Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 18.09.2018, Az. 9 AZR 20/18

9. Senat | REWIS RS 2018, 3705

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Gegenstand

Einstellungsanspruch - Auswahlentscheidung - Altersdiskriminierung


Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 10. Oktober 2017 - 15 Sa 33/17 - aufgehoben.

2. Die Berufung des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 30. März 2017 - 15 [X.]/16 - wird zurückgewiesen.

3. Der Kläger hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über einen Einstellungsanspruch, hilfsweise verlangt der [X.]läger die Zahlung einer Entschädigung wegen Altersdiskriminierung.

2

Der [X.]läger war bei der [X.] als [X.]agerarbeiter beschäftigt. Diese und die beklagte [X.] sind [X.]ochtergesellschaften der [X.], die zusammen mit der [X.]. die sogenannte [X.] bildet, die medizinische [X.]eräte produziert und vertreibt.

3

Am 16./17. Juni 2016 vereinbarte die [X.] wegen der beabsichtigten Schließung ihres [X.] in [X.] zum 31. Dezember 2016 mit dem bei ihr gebildeten Betriebsrat einen Interessenausgleich, in dem die zu kündigenden Arbeitnehmer, darunter der [X.]läger und der Arbeitnehmer [X.], namentlich bezeichnet sind. Darin heißt es auszugsweise:

        

Interessenausgleich

        

als Betriebsvereinbarung

        

…       

        

§ 12   

        

Arbeitsplatzangebot bei der [X.]

        

12.1. Alle Stellen, die bei [X.] und bei der [X.] zur Neubesetzung bekannt werden, werden nochmals gesondert ausgeschrieben, sodass die von diesem Interessenausgleich betroffenen Mitarbeiter die Möglichkeit erhalten sollen, sich auf diese offenen Stellen zu bewerben.

        

12.2. Voraussichtlich werden zwei Vollzeitstellen im Rohwarenlager bei der [X.] zum 01.01.2017 frei. [X.] und die [X.] sichern - vorbehaltlich der Zustimmung des Betriebsrats der [X.] - zu, dass diese beiden Stellen mit Mitarbeiter[n] von der Namensliste (Anlage 1), nachbesetzt werden, sofern sich diese Mitarbeiter bewerben.

        

12.3. Bewerben sich mehr als zwei Mitarbeiter auf diese beiden Stellen, werden die sozial schutzwürdigeren Bewerber berücksichtigt ([X.] analog § 1 [X.]Sch[X.]), sofern sie fachlich geeignet sind.

        

12.4. Die Einstellungen erfolgen unter Anerkennung der Betriebszugehörigkeiten in der [X.].

        

12.5. Ein darüber hinausgehender Anspruch auf Einstellung besteht nicht. [X.] und die [X.] werden eine Bewerbung der von diesem Interessenausgleich betroffenen Mitarbeiter bei fachlicher und persönlicher Eignung wohlwollend prüfen. Bei gleicher Eignung werden Mitarbeiter, die von den unter § 5 genannten Maßnahmen betroffen sind, bevorzugt eingestellt.“

4

Unterzeichnet wurde der Interessenausgleich durch [X.] als [X.]eschäftsführer der [X.], [X.] als deren Personalleiter und M als Vorsitzende des Betriebsrats der [X.].

5

[X.] war gleichzeitig einer der [X.]eschäftsführer der [X.]. [X.]aut Handelsregister war er zusammen mit einem weiteren [X.]eschäftsführer oder einem Prokuristen zur Vertretung der [X.] berechtigt; Herr [X.] war als [X.]esamtprokurist der [X.] zusammen mit einem [X.]eschäftsführer oder einem anderen Prokuristen vertretungsberechtigt.

6

An die den Interessenausgleich abschließenden Unterschriften schließt sich folgender [X.]ext an, der von [X.] als [X.]eschäftsführer der [X.] unterzeichnet wurde:

        

„Hinsichtlich des o. g. § 12 tritt die [X.] dieser Vereinbarung bei und anerkennt ihre dort dargelegte Verpflichtung zur Neubesetzung der beiden Stellen.“

7

Nach Abschluss des Interessenausgleichs kündigte die [X.] die mit dem [X.]läger, mit dem Arbeitnehmer [X.] sowie mit dessen Ehefrau bestehenden Arbeitsverhältnisse zum 31. Dezember 2016.

8

Die Beklagte schrieb die in § 12 Interessenausgleich genannten Stellen aus. Auf die Stelle eines [X.]agerarbeiters - die vorliegend allein von Bedeutung ist - bewarben sich neben dem [X.]läger und dem Arbeitnehmer [X.] sechs weitere Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis von der [X.] ebenfalls auf [X.]rundlage des Interessenausgleichs gekündigt worden war. Am 22. Juli 2016 traf die Beklagte eine Auswahlentscheidung, der sie im ersten Schritt folgendes Punkteschema zugrunde legte:

        

„-    

Betriebszugehörigkeit: 1 Punkt je vollem Beschäftigungsjahr

        

-       

[X.]ebensalter: 1 Punkt für jedes vollendete [X.]ebensjahr

        

-       

Unterhaltsverpflichtungen gegenüber [X.]indern und Ehegatten/[X.]ebenspartnern: je 8 Punkte für jedes unterhaltsberechtigte [X.]ind bzw. je 8 Punkte für den unterhaltsberechtigten Ehegatten/[X.]ebenspartner

        

-       

Schwerbehinderung: 5 Punkte ab einem [X.]rad der Behinderung von 50 % und jeweils einen weiteren Punkt für jede 10 % des [X.]dB bei Überschreiten von einem Behinderungsgrad von 50 %“

9

Die höchste Punktzahl mit jeweils 78 Punkten erreichten der am 22. Oktober 1958 geborene, geschiedene und keiner Person zum Unterhalt verpflichtete [X.]läger, der bei der [X.] vom 2. August 1994 bis zum 31. Dezember 2016 beschäftigt war und der am 8. September 1970 geborene, seiner Ehefrau und drei [X.]indern zum Unterhalt verpflichtete Arbeitnehmer [X.] mit einer Betriebszugehörigkeit vom 1. September 2014 bis zum 31. Dezember 2016. Anschließend nahm die Beklagte eine abschließende [X.]esamtwürdigung vor und vergab die Stelle an den Bewerber [X.].

Der [X.]läger hat die Ansicht vertreten, die Beklagte sei zu seiner Einstellung verpflichtet, weil sie § 12 des Interessenausgleichs beigetreten sei und die Erklärung ihres [X.]eschäftsführers genehmigt habe. Zumindest sei ihr diese nach den [X.]rundsätzen der [X.] bzw. Anscheinsvollmacht zuzurechnen. Die von der [X.] getroffene [X.] entspreche entgegen § 12.3 Interessenausgleich nicht den Anforderungen von § 1 [X.]Sch[X.]. Er sei sozial deutlich schutzwürdiger als sein ehemaliger [X.]ollege [X.]. Das Punkteschema gewichte Unterhaltspflichten überproportional stark. Zudem sei davon auszugehen, dass Frau [X.] zum Zeitpunkt der Auswahlentscheidung eine Anschlussbeschäftigung in Aussicht gehabt habe. Die Beklagte habe ihn wegen seines Alters benachteiligt, weil sie sich mit der Einstellung seines ehemaligen [X.]ollegen [X.] für den jüngeren Bewerber entschieden habe.

Der [X.]läger hat zuletzt sinngemäß beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, ihm in dem Rohwarenlager der [X.] einen Arbeitsplatz in Vollzeit unter Anerkennung der Betriebszugehörigkeit in der [X.] seit dem 2. August 1994 ab dem 1. Januar 2017 anzubieten;

        

hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, an ihn eine angemessene Entschädigung zu zahlen, deren Höhe in das Ermessen des [X.]erichts gestellt wird, die jedoch den Betrag von 5.000,00 Euro nicht unterschreiten sollte, nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27. September 2016.

Die Beklagte hat beantragt, die [X.]lage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, weder § 12 Interessenausgleich noch die Erklärung ihres [X.]eschäftsführers [X.] verpflichte sie zur Einstellung eines von der [X.] gekündigten Arbeitnehmers. [X.]ehe man von einer Einstellungsverpflichtung aus, bestehe ebenfalls kein Einstellungsanspruch des [X.]lägers. Sie habe eine Auswahl nach billigem Ermessen treffen können. Dem genüge ihre Auswahlentscheidung. Diese werde auch den Anforderungen einer [X.] nach § 1 Abs. 3 [X.]Sch[X.] gerecht. Ihr Arbeitnehmer [X.] sei sozial schutzwürdiger als der [X.]läger. Für ihn habe die [X.]ündigung des Arbeitsverhältnisses durch die [X.] aufgrund seiner Unterhaltspflichten und des gleichzeitigen Arbeitsplatzverlusts seiner Ehefrau eine besondere Härte bedeutet.

Das Arbeitsgericht hat die [X.]lage abgewiesen. Das [X.]andesarbeitsgericht hat dem Hauptantrag auf die Berufung des [X.]lägers stattgegeben. Mit der vom [X.]andesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte weiterhin die Abweisung der [X.]lage.

Entscheidungsgründe

Die Revision der [X.] ist begründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Das Urteil des [X.] war daher aufzuheben und die Berufung des [X.] zurückzuweisen.

A. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Abgabe des mit dem Hauptantrag begehrten Vertragsangebots zur Begründung eines Arbeitsverhältnisses.

I. Der Hauptantrag ist zulässig.

1. Der Antrag ist hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

a) Ein auf die Abgabe einer Willenserklärung gerichteter Antrag ist nur dann bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, wenn er so gefasst ist, dass der Inhalt der nach § 894 Satz 1 ZPO fingierten Erklärung klar ist. [X.]eht es um den Abschluss eines Arbeitsvertrags, muss die nach der speziellen Vollstreckungsregel des § 894 Satz 1 ZPO als abgegeben geltende Willenserklärung den für einen solchen Vertrag notwendigen Mindestinhalt (essentialia negotii) umfassen. Hierzu gehören nach § 611 Abs. 1 B[X.]B die „versprochenen Dienste“ bzw. seit 1. April 2017 nach § 611a Abs. 1 Satz 1 B[X.]B die Arbeitsleistung, zu der der Arbeitnehmer verpflichtet ist, und damit Art und Beginn der Arbeitsleistung. Eine Einigung über weitere Inhalte ist grundsätzlich nicht erforderlich, sofern klar ist, dass die Arbeitsleistung vergütet werden soll. Der Umfang der Arbeitsleistung und die Dauer des Arbeitsverhältnisses bestimmen sich ggf. nach den üblichen Umständen. Ist die Höhe der Vergütung nicht bestimmt, ist gemäß § 612 Abs. 2 B[X.]B die übliche Vergütung als vereinbart anzusehen. Nimmt der Kläger in seinen Klageantrag über den für den Abschluss eines Arbeitsvertrags notwendigen Mindestinhalt noch weitere Arbeitsbedingungen auf, müssen diese bestimmt bezeichnet sein. Zur Ermittlung des Inhalts einer mit der Klage erstrebten Willenserklärung kann - wie bei anderen auslegungsbedürftigen Klageanträgen - die Klagebegründung herangezogen werden (vgl. [X.] 15. Oktober 2013 - 9 [X.] - Rn. 18 mwN).

b) Der Hauptantrag genügt diesen Anforderungen. Der Zeitpunkt, zu dem das Vertragsangebot wirken soll, und der Umfang der Beschäftigung sind benannt. Zwar ist im Wortlaut des Klageantrags nur der Ort der Arbeitsleistung, nicht jedoch die Art der Tätigkeit angegeben. Aus dem unstreitigen Parteivortrag ergibt sich jedoch, dass sich das Vertragsangebot auf die Tätigkeit eines Lagerarbeiters im Rohwarenlager der [X.] beziehen soll. Das Fehlen einer konkreteren Tätigkeitsbeschreibung führt nicht zur Unbestimmtheit des Klageantrags, sondern zu einem entsprechend weiten Direktionsrecht des Arbeitgebers. Der Antrag ist auch bestimmt, soweit er sich auf die Anerkennung der Betriebszugehörigkeit in der [X.] bezieht. Es soll von einer Betriebszugehörigkeit seit dem 2. August 1994 ausgegangen werden.

2. Für die erstrebte Verurteilung zur Abgabe eines Angebots auf Abschluss eines Arbeitsvertrags besteht ein allgemeines Rechtsschutzbedürfnis des [X.]. Das gilt insbesondere, weil bei einer Klage auf Annahme eines Vertragsangebots ein einseitiges, § 12 Satz 1 KSch[X.] entsprechendes Lösungsrecht des [X.] vom Vertrag nicht bestünde (vgl. [X.] 13. Juni 2012 - 7 [X.] - Rn. 21 mwN).

II. Der Hauptantrag ist unbegründet.

1. Der Begründetheit steht nicht entgegen, dass die Verurteilung der [X.] zur Abgabe des Angebots auf Abschluss eines Arbeitsvertrags ab dem 1. Januar 2017 gelten soll. Seit Inkrafttreten des § 311a Abs. 1 B[X.]B idF des [X.] vom 26. November 2001 ([X.]I S. 3138) kommt auch die Verurteilung zur Abgabe einer Willenserklärung in Betracht, mit der rückwirkend ein Arbeitsverhältnis begründet werden soll, auch wenn dieses in der Vergangenheit tatsächlich nicht durchgeführt werden kann ([X.] 19. August 2015 - 5 [X.] - Rn. 20, [X.]E 152, 213; vgl. auch [X.] 15. Oktober 2013 - 9 [X.] - Rn. 25).

2. Der Hauptantrag ist jedoch unbegründet, weil die [X.] nicht zur Abgabe des vom Kläger begehrten Vertragsangebots verpflichtet ist. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Erklärung des [X.]eschäftsführers [X.] der [X.] zuzurechnen ist bzw. von ihr genehmigt wurde und ggf. geeignet wäre, eine Verpflichtung der [X.] zur Einstellung des Arbeitnehmers zu begründen, der die in § 12.2 und § 12.3 Interessenausgleich genannten Voraussetzungen erfüllte. Ein Anspruch des [X.] besteht auch nicht, wenn man dies zu seinen [X.]unsten unterstellt, weil die [X.] mit der Einstellung des Arbeitnehmers [X.] eine Auswahlentscheidung getroffen hat, die den Anforderungen einer [X.] analog § 1 KSch[X.] genügt.

a) Das [X.] ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass nach der Erklärung des [X.]eschäftsführers [X.] die Auswahl des von der [X.] einzustellenden Bewerbers in entsprechender Anwendung von § 1 Abs. 3 KSch[X.] erfolgen sollte. Die Erklärung nimmt auf § 12.3 Interessenausgleich Bezug. Danach sollten bei Bewerbungen mehrerer vom Interessenausgleich betroffener, fachlich geeigneter Arbeitnehmer der T [X.]mbH auf die im Rohwarenlager der [X.] zu besetzenden Stellen „die sozial schutzwürdigeren Bewerber berücksichtigt ([X.] analog § 1 KSch[X.])“ werden. § 12.3 Interessenausgleich bezieht sich im Klammerzusatz ausdrücklich auf eine „[X.] analog § 1 KSch[X.]“. Einer Auswahlentscheidung sollten danach die Wertungsmaßstäbe „analog“ zugrunde gelegt werden, die für die personelle Konkretisierung einer Kündigung aus dringenden betrieblichen Erfordernissen iSv. § 1 Abs. 2 KSch[X.] in Fällen gelten, in denen die Zahl der vom Rückgang des [X.] betroffenen Arbeitnehmer die der verbliebenen Arbeitsplätze übersteigt (vgl. [X.] 27. April 2017 - 2 [X.] - Rn. 15, [X.]E 159, 82). Der Wortlaut von § 12.3 Interessenausgleich lässt eine Auslegung, die [X.] sei berechtigt, eine Auswahlentscheidung nach billigem Ermessen zu treffen, nicht zu. Auch ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, die Überprüfung der Auswahlentscheidung solle nach § 1 Abs. 4 bzw. Abs. 5 KSch[X.] lediglich auf grobe Fehlerhaftigkeit beschränkt sein.

b) Die Revision rügt jedoch zu Recht eine fehlerhafte Anwendung von § 1 Abs. 3 KSch[X.] durch das [X.].

aa) Das [X.] hat angenommen, der Kläger sei aufgrund seines Lebensalters und der Dauer seiner Betriebszugehörigkeit bei der T [X.]mbH deutlich schutzwürdiger als der Arbeitnehmer [X.]. Das von der [X.] angewandte [X.] bewerte Unterhaltspflichten im Verhältnis zum Lebensalter und zur Dauer der Betriebszugehörigkeit unzulässig hoch. Der Fehler bei der [X.]ewichtung der Unterhaltspflichten werde noch vertieft, weil die [X.] in ihrer abschließenden Bewertung zusätzlich zugunsten des Arbeitnehmers [X.] den Arbeitsplatzverlust seiner Ehefrau berücksichtigt habe.

bb) Die Entscheidung des Berufungsgerichts, ob eine vom Arbeitgeber nach § 1 Abs. 3 KSch[X.] getroffene [X.] den gesetzlichen Anforderungen genügt, ist revisionsrechtlich zwar nur eingeschränkt überprüfbar (vgl. hierzu [X.] 22. März 2012 - 2 [X.] - Rn. 22 mwN; 7. Juli 2011 - 2 [X.] - Rn. 44). Die Rüge der [X.] ist jedoch auch unter Berücksichtigung dieses eingeschränkten [X.] begründet. Das Berufungsurteil trägt dem [X.], den § 1 Abs. 3 KSch[X.] dem Arbeitgeber einräumt, nicht genügend Rechnung.

(1) Seit Inkrafttreten der Neuregelung des § 1 Abs. 3 KSch[X.] durch das [X.]esetz zu Reformen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003 ([X.]I S. 3002) ist die [X.] nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSch[X.] allein anhand der Kriterien Dauer der Betriebszugehörigkeit, Unterhaltspflichten, Lebensalter und Schwerbehinderung vorzunehmen. Sie bilden jeweils typisierend die Merkmale einer besonderen Schutzbedürftigkeit aus (vgl. [X.] 27. April 2017 - 2 [X.] - Rn. 15, [X.]E 159, 82). § 1 Abs. 3 Satz 1 KSch[X.] verlangt vom Arbeitgeber die „ausreichende“ Berücksichtigung der dort angeführten Auswahlkriterien. Ihm steht damit bei deren [X.]ewichtung ein [X.] zu. Dem [X.]esetzeswortlaut ist nicht zu entnehmen, wie die genannten [X.] [X.]esichtspunkte zueinander ins Verhältnis zu setzen sind. Keinem Kriterium kommt eine Priorität gegenüber den anderen zu. Vielmehr sind stets die individuellen Unterschiede zwischen den vergleichbaren Arbeitnehmern und deren „Sozialdaten“ zu berücksichtigen und abzuwägen. Dabei braucht der Arbeitgeber nicht die „bestmögliche“ [X.] vorgenommen zu haben. Ebenso wenig ist es entscheidend, ob das [X.]ericht dieselbe Auswahl getroffen hätte, wenn es eigenverantwortlich die [X.] Erwägungen hätte anstellen und die [X.] [X.]rundlagen hätte gewichten müssen. Der dem Arbeitgeber einzuräumende [X.] führt dazu, dass nur deutlich schutzwürdigere Arbeitnehmer sich mit Erfolg auf einen Auswahlfehler berufen können (vgl. [X.] 29. Januar 2015 - 2 [X.] - Rn. 11 mwN, [X.]E 150, 330).

(2) Ausgehend von diesen [X.]rundsätzen hat die [X.] bei der von ihr getroffenen Auswahlentscheidung die in § 1 Abs. 3 Satz 1 KSch[X.] angeführten Auswahlkriterien ausreichend berücksichtigt. Die [X.] konnte, ohne den ihr eingeräumten [X.] zu überschreiten, auf [X.]rundlage einer individuellen Abschlussprüfung davon ausgehen, dass der Kläger sozial nicht deutlich schutzwürdiger ist als der Arbeitnehmer [X.]. Es kann deshalb dahinstehen, ob das von der [X.] aufgestellte [X.] - für sich betrachtet - die in § 1 Abs. 3 Satz 1 KSch[X.] genannten Auswahlkriterien im Verhältnis zueinander entsprechend den gesetzlichen Anforderungen gewichtet.

(a) Eine deutlich höhere Schutzwürdigkeit des [X.] ergibt sich nicht bereits daraus, dass dieser im Hinblick auf zwei Kriterien, nämlich Dauer der Betriebszugehörigkeit und Lebensalter, schutzwürdiger ist als der Arbeitnehmer [X.], der lediglich mit dem Kriterium der Unterhaltspflichten schutzwürdiger ist. Die [X.]leichrangigkeit der Auswahlkriterien verlangt, die mit ihnen verbundenen konkreten Daten der betroffenen Arbeitnehmer in ein Verhältnis zueinander zu setzen ([X.] 29. Januar 2015 - 2 [X.] - Rn. 25, [X.]E 150, 330). Die [X.] konnte danach grundsätzlich die in § 1 Abs. 3 Satz 1 KSch[X.] genannten Kriterien in einem [X.] unterschiedlich bewerten (vgl. [X.] 6. Juli 2006 - 2 [X.] - Rn. 60 ff.).

(b) Die [X.] durfte zudem durch eine entsprechend hohe Bewertung der Unterhaltspflichten berücksichtigen, dass ältere Arbeitnehmer durch das Abstellen auf die Dauer der Betriebszugehörigkeit und das Lebensalter überproportional begünstigt sein können (vgl. [X.] 29. Januar 2015 - 2 [X.] - Rn. 17 mwN, [X.]E 150, 330), denn eine lange Betriebszugehörigkeit geht regelmäßig mit einem höheren Lebensalter einher (vgl. [X.] 5. Dezember 2002 - 2 [X.] - zu [X.] 5 der [X.]ründe).

(c) Mit der von ihr vorgenommenen individuellen Abschlussprüfung, die für ihre Auswahlentscheidung nach den bindenden Feststellungen des [X.] (§ 559 Abs. 2 ZPO) letztlich ausschlaggebend war, hat die [X.] im Ergebnis die in § 1 Abs. 3 Satz 1 KSch[X.] genannten Auswahlkriterien ausreichend berücksichtigt.

(aa) Das [X.]esetz erkennt mit § 1 Abs. 3 Satz 1 KSch[X.] an, dass die Härte, die der Verlust des Arbeitsplatzes für einen Arbeitnehmer bedeutet, nicht ausschließlich durch sein Lebensalter und die Dauer seiner Betriebszugehörigkeit, sondern daneben ua. durch die Unterhaltspflichten als weiteres Kriterium bestimmt wird (vgl. zum Lebensalter [X.] 27. April 2017 - 2 [X.] - Rn. 17, [X.]E 159, 82).

(bb) Der für die Fehlerhaftigkeit der [X.] darlegungs- und beweisbelastete Kläger (§ 1 Abs. 3 Satz 3 KSch[X.]) hat nach den in der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des [X.] keine Anhaltspunkte für eine Anschlussbeschäftigung von Frau [X.] vorgetragen. Die [X.] musste danach bei ihrer Auswahlentscheidung davon auszugehen, dass den gegenüber seinen Kindern (§§ 1601 ff. B[X.]B) und seiner Ehefrau (§§ 1360 ff. B[X.]B) zum Unterhalt verpflichteten Arbeitnehmer [X.] vier „volle“, nicht durch ein eigenes Einkommen der Ehefrau geminderte Unterhaltspflichten trafen. Dem konnte die [X.] bei der [X.]ewichtung der Unterhaltspflichten des Arbeitnehmers [X.] Rechnung tragen (vgl. zur Berücksichtigung eines Doppelverdiensts [X.] 29. Januar 2015 - 2 [X.] - Rn. 22 f., [X.]E 150, 330; vgl. auch zu den Auswirkungen eines Doppelverdiensts auf die Unterhaltspflicht gegenüber gemeinsamen Kindern [X.] 11. Aufl. § 1 KSch[X.] Rn. 677a). In der [X.]esamtschau lässt sich nicht sagen, dass der Kläger, bei dem aufgrund seines Alters von 57 Jahren typischerweise von verminderten Chancen auf dem Arbeitsmarkt auszugehen war, mit einer um 20 Jahre längeren Betriebszugehörigkeit und einem zwölf Jahre höheren Lebensalter vom Verlust des Arbeitsplatzes erheblich härter getroffen wurde als der mit vier Unterhaltspflichten belastete Herr [X.], der mit 45 Lebensjahren ein Alter überschritten hatte, bei dem bei typisierender Betrachtung von besseren Vermittlungschancen auf dem Arbeitsmarkt (vgl. [X.] 7. Juli 2011 - 2 [X.] - Rn. 52) auszugehen war.

III. Mit der Abweisung des [X.] ist der - auch ohne Anschlussrechtsmittel des [X.] in die Revision gelangte (vgl. [X.] 22. September 2016 - 2 [X.] - Rn. 73, [X.]E 157, 1) - Hilfsantrag auf Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 A[X.][X.] zur Entscheidung angefallen. Der Hilfsantrag ist ebenfalls unbegründet.

1. Der Hilfsantrag ist zulässig, insbesondere hinreichend bestimmt (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Der Kläger durfte die Höhe der von ihm begehrten Entschädigung in das Ermessen des [X.]erichts stellen. § 15 Abs. 2 Satz 1 A[X.][X.] räumt dem [X.]ericht bei der Höhe der Entschädigung einen Beurteilungsspielraum ein, weshalb eine Bezifferung des [X.] nicht notwendig ist. Erforderlich ist allein, dass der Kläger Tatsachen, die das [X.]ericht bei der Bestimmung des Betrags heranziehen soll, benennt und die [X.]rößenordnung der geltend gemachten Forderung angibt ([X.] 24. Januar 2013 - 8 [X.] - Rn. 23). Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Der Kläger hat einen Sachverhalt dargelegt, der dem [X.]ericht die Bestimmung einer Entschädigung ermöglicht, und den Mindestbetrag der angemessenen Entschädigung mit 5.000,00 Euro beziffert.

2. Der Kläger hat gegen die [X.] keinen Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung aus § 15 Abs. 2 A[X.][X.] aufgrund einer Benachteiligung wegen seines Alters. Zwar schließt allein die Vereinbarkeit einer unter mehreren Bewerbern getroffenen Auswahlentscheidung mit den Vorgaben des § 1 Abs. 3 Satz 1 KSch[X.] eine unzulässige unterschiedliche Behandlung wegen des Alters nicht aus (vgl. [X.] 23. Juli 2015 - 6 [X.] - Rn. 40, [X.]E 152, 134; 15. Dezember 2011 - 2 [X.] - Rn. 47, [X.]E 140, 169), dies führt jedoch nicht zur Entbehrlichkeit des vom unterlegenen Bewerber unter Beachtung der Beweislastregelung in § 22 A[X.][X.] zu erbringenden Nachweises einer Diskriminierung wegen des Alters. Diesen Nachweis hat der Kläger nicht geführt.

a) Der Anspruch auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 A[X.][X.] setzt einen Verstoß gegen das in § 7 Abs. 1 A[X.][X.] geregelte Benachteiligungsverbot voraus, wobei § 7 Abs. 1 A[X.][X.] sowohl unmittelbare Benachteiligungen iSv. § 3 Abs. 1 A[X.][X.] als auch mittelbare Benachteiligungen iSv. § 3 Abs. 2 A[X.][X.] verbietet. Das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 A[X.][X.] erfasst allerdings nicht jede Ungleichbehandlung, sondern nur eine Ungleichbehandlung wegen eines in § 1 A[X.][X.] genannten [X.]rundes. Zwischen der Benachteiligung und einem in § 1 A[X.][X.] genannten [X.]rund muss demnach ein Kausalzusammenhang bestehen. Soweit es um eine unmittelbare Benachteiligung iSv. § 3 Abs. 1 A[X.][X.] geht, ist hierfür nicht erforderlich, dass der betreffende [X.]rund iSv. § 1 A[X.][X.] das ausschließliche oder auch nur ein wesentliches Motiv für das Handeln des Benachteiligenden ist. Vielmehr ist der Kausalzusammenhang bereits dann gegeben, wenn die unmittelbare Benachteiligung iSv. § 3 Abs. 1 A[X.][X.] an einen [X.]rund iSv. § 1 A[X.][X.] anknüpft oder durch diesen motiviert ist, wobei die bloße Mitursächlichkeit genügt. [X.]eht es hingegen um eine mittelbare Benachteiligung iSv. § 3 Abs. 2 A[X.][X.], ist der Kausalzusammenhang dann gegeben, wenn, ohne dass es einer direkten Anknüpfung an einen [X.]rund iSv. § 1 A[X.][X.] oder eines darauf bezogenen Motivs bedarf, die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 Halbs. 1 A[X.][X.] erfüllt sind (vgl. [X.] 23. November 2017 - 8 [X.] - Rn. 19 f.).

b) Der Kläger hat - obgleich ihn insoweit die Darlegungslast trifft - schon keine Indizien iSv. § 22 A[X.][X.] für eine Diskriminierung wegen des Alters dargetan.

aa) § 22 A[X.][X.] sieht für den Rechtsschutz bei Diskriminierungen im Hinblick auf den Kausalzusammenhang eine Erleichterung der Darlegungslast, eine Absenkung des Beweismaßes und eine Umkehr der Beweislast vor. Wenn im Streitfall die eine Partei Indizien beweist, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 A[X.][X.] genannten [X.]rundes vermuten lassen, trägt die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat. Danach genügt eine Person, die sich durch eine Verletzung des [X.]leichbehandlungsgrundsatzes für beschwert hält, ihrer Darlegungslast bereits dann, wenn sie Indizien vorträgt, die mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, dass eine Benachteiligung wegen eines in § 1 A[X.][X.] genannten [X.]rundes erfolgt ist. Dabei sind alle Umstände des Rechtsstreits in einer [X.]esamtwürdigung des Sachverhalts zu berücksichtigen ([X.] 23. November 2017 - 8 [X.] - Rn. 21 f.).

bb) Der Kläger hat zwar durch die [X.] eine weniger günstige Behandlung erfahren als der eingestellte Arbeitnehmer [X.], mit dem er sich in einer vergleichbaren Situation befand. Er hat jedoch nicht dargelegt, dass die ungünstigere Behandlung wegen seines Alters erfolgte. Er hat keine Indizien iSv. § 22 A[X.][X.] vorgetragen, die für sich allein betrachtet oder in der [X.]esamtschau aller Umstände mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, dass zwischen der benachteiligenden Behandlung und seinem Alter als [X.]rund iSv. § 1 A[X.][X.] der nach § 7 Abs. 1 A[X.][X.] erforderliche Kausalzusammenhang bestand (vgl. [X.] 23. November 2017 - 8 [X.] - Rn. 18). Die [X.] hat die genannten Auswahlgesichtspunkte bei allen Arbeitnehmern - unabhängig von deren Alter - gleichermaßen der getroffenen Auswahlentscheidung zugrunde gelegt. Auch liegt keine mittelbare Benachteiligung des [X.] im Hinblick auf die Bewertung von Unterhaltspflichten vor. Dieses Kriterium kann sich zwar für ältere Arbeitnehmer ungünstig auswirken, weil typischerweise eher jüngere Arbeitnehmer oder solche mittleren Alters Unterhaltspflichten zu tragen haben. Die [X.] hat allerdings bei ihrer Auswahlentscheidung nicht allein auf Unterhaltspflichten, sondern als Korrektiv mit der Dauer der Betriebszugehörigkeit und dem Lebensalter auf Kriterien abgestellt, die in der Regel ältere Arbeitnehmer begünstigen (vgl. [X.] 29. Januar 2015 - 2 [X.] - Rn. 17 mwN, [X.]E 150, 330; APS/[X.] 5. Aufl. KSch[X.] § 1 Rn. 643 mwN; [X.] 11. Aufl. § 1 KSch[X.] Rn. 678), denn eine lange Betriebszugehörigkeit geht regelmäßig mit einem höheren Lebensalter einher (vgl. [X.] 5. Dezember 2002 - 2 [X.] - zu [X.] 5 der [X.]ründe). Die [X.] hat damit Arbeitnehmern aller Altersgruppen gleiche Einstellungschancen eingeräumt. Erst auf [X.]rundlage einer [X.]esamtbewertung aller Auswahlkriterien fiel ihre Einstellungsentscheidung zugunsten des jüngeren Arbeitnehmers [X.] aus.

B. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

        

    Brühler    

        

    [X.]    

        

    Weber    

        

        

        

    Starke     

        

    Martin Lücke    

                 

Meta

9 AZR 20/18

18.09.2018

Bundesarbeitsgericht 9. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Stuttgart, 30. März 2017, Az: 15 Ca 5936/16, Urteil

§ 15 Abs 2 AGG, § 7 Abs 1 AGG, § 3 Abs 1 AGG, § 1 AGG, § 22 AGG, § 1 Abs 3 S 1 KSchG, § 1 Abs 3 S 3 KSchG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 18.09.2018, Az. 9 AZR 20/18 (REWIS RS 2018, 3705)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 3705

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