie die Klägerin einen führte - drei Kinder, in 0,6% vier Kinder und in 0,2% fünf Kinder und mehr ([X.], Bevölkerung und Erwerbstätigkeit. Haushalte und Familien. Ergebnisse des [X.], 2009). Die geforderte Berücksichtigung des "generativen Beitrags" reicht vor diesem Hintergrund aus, um typisierend an die Stellung als Eltern als solche, dh die Elterneigenschaft, anzuknüpfen, ohne dass etwa nach tatsächlichem Umfang oder tatsächlicher Dauer der Kinderbetreuung und -erziehung differenziert werden müsste; die Entlastung kann bei der Beitragsbemessung durch die Berücksichtigung allein der Tatsache geschehen, dass bei einem Versicherten betreuungs- bzw erziehungsbedürftige Kinder vorhanden sind. Auch das hat der Senat in der genannten Entscheidung bereits ausgeführt (B[X.]E 100, 77 = [X.]-3300 § 55 [X.], Rd[X.] 17). Nichts anderes kann für einen tatsächlich erhöhten Umfang bzw eine tatsächlich längere Dauer der Kinderbetreuung und -erziehung infolge einer größeren Kinderzahl gelten. Soweit gesetzliche Verallgemeinerungen auf einer möglichst weiten, alle betroffenen Personengruppen einschließenden Beobachtung aufbauen, ist der Gesetzgeber nicht gehalten, allen Besonderheiten durch Sonderregelungen Rechnung zu tragen ([X.]E 96, 1, 6 mwN; zuletzt [X.]E 133, 377, 412 mwN).

c) Ein Anspruch der Klägerin auf Erstattung von Pflegeversicherungsbeiträgen für die [X.] vom 9.1. bis 15.4.2008, der im Übrigen auch nur auf die von ihr (wirtschaftlich) getragenen Arbeitnehmeranteile gerichtet sein könnte (§ 26 Abs 3 S 1 [X.]B IV), besteht bereits deshalb nicht, weil diese Beiträge nicht iS von § 26 [X.] [X.]B IV zu Unrecht entrichtet wurden.

3. [X.] beruht auf § 193 [X.]G.

Meta

B 12 KR 13/13 R

30.09.2015

Bundessozialgericht 12. Senat

Urteil

Sachgebiet: KR

vorgehend SG Mannheim, 14. September 2010, Az: S 9 KR 888/10, Urteil

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 30.09.2015, Az. B 12 KR 13/13 R (REWIS RS 2015, 4634)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 4634

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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