Bundespatentgericht, Beschluss vom 01.08.2022, Az. 11 W (pat) 3/21

11. Senat | REWIS RS 2022, 7948

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Gegenstand

Patentbeschwerdesache –"Winkelförmiges Stützbein" – Zulässigkeit eines Einspruchs – Erforderlichkeit einer substantiierten Begründung


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend das Patent 10 2014 108 350

hat der 11. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des [X.] am 1. August 2022 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.]. Höchst sowie [X.], [X.]. [X.] und [X.]. Dr. Deibele

beschlossen:

1. Die Beschwerde der Einsprechenden wird zurückgewiesen.

2. Der hilfsweise gestellte Antrag auf Übertragung des Patents auf die Einsprechende ist nicht statthaft.

Gründe

I.

1

Der Beschwerdegegner ist Inhaber des am 13. Juni 2014 beim [X.] ([X.]) angemeldeten und am 8. Oktober 2015 sogleich (unter Wegfall der Offenlegungsnot[X.]digkeit) veröffentlichten Patents 10 2014 108 350 (Streitpatent) mit der Bezeichnung „[X.]“.

2

Der Gegenstand des Hauptanspruchs lautet in der erteilten Fassung mit hinzugefügter Gliederungsnummerierung wie folgt:

3

1.1 [X.] (10) für einen Wechselcontainer,

4

1.2 mit einem im Bereich unterhalb des Bodens des Wechselcontainers festlegbaren Traglager (20)

5

1.3 und ein darin dreh- und verschiebbar geführtes Tragrohr (11) des winkelförmigen Stützbeins (10),

6

1.4 wobei an dem Tragrohr (11) ein gegenüber der Außenfläche vorstehender Bolzen (15) vorgesehen ist,

7

1.5 der innerhalb einer Öffnung des [X.] (21, 22, 23, 24) bewegbar ist,

8

1.6 wobei die Öffnung zumindest einen [X.] (21),

9

1.7 in dem der Bolzen (15) des [X.] (11) frei bewegbar ist,

1.8 und einen Verriegelungsbereich (24) aufweist,

dadurch gekennzeichnet, dass

1.9 der Bolzen (15) mit Spiel beweglich an dem Tragrohr (11) gehalten ist

1.10 und der Bolzen (15) an einem losen Haltemittel (16) im Tragrohr befestigt ist.

Hieran schließen sich die 11 abhängigen [X.] 2 bis 12 des Streitpatents an.

Die Einsprechende hat gegen das Streitpatent am 8. Juli 2016 beim [X.] ([X.]) Einspruch erhoben, wobei sie dessen vollumfänglichen Widerruf begehrt. Als Widerrufsgründe hat die Einsprechende sowohl mangelnde Schutzfähigkeit (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 [X.]) als auch eine fehlende ausführbare [X.] (§ 21 Abs. 1 Nr. 2 [X.]) sowie zusätzlich widerrechtliche Entnahme (§ 21 Abs. 1 Nr. 3 [X.]) geltend gemacht. Als technischen Hintergrund hat sie auf die patentamtlichen Druckschriftlichen [X.] 20 2005 014 793 [X.] (= [X.]) und [X.] 20 2005 014 795 [X.] (= [X.]) hingewiesen, die die Merkmale 1.9 und 1.10 - was unstreitig ist - nicht zeigen. Die Widerruflichkeit des Streitpatents folge aber gemäß [X.] vom 8. Juli 2016 aus den beigefügten Anlagen [X.] - [X.] Bei diesen Dokumenten handelt es sich ausnahmslos um eigene Firmenunterlagen der [X.] (Konstruktionszeichnungen, dokumentierter [X.], Kopien von Bestell- und Lieferpapieren) und ältere Fotos von einem Ausführungsbeispiel. Dafür, dass die verschiedenen Darstellungen der Gegenstände „zum Zusammenbau und zur gemeinsamen Ver[X.]dung konstruiert und vorgesehen waren, ebenso für die Richtigkeit der angegebenen Daten“, hat die Einsprechende Zeugenbeweis angeboten.

In der Sache hat die Einsprechende vorgetragen, dass der Gegenstand des Streitpatents nicht neu i. S. v. § 21 Abs. 1 Nr. 1 [X.] sei, weil streitpatentgemäße, winkelförmige [X.], die alle Merkmale 1.1 bis 1.10 aufwiesen, bereits seit dem 12. September 2009 von der [X.] hergestellt und in einer Anzahl von mehreren hundert Stück an Fahrzeugbauer verkauft und geliefert worden seien. Sie hat hierzu vorgetragen, dass die von ihr vorgelegten technischen Zeichnungen [X.] und [X.] das Merkmal 1.9 zeigten und dass die technischen Zeichnungen [X.] und [X.] das Merkmal 1.10 erkennen ließen. In ihrer Gesamtheit zeige sich die offenkundig vorbenutzte Konstruktion besonders gut anhand der Fotos [X.] - [X.], die laut „[X.]“ aus dem [X.], spätestens aber aus dem [X.] stammten. Aus der Zusammenschau der genannten Fotos mit den vorgelegten Bestellungen, Auftragsbestätigungen und Lieferscheinen nach [X.]6 - [X.] erschließe sich jeweils ein eigenständiger Beleg für eine neuheitsschädliche Vorbenutzung.

Zum [X.] der fehlenden ausführbaren [X.] (§ 21 Abs. 1 Nr. 2 [X.]) hat die Einsprechende in ihrer Einspruchsschrift angemerkt, dass dieser [X.] auf die Gegenstände der [X.] 2, 8, 9 und 10 zutreffe. Insbesondere die in den [X.]n 9 und 10 enthaltenen Angaben, dass „die Erweiterung der Öffnung (22) nur auf einem Teil einer Seite im [X.] (21) erfolgt“ und „… nur auf der gesamten Breite einer Seite im [X.] (21) erfolgt“, beschreibe keine nacharbeitbare technische Lehre.

Hinsichtlich des [X.]es einer widerrechtlichen Entnahme i. S. v. § 21 Abs. 1 Nr. 3 [X.] hat die Einsprechende vorgetragen, der Vater des gegenwärtigen Geschäftsführers der [X.], [X.] , habe im [X.] das Gebrauchsmuster 20 2005 014 793.1 (= [X.]) angemeldet, das ein winkelförmiges Stützbein für Wechselaufbauten von Lastkraftwagen zum Gegenstand gehabt habe. Die Einsprechende sei auch nach dem [X.] mit der Weiterentwicklung von [X.]n beschäftigt gewesen, wie sich anhand der Konstruktionszeichnung ([X.]) aus dem [X.] zeige. Aus den Dokumenten [X.] - [X.]2 ergebe sich zudem ein [X.], anhand dessen erkennbar sei, dass sich der Geschäftsführer der [X.] ([X.] ) noch im [X.] mit einem [X.] Konstrukteur (Herrn C … ) über einen beweglich gehaltenen Bolzen im Tragrohr (Merkmal 1.9) ausgetauscht habe, wobei auch eine Lösung mit einem U-förmigen Bügel als Bolzenhalterung zur Sprache gekommen sei (Merkmal 1.10). Seit dem [X.] hätten Geschäftsbeziehungen mit dem Patentinhaber bestanden, was sich [X.] auch anhand eines mit dem Patentinhaber abgeschlossenen Lizenzvertrags zeige, der im Jahr 2015 ausgelaufen sei. Die Einreichung der vorliegenden, dem Streitpatent zugrundeliegenden Patentanmeldung, die der Patentinhaber am 13. Juni 2014 getätigt habe, sei ohne Einwilligung und Kenntnis der [X.] erfolgt, weshalb der Tatbestand einer widerrechtlichen Entnahme verwirklicht worden sei.

Die [X.] des [X.] hat den Einspruch als zulässig angesehen und hierzu ausgeführt, dass die Einspruchsbegründung „ohne weiteres einen bestimmten Tatbestand erkennen lässt, der sich sachlich auf den behaupteten [X.] bezieht.“ In der Sache hat die [X.] den Einspruch für unbegründet erachtet und das Streitpatent mit Beschluss vom 23. Mai 2017 in vollem Umfang aufrechterhalten.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der [X.].

Der erkennende Senat hat mit Bescheid vom 7. März 2022 die Verfahrensbeteiligten darauf hingewiesen, dass er den Einspruch nach vorläufiger Auffassung bereits für unzulässig halte, da die Einsprechende zu keinem der von ihr geltend gemachten Widerrufsgründe einen hinreichend substantiierten Vortrag geliefert habe.

Die Einsprechende hat hierauf erwidert, dass sie bereits mit ihrem Einspruch ausreichende und nachvollziehbare Gründe für den Widerruf des Streitpatents vorgetragen habe. Die Frage, ob die im [X.] vorgebrachten Gründe zutreffend seien oder nicht, betreffe nicht die Zulässigkeit des Einspruchs, sondern sei eine Frage der Begründetheit des Einspruchs.

Hinsichtlich der geltend gemachten widerrechtlichen Entnahme sei zu beachten, dass die wesentlichen Tatsachen von Anfang an unstreitig gewesen seien. Die Einsprechende sei lange vor dem Anmeldetag des Streitpatents im Besitz der Erfindung gewesen und sie sei in regelmäßigem Kontakt mit dem Patentinhaber gestanden. Es sei daher naheliegend, dass der Patentinhaber auf die Weiterentwicklung der [X.] aufmerksam geworden sei, sich diese technische Lehre angeeignet und sie sodann am 13. Juni 2014 selbst zum Streitpatent angemeldet habe.

Auch die offenkundige Vorbenutzung der beanspruchten [X.] sei im [X.] hinreichend dargelegt worden. Die technische Ausführung der [X.] habe sich aus den beigefügten technischen Zeichnungen ergeben. Der Verkauf der [X.] an Fahrzeugbauer sei durch die beigefügten Lieferscheine nachgewiesen worden. Die Zeichnung [X.] trage die [X.] „650.512.112“, die später auch als Artikel-Nummer in der Bestellung [X.]6 und dem Lieferschein [X.]8 erscheine. Da sowohl Zeichnung, Bestellung und Lieferschein vor dem Anmeldtag des Streitpatents datierten, habe sich bereits bei [X.] zwingend ergeben, dass die entsprechenden [X.] vor dem Anmeldetag des Streitpatents der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden seien.

Darüber hinaus hätten auch die vorgelegten Fotos [X.] - [X.] von Anfang an einen Nachweis für die offenkundige Vorbenutzung der Erfindung geliefert. Die Echtheit der Fotos und deren Erstellung vor dem Anmeldetag des Streitpatents seien unbestritten. Hinsichtlich der offenen Fragen „wo“ und „durch [X.]“ die offenkundige Vorbenutzung erfolgt sei, hätte auf den im [X.] angebotenen Zeugenbeweis zurückgegriffen werden müssen.

Die Einsprechende hat den Antrag gestellt,

den Beschluss der [X.] des [X.]s vom 23. Mai 2017 aufzuheben und das Patent in vollem Umfang zu widerrufen, hilfsweise das Patent auf die Einsprechende zu übertragen und die Zustimmung des [X.] zur Umschreibung zu ersetzen.

Der Patentinhaber hat den Antrag gestellt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er ist der Auffassung, dass die Einsprechende zu der von ihr behaupteten widerrechtlichen Entnahme nur unzureichende Angaben gemacht habe. Wie ein [X.] auf den Patentinhaber übergegangen sei, sei nicht dargelegt worden. Der bloße Verweis auf frühere Geschäftsbeziehungen reiche für die Darlegung einer widerrechtlichen Entnahme nicht aus. Im Zusammenhang mit der angeblich fehlenden Neuheit des beanspruchten Gegenstandes habe die Einsprechende erstmals in der Beschwerde, nämlich mit ihrem Schriftsatz vom 9. Mai 2022 versucht, über Zeichnungs- und [X.] eine Verbindung zwischen den [X.] und den technischen Zeichnungen herzustellen. Dies sei ein neuer Sachvortrag, der den Begründungsmangel bei Einspruchseinlegung nachträglich nicht mehr zu heilen vermochte. Der [X.] der mangelnden Ausführbarkeit werde auf der letzten Seite des [X.]es lediglich in einem Halbsatz behandelt. Hierbei sei nicht nachvollziehbar dargelegt worden, weshalb es sich bei der Erweiterung der Öffnung, die nur auf der gesamten Breite einer Seite im [X.] erfolge, um keine nacharbeitbare technische Lehre handeln solle.

Wegen des weiteren Vorbringens der Verfahrensbeteiligten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Der am 8. Juli 2016 beim [X.] eingegangene Einspruch war nicht hinreichend mit Gründen versehen und daher unzulässig. Der angefochtene Beschluss der [X.], mit dem die vollumfängliche Aufrechterhaltung des Streitpatents ausgesprochen wurde, erweist sich somit im Ergebnis als zutreffend.

1. Die Zulässigkeit des Einspruchs ist in jedem Stadium des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen (vgl. [X.], 695 f. - „Automatisches Fahrzeuggetriebe“), weshalb der erkennende Senat dieser Frage im vorliegenden Zusammenhang nachgegangen ist.

2. Gemäß § 59 Abs. 1 Satz 4 [X.] ist es für die Zulässigkeit eines Einspruchs erforderlich, dass jene Tatsachen, die den Einspruch rechtfertigen, „im Einzelnen“ angegeben werden. Der dem Einspruchsverfahren zugrunde zu legende Tatsachenbegriff umfasst hierbei sowohl Angaben tatsächlicher Art als auch deren technische und rechtliche Bewertung (vgl. Busse/Keukenschrijver, [X.], 9. Aufl., § 59 Rn. 52). [X.] - so wie hier - mehrere Widerrufsgründe in einem Einspruch geltend gemacht, so kann es für die Zulässigkeit des Einspruchs an sich ausreichend sein, dass zumindest zu einem der geltend gemachten Widerrufsgründe eine hinreichend substantiierte Begründung vorhanden ist (vgl. [X.]/[X.], [X.], 11. Aufl., § 59 Rn. 87). Im vorliegenden Fall erwächst hieraus für die [X.] jedoch kein Vorteil, da sie mit ihrem [X.] vom 8. Juli 2016 zu keinem der genannten Widerrufsgründe einen ausreichenden Vortrag geliefert hat.

a) Die [X.] des [X.] ist im angefochtenen Beschluss offensichtlich von einem unzutreffenden, rechtlichen Maßstab ausgegangen, indem sie den Einspruch bereits deshalb als zulässig behandelt hat, weil die Einspruchsbegründung ohne weiteres einen bestimmten Tatbestand habe erkennen lassen und dieser sich sachlich auf einen behaupteten [X.] bezogen habe. Diese Ausführungen werden den besonderen Anforderungen an die Begründung eines Einspruchs nicht gerecht. Die Substantiierungspflicht fordert nämlich, dass die maßgeblichen Umstände im Einzelnen so dargelegt werden, dass der Patentinhaber und insbesondere die [X.] des [X.] daraus abschließende Folgerungen für das Vorliegen oder Nichtvorliegen eines [X.]es ziehen können (vgl. [X.]/[X.]/[X.], [X.], 11. Aufl., § 59 Rn. 54 - m. w. N).

b) Neuheit i.[X.]. § 21 Abs. 1 Nr. 1 [X.] i. V. m. § 3 [X.]

b1) Hinsichtlich der Substantiierung der geltend gemachten offenkundigen Vorbenutzungen hat die [X.] teilweise richtige Feststellungen getroffen, jedoch ihre Aussagen in unzutreffender Weise nicht mit der Frage nach der Zulässigkeit des Einspruchs verknüpft. So trifft die Einschätzung der [X.] zu, dass die mit [X.] vom 8. Juli 2016 zum [X.] einer mangelnden Neuheit i.[X.]. § 21 Abs. 1 Nr. 1 [X.] vorgelegten Anlagen [X.] - [X.], bei denen es sich ausnahmslos um Konstruktionszeichnungen, dokumentierten [X.], Kopien von Bestell- und Lieferpapieren und ältere Fotos von Ausführungsbeispielen handelte, nicht hinreichend aussagekräftig waren, um diesem Vortrag von Amts wegen nachgehen zu müssen. Hinsichtlich des Merkmals 1.9 hatte die Einsprechende zwar auf die Zeichnungen [X.] und [X.] verwiesen, während sie das Merkmal 1.10 in der Zeichnung [X.] und in deren Vergrößerung ([X.]) als dargestellt ansah. Dagegen fanden sich in der Einspruchsschrift keine brauchbaren Ausführungen dazu, in welchen Verhältnis die dort gezeigten Gegenstände zueinander standen, insbesondere auch nicht welche konkreten Verbindungen zwischen den Konstruktionszeichnungen einerseits und den Bestellungen, Auftragsbestätigungen und/oder Lieferscheinen usw. nach den Anlagen [X.]6 ff. andererseits bestanden. Daran ändert auch nichts der spätere Vortrag der [X.], dass in einem Fall möglicherweise über die gemeinsame Zeichnungs- und Artikel-Nummer „650.512.112“ eine Verknüpfung ableitbar gewesen wäre. Die [X.] ist nicht befugt, eine lückenhafte Einspruchsbegründung zu übergehen und von sich aus jene Umstände zu ermitteln, die der Patentfähigkeit entgegenstehen ([X.]/[X.], [X.], 9. Aufl., § 59 Rn. 85). Hier wäre diese aber angesichts der Vielzahl der vorgelegten Unterlagen einerseits und des hierzu nur spärlichen Vortrags der [X.] andererseits der Fall gewesen, da nach der Einspruchsschrift letztlich weitgehend offenblieb, wie die [X.], die die Einsprechende angeblich in einer Anzahl von mehreren hundert Stück an Fahrzeugbauer veräußert hatte, konkret beschaffen waren.

b2) Unzureichend war auch der Vortrag, der sich auf die behauptete offenkundige Vorbenutzung bezog, zu der die Einsprechende die Fotos [X.] - [X.] vorgelegt hat. Bei einer auf Fotos gestützten offenkundigen Vorbenutzung hängt die Zulässigkeit des Einspruchs davon ab, dass innerhalb der Einspruchsfrist konkrete Angaben dazu gemacht worden sind, was, wo, wann, wie und durch [X.] in öffentlich zugänglicher Weise geschehen ist (vgl. [X.]/[X.], [X.], 11. Aufl., § 59 Rn. 109), wobei es hinsichtlich des „wann“ in aller Regel ausreichend ist, dass lediglich behauptet wird, dass die Vorbenutzung vor dem maßgeblichen Zeitrang des Streitpatents stattgefunden habe (vgl. [X.], 740 ff. - „[X.]“; Busse/Keukenschrijver, [X.], 9. Aufl., § 59 Rn. 64 a. E.).

Durch die Vorlage der Fotos [X.] - [X.] war den Anforderungen an einen Tatsachenvortrag insoweit genüge getan worden, als dies das „Was“ und das „Wann“ betraf, da die Fotos in der Zusammenschau einen Teil der Merkmale 1.1 bis 1.10 durchaus zeigen und vorgetragen wurde, dass diese Fotos laut [X.] aus dem [X.], spätestens aber aus dem [X.] stammten. Wo die Fotos entstanden sind und unter welchen Umständen diese entstanden waren, war dagegen der Einspruchsschrift ebenso [X.]ig zu entnehmen wie ein Hinweis, zu welchen der als Anlagen [X.]6 - [X.] vorgelegten Bestellungen, Auftragsbestätigungen und Lieferscheinen sie in Bezug stehen. Die Einsprechende irrt im Übrigen auch insoweit, als sie meint, sie habe hinsichtlich der offenen Fragen nach dem „Wo“, „Wie“ und dem „Durch-[X.]“ Zeugenbeweis im [X.] angeboten. Richtig ist vielmehr, dass die im Schriftsatz erwähnten Zeugen nicht im Zusammenhang mit den Fotos [X.] - [X.] benannt wurden, sondern lediglich Beweis dafür liefern sollten, dass und wie die in den verschiedenen, vorgelegten Konstruktionszeichnungen dargestellten Teile eines Stützbeins zum Zusammenbau und zur gemeinsamen Ver[X.]dung vorgesehen waren. Auf die Frage, wo, wie und durch [X.] das in den Fotos gezeigte Stützbein vorbenutzt wurde, gab der [X.] keine Antwort; insbesondere blieb auch offen, welchem Personenkreis dort die Möglichkeit eingeräumt war, vom Aufbau des entsprechenden Stützbeins Kenntnis zu nehmen.

c) Fehlende ausführbare [X.] i. S. v. § 21 Abs. 1 Nr. 2 [X.]

Nicht „im Einzelnen“ dargelegt war auch der [X.] einer fehlenden ausführbaren [X.] i. S. v. § 21 Abs. 1 Nr. 2 [X.], der laut [X.] beim Gegenstand der [X.] 2, 8, 9 und 10 gegeben sei. Die vorliegende Einschränkung auf lediglich [X.] ist insofern unproblematisch, als auch der erfolgreiche Angriff auf den Gegenstand eines nachgeordneten Anspruchs zur Zulässigkeit des gesamten Einspruchs führen kann (vgl. [X.], 695, 696 - „Automatisches Fahrzeuggetriebe“). Allerdings trägt die Darlegungslast dafür, dass im Einzelfall die Ausführbarkeit beeinträchtigt ist, die Einsprechende. Eine ausführbare [X.] der Erfindung setzt nicht voraus, dass eine praktisch brauchbare Ausführungsform unmittelbar und eindeutig offenbart worden ist (vgl. [X.], 916, 918 - „Klammernahtgerät“). Unabdingbar ist lediglich der Vortrag, dass es dem Fachmann auch nach Kenntnisnahme der Angaben in der Beschreibung und den Zeichnungen nicht möglich ist, die beanspruchte Lehre unter Einsatz seines Fachwissens ohne unzumutbare Schwierigkeiten auszuführen (vgl. [X.], 901, 903 - „Polymerisierbare Zementmischung“). Im vorliegenden Fall hat sich die Einsprechende darauf beschränkt auszuführen, dass keine nacharbeitbare technische Lehre in den [X.]n 9 und 10 enthalten sei, wonach die Erweiterung der Öffnung des [X.] im [X.] nur auf einem Teil einer Seite im [X.] oder nur auf der gesamten Breite einer Seite im [X.] erfolge. Diese knappe Feststellung, die insbesondere darauf verzichtet, die beanspruchten Gegenstände anhand der Beschreibung und der Zeichnungen auszulegen, ist bereits wegen dieses Mangels zur Darlegung einer fehlenden ausführbaren [X.] ungeeignet.

d) Widerrechtliche Entnahme i. S. v. § 21 Abs. 1 Nr. 3 [X.]

Hinsichtlich des [X.]es einer widerrechtlichen Entnahme i. S. v. § 21 Abs. 1 Nr. 3 [X.] war der Vortrag der [X.] in gleichem Maße unzulänglich. Eine widerrechtliche Entnahme hat als objektives Tatbestandsmerkmal zur Voraussetzung, dass der Patentanmelder oder -inhaber die Erfindung ohne die Einwilligung des Berechtigten angemeldet hat (vgl. Busse/Keukenschrijver, [X.], 9. Aufl., § 21 Rn. 25, § 8 Rn. 11). Bereits zu dieser Tatbestandsvoraussetzung fehlt es im [X.] an einem geeigneten Vortrag. Die Einsprechende hat nur den allgemeinen Hinweis gegeben, dass zwischen ihr und dem Patentinhaber ab dem [X.] eine Geschäftsbeziehung bestanden habe und der Patentinhaber auf diese Weise - was angesichts der Geschäftsbeziehung „naheliege“ - in den [X.] gelangt sei. Der Einspruch enthielt aber keine Ausführungen zur Frage, wie diese Geschäftsbeziehung im Einzelnen rechtlich ausgestaltet gewesen war und weshalb nur die Einsprechende berechtigt gewesen sein soll, die vorliegende Erfindung zum Patent anzumelden. Ein detaillierter Vortrag zur fehlenden Anmeldeberechtigung des [X.] war deshalb unerlässlich, weil das Streitpatent einerseits bereits am 13. Juni 2014 angemeldet worden war und andererseits im [X.] unmittelbar darauf hingewiesen wurde, dass die Einsprechende und der Patentinhaber einen Lizenzvertrag abgeschlossen hatten, der laut [X.] erst im Jahr 2015, also nach dem Anmeldetag des Streitpatents, ausgelaufen war.

e) Damit bleibt die Beschwerde der [X.] gegen den Beschluss der [X.] des [X.] ohne Erfolg. Mangels eines zulässigen Einspruchs kommt ein Widerruf des Streitpatents nicht in Betracht. Der Umstand, dass die [X.] den Einspruch für zulässig erachtet und in der Sache entschieden hat, führt nicht zur Abänderung des angefochtenen Beschlusses.

3. Der hilfsweise von der [X.] gestellte Antrag auf Übertragung des Patents ist unstatthaft, was hier lediglich festzustellen war. Der Sache nach handelt es sich bei diesem Begehren um eine erfinderrechtliche Vindikation nach § 8 [X.]. Ein solcher Übertragungsanspruch muss im Wege einer Klage vor den ordentlichen Gerichten geltend gemacht werden; es handelt sich hierbei um eine [X.] i. S. v. § 143 Abs. 1 [X.] (vgl. Busse/Keukenschrijver, [X.], 9. Aufl., § 8 Rn. 42).

Meta

11 W (pat) 3/21

01.08.2022

Bundespatentgericht 11. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

§ 59 Abs 1 S 4 PatG

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 01.08.2022, Az. 11 W (pat) 3/21 (REWIS RS 2022, 7948)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 7948

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