Bundesgerichtshof, Beschluss vom 09.10.2014, Az. IX ZA 20/14

9. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 2262

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Insolvenzverfahren: Verfahrenskostenstundung oder Prozesskostenhilfe im insolvenzrechtlichen Beschwerdeverfahren


Leitsatz

Die Stundung der Kosten des Insolvenzverfahrens erstreckt sich nicht auf die im Verfahren über einen Rechtsbehelf anfallenden Kosten. Für diese Kosten gelten die Regelungen über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe entsprechend.

Tenor

Der Antrag auf Beiordnung eines Rechtsanwalts nach § 4a Abs. 2 Satz 1 [X.], hilfsweise auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe nebst Beiordnung eines Rechtsanwalts für das Verfahren der Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 17. Zivilkammer des [X.] vom 12. Mai 2014 (Nr. 2 bis 4) wird abgelehnt.

Gründe

I.

1

Die Schuldnerin befindet sich, nachdem das Insolvenzverfahren über ihr Vermögen mit Beschluss vom 12. April 2012 aufgehoben wurde, in der Wohlverhaltensperiode. Am 30. Dezember 2013 ordnete das Insolvenzgericht die Nachtragsverteilung bezüglich des Anspruchs der Schuldnerin auf Rückzahlung einer Mietkaution in Höhe von 794,29 € an, die frei geworden war, weil das Mietverhältnis über die von der Schuldnerin während des Insolvenzverfahrens gemietete Wohnung geendet hatte. Auf die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Schuldnerin hat das Beschwerdegericht ihr die Kosten für das Beschwerdeverfahren gestundet, den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts für das Beschwerdeverfahren abgelehnt, die sofortige Beschwerde zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen. Zur Durchführung der beabsichtigten Rechtsbeschwerde beantragt die Schuldnerin die Beiordnung eines beim [X.] zugelassenen Rechtsanwalts gemäß § 4a Abs. 2 Satz 1 [X.], hilfsweise die Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit Beiordnung eines Rechtsanwalts.

II.

2

1. Die Beiordnung eines Rechtsanwalts für das Rechtsbeschwerdeverfahren nach § 4a Abs. 2 [X.] kommt nicht in Betracht. Die Vorschriften der §§ 4a ff [X.] über die Stundung der Verfahrenskosten sind auf die besonderen, in Rechtsbehelfsverfahren anfallenden Kosten nicht anwendbar. Gemäß § 4 [X.] kann insoweit nur Prozesskostenhilfe nach den Bestimmungen der Zivilprozessordnung (§§ 114 ff ZPO) gewährt und bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen nach § 121 ZPO ein Rechtsanwalt beigeordnet werden ([X.], Beschluss vom 4. Juli 2002 - [X.] 221/02, [X.], 574, 575; MünchKomm-[X.]/[X.], 3. Aufl., § 4a Rn. 4; [X.]/[X.], [X.], § 4a Rn. 75 ff; HK-[X.]/Kirchhof, 7. Aufl., § 4a Rn. 15; [X.]/[X.], [X.], 13. Aufl., § 4a Rn. 5, 37; [X.] in [X.]/[X.]/Ringstmeier, [X.], 2. Aufl., § 4a Rn. 14; [X.], [X.], 164, 166 f). Im Übrigen würde die Beiordnung eines Rechtsanwalts für das Rechtsbeschwerdeverfahren nach § 4a Abs. 2 Satz 1 [X.] die Stundung der Verfahrenskosten für diesen Verfahrensabschnitt voraussetzen, welche die Schuldnerin aber nicht beantragt hat (vgl. [X.], Beschluss vom 22. März 2007 - [X.] 94/06, [X.], 418 Rn. 3 mwN).

3

2. Die Voraussetzungen für die hilfsweise begehrte Prozesskostenhilfe mit Beiordnung eines Rechtsanwalts liegen nicht vor. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

4

a) Die beabsichtigte Rechtsbeschwerde wäre nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthaft. Sie könnte im Falle der Bewilligung von Prozesskostenhilfe noch in zulässiger Weise eingelegt werden, weil der [X.] am letzten Tag der Rechtsbeschwerdefrist per Telefax beim [X.] eingegangen ist und nach Bewilligung von Prozesskostenhilfe erfolgreich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt werden könnte.

5

b) In der Sache hat die beabsichtigte Rechtsbeschwerde jedoch keine Aussicht auf Erfolg.

6

aa) Das Beschwerdegericht hat die sofortige Beschwerde gegen die Anordnung der Nachtragsverteilung mit Recht zurückgewiesen. Rechtsgrundlage der Anordnung ist § 203 Abs. 1 Nr. 3 [X.]. Nach dieser Norm ist eine Nachtragsverteilung anzuordnen, wenn nach dem Schlusstermin Gegenstände der Masse ermittelt werden.

7

(1) Bei dem während der Wohlverhaltensperiode fällig gewordenen Anspruch auf Rückzahlung der Mietkaution handelt es sich um einen Gegenstand der (früheren) Insolvenzmasse. Der Anspruch entstand - aufschiebend bedingt durch das Ende des Mietverhältnisses und die Rückgabe der Mietsache -, als die Schuldnerin die Kaution stellte (vgl. [X.], Beschluss vom 8. Juli 1982 - [X.] 3/82, [X.]Z 84, 345, 349). Dies geschah zu einem Zeitpunkt, bevor das Insolvenzverfahren aufgehoben wurde. Der Schuldnerin stand daher noch während des Insolvenzverfahrens ein Anwartschaftsrecht zu (vgl. [X.]/[X.], [X.], 73. Aufl., Einf. v. § 158 Rn. 9), das zur Masse gehörte (vgl. [X.], Beschluss vom 1. Dezember 2005 - [X.] 17/04, [X.], 147, 148; [X.]/[X.] in [X.]/[X.]/Ringstmeier, [X.], 2. Aufl., § 109 Rn. 19; [X.]/[X.], [X.], § 35 Rn. 90; HK-[X.]/[X.], 7. Aufl., § 35 Rn. 9; [X.]/[X.], [X.], 13. Aufl., § 35 Rn. 267; [X.] in Kübler/Prütting/Bork, [X.], 2014, § 35 Rn. 81; zu [X.] vgl. [X.], Beschluss vom 12. Januar 2006 - [X.] 239/04, [X.], 340 Rn. 11 ff; [X.]/[X.], aaO § 35 Rn. 109).

8

(2) Die Forderung auf Rückzahlung der Mietkaution gilt auch als nach dem Schlusstermin ermittelt. Dem steht nicht entgegen, dass der aufschiebend bedingte Anspruch dem Insolvenzverwalter während des Insolvenzverfahrens bereits bekannt war. Denn unter die weit auszulegende Norm des § 203 Abs. 1 Nr. 3 [X.] fallen auch Forderungen, die dem Verwalter bekannt waren, die aber von ihm noch nicht verwertet werden konnten (vgl. [X.], Beschluss vom 1. Dezember 2005, aaO; vom 6. Dezember 2007 - [X.] 229/06, [X.], 305 Rn. 6; vom 26. Januar 2012 - [X.] 111/10, [X.], 366 Rn. 22 f).

9

(3) Rechtsfehler des [X.] bei der Beurteilung nach § 203 Abs. 3 Satz 1 [X.] sind nicht erkennbar.

bb) Die Ablehnung des Antrags der Schuldnerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts für das Beschwerdeverfahren ist ebenfalls nicht zu beanstanden, weil die sofortige Beschwerde der Schuldnerin - wie aus den vorstehenden Ausführungen folgt - keine Aussicht auf Erfolg hatte (§ 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO), und § 4a Abs. 2 [X.] keine Anwendung findet.

Vill                       [X.]                      Lohmann

            Fischer                        Grupp

Meta

IX ZA 20/14

09.10.2014

Bundesgerichtshof 9. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZA

vorgehend LG Oldenburg (Oldenburg), 12. Mai 2014, Az: 17 T 210/14

§ 4 InsO, § 4a InsO, § 114 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 09.10.2014, Az. IX ZA 20/14 (REWIS RS 2014, 2262)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 2262

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

IX ZA 20/14 (Bundesgerichtshof)


IX ZB 40/13 (Bundesgerichtshof)

Insolvenzverfahren: Anordnung der Nachtragsverteilung nach Verfahrenseinstellung wegen Masseunzulänglichkeit


IX ZB 40/13 (Bundesgerichtshof)


IX ZA 5/14 (Bundesgerichtshof)

Nachtragsverteilung nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens: Veräußerungserlöse für durch den Insolvenzverwalter freigegebene Gegenstände


IX ZB 16/14 (Bundesgerichtshof)

Insolvenzverfahren: Rückstellungsbildung bei der Schlussverteilung zur Verfahrenskostendeckung in der Wohlverhaltensphase


Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.