Bundesgerichtshof, Beschluss vom 18.12.2018, Az. I ZB 72/17

1. Zivilsenat | REWIS RS 2018, 262

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Gegenstand

Zwangsvollstreckungsverfahren: Vollstreckung von Ersatzordnungshaft trotz Eröffnung des Insolvenzverfahrens; Ruhen der Verjährung der Vollstreckung eines Ordnungsmittels


Leitsatz

1. Eine Vollstreckung von ersatzweise angeordneter Ordnungshaft ist durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners nicht gehindert.

2. Die Frage, in welchen Fällen die Verjährung der Vollstreckung eines Ordnungsmittels ruht, ist in Art. 9 Abs. 2 Satz 4 EGStGB abschließend geregelt.

3. Die Vollstreckung kann nur dann im Sinne von Art. 9 Abs. 2 Satz 4 Nr. 1 EGStGB "nach dem Gesetz" nicht begonnen oder nicht fortgesetzt werden, wenn diese Rechtsfolge im Gesetz ausdrücklich angeordnet ist.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss des [X.] - 2. Zivilsenat - vom 1. August 2017 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als das Beschwerdegericht die sofortige Beschwerde des Betroffenen gegen die Zurückweisung seines Antrags auf Haftverschonung aus den Ordnungsmittelbeschlüssen des [X.] - 35. Kammer für Handelssachen - vom 11. Dezember 2014 und vom 24. Februar 2015 zurückgewiesen hat.

Auf die sofortige Beschwerde des Betroffenen wird der Beschluss des [X.] - 35. Kammer für Handelssachen - vom 20. Dezember 2016 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Es wird festgestellt, dass der Ordnungsmittelbeschluss des [X.] - 35. Kammer für Handelssachen - vom 24. Februar 2015 nicht mehr vollstreckbar ist.

Die Dauer der gegen den Betroffenen durch Beschluss des [X.] - 35. Kammer für Handelssachen - vom 20. April 2015 verhängten Ordnungshaft wird auf 60 Tage herabgesetzt. Hiervon entfällt je ein Tag für 250 €, die auf die Ordnungsgeldforderung gegen die Schuldnerin bezahlt werden. Zahlungen auf das Ordnungsgeld kommen vorrangig dem Betroffenen zugute.

Im übrigen Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.

Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens: 42.500 €

Gründe

1

I. Der Schuldnerin, deren Vorstand der Betroffene war und über deren Vermögen am 29. Januar 2016 das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, ist auf Antrag der Gläubigerin durch einstweilige Verfügung des [X.] vom 23. Mai 2014 unter Androhung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes und im Falle seiner Uneinbringlichkeit Ordnungshaft verboten worden, ihre Beteiligung an der Planung und Entwicklung eines Oldtimer-Zentrums unter der Bezeichnung "M.    " am Standort B.   zu bewerben. Nachdem die einstweilige Verfügung auf den Widerspruch der Schuldnerin durch Urteil des [X.] vom 25. November 2014 bestätigt worden war, haben sich die Parteien im Berufungsverfahren durch Vergleich vom 7. Mai 2015 auf eine vertragsstrafenbewehrte Unterlassungserklärung geeinigt und das Verfügungsverfahren in der Hauptsache für erledigt erklärt.

2

Das [X.] hat gegen die Schuldnerin wegen einer Zuwiderhandlung gegen die einstweilige Verfügung vom 23. Mai 2014 am 11. Dezember 2014 ein Ordnungsgeld in Höhe von 5.000 €, ersatzweise je 250 € einen Tag Ordnungshaft (insgesamt 20 Tage) festgesetzt. Am 24. Februar 2015 hat es gegen die Schuldnerin wegen erneuter Zuwiderhandlung gegen die einstweilige Verfügung vom 23. Mai 2014 ein Ordnungsgeld in Höhe von 50.000 €, ersatzweise je 250 € einen Tag Ordnungshaft (insgesamt 200 Tage) verhängt. Wegen einer weiteren Zuwiderhandlung gegen die einstweilige Verfügung vom 23. Mai 2014 hat das [X.] gegen die Schuldnerin am 20. April 2015 ein Ordnungsgeld in Höhe von 30.000 €, ersatzweise je 250 € einen Tag Ordnungshaft (insgesamt 120 Tage) festgesetzt. Die von der Schuldnerin gegen diese drei Beschlüsse jeweils eingelegten Beschwerden sind in allen Fällen ohne Erfolg geblieben.

3

Mitte des Jahres 2015 ist die Schuldnerin erfolglos zur Zahlung der Ordnungsgelder aus den [X.] vom 11. Dezember 2014 und vom 24. Februar 2015 aufgefordert worden. Die Ladung des Betroffenen zum Antritt der Ordnungshaft aus sämtlichen Ordnungsmittelbeschlüssen ist mehrfach abgeändert und zuletzt auf den 31. Januar 2017 festgesetzt worden.

4

Der Betroffene hat am 25. August 2016 beim [X.] einen Antrag auf Haftverschonung nach Art. 8 Abs. 2 [X.] gestellt. Hilfsweise hat er die Herabsetzung des Ordnungsgelds beantragt. Das [X.] hat diese Anträge mit Beschluss vom 20. Dezember 2016 zurückgewiesen.

5

Auf die sofortige Beschwerde des Betroffenen hat das Beschwerdegericht die Ordnungshaft unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels auf 170 Tage herabgesetzt.

6

Mit seiner vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde erstrebt der Betroffene die Feststellung, dass die [X.] des [X.] vom 11. Dezember 2014, vom 24. Februar 2015 und vom 20. April 2015 nicht mehr vollstreckbar sind.

7

II. Das Beschwerdegericht ist im angefochtenen Beschluss davon ausgegangen, dass kein Fall einer unbilligen Härte im Sinne von Art. 8 Abs. 2 [X.] vorliegt. Zur Begründung hat es sich auf seinen in einer Parallelsache ergangenen Beschluss vom 25. Januar 2017 - 2 W 74/16, juris und den Beschluss des [X.] vom 9. Mai 2017 - 2 BvR 335/17, NJW-RR 2017, 957 bezogen, mit dem die Verfassungsbeschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss vom 25. Januar 2017 nicht zur Entscheidung angenommen worden ist. Wegen der nach der Festsetzung des Ordnungsmittels eingetretenen Insolvenz sowohl der Schuldnerin als auch des Betroffenen selbst sei aber eine Halbierung der Ordnungshaft angemessen. Hinsichtlich der danach verbleibenden insgesamt 170 Tage Ordnungshaft sei allerdings keine Vollstreckungsverjährung eingetreten. Dazu hat es ausgeführt:

8

Die Vollstreckung von festgesetzten zivilprozessualen [X.] setze die Rechtskraft des [X.] nicht voraus und verjähre nach zwei Jahren. Die Vollstreckungsverjährung beginne mit der Vollstreckbarkeit des Ordnungsmittels, wobei eine einheitliche Frist für das Ordnungsgeld und die zugehörige Ersatzordnungshaft gelte. Bei dem Ordnungsmittelbeschluss des [X.] vom 11. Dezember 2014 sei die Frist von zwei Jahren noch nicht abgelaufen, weil die Verjährung dort jedenfalls in der [X.] vom 22. Dezember 2014 bis zum 7. April 2015, dann nochmals in der [X.] vom 25. August bis zum 27. Dezember 2016 und schließlich in der [X.] vom 23. März bis zum 9. Mai 2017 geruht habe. Dasselbe gelte für den Ordnungsmittelbeschluss des [X.] vom 24. Februar 2015, bei dem die Verjährung in der [X.] vom 17. März 2015 bis zum 26. Mai 2015 und dann ebenso wie bei dem Ordnungsmittelbeschluss vom 11. Dezember 2014 in der [X.] vom 25. August 2016 bis zum 27. Dezember 2016 und dann nochmals in der [X.] vom 23. März 2017 bis zum 9. Mai 2017 geruht habe, sowie für den Ordnungsmittelbeschluss des [X.] vom 20. April 2015, bei dem die Verjährung zunächst in der [X.] vom 29. April 2015 bis zum 22. März 2016 und dann ebenso wie bei den beiden anderen Beschlüssen nochmals in der [X.] vom 25. August 2016 bis zum 27. Dezember 2016 und in der [X.] vom 23. März 2017 bis zum 9. Mai 2017 geruht habe.

9

III. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Betroffenen hat zu keiner Unterbrechung des vorliegenden, gegen den Betroffenen gerichteten [X.] geführt. Die Parteien streiten hier nicht über eine Pflicht des Betroffenen zur Zahlung von Ordnungsgeld, bei der es um die Befriedigung einer - wenngleich gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 3 [X.] nur nachrangig zu befriedigenden - Insolvenzforderung ginge und das Verfahren daher mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Betroffenen gemäß § 240 Satz 1 ZPO unterbrochen worden wäre ([X.] in Musielak/[X.], ZPO, 15. Aufl., § 240 Rn. 5). Vielmehr steht vorliegend die Vollstreckung von ersatzweise angeordneter Ordnungshaft in Rede. Eine solche Vollstreckung ist durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners nicht gehindert (vgl. - zur Anordnung und Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe gemäß § 459e Abs. 2 StPO - [X.], NJW 2006, 3626, 3627 [juris Rn. 5 bis 9]; [X.]/[X.], [X.], 7. Aufl., § 39 Rn. 13; [X.] in [X.]/[X.]/Ringstmeier, [X.], 3. Aufl., § 39 Rn. 22; [X.] in [X.]/[X.]/Vallender, [X.], 14. Aufl., § 39 Rn. 23).

[X.]. Die gegen die Beurteilung des [X.] gerichtete Rechtsbeschwerde des Betroffenen ist aufgrund ihrer Zulassung gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. In der Sache wendet sie sich nicht gegen die Beurteilung, es liege kein Fall einer unbilligen Härte im Sinne von Art. 8 Abs. 2 [X.] vor. Die Ausführungen in dem in einer Parallelsache ergangenen Beschluss vom 25. Januar 2017, auf die sich das Beschwerdegericht zur Begründung der vorliegend zu überprüfenden Entscheidung bezogen hat, lassen auch keinen Rechtsfehler erkennen. Erfolg hat die Rechtsbeschwerde, soweit sie sich gegen die Vollstreckung aus dem Beschluss des [X.] vom 11. Dezember 2014 (dazu unter [X.]) und aus dem Beschluss des [X.] vom 24. Februar 2015 wendet (dazu unter [X.]). Nicht begründet ist die Rechtsbeschwerde dagegen, soweit sie sich gegen die Vollstreckung aus dem Beschluss des [X.] vom 20. April 2015 richtet (dazu unter [X.] 3).

1. Vollstreckung aus dem Beschluss vom 11. Dezember 2014

a) Das Beschwerdegericht ist bei diesem Beschluss und ebenso bei den anderen beiden Beschlüssen mit Recht und von der Rechtsbeschwerde auch unangegriffen davon ausgegangen, dass für die Verjährung des dort festgesetzten Ordnungsmittels gemäß § 890 ZPO die Regelung des Art. 9 [X.] gilt (vgl. [X.], Beschluss vom 5. November 2004 - [X.], [X.]Z 161, 60, 63 f. [juris Rn. 10]; Beschluss vom 17. August 2011 - [X.], [X.], 427 Rn. 7 = NJW 2011, 3791 - Aufschiebende Wirkung). Ebenfalls zutreffend ist die Beurteilung des [X.], nach der Festsetzung eines Ordnungsmittels könne keine Verfolgungsverjährung mehr eintreten, so dass ab diesem [X.]punkt allein noch die Vollstreckungsverjährung gemäß Art. 9 Abs. 2 [X.] in Betracht komme (vgl. [X.]Z 161, 60, 64 bis 66 [juris Rn. 11 bis 19]; [X.], [X.], 427 Rn. 7 f. - Aufschiebende Wirkung; [X.], Urteil vom 7. Mai 2013 - [X.], [X.], 711 Rn. 23).

b) Das Beschwerdegericht hat weiterhin mit Recht und auch insoweit von der Rechtsbeschwerde unangegriffen angenommen, dass die Frist für die Vollstreckungsverjährung, die gemäß Art. 9 Abs. 2 Satz 2 [X.] zwei Jahre beträgt, bei dem Beschluss vom 11. Dezember 2014 mit dessen Zustellung an die Schuldnerin am 18. Dezember 2014 zu laufen begonnen hat, da damit das in dem Beschluss enthaltene Ordnungsmittel vollstreckbar geworden ist (vgl. Art. 9 Abs. 2 Satz 3 [X.]; [X.]Z 161, 60, 65 [juris Rn. 14]; [X.], [X.], 711 Rn. 28). Ebenfalls zutreffend und von der Rechtsbeschwerde nicht angegriffen worden ist die Beurteilung des [X.], die Verjährung habe nachfolgend gemäß Art. 9 Abs. 2 Satz 4 Nr. 1 [X.] in der [X.] zwischen der Einlegung der sofortigen Beschwerde gegen diesen Beschluss am 22. Dezember 2014 und der Zustellung der hierauf ergangenen Entscheidung des [X.] am 7. April 2015 geruht (vgl. [X.], [X.], 427 Rn. 8 bis 10 - Aufschiebende Wirkung). Dasselbe gilt für die Annahme des [X.], die Vollstreckungsverjährung habe in der [X.] vom 23. März bis zum 9. Mai 2017 in Bezug auf alle verfahrensgegenständlichen Ordnungsmittel gemäß Art. 9 Abs. 2 Satz 4 Nr. 2 [X.] geruht, weil das Beschwerdegericht die Vollstreckung aus diesen Beschlüssen mit Beschluss vom 23. März 2017 für die Dauer von fünf Monaten, längstens bis zur Entscheidung des [X.] über die Verfassungsbeschwerde des Betroffenen in dem Parallelverfahren vor dem Beschwerdegericht mit dem Aktenzeichen 2 W 74/16 ausgesetzt und das [X.] diese Entscheidung am 9. Mai 2017 (vgl. [X.], NJW-RR 2017, 957) getroffen habe.

c) Die nach den vorstehenden Ausführungen im Dezember 2014 angelaufene und danach insgesamt rund fünf Monate lang ruhende Vollstreckungsverjährung wäre im Mai 2017 und damit vor der Einlegung der vorliegenden Rechtsbeschwerde am 4. August 2017, die als solche wiederum gemäß § 575 Abs. 5, § 570 Abs. 1 ZPO aufschiebende Wirkung gehabt und damit die Verjährung zum Ruhen gebracht hätte, nicht abgelaufen gewesen, wenn die Vollstreckungsverjährung auch seit dem vom Betroffenen am 25. August 2016 beim [X.] gestellten Antrag auf Haftverschonung gemäß Art. 8 Abs. 2 EGBGB in Verbindung mit § 765a ZPO bis zur Ablehnung dieses Antrags mit dem dem Betroffenen am 27. Dezember 2016 zugestellten Beschluss des [X.] vom 20. Dezember 2016 erneut gemäß Art. 9 Abs. 2 Satz 4 Nr. 1 [X.] zum Ruhen gebracht worden wäre. Das Beschwerdegericht ist von einem solchen weiteren Ruhen der Vollstreckungsverjährung ausgegangen. Dem kann jedoch nicht zugestimmt werden. Die Vollstreckbarkeit des im Beschluss des [X.] vom 11. Dezember 2014 festgesetzten Ordnungsmittels kann daher nicht mit der vom Beschwerdegericht gegebenen Begründung bejaht werden.

aa) Das Beschwerdegericht hat zu dem von ihm im Hinblick auf den Antrag des Betroffenen auf Haftverschonung auch für die [X.] vom 25. August bis zum 27. Dezember 2016 angenommenen Ruhen der Vollstreckungsverjährung ausgeführt, das [X.], das zum Ruhen der Verjährung führe, könne sich auch aus einem anderen Gesetz als der Zivilprozessordnung und daher im Lichte der neueren Rechtsprechung zur Bedeutung der Grundrechte wie insbesondere des Rechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit unmittelbar aus dem materiellen Verfassungsrecht ergeben. Zwar hindere ein verfahrensbezogener Antrag wie der vom Betroffenen hier gestellte Antrag auf Haftverschonung die Vollstreckung nicht, weil das Gesetz bei einem solchen Antrag anders als in § 570 Abs. 1 ZPO für die Beschwerde gegen die Festsetzung von [X.] und Zwangsmitteln keine aufschiebende Wirkung anordne. Bei einer mit einem solchen Antrag substantiiert geltend gemachten Gefahr für Leib und Leben im Falle der Fortsetzung der Vollstreckung könne aber das auch von den [X.] bei der Auslegung und Anwendung der vollstreckungsrechtlichen Verfahrensvorschriften zu berücksichtigende Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG jedenfalls dann die zeitweise Einstellung der Zwangsvollstreckung gebieten, wenn ein schwerwiegender Eingriff in dieses Grundrecht konkret zu besorgen sei und eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Interessen der an der Vollstreckung Beteiligten zu einem Vorrang der Belange des Schuldners führe. In entsprechenden Fällen bestehe unabhängig davon, ob ein förmlicher Beschluss über die Einstellung der Zwangsvollstreckung oder die Aussetzung der Vollziehung ergehe, ein [X.] aus dem Grundrecht und damit "nach dem Gesetz", das die Vollstreckungsverjährung nach Art. 9 Abs. 2 Satz 4 Nr. 1 [X.] ruhen lasse.

bb) Dieser Sichtweise kann nicht zugestimmt werden. Die Vollstreckungsverjährung von [X.] kann aus Gründen der Rechtssicherheit nur in den in Art. 9 Abs. 2 Satz 4 [X.] - abschließend - geregelten Fällen ruhen, dass die Vollstreckung nach dem Gesetz nicht begonnen oder nicht fortgesetzt werden kann (Nr. 1), dass die Vollstreckung ausgesetzt worden ist (Nr. 2) oder dass dem Schuldner eine Zahlungserleichterung bewilligt (Nr. 3) worden ist. Entgegen der Ansicht des [X.] kann die Vollstreckung nur dann im Sinne von Art. 9 Abs. 2 Satz 4 Nr. 1 [X.] "nach dem Gesetz" nicht begonnen oder nicht fortgesetzt werden, wenn diese Rechtsfolge im Gesetz ausdrücklich angeordnet ist. So bestimmt etwa § 570 Abs. 1 ZPO, dass die Beschwerde gegen die Festsetzung eines Ordnungs- oder Zwangsmittels aufschiebende Wirkung hat. Soweit das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG die zeitweise Einstellung der Zwangsvollstreckung gebietet, ergibt sich das [X.] nicht ausdrücklich aus dem Grundrecht und damit nicht aus dem Gesetz. Die Vollstreckung ist in derartigen Fällen allerdings auf Antrag des Betroffenen durch förmlichen Beschluss auszusetzen. Die Vollstreckungsverjährung ruht dann nach Art. 9 Abs. 2 Satz 4 Nr. 2 [X.]. Gegen die vom Beschwerdegericht vertretene Ansicht spricht, dass sich die Auslegung von Vorschriften über die Verjährung - wie hier über das Ruhen der Verjährung - im Interesse der Rechtssicherheit grundsätzlich eng an den Wortlaut des Gesetzes anlehnen muss (st. Rspr.; vgl. [X.], Urteil vom 23. November 1994 - [X.], [X.]Z 128, 74, 80 [juris Rn. 25] mwN). Würde die Vollstreckung nach Art. 9 Abs. 2 Satz 4 Nr. 1 [X.] auch in gesetzlich nicht ausdrücklich geregelten Fällen ruhen, wäre es für den Schuldner - anders als bei einem nach dem Gesetz ausdrücklich bestimmten oder in einem Beschluss ausdrücklich angeordneten [X.] - nicht klar erkennbar, ob und gegebenenfalls für welchen [X.]raum die Vollstreckungsverjährung geruht hat und ob das Ordnungsmittel noch gegen ihn vollstreckt werden kann oder bereits Vollstreckungsverjährung eingetreten ist. Das widerspräche seinem berechtigten Interesse an Rechtssicherheit.

d) Danach kommt es für die Vollstreckung aus dem Beschluss vom 11. Dezember 2014 entgegen der Ansicht des [X.] darauf an, ob und gegebenenfalls wie lange die Verjährung der Vollstreckung aus diesem Beschluss durch den Vergleich, den die Parteien am 7. Mai 2015 im Berufungsverfahren geschlossen haben, oder durch die nachfolgende Verfügung des [X.] vom 18. Mai 2015 oder auch durch die sofortige Beschwerde zum Ruhen gebracht worden ist, die der Betroffene am 10. Januar 2017 gegen den Beschluss des [X.] vom 20. Dezember 2016 eingelegt hat. Das Beschwerdegericht hat diese Fragen ausdrücklich offen gelassen. Die für deren Beurteilung erforderlichen Feststellungen lassen sich in der [X.] nicht nachholen.

2. Vollstreckung aus dem Beschluss vom 24. Februar 2015

Nach den vorstehend unter [X.] dargestellten Grundsätzen ist die zweijährige Frist für die Vollstreckungsverjährung gemäß Art. 9 Abs. 2 Satz 2 [X.] bei dem im Beschluss des [X.] vom 24. Februar 2015 enthaltenen Ordnungsmittel mit der Zustellung dieses Beschlusses am 2. März 2015 angelaufen und hat nachfolgend gemäß Art. 9 Abs. 2 Satz 4 Nr. 1 und 2 [X.] in der [X.] vom 17. März 2015 bis zum 26. Mai 2015 und dann nochmals in der [X.] vom 23. März 2017 bis zum 9. Mai 2017, das heißt insgesamt knapp vier Monate lang geruht. Sie ist daher spätestens im Juli 2017 abgelaufen. Damit ist die Vollstreckung des in dem Beschluss des [X.] vom 24. Februar 2015 festgesetzten Ordnungsmittels nicht mehr möglich.

3. Vollstreckung aus dem Beschluss vom 20. April 2015

Die Vollstreckung aus dem der Schuldnerin am 27. April 2015 zugestellten Ordnungsmittelbeschluss des [X.] vom 20. April 2015 hat in der [X.] vom 29. April 2015 bis zum 22. März 2016 und dann nochmals in der [X.] vom 23. März bis zum 9. Mai 2017 und damit insgesamt rund ein Jahr lang geruht. Die Frist für die Vollstreckungsverjährung von zwei Jahren gemäß Art. 9 Abs. 2 Satz 2 [X.] war daher in diesem Fall im [X.]punkt der Einlegung der Rechtsbeschwerde am 4. August 2017, mit der diese Frist nunmehr erneut zum Ruhen gebracht worden ist, noch nicht abgelaufen gewesen. Dementsprechend hat das Rechtsmittel des Betroffenen in dieser Hinsicht keinen Erfolg und ist deshalb die vom Beschwerdegericht insoweit getroffene Entscheidung zu bestätigen.

V. Danach ist der mit der Rechtsbeschwerde angefochtene Beschluss unter Zurückweisung des gegen die Vollstreckung aus dem Beschluss vom 20. April 2015 gerichteten Rechtsmittels (vgl. vorstehend unter [X.] 3) aufzuheben, soweit er die Vollstreckung aus den Ordnungsmittelbeschlüssen des [X.] vom 11. Dezember 2014 und vom 24. Februar 2015 betrifft. Im Hinblick auf den letzteren Beschluss ist festzustellen, dass dieser nicht mehr vollstreckbar ist (vgl. vorstehend unter [X.]). Der vom Betroffenen insoweit gestellte Antrag ist zulässig (vgl. [X.], [X.], 711 Rn. 20 in Verbindung mit 18 f.) und aus den vorstehend unter [X.] dargestellten Gründen auch begründet. In Bezug auf den Beschluss vom 11. Dezember 2014 hat das Beschwerdegericht - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - keine Feststellungen zu für die Frage der Vollstreckungsverjährung möglicherweise weiterhin relevanten Hemmungstatbeständen getroffen (vgl. vorstehend unter [X.] d). Da die entsprechenden Feststellungen im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht nachgeholt werden können, ist die Sache insoweit nicht zur Endentscheidung reif und deshalb an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO).

VI. Die Festsetzung des Werts des [X.] auf 42.500 € trägt dem Umstand Rechnung, dass nach dem angefochtenen Beschluss die Dauer der gegen den Betroffenen verhängten Ordnungshaft 170 Tage betragen sollte und für jeden Tag 250 € in Ansatz gebracht worden sind.

Koch     

      

Schaffert     

      

[X.]

      

Löffler     

      

Schwonke     

      

Meta

I ZB 72/17

18.12.2018

Bundesgerichtshof 1. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend OLG Stuttgart, 1. August 2017, Az: 2 W 5/17

§ 240 S 1 ZPO, § 890 ZPO, § 39 Abs 1 Nr 3 InsO, Art 9 Abs 2 S 4 Nr 1 StGBEG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 18.12.2018, Az. I ZB 72/17 (REWIS RS 2018, 262)

Papier­fundstellen: MDR 2019, 273-274 WM2019,210 REWIS RS 2018, 262


Verfahrensgang

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Az. I ZB 72/17

Bundesgerichtshof, I ZB 72/17, 18.12.2018.


Az. 2 W 5/17

Oberlandesgericht Düsseldorf, 2 W 5/17, 05.05.2017.


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Referenzen
Wird zitiert von

I ZB 99/19

Zitiert

2 BvR 335/17

I ZB 20/11

IX ZR 123/12

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