Bundesgerichtshof, Beschluss vom 03.04.2014, Az. IX ZA 5/14

9. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 6587

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Nachtragsverteilung nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens: Veräußerungserlöse für durch den Insolvenzverwalter freigegebene Gegenstände


Leitsatz

Der Nachtragsverteilung unterliegen keine Gegenstände, die der Insolvenzverwalter freigegeben hat. Ebenso wenig unterliegt der Veräußerungserlös für einen freigegebenen Gegenstand, der nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens verkauft worden ist, der Nachtragsverteilung.

Tenor

Der Antrag des Treuhänders auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für die beabsichtigte Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 2. Zivilkammer des [X.] vom 13. Januar 2014 wird abgelehnt.

Gründe

I.

1

Auf Eigenantrag des Schuldners wurde am 9. Juni 2008 über sein Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet. Der bestellte Treuhänder gab eine vom Schuldner bewohnte, nach Ansicht des Treuhänders und des Grundpfandgläubigers wertausschöpfend belastete Eigentumswohnung frei. Am 10. Februar 2012 kündigte das Insolvenzgericht die Restschuldbefreiung an. Am 7. März 2012 erfolgte die Aufhebung des Insolvenzverfahrens. Im Juli 2013 teilte der Schuldner dem Treuhänder mit, dass der Grundpfandgläubiger die Eigentumswohnung mit einem [X.] in Höhe von 8.318,59 € habe [X.] lassen. Der [X.] sei an ihn ausbezahlt worden.

2

Der Treuhänder hat beantragt, nach § 203 [X.] die Nachtragsverteilung anzuordnen. Diesem Antrag hat das Insolvenzgericht entsprochen. Auf die sofortige Beschwerde des Schuldners hat das Beschwerdegericht die Anordnung der Nachtragsverteilung aufgehoben und den Antrag des Treuhänders abgewiesen. Zugleich hat es die Rechtsbeschwerde zugelassen. Der Treuhänder möchte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Beschlusses erreichen und hat innerhalb der laufenden Rechtsbeschwerdefrist beantragt, ihm Prozesskostenhilfe für die beabsichtigte Rechtsbeschwerde zu bewilligen.

II.

3

Die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe liegen nicht vor.

4

1. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 116 Abs. 1 Satz 2, § 114 Satz 1 ZPO).

5

a) Die Meinung des [X.], der Nachtragsverteilung unterlägen keine Gegenstände, die der Insolvenzverwalter oder Treuhänder wirksam freigegeben habe, ist richtig. Sie entspricht der ganz einhelligen und zutreffenden Ansicht in Rechtsprechung und Literatur ([X.], [X.] 2012, 15870; [X.], Z[X.] 2010, 1615, 1616; [X.], Beschluss vom 17. Juli 2013 - 4 [X.], Rn. 4; [X.]/[X.], [X.], § 203 Rn. 9; MünchKomm-[X.]/[X.], 3. Aufl., § 203 Rn. 12; [X.] in Kübler/Prütting/Bork, [X.], 2011, § 203 Rn. 8; Nerlich/[X.]/[X.], [X.], 2013, §§ 203, 204 Rn. 8; [X.], [X.], 13. Aufl., § 203 Rn. 4, 11; Wagner in [X.]/[X.]/Ringstmeier, [X.], 2. Aufl., § 203 Rn. 8a; Poertzgen/Riewe in [X.]/Uhländer, [X.], § 203 Rn. 9; [X.]/[X.], [X.], 18. Aufl., § 203 Rn. 8).

6

Gemäß § 203 Abs. 1 Nr. 3 [X.] wird die Nachtragsverteilung auf Antrag des Insolvenzverwalters oder eines Insolvenzgläubigers oder von Amts wegen angeordnet, wenn nachträglich Gegenstände der Masse ermittelt werden (vgl. [X.], Beschluss vom 1. Dezember 2005 - [X.], [X.], 180 Rn. 6; vom 6. Dezember 2007 - [X.] 229/06, [X.], 177 Rn. 6). Sie ist auch im Verbraucherinsolvenzverfahren zulässig ([X.], Beschluss vom 1. Dezember 2005 - [X.], [X.], 180 Rn. 4; vom 2. Dezember 2010 - [X.] 184/09, NJW 2011, 1448 Rn. 5). Ein vom Insolvenzverwalter oder Treuhänder freigegebener Gegenstand ist jedoch kein Gegenstand der Masse. Er ist durch die wirksame Freigabeerklärung aus der Insolvenzmasse ausgeschieden und in die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Schuldners überführt ([X.], Urteil vom 21. April 2005 - [X.], [X.]Z 163, 32, 37; vom 7. Dezember 2006 - [X.], [X.], 173 Rn. 20; vom 1. Februar 2007 - [X.], [X.], 407 Rn. 18). Ebenso kann der Verwertungserlös für den freigegebenen Gegenstand aus einer Veräußerung nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens nicht als ein Gegenstand der Masse im Sinne von § 203 Abs. 1 Nr. 3 [X.] angesehen werden. Da das Insolvenzverfahren aufgehoben ist, fällt Neuerwerb nicht mehr gemäß § 35 Abs. 1 [X.] in die Masse.

7

Zwar hat der [X.] die hier maßgebliche Rechtsfrage noch nicht ausdrücklich entschieden. Dennoch ist dem Treuhänder Prozesskostenhilfe nicht zu bewilligen. Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] und des [X.]s hat ein Rechtsschutzbegehren in aller Regel dann hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn die Entscheidung in der Hauptsache von der Beantwortung einer schwierigen, bislang ungeklärten Rechtsfrage abhängt. Prozesskostenhilfe muss hingegen nicht bewilligt werden, wenn die entscheidungserhebliche Rechtsfrage zwar noch nicht höchstrichterlich geklärt ist, ihre Beantwortung aber im Hinblick auf die einschlägige gesetzliche Regelung oder durch die in der Rechtsprechung gewährten Auslegungshilfen nicht in dem genannten Sinne als schwierig "erscheint" (vgl. [X.], NJW 1991, 413, 414; [X.], Beschluss vom 10. Dezember 1997 - [X.], NJW 1998, 1154; vom 11. September 2002 - [X.], NJW-RR 2003, 130 f; vom 16. Dezember 2010 - [X.], [X.], 104 Rn. 5). Vorliegend ergibt sich die Beantwortung der Rechtsfrage im Zusammenspiel mit der zitierten Rechtsprechung des Senats unmittelbar aus dem Gesetz. Die Frage ist auch, wie ausgeführt, in Rechtsprechung und Literatur nicht streitig.

8

b) Dass der Treuhänder die Eigentumswohnung wirksam freigegeben hat, ist nicht im Streit.

9

Der Treuhänder hat gegenüber dem Schuldner erklärt, die fragliche Eigentumswohnung werde mit sofortiger Wirkung aus dem [X.] freigegeben. Sämtliche Lasten, die durch dieses Wohnungseigentum begründet würden, seien damit persönliche Verbindlichkeiten des Schuldners und könnten gegenüber der Insolvenzmasse nicht geltend gemacht werden. Dagegen könne die Insolvenzmasse keine Ansprüche an den Nutzen des freigegebenen Eigentums erheben. Damit hat der Treuhänder den Willen dauernden Verzichts auf die Massezugehörigkeit der Eigentumswohnung bekundet (vgl. [X.], Urteil vom 7. Dezember 2006 - [X.], [X.], 173 Rn. 20).

Die Freigabe der Eigentumswohnung war nicht insolvenzzweckwidrig. Zum Zeitpunkt der Freigabeerklärung gingen die Verfahrensbeteiligten davon aus, dass die Immobilie wertausschöpfend belastet war. Der Treuhänder wollte die Masse vor dem Wohngeld schonen. Mithin lief die Freigabe nicht offensichtlich dem Insolvenzzweck, eine gleichmäßige Befriedigung aller Insolvenzgläubiger herbeizuführen, zuwider (vgl. [X.], Urteil vom 25. April 2002 - [X.], [X.]Z 150, 353, 360 f; vom 10. Januar 2013 - [X.], [X.], 347 Rn. 9; vom 18. April 2013 - [X.], [X.], 641 Rn. 14; vom 11. Juli 2013 - [X.], [X.], 801 Rn. 19).

Der Treuhänder konnte seine Freigabeerklärung, nachdem er seinen Irrtum erkannt hatte, weder widerrufen ([X.], 107, 109; [X.], Urteil vom 7. Dezember 2006, aaO) noch anfechten, weil er insoweit allenfalls einem unbeachtlichen Motivirrtum unterlegen ist, so dass die Frage, ob die Freigabeerklärung überhaupt anfechtbar ist, hier nicht beantwortet werden muss (vgl. MünchKomm-[X.]/[X.], aaO, § 35 Rn. 100; [X.]/Eickmann, [X.], 4. Aufl., § 65 Rn. 53; [X.], [X.], 1517, 1520).

2. Der Treuhänder hat außerdem die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach § 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO nicht dargetan. Es fehlt an jedem Vortrag, ob es [X.] als wirtschaftlich Beteiligten zuzumuten ist, die Vorschüsse auf die zu erwartenden Prozesskosten aufzubringen.

[X.]                        Fischer

          Grupp                        [X.]

Meta

IX ZA 5/14

03.04.2014

Bundesgerichtshof 9. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZA

vorgehend LG Ulm, 13. Januar 2014, Az: 2 T 50/13

§ 35 Abs 1 InsO, § 203 Abs 1 Nr 3 InsO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 03.04.2014, Az. IX ZA 5/14 (REWIS RS 2014, 6587)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 6587

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

IX ZA 5/14 (Bundesgerichtshof)


IX ZB 93/16 (Bundesgerichtshof)

Insolvenzverfahren: Nachtragsverteilung des Erlösanteils aus der nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens erfolgten Zwangsversteigerung des vom Insolvenzverwalter …


IX ZB 93/16 (Bundesgerichtshof)


IX ZA 19/17 (Bundesgerichtshof)

Insolvenzverfahren: Pfändungsschutz für sonstige Einkünfte im Hinblick auf Forderungen aus vom Insolvenzverwalter freigegebener selbstständiger Tätigkeit …


41 T 64/16 (LG Coburg)

Nachtragsverteilung wegen Verzichts eines Grundpfandgläubigers auf Erlöszuteilung


Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.