Bundesgerichtshof, Urteil vom 22.11.2011, Az. X ZR 58/10

10. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 1253

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Patentfähigkeit eines europäischen Patents: Erfordernis der Überprüfung einer überschaubaren Zahl von möglichen Lösungsansätzen bei der punktuellen Verbesserung einer in einem internationalen Standard vorgesehenen Datenstruktur - E-Mail via SMS


Leitsatz

E-Mail via SMS

1. Der Fachmann, der mit einer punktuellen Verbesserung einer in einem internationalen Standard vorgesehenen Datenstruktur befasst ist, hat in der Regel Veranlassung, zur Lösung des technischen Problems auf Mechanismen zurückzugreifen, die im Standard bereits vorgesehen sind.

2. Ergibt sich aus dem Standard eine überschaubare Zahl von möglichen Lösungsansätzen, von denen jeder spezifische Vor- und Nachteile hat, gibt dies in der Regel Veranlassung, jeden dieser Lösungsansätze in Betracht zu ziehen.

Tenor

Die Berufung gegen das am 10. Februar 2010 verkündete Urteil des 5. Senats ([X.]) des [X.] wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Beklagte ist Inhaberin des mit Wirkung für die [X.] erteilten [X.] Patents 1 243 107 ([X.]), das am 14. November 2000 unter Inanspruchnahme der Priorität einer [X.] Anmeldung vom 17. Dezember 1999 angemeldet worden ist und ein Verfahren zur Übertragung von elektronischen Postnachrichten betrifft. Patentanspruch 1, auf den die übrigen elf Patentansprüche zurückbezogen sind, lautet in der [X.] Deutsch:

"Verfahren zur Übertragung von elektronischen Postnachrichten (1) unter Verwendung eines SMS-[X.]endienstes, wobei mit einer [X.] (5) des SMS-[X.]endienstes in einem ersten Kommunikationsnetz (100) eine elektronische Postnachricht (1) sowie Adress- und/oder Identifikationsdaten für die Übertragung der elektronischen Postnachricht (1) in einem zweiten Kommunikationsnetz (200) übertragen werden, wobei mit der [X.] (5) eine [X.] (11) mit einer Signalisierung des Vorhandenseins mehrerer Datenfelder (20, 25, 30, 35) übertragen wird, die die Adress- und/oder Identifikationsdaten umfassen, wobei eine zweite Kopfinformation (12) mit der [X.] (5) übertragen wird, die auf das Vorhandensein der [X.] (11) hinweist, dadurch gekennzeichnet, dass die mehreren Datenfelder (20, 25, 30, 35) innerhalb eines Datenteils (50) der [X.] (5) außerhalb der [X.] (11) und der zweiten Kopfinformation (12) übertragen werden und dass die Signalisierung des Vorhandenseins der mehreren Datenfelder (20, 25, 30, 35) mittels eines Identifikators in der [X.] erfolgt, indem der Identifikator einen Wert angibt, der gemäß einer Zuordnungstabelle einer RFC-822 Adressierung zugeordnet ist, nach der die Adress- und/oder Identifikationsdaten im Datenteil (50) vorliegen."

2

Die Klägerin hat geltend gemacht, der Gegenstand von Patentanspruch 1 gehe über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Anmeldung hinaus. Außerdem sei der Gegenstand des [X.] nicht patentfähig.

3

Das Patentgericht hat das Streitpatent antragsgemäß für nichtig erklärt. Dagegen wendet sich die Beklagte mit der Berufung, mit der sie weiterhin die Abweisung der Klage anstrebt und das Streitpatent ferner mit zwei Hilfsanträgen in geänderter Fassung verteidigt. Die Klägerin tritt dem Rechtsmittel entgegen.

4

Der Senat hat von der Hinzuziehung eines gerichtlichen Sachverständigen abgesehen. Die Beklagte hat ein Privatgutachten von Prof. Dr.-Ing.    [X.]                              vorgelegt, die Klägerin ein Privatgutachten von Dr.    O.      .

Entscheidungsgründe

5

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

6

I. [X.] betrifft ein Verfahren zur Übertragung von elektronischen Postnachrichten.

7

1. In der Beschreibung des Streitpatents wird ausgeführt, im Stand der Technik seien verschiedene Verfahren zur Übertragung von [X.] (nachfolgend: E-Mails) unter Verwendung des [X.]endienstes [X.] ([X.]) bekannt. Nach den einschlägigen Standards für die [X.] (Global System for Mobile Communications) und [X.] ([X.]) müsse hierzu ein Signalisierungseintrag PID (Protocol Identifier) in einer Kopfinformation der [X.]-[X.] (nachfolgend: [X.]) auf einen bestimmten Wert eingestellt werden. Der Datenteil der [X.] beginne nach diesen Festlegungen (nachfolgend zusammenfassend als [X.]-Standard bezeichnet) mit der Zieladresse für die E-Mail. Beim Empfangen einer E-Mail über den [X.]endienst sei die Zieladresse von einer Netzwerkeinheit durch die Quelladresse des Absenders ersetzt worden. Optional unterstütze der Standard die Angabe mehrerer, jeweils durch ein Komma voneinander getrennter [X.] sowie die Angabe von untereinander durch Sonderzeichen getrennten [X.]n für den Titel der Nachricht (Subject) und für den eigentlichen Namen des Absenders (Real Name).

8

In der [X.] wird nicht ausdrücklich angegeben, welches technische Problem das Streitpatent betrifft. Aus der Schilderung der mit der Erfindung verbundenen Vorteile und der Ausführungsbeispiele lässt sich entnehmen, dass mit den im [X.]-Standard vorgesehenen [X.]n nicht alle Kopfdatenfelder abgebildet werden können, die bei der Versendung von E-Mails verwendet werden und die im Standard [X.] 822 spezifiziert sind. Beispielsweise sieht der [X.]-Standard keine Entsprechung für das [X.] (carbon copy) vor, mit dem Empfänger angegeben werden, die die E-Mail nur zur Kenntnisnahme erhalten sollen. Außerdem stimmen die Regeln, die der [X.]-Standard für die Trennung zwischen den einzelnen Feldern vorsieht, nicht vollständig mit den entsprechenden Regeln des Standards [X.] 822 überein. Dies erschwert die Übertragung von E-Mails mittels [X.]en insbesondere dann, wenn die Kommunikationsnetze für die beiden genannten Übertragungsarten nicht vom gleichen Dienstanbieter betrieben werden.

9

[X.] betrifft vor diesem Hintergrund das technische Problem, ein Verfahren zur Verfügung zu stellen, mit dem in einer [X.] weitere [X.] übertragen werden können, die im Standard [X.] 822 vorgesehen sind, und so die Übertragung unter Beteiligung unterschiedlicher Dienstanbieter zu erleichtern.

2. Zur Lösung des Problems schlägt das Streitpatent ein Verfahren mit folgenden Merkmalen vor (die abweichende Merkmalsgliederung des Patentgerichts ist in eckigen Klammern wiedergegeben; in eckigen Klammern und kursiv zum besseren Verständnis die übliche englischsprachige Terminologie):

1. Das Verfahren dient zur Übertragung von elektronischen Postnachrichten [E-Mail] (1) unter Verwendung eines [X.]-[X.]endienstes [1],

2. In einem ersten Kommunikationsnetz (100) wird eine [X.] (5) übertragen, die folgende Daten enthält [2]:

a) eine elektronische Postnachricht (1) [2],

b) Adress- und/oder Identifikationsdaten für die Übertragung der elektronischen Postnachricht (1) in einem zweiten Kommunikationsnetz (200) [2],

c) eine [X.] [User Data Header - [X.]] (11) mit einer Signalisierung des Vorhandenseins mehrerer [X.] (20, 25, 30, 35) [3],

d) eine zweite Kopfinformation [User Data Header Indicator - [X.]I] (12), die auf das Vorhandensein der [X.] (11) hinweist [4],

e) mehrere [X.] (20, 25, 30, 35), die die Adress- und/oder Identifikationsdaten umfassen [5].

3. Die [X.] (20, 25, 30, 35) werden innerhalb eines [X.] (50) außerhalb der [X.] (11) und der zweiten Kopfinformation (12) übertragen [5].

4. Die Signalisierung des Vorhandenseins der [X.] (20, 25, 30, 35) erfolgt mittels eines Identifikators in der [X.] [6].

a) Dieser Identifikator gibt einen Wert an, der gemäß einer Zuordnungstabelle einer [X.]-822-Adressierung zugeordnet ist [6].

b) Die Adress- und/oder Identifikationsdaten im Datenteil (50) liegen nach dieser [X.]-822-Adressierung vor [6].

Ein Beispiel für die in Patentanspruch 1 vorgesehene Anordnung der einzelnen [X.] ist in Figur 2 der [X.] veranschaulicht:

Abbildung

3. Einige Merkmale bedürfen näherer Erörterung.

a) Das Verfahren nach dem Streitpatent ermöglicht es, Informationen zwischen zwei Kommunikationsteilnehmern zu übertragen, von denen der eine einen [X.]endienst, der andere hingegen einen Dienst für elektronische Postnachrichten, beispielsweise zur Übertragung von E-Mails, nutzt. Das Verfahren kann für beide Übertragungsrichtungen genutzt werden, also sowohl für den Versand einer [X.], die als E-Mail empfangen wird, als auch für den Versand einer E-Mail, die als [X.] empfangen wird.

Die in der [X.] geschilderten Ausführungsbeispiele betreffen den Versand einer E-Mail unter Nutzung eines [X.]endienstes nach dem [X.]-Standard. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 ist jedoch, wie in der Beschreibung ausdrücklich klargestellt wird, weder auf die Nutzung von [X.]en in einem GSM-Mobilfunknetz noch auf den Versand von [X.] beschränkt, sondern umfasst auch die Nutzung eines anderen [X.]-[X.]endienstes zur Versendung einer anderen Art von elektronischer Postnachricht (Abs. 50).

Für den Aufbau einer nach dem patentgemäßen Verfahren übertragenen elektronischen Postnachricht ergeben sich gewisse Vorgaben aus der in [X.] 4 enthaltenen Bezugnahme auf den Standard [X.] 822 (Standard for the Format of ARPA [X.] Text Messages, [X.]), der Vorgaben über die Anordnung von Daten in einer zur Versendung über das [X.] geeigneten Nachricht und die hierfür zu verwendenden Sonderzeichen enthält und unter anderem verschiedene [X.] zur Adressierung der Nachricht vorsieht.

b) Für den Fall, dass die zu übertragende E-Mail mehr Zeichen umfasst als eine [X.] aufnehmen kann - der [X.]-Standard sieht für eine [X.] maximal 160 Zeichen vor -, sieht das Streitpatent im zweiten Ausführungsbeispiel eine dritte Kopfinformation (13) vor, aus der ersichtlich ist, dass der Inhalt der E-Mail auf mehrere [X.]en verteilt worden ist. Der Einsatz dieser dritten Kopfinformation ist lediglich in Patentanspruch 9 und den darauf zurückbezogenen Patentansprüchen zwingend vorgesehen, nicht aber in Patentanspruch 1.

c) Die Zahlwörter, die im Zusammenhang mit der in der Beschreibung als "erste" Kopfinformation bezeichneten [X.] (11) und der "zweiten" Kopfinformation (12) verwendet werden, dienen nur der Unterscheidung der beiden Informationseinheiten und haben keine Bedeutung für die Reihenfolge, in der diese übermittelt werden.

Bei den in der [X.] geschilderten Ausführungsbeispielen, die in den Figuren 2 und 3 illustriert sind, ist die "zweite" Kopfinformation (12) jeweils vor der "ersten" Kopfinformation (11) angeordnet. Diese Reihenfolge wird in der Beschreibung als vorzugswürdig bezeichnet (Abs. 45 Z. 12 f.), in Patentanspruch 1 aber nicht zwingend vorgeschrieben. Entsprechendes gilt für die im zweiten Ausführungsbeispiel zusätzlich eingesetzte "dritte" Kopfinformation (13), die nur nach Patentanspruch 9 und den darauf bezogenen weiteren Patentansprüchen zwingend vorgesehen ist. Diese kann nach den Ausführungen in der Beschreibung auch vor der "ersten" Kopfinformation angeordnet werden (Abs. 45 Z. 10 bis 12). Patentanspruch 1 lässt darüber hinaus auch die Möglichkeit offen, die "dritte" Kopfinformation an den Anfang der [X.] zu stellen.

d) Die in [X.] 4 vorgesehene Signalisierung des Vorhandenseins mehrerer [X.] mittels eines Identifikators, der einen Wert angibt, der gemäß einer Zuordnungstabelle einer [X.]-822-Adressierung zugeordnet ist, und die entsprechende Anordnung der Adress- und Identifikationsdaten im Datenteil kann, wie sich aus der Beschreibung des Streitpatents ergibt, in der Weise erfolgen, dass ein bestimmtes Feld in der [X.] auf das Vorhandensein von [X.]-822-Angaben im Datenteil hinweist und dass die einzelnen Angaben im Datenteil durch Schlüsselwörter gekennzeichnet und voneinander getrennt werden.

In einem in der [X.] geschilderten ersten Ausführungsbeispiel werden als Schlüsselwörter in [X.] 822 definierte Feldnamen wie "To", "From" und "Subject" eingesetzt (Abs. 28 bis 31). Als zusätzliche Möglichkeit wird aufgezeigt, die einzelnen [X.] mit einem Trennungszeichen abzuschließen, damit die Schlüsselwörter auch innerhalb der [X.] enthalten sein können (Abs. 34). Als weitere vorteilhafte Ausgestaltung wird ein zweites Ausführungsbeispiel geschildert, bei dem den in [X.] 822 vorgesehenen Schlüsselwörtern anhand einer Referenztabelle Binärcodes zugeordnet sind, um die Zahl der übermittelten Zeichen zu reduzieren (Abs. 38). Die Verwendung von Schlüsselwörtern ist in Patentanspruch 2 vorgesehen, ihre Codierung in Patentanspruch 3.

Entgegen dem Vorbringen der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat kann weder den erwähnten Passagen in der Beschreibung noch dem sonstigen Inhalt der [X.] entnommen werden, dass die in Merkmal 4 a vorgesehenen [X.] ausschließlich so gestaltet werden dürfen, dass die Verwendung von Schlüsselwörtern entbehrlich ist. Zwar mag die in der mündlichen Verhandlung aufgezeigte Möglichkeit, dem Identifikator nicht nur einen allgemeinen Hinweis auf eine [X.]-822-Adressierung, sondern einen Hinweis auf eine fest definierte Datenstruktur zuzuordnen, die die Verwendung von Schlüsselwörtern innerhalb der Benutzerdaten entbehrlich macht, vom Gegenstand von Patentanspruch 1 umfasst sein, der - anders als Patentanspruch 2 - die Verwendung von Schlüsselwörtern nicht zwingend vorschreibt. Aus den bereits erwähnten Passagen in der Beschreibung und aus dem Inhalt der Patentansprüche 2 und 3 ergibt sich jedoch, dass der Gegenstand des Streitpatents nicht auf solche Ausgestaltungen beschränkt ist, sondern auch Verfahren umfasst, bei denen [X.] durch Schlüsselwörter gekennzeichnet und optional auch voneinander getrennt werden. Eine konkrete Möglichkeit, die Daten so anzuordnen, dass Schlüsselwörter nicht erforderlich sind, wie sie die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat aufgezeigt hat, wird in der [X.] ohnehin nicht offenbart.

II. Das Patentgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

Der Gegenstand des Streitpatents sei dem Fachmann, einem Diplomingenieur der Fachrichtung Nachrichtentechnik mit Erfahrung auf den Gebieten der Mobilfunkkommunikation und der elektronischen Datennetze und umfassenden Kenntnissen der dabei zum Einsatz gelangenden Datenstrukturen und deren Standardisierung, durch den [X.]-Standard ([X.]) in Verbindung mit seinem Fachwissen und Fachkönnen nahegelegt worden. Aus dem [X.]-Standard sei ein Verfahren mit den Merkmalen 1 bis 2 d [1 bis 4] bekannt gewesen. Dieses Verfahren weise ersichtlich Nachteile auf, weil nur ein Teil der möglichen Kopfdatenfelder einer E-Mail unterstützt werde.

Anregungen zu Verbesserungen habe der Fachmann bereits dem [X.]-Standard entnommen. Dieser sehe zwei unterschiedliche Mechanismen zur Verknüpfung zwischen dem in der [X.] ([X.]) enthaltenen Informationselementindikator ([X.]) und den zugehörigen Daten vor. Die Daten, auf die der Informationselementindikator ([X.]) verweise, befänden sich entweder in der [X.] selbst oder aber im daran anschließenden Nutzdatenteil. Die zweite Möglichkeit werde im [X.]-Standard für die zur Datenübertragung auf die SIM-Karte (Subscriber Identity Module) bestimmten [X.] genutzt. Eine solche Datenstruktur habe sich dem Fachmann angeboten, um die genannten Unzulänglichkeiten bei der Übertragung von elektronischen Postnachrichten mittels [X.]en zu vermeiden. Der Fachmann habe die grundsätzliche Gleichartigkeit der Datenstrukturen für die Übertragung eines [X.] und die Übertragung einer E-Mail erkannt. Deshalb habe es für ihn nahegelegen, die [X.] nach dem gleichen Muster anzuordnen. Dem stehe nicht entgegen, dass die übertragenen Daten auf den beiden genannten Einsatzfeldern zu unterschiedlichen Zwecken und an unterschiedliche Empfänger übermittelt würden. Ausschlaggebend sei, dass die übertragenen Daten in ihrer Struktur übereinstimmten.

III. Diese Beurteilung hält der Überprüfung im Berufungsverfahren jedenfalls im Ergebnis stand.

1. Der Gegenstand der erteilten Fassung von Patentanspruch 1 ist nicht patentfähig.

a) Wie das Patentgericht im Einzelnen zutreffend dargelegt hat, ist in dem [X.] 23.040 Version 3.2.0, Oktober 1999 ([X.], [X.]-Standard) in Kapitel 3.8 ([X.] [X.] f.) ein Verfahren zur Übertragung von E-Mails unter Verwendung des dort definierten [X.]endienstes in beide Richtungen bekannt, das einige, aber nicht alle Merkmale von Patentanspruch 1 aufweist.

Für den Versand von E-Mails ist in Kapitel 3.8 der Einsatz einer [X.] mit einer Struktur vorgesehen, wie sie allgemein in Kapitel 9.2.2 ([X.] S. 36 ff.) für Nachrichten definiert ist. In Betracht kommen dafür die Nachrichtentypen [X.]-Deliver ([X.] [X.] 9.2.2.1, [X.]) für Nachrichten vom Servicecenter (SC) zur [X.] ([X.]) und [X.]-Submit ([X.] [X.] 0.2.2.2, S. 40 f.) für Nachrichten in umgekehrter Richtung. Für beide Typen sind mehrere [X.] definiert, die nach einem vorgegebenen Schema Sende- und Adressierungsinformationen enthalten. An diese Daten schließt sich das Feld [X.] an, das die Nutzdaten, also die eigentliche Nachricht enthält. Dieses Feld kann weitere Kopfinformationen (User Data Header) enthalten, deren Vorhandensein durch das Feld [X.]-Header-Indicator angezeigt wird ([X.] [X.] [X.], [X.]). Für diese zusätzlichen Kopfinformationen ist ebenfalls eine feste Struktur definiert. Diese besteht aus einer Abfolge einzelner Informationselemente, denen jeweils ein Identifikationsmerkmal und eine Längenangabe vorangestellt sind ([X.] [X.] 9.2.3.24, [X.] ff.).

Für den Versand von E-Mails ist in [X.] ergänzend vorgesehen, dass das Feld TP-PID einen Wert enthält, der auf das Vorhandensein einer E-Mail hinweist ([X.] [X.] 3.8, [X.]). Ferner ist mindestens ein Feld vorgesehen, das die Adresse des Empfängers oder des Absenders der E-Mail enthält. Die Angabe mehrerer Adressen ist möglich; in diesem Fall können die einzelnen Adressen jeweils durch ein Komma voneinander getrennt werden. Möglich ist auch die Übertragung von Namensangaben im Klartext (real name) und von Angaben zum Betreff der E-Mail (subject). Diese Angaben werden von den Adressangaben durch runde Klammern oder Rauten und untereinander durch eine doppelte Raute getrennt ([X.] [X.] 3.8.2, [X.]). Alle diese Daten sind Bestandteil der Nutzdaten (des Feldes [X.]) und von der eigentlichen Nachricht durch ein Leerzeichen abgetrennt ([X.] [X.] 3.8.1, [X.]). Ihre Anordnung in der [X.] ([X.]) ist in [X.] nicht vorgesehen.

Entgegen dem Vorbringen der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat können die Festlegungen in Kapitel 3.8 des [X.]-Standards ([X.]) nicht dahin verstanden werden, dass die genannten Adressdaten zwingend in den Kopfdaten der [X.] - also außerhalb der Nutzdaten - zu übermitteln sind. Aus den Ausführungen in Kapitel 3.8.1 ([X.] [X.]) ergibt sich vielmehr, dass die Übermittlung jedenfalls auch in der Weise erfolgen kann, dass die für die Adressierung vorgesehenen Kopfdatenfelder [X.] und [X.] die Adresse eines Gateway enthalten und die E-Mail-Adresse des Empfängers bzw. Absenders in der aufgezeigten Weise - also getrennt durch ein Leerzeichen - am Anfang der Nutzdaten hinzugefügt wird. Für die zusätzlich möglichen Angaben zu subject und real name sind die Kopfdatenfelder [X.] und [X.] ohnehin nicht geeignet. Dass die in Kapitel 3.8 vorgesehenen [X.] tatsächlich in den Nutzdaten von [X.]en übertragen worden sind, wie dies auch in der [X.] dargestellt wird, hat auch die Beklagte nicht in Zweifel gezogen.

Damit ist ein Verfahren mit den Merkmalen 1, 2, 2 a, 2 b, 2 e und 3 offenbart. Eine [X.] mit dem in Kapitel 3.8 vorgesehenen Aufbau enthält eine E-Mail und Adressdaten für deren Übertragung.

Nicht offenbart sind hingegen die Merkmale 2 c und 2 d. Zwar sieht [X.] die Möglichkeit vor, eine [X.] zu übertragen und auf deren Vorhandensein in einer "zweiten" Kopfinformation - dem Feld [X.]-Header-Indicator - hinzuweisen. Die Nutzung dieser Möglichkeit zur Übertragung von Adress- oder Identifikationsdaten für die Übertragung einer E-Mail ist in dem hierfür einschlägigen Kapitel 3.8 jedoch nicht vorgesehen. Die für die Adressierung der E-Mail verwendeten Angaben werden nicht in der [X.] und der dafür vorgesehenen Struktur übertragen, sondern in den daran anschließenden Nutzdaten. Die in Kapitel 3.8 vorgesehene Datenstruktur - Trennung einzelner Adressen durch Komma, Trennung der übrigen Angaben durch runde Klammern und Rauten und Trennung der Adressdaten von der Nachricht durch Leerzeichen - könnte zwar als besonders definierte [X.] im Sinne des Streitpatents angesehen werden, deren Vorhandensein durch die spezifische Belegung des Feldes TP-PID angezeigt wird. Dies ist indes keine [X.] im Sinne von Merkmal 2 c des Streitpatents, weil sie nicht das Vorhandensein von an anderer Stelle angeordneten [X.]n signalisiert, sondern diese [X.] selbst enthält.

Jedenfalls nicht vollständig offenbart ist ferner die [X.] 4, wonach mittels eines Identifikators in der [X.] darauf hingewiesen wird, dass mehrere [X.] vorliegen, die Adressierungsdaten nach dem Standard [X.] 822 enthalten. In [X.] ist zwar vorgesehen, dass der zur [X.] gehörende Informationselementindikator ([X.]) Angaben über die Art der übermittelten [X.]en enthält ([X.] [X.]). Ein Wert, der auf das Vorhandensein von [X.]-822-Adressdaten hinweist, ist dort aber nicht definiert.

b) Zutreffend ist das Patentgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass der Gegenstand von Patentanspruch 1 durch den Stand der Technik nahegelegt war.

(1) Für den Fachmann, einen Diplomingenieur der Fachrichtung Nachrichtentechnik mit Erfahrung auf den Gebieten der Mobilfunk- und [X.]kommunikation und der dafür gebräuchlichen Standards und Datenstrukturen, war aus [X.] erkennbar, dass die dort offenbarte Datenstruktur nicht geeignet ist, alle im Standard [X.] 822 vorgesehenen [X.] abzubilden. Dies gilt nicht nur für das in [X.] ([X.]) ausdrücklich als nicht unterstützt bezeichnete Feld "cc", sondern auch für andere in [X.] 822 vorgesehene ([X.] S. 20 ff.) Felder wie "bcc", "date", "reply-to" oder "message-id" und erst recht für die nach diesem Standard möglichen ([X.] S. 25) benutzerdefinierten Felder. Dies gab dem Fachmann Veranlassung, nach Wegen zu suchen, auch diese Informationen oder zumindest einzelne von ihnen (wie insbesondere das häufig benutzte [X.]) in strukturierter Information in einer [X.] zu übertragen.

Die im [X.]-Standard vorgesehene Beschränkung auf 160 Zeichen pro [X.] stellte keinen grundsätzlichen Hinderungsgrund dar. Die Verkettung mehrerer [X.]en ist in [X.] ([X.]) ausdrücklich vorgesehen und kann schon deshalb geboten sein, weil der Inhalt einer E-Mail diese Grenze nicht selten überschreitet. Angesichts dessen lag es nahe, diese - ohnehin nur in Patentanspruch 9 und den darauf zurückbezogenen Patentansprüchen vorgesehene - Möglichkeit auch zur Übertragung umfangreicher Adressierungs- und Identifikationsdaten zu nutzen.

(2) Zur Erreichung dieses Ziels lag es nahe, Mechanismen zu nutzen, die in [X.] bereits vorgesehen waren.

Zwar mag es daneben eine theoretisch unbegrenzte Anzahl von möglichen weiteren Lösungsansätzen gegeben haben. Lösungsansätze, die eine grundlegende Änderung des etablierten [X.]-Standards erforderten, hatten aber allenfalls geringe Aussicht auf praktische Umsetzbarkeit, zumal der mit dem patentgemäßen Verfahren erreichbare Zusatznutzen im Vergleich zu dem in [X.] vorgesehenen Verfahren zwar nicht unbedeutend sein mag, sich aber doch in überschaubarem Rahmen hält. Der an einer praktischen Umsetzbarkeit interessierte Fachmann hatte angesichts dessen Anlass, sich vorrangig mit Ansätzen zu befassen, die mit keiner Änderung oder allenfalls mit einer möglichst geringfügigen Ergänzung des vorhandenen Standards verbunden waren. Dafür bot es sich an, sich innerhalb der in [X.] vorgegebenen Strukturen zu bewegen.

(3) Mit Hilfe der in [X.] vorgesehenen Mechanismen kommen objektiv im Wesentlichen drei Möglichkeiten in Betracht:

Zum einen konnte das in [X.] vorgeschlagene Verfahren dahin erweitert werden, dass am Beginn der Nutzdaten - vor dem Leerzeichen, das den Beginn der eigentlichen Nachricht anzeigt - weitere Daten angeordnet werden. Hierzu hätten geeignete Zeichen zur Trennung der einzelnen [X.] und zur Kennzeichnung von deren Bedeutung definiert werden müssen, wie dies in [X.] ([X.] 3.8.2, [X.]) für die [X.] "subject" und "real name" sowie für ein optionales Steuerzeichen (control flag) bereits erfolgt war.

Alternativ konnte die in [X.] optional vorgesehene [X.] genutzt werden. Hierfür hätte die bereits definierte Werteliste für den Informationselementindikator [X.] ([X.] [X.]) um Einträge erweitert werden müssen, die auf das Vorhandensein von Adress- und Identifikationsdaten nach dem Standard [X.] 822 hinweisen. Hierfür kamen die Hexadezimalwerte [X.] bis [X.] (dezimal 10 bis 111) und E0 bis [X.] (dezimal 224 bis 255) in Betracht, die in [X.] als für zukünftigen Gebrauch reserviert ausgewiesen werden. Eine Strukturierung in dieser Weise war wenige Wochen vor dem [X.] Gegenstand eines Änderungsvorschlags an die Teilnehmer der zuständigen Untergruppe des Standardisierungsgremiums (Change Request [X.]). Darin wurde angeregt, die durch den [X.]-Standard unterstützen Felder "address", "real name" und "subject" nicht mehr im Text der [X.], sondern in der [X.] ([X.]) anzuordnen und hierfür aus der in [X.] definierten Werteliste für den Informationselementindikator ([X.]) die bislang reservierten Einträge 20 bis 22 (dezimal 32 bis 34) einzusetzen sowie die ebenfalls noch nicht genutzten Einträge 23 bis 27 (35 bis 39) ausdrücklich für die spätere Nutzung im Zusammenhang mit [X.] zu reservieren.

Schließlich war eine Aufteilung der Daten zwischen der [X.] und dem Nutzdatenbereich denkbar, wie sie in [X.] für [X.] vorgesehen ist. Bei dieser Struktur, der in [X.] ([X.]) die [X.] 70 bis [X.] (112 bis 127) zugewiesen sind, werden die den eigentlichen Nutzdaten (Secured Data) vorangestellten Befehlskopfdaten ([X.]) - mit Ausnahme des in den Informationselementindikator ([X.]) "verlagerten" ersten, das Befehlsdatenpaket als solches identifizierenden Oktetts ([X.] - CPI) - nicht in der [X.], sondern am Beginn des unmittelbar daran anschließenden Teils des Feldes [X.] angeordnet ([X.] [X.] 9.2.3.24.7, S. 69 f.).

(4) Es kann dahingestellt bleiben, ob der Fachmann Anlass hatte, den dritten Weg zu beschreiten, den das Patentgericht als naheliegend und zielführend angesehen hat. Der Fachmann hatte jedenfalls Anlass, neben dem in [X.] aufgezeigten zweiten Weg auch den eng an [X.] orientierten ersten Weg in Betracht zu ziehen. Bereits dadurch war der Gegenstand des Streitpatents nahegelegt.

(a) Entgegen der Auffassung der Beklagten war keiner dieser Lösungswege durch den Stand der Technik als vorzugswürdig vorgegeben.

Die in [X.] vorgesehene rudimentäre Strukturierung der Daten ist zwar mit dem Nachteil verbunden, dass es bei der automatisierten Verarbeitung der Daten zu Schwierigkeiten kommen kann. Dieser Umstand, der zum Anlass für den Änderungsvorschlag [X.] genommen wurde, gab dem Fachmann jedoch keine Veranlassung, die Anordnung der Daten entsprechend dem in [X.] vorgesehenen Grundmuster von vornherein zu verwerfen und ausschließlich dem in [X.] vorgezeigten alternativen Konzept Beachtung zu schenken. Der in [X.] vorgeschlagene neue Ansatz, der sich auf die im [X.]-Standard ohnehin schon vorgesehenen Felder (address, real name, subject) bezog und die Einbeziehung weiterer Angaben allenfalls als später zu realisierende Option vorsah, war nämlich seinerseits mit Folgeproblemen verbunden. Dies ergibt sich aus dem bis zum 16. Dezember 1999 angefallenen, auf [X.] Bezug nehmenden [X.] zwischen den Teilnehmern der zuständigen Untergruppe des Standardisierungsgremiums ([X.]), dessen öffentliche Zugänglichkeit am [X.] die Parteien nicht in Zweifel gezogen haben und von der der Senat ausgeht. Dort wurde aufgezeigt, dass der Versand von [X.]en, deren [X.] die Höchstgrenze von 160 Zeichen pro [X.] überschreitet, nicht ohne weiteres möglich ist, weil eine Verkettung mehrerer [X.]en im [X.]-Standard nur für den Fall vorgesehen war, dass die Länge des [X.] die genannte Höchstgrenze übersteigt.

Angesichts dessen war weder durch [X.] noch die nachfolgenden [X.] eine Abkehr von dem bisher im [X.]-Standard vorgesehenen Ansatz vorgezeichnet. Für eine engere Orientierung an [X.] sprachen der bereits erwähnte Gesichtspunkt, die erforderlichen Ergänzungen des vorhandenen Standards möglichst gering zu halten, und die besseren Möglichkeiten einer Kompatibilität mit vorhandenen Geräten und Anwendungen. Angesichts der insgesamt überschaubaren Zahl von Lösungsansätzen, die bei der gebotenen Orientierung am vorhandenen Standard in Betracht kamen, hatte der Fachmann mithin Veranlassung, jeden dieser Ansätze in Betracht zu ziehen.

(b) Bei der danach nahegelegten Befassung mit der Möglichkeit, die in [X.] vorgesehene Anordnung der Adress- und Informationsdaten im Datenteil der [X.] so zu erweitern, dass weitere in [X.] 822 vorgesehene Felder eingesetzt werden können, lag es für den Fachmann nahe, die in [X.] ([X.] 3.8.2.1 und 3.8.2.2, [X.]) für die Felder "subject" und "real name" vorgesehene Vorgehensweise zu übernehmen, also die einzelnen Angaben am Anfang des [X.] anzuordnen und durch definierte Zeichen oder Zeichenfolgen voneinander zu trennen. Bereits damit gelangte er zu der in Merkmal 4 b des Streitpatents vorgesehenen Anordnung der Daten. Den in [X.] vorgesehenen Trennzeichen kommt hierbei die Funktion von Schlüsselwörtern zu, weil sie die einzelnen [X.] voneinander trennen und zusammen mit der Definition in [X.] deren Bedeutung festlegen.

(c) In Weiterverfolgung dieses durch [X.] nahegelegten Ansatzes stand der Fachmann lediglich noch vor der Aufgabe, eine [X.] des neu definierten Typs von einer [X.] zu unterscheiden, bei der die Adressierung ausschließlich nach den bisherigen Festlegungen in [X.] erfolgt. Auch zur Lösung dieser Teilaufgabe stand ihm aufgrund der Festlegungen in [X.] eine überschaubare Anzahl an Möglichkeiten zur Verfügung.

Theoretisch kam in Betracht, einen entsprechenden Hinweis bereits in dem Feld TP-PID in den Kopfdaten der [X.] vorzusehen, also zusätzlich zu dem in [X.] für die Übertragungsart "[X.] Electronic Mail" vorgesehenen Wert 10010 einen weiteren Wert zu belegen und diesem die Bedeutung "[X.] 822 Mail" oder dergleichen zuzuordnen.

Als mindestens gleichwertige Alternative kam aber in Betracht, es für beide Arten von Nachrichten bei der Zuordnung zu dem Typ "[X.] Electronic Mail" zu belassen und ein Unterscheidungskriterium auf [X.] hinzuzufügen. Eine auf der Hand liegende Möglichkeit hierzu bot [X.] durch die [X.]en, in denen grundsätzlich beliebige [X.] definiert werden konnten. Dies ist die in den Merkmalen 2 c, 2 d und 4 a vorgesehene Vorgehensweise.

Anlass, sich mit dieser Alternative zu befassen, gab auch der am Beginn der [X.] ([X.]) unterbreitete Vorschlag, einen einzigen Identifikator vorzusehen, der sich auf einen [X.]-822-Header bezieht. Dem steht nicht entgegen, dass dieser Vorschlag in den nachfolgenden Diskussionsbeiträgen nur in Zusammenhang mit dem Ansatz erörtert wurde, auch die Adress- und Identifikationsdaten in den [X.]en anzuordnen. Die Verengung auf dieses Thema lag schon deshalb nahe, weil Ausgangspunkt der [X.] der in [X.] enthaltene Vorschlag war, die im [X.]-Standard vorgesehenen drei [X.] in die [X.] zu verlagern. Der Fachmann, der sich mit dem dem Streitpatent zugrunde liegenden technischen Problem befasste und ausgehend von [X.] zu der Frage gelangt war, wie eine vom bisherigen Standard abweichende Anordnung der in den Nutzdaten enthaltenen Adress- und Identifikationsdaten signalisiert werden kann, hatte hingegen Anlass, die in [X.] vorgeschlagene Art der Signalisierung auch in diesem Kontext heranzuziehen.

(5) Eine abweichende Beurteilung kann entgegen der Auffassung des von der Beklagten beauftragten [X.] nicht auf die Erwägung gestützt werden, der Lösungsvorschlag des Streitpatents bedeute eine Abkehr von allem Vorbekannten.

Das im Streitpatent geschützte Verfahren führt nicht zu einer Abkehr von der im [X.]-Standard vorgesehenen Vorgehensweise, sondern nutzt im Standard vorgesehene Mechanismen in bekannter Weise, um zuvor bestehende Beschränkungen zu überwinden. Aus dem Umstand, dass diese Beschränkungen im [X.]-Standard in Kauf genommen worden waren, kann nicht gefolgert werden, dass ein leistungsfähigeres Verfahren aus Sicht des Fachmanns als technisch nicht erreichbar anzusehen war. Wie auch der [X.] der Beklagten ausführt, beruhen die Festlegungen des [X.]-Standards auch auf Design- und Effizienzüberlegungen. Von diesen Überlegungen hat sich das Streitpatent teilweise gelöst, indem es zu Gunsten einer erweiterten Funktionalität einen komplexeren Aufbau der Kopf- und Benutzerdaten in Kauf nimmt. Für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit kommt dem nur insoweit Bedeutung zu, als die Umsetzung dieser neuen Designvorgabe technische Mittel erforderte, die durch den Stand der Technik nicht nahegelegt waren. Letzteres ist aus den oben dargelegten Gründen hier nicht der Fall.

Den vom [X.] der Beklagten aufgezeigten und von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat zusätzlich hervorgehobenen Unterschieden zwischen der Datenstruktur eines [X.]s und der Datenstruktur nach dem Streitpatent kommt keine ausschlaggebende Bedeutung zu. Der Fachmann hatte aus den oben genannten Gründen auch ohne nähere Befassung mit jener Struktur Anlass, den [X.]-Standard in der im Streitpatent beanspruchten Weise fortzuentwickeln. Er hatte hingegen keinen Anlass, eine aufgrund dieser Überlegungen aufgefundene Datenstruktur zusätzlich darauf zu überprüfen, ob sie der Struktur des [X.] entspricht, und sie zu verwerfen, wenn dies nicht der Fall ist. Wie auch die Beklagte nicht in Zweifel zieht, dient der [X.] einem grundlegend anderen Einsatzzweck als die Datenstruktur für den Versand von E-Mails. Angesichts dessen bestand keine Veranlassung, auf eine möglichst enge Ähnlichkeit dieser beiden Datenstrukturen zu achten.

2. Dass der Gegenstand der auf Patentanspruch 1 zurückbezogenen übrigen Patentansprüche hinsichtlich der erfinderischen Tätigkeit abweichend zu beurteilen wäre, ist weder geltend gemacht noch sonst ersichtlich. Zu Recht hat das Patentgericht das Streitpatent deshalb auch insoweit für nichtig erklärt.

Die Ausführungen in dem von der Beklagten vorgelegten Privatgutachten, wonach es sich bei der in Patentanspruch 3 vorgesehenen Codierung der Schlüsselwörter für die Bezeichnung der einzelnen [X.] um "einen cleveren Ansatz" handle, führen insoweit nicht zu einer anderen Beurteilung. Die Verwendung von codierten Schlüsselwörtern zur Abgrenzung und Identifikation der einzelnen [X.] ist, wie oben dargelegt wurde, bereits in den Kapiteln 3.8.2.1 und 3.8.2.2 des [X.]-Standards ([X.] [X.]) vorgesehen.

3. Hinsichtlich der mit den [X.] verteidigten Fassungen von Patentanspruch 1 ergibt sich ebenfalls keine abweichende Beurteilung.

a) Nach Hilfsantrag 1 soll Patentanspruch 1 am Ende wie folgt ergänzt werden:

", wobei die einzelnen [X.] (20, 25, 30, 35) durch Schlüsselwörter voneinander unterschieden werden, wobei jedem Datenfeld ein Schlüsselwort zugeordnet ist, wobei die einzelnen [X.] (20, 25, 30, 35) nicht nur über die Schlüsselwörter eindeutig gekennzeichnet werden, sondern auch voneinander getrennt werden."

Die Unterscheidung und Trennung der [X.] durch Schlüsselwörter ist, wie bereits mehrfach ausgeführt, schon im [X.]-Standard ([X.] [X.]) vorgesehen. Die dort als Schlüsselwörter vorgesehenen Zeichen (runde Klammern, Raute, doppelte Raute) dienen sowohl der Trennung der einzelnen [X.] als auch - zusammen mit den Festlegungen in [X.] - deren Identifizierung.

b) Nach Hilfsantrag 2 soll Patentanspruch 1 wie folgt ergänzt werden:

- Nach den Worten "mittels eines Identifikators" wird eingefügt: "in einem [X.]".

- Am Ende des Textes wird angefügt:

", wobei das [X.] (15) von einem zweiten [X.] (45) gefolgt wird, das die Länge [X.]DL (Information Element Identifier Data Length) eines dritten [X.]es (46) angibt und wobei das dritte [X.] (46) die Länge der [X.] (20, 25, 30, 35) im Datenteil (50) angibt."

Auch mit diesen zusätzlichen Merkmalen ist der Gegenstand des Streitpatents durch den Stand der Technik nahegelegt.

Die aus den oben genannten Gründen durch den Stand der Technik nahegelegte Signalisierung der [X.]-822-Adressierung mittels eines Identifikators in den [X.]en hat nach dem [X.]-Standard zwangsläufig zur Folge, dass der Identifikator in einem [X.] angeordnet ist und dass zusätzlich zum Identifikator ein [X.] ([X.]DL) und ein weiteres Datenfeld zur Verfügung stehen, dessen Inhalt beliebig festgelegt werden kann. Ob dieses Feld, das zur Übertragung der Adressierungs- und Identifikationsdaten nicht benötigt wird, leer bleibt oder für andere Zwecke genutzt wird, ist eine Frage der zweckmäßigen Ausgestaltung. Die mit Hilfsantrag 2 beanspruchte Variante, in diesem Feld die Länge der in den Nutzdaten angeordneten Adress- und Identifikationsdaten anzugeben, hält sich im Rahmen der hierfür durch den [X.]-Standard nahegelegten Möglichkeiten.

IV. [X.] beruht auf § 121 Abs. 2 [X.] und § 97 Abs. 1 ZPO.

Meier-Beck                                           Keukenschrijver                                           Mühlens

                             [X.]                                                         [X.]

Meta

X ZR 58/10

22.11.2011

Bundesgerichtshof 10. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend BPatG München, 10. Februar 2010, Az: 5 Ni 33/09 (EU), Urteil

Art 56 EuPatÜbk, § 4 PatG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 22.11.2011, Az. X ZR 58/10 (REWIS RS 2011, 1253)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 1253

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

X ZR 58/10 (Bundesgerichtshof)


X ZR 96/18 (Bundesgerichtshof)

Patentnichtigkeitsklage: Rechtsschutzinteresse des Verletzungsbeklagten in Bezug auf Unteransprüche und Nebenansprüche des Patents; Zulässigkeit der erstmals …


6 Ni 34/14 (EP) (Bundespatentgericht)

Wirkungslosigkeit dieser Entscheidung


5 Ni 51/09 (Bundespatentgericht)

Wirkungslosigkeit dieser Entscheidung


5 Ni 17/16 (EP), hinzuverb. 5 Ni 18/16 (EP) und, 5 Ni 19/16 (EP) (Bundespatentgericht)

Patentnichtigkeitsklageverfahren – "Verfahren und Vorrichtung zum Einstellen der Bandbreite einer Verbindung zwischen mindestens zwei Kommunikationsendpunkten …


Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.