Bundespatentgericht, Beschluss vom 27.10.2014, Az. 8 W (pat) 26/09

8. Senat | REWIS RS 2014, 1855

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Gegenstand

Patentbeschwerdeverfahren – „Vorrichtung zum Einspannen von Werkzeugen oder Werkstücken“ – zur Zulässigkeit des Einspruchs – Einsprechende hat einen nachvollziehbaren Gedankenweg aufgezeigt, mit dem sie zum Nahegelegtsein des kennzeichnenden Merkmals des Patentanspruchs gelangt – Zurückverweisung an das Deutsche Patent- und Markenamt – Versagung der des Anhörungsantrags stellt einen Verfahrensmangel dar - Rückzahlung der Beschwerdegebühr


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend das Patent 103 17 097

hat der 8. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des [X.] am 27. Oktober 2014 durch den Vorsitzenden [X.]. [X.] und [X.], [X.] und Dipl.-Ing. Dr. Dorfschmidt

beschlossen:

1. Auf die Beschwerde der Einsprechenden wird der Beschluss der [X.] des [X.] vom 25. März 2009 aufgehoben und das Verfahren zur weiteren Bearbeitung an das [X.] zurückverwiesen.

2. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.

3. Der Antrag der Patentinhaberin, der Einsprechenden die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Auf die am 14. April 2003 eingereichte Patentanmeldung ist das Patent 103 17 097 mit der Bezeichnung „Vorrichtung zum Einspannen von Werkzeugen oder Werkstücken“ erteilt und die Erteilung am 15. November 2007 veröffentlicht worden.

2

Hiergegen richtet sich der am 15. Februar 2008 eingegangene Einspruch. Der Einspruch ist mit einem Schriftsatz der Patentanwälte [X.] vom 13. Februar 2008 eingelegt worden. Als (einzigen) Hinweis auf die Person des [X.] enthält die Einspruchsschrift auf Seite 3 folgenden Satz:

3

„Die einsprechende [X.] ist aus der [X.] heraus als Ausgründung des [X.] Maschinenbau entstanden, wodurch die [X.] über die den Maschinenbau betreffenden Aktivitäten der [X.] bestens informiert ist.“

4

Außerdem wird in der Einspruchsschrift auf eine Auftragsbestätigung der [X.] vom 24. September 1997 Bezug genommen, die auch als Anlage beigefügt ist. Als Ausstellerin der Auftragsbestätigung erscheint darin (auf jeder Seite [X.]eils im vorgedruckten Fuß unten) eine [X.]…AG, die dort mit Firma, Adresse, Telekommunikationsverbindungen, Handelsregister-Nr. und Namen von Vorständen und Aufsichtsrat bezeichnet ist.

5

Zur Begründung des Einspruchs wird in der Einspruchsschrift zunächst eine offenkundige Vorbenutzung durch die [X.] geltend gemacht. Dieses Unternehmen habe Schleifmaschinen und zugehörige [X.], aus denen sich die Merkmale des Anspruchs 1 des Streitpatents ergäben, vor dessen Anmeldetag ohne Geheimhaltungsverpflichtung an Dritte geliefert.

6

Überdies sei der Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents durch den druckschriftlichen – bereits im Erteilungsverfahren gewürdigten – Stand der Technik nach [X.] 44 15 466 [X.] und [X.] 35 06 901 C1 nahegelegt und damit nicht erfinderisch. [X.] gemäß dem Oberbegriff des Anspruchs 1 seien aus der [X.] 44 15 466 [X.] bekannt, die offenbar als Basis für die Merkmale des Oberbegriffs des Anspruchs 1 herangezogen worden sei. Die dann im Kennzeichen beanspruchte dauerhafte Kopplung zwischen [X.] und [X.] verstehe sich von selbst. Die Einsprechende verweist dazu auf die [X.] 35 06 901 C1, die ein mit einer Greiferhülse in formschlüssigen Eingriff stehendes Spannorgan 17 zeige. Dieser formschlüssige Eingriff sei ebenso gut eine dauerhafte Kopplung wie eine Verschraubung, die im Streitpatent beispielsweise zwischen Zugstange 30 und [X.] 32 oder der [X.] vorgesehen sei. Da Verschraubungen bei Bedarf lösbar seien, meine das Kennzeichen des Anspruchs 1 offenbar lösbare Verbindungen, die auch in [X.]ur 1 der [X.] 35 06 901 C1 offenbart seien. Dem Fachmann sei klar, dass er das [X.] mit einer Spanneinrichtung koppeln müsse und dass es dazu einer Verbindung bedürfe, was in der Natur der Spannvorrichtung liege. Hierfür eine dauerhafte Verbindung vorzusehen, wozu nach den Ausführungsformen des Streitpatents auch (lösbare) Verschraubungen zählten, sei nicht erfinderisch.

7

Nachdem die [X.] ([X.] vom 7. November 2008) und die Patentinhaberin (Schriftsatz vom 17. Dezember 2008) die Zulässigkeit des Einspruchs in Frage gestellt haben, hat die Einsprechende mit Schriftsatz vom 25. Februar 2009 einen Antrag auf mündliche Anhörung gestellt.

8

Mit Beschluss vom 25. März 2009 hat die [X.] den Einspruch als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass es dahingestellt bleiben könne, ob der Einspruch im eigenen Namen der unterzeichnenden Patentanwälte oder Namens und im Auftrag der [X.] in [X.] erhoben worden sei, jedenfalls genüge er nicht den Anforderungen an die Substantiierung des Einspruchs aus § 59 Abs. 1 Satz 4 [X.]. Soweit die Einsprechende eine offenkundige Vorbenutzung geltend gemacht habe, sei der Einspruchsschrift nicht zu entnehmen, wer, wann und mit welchem Lieferumfang die fragliche Maschine bestellt habe, ob und wann diese überhaupt ausgeliefert und damit offenkundig geworden sei, und ob überhaupt (ggf. wann und an [X.]) [X.] und [X.] bestellt oder geliefert worden seien. Der angebotene Zeugenbeweis konkretisiere nicht, was vom Zeugen bestätigt werden solle.

9

Auch die Ausführungen der [X.] zum druckschriftlichen Stand der Technik genügten nicht den Anforderungen an die Substantiierung des Einspruchs. Die Einsprechende habe nur pauschal auf den Stand der Technik nach den beiden o.g. Druckschriften verwiesen, ohne sich im Einzelnen mit deren Gegenständen auseinanderzusetzen. Sie habe lediglich ausgeführt, dass für den [X.] klar gewesen sei, das [X.] mit einer Spanneinrichtung zu koppeln und dass es naheliegend sei, dass es dazu einer Verbindung bedürfe. Im Übrigen habe die Einsprechende nur pauschal auf die auf dem Deckblatt der [X.] vermerkten Druckschriften verwiesen. Es fehle jede Darlegung, wie und warum sich dem Fachmann aus dem Bekannten die Erfindung in naheliegender Weise und ohne erfinderisches Tätigwerden erschließen solle.

Die von der [X.] beantragte Anhörung, die der Klärung von Substantiierung und Zulässigkeit des Einspruchs dienen solle, sei „nicht als zur Sache gehörig anzusehen“, da die Voraussetzungen für die Klärung der Sachlage bereits mit [X.] vom 7. November 2008, der Eingabe der Patentinhaberin vom 17. Dezember 2008 und dem [X.] vom 25. Februar 2009 geschaffen worden seien. Zudem könnten die Zulässigkeit des Einspruchs begründende Tatsachen nur innerhalb der Einspruchsfrist wirksam vorgebracht werden.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der [X.]. Sie ist der Auffassung, dass sie ihren Einspruch ausreichend substantiiert hat, was sie näher ausführt. Entgegen der Auffassung der Patentinhaberin ergebe sich aus dem [X.] auch die Person der [X.].

Die Einsprechende beantragt,

den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Sache zur weiteren Verhandlung an das Patentamt zurückzuverweisen,

hilfsweise den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Patent zu widerrufen.

Die Patentinhaberin beantragt,

„den Einspruch der [X.] als unzulässig zu verwerfen“ (gemeint offenbar: die Beschwerde zurückzuweisen),

der [X.] die Kosten des Verfahren aufzuerlegen.

Sie meint, dass die [X.] den Einspruch angesichts der lückenhaften Einspruchsbegründung zu Recht als unzulässig verworfen habe. Der gesamte Vortrag der [X.], insbesondere zu der von ihr geltend gemachten offenkundigen Vorbenutzung, sei rein spekulativ und lasse belastbare Fakten vermissen.

ohne eigene Ermittlungen ziehen könnten. Wenn Patentamt und Patentinhaber aber ihre eigenen Akten „studieren“ müssten, um die Einspruchsbegründung zu interpretieren, so sei ein solches Studium der eigenen Akten selbstverständlich als eigene Ermittlung zu werten. Zudem sei die Prüfungsstelle im damaligen Erteilungsverfahren zu dem Ergebnis gekommen, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 auch unter Berücksichtigung der beiden o. g. Dokumente patentfähig sei. Selbst [X.]n man also (fehlerhaft) ein Studium der eigenen Akten der Patentinhaberin und des Patentamts mit einbeziehen würde, so ließe dies keine Rückschlüsse zu, die ein unsubstantiiertes Vorbringen heilen könnten.

Patentinhaberin und Patentamt könne es nicht zugemutet werden, sämtliche Unterlagen des Prüfungsverfahrens zu studieren, um die Ausführungen der [X.] in irgendeiner Weise interpretieren zu können. Vielmehr müsse ein Einsprechender sämtliche tatsächlichen Umstände derart darlegen, dass es Patentamt und Patentinhaber möglich sei, ohne eigene Ermittlungen abschließende Folgerungen über das (Nicht-) Vorliegen eines [X.] ziehen zu können. Pauschale Verweisungen reichten hierfür nicht. Vorliegend genüge die Einspruchsbegründung diesen Anforderungen nicht, was die Patentinhaberin näher ausführt.

Zudem sei der Einspruch aus schon deshalb unzulässig, weil die Person des [X.] nicht innerhalb der Einspruchsfrist geklärt sei. Zwar sei in der Einspruchsschrift als Einsprechende die „[X.]“ (ohne Adresse) angegeben, auch könne die „[X.]“ durch die Anlage [X.] zur Einspruchsschrift identifiziert werden. Hieraus ließen sich jedoch keine Rückschlüsse auf die Identität der [X.] ziehen, da die [X.] eben nicht die Ein sprechende sein solle. Erst mit dem am 27. Februar 2008, also außerhalb der Einspruchsfrist, nachgereichten Handelsregisterauszug der [X.] sei die Einsprechende identifizierbar geworden.

Die Patentinhaberin [X.]det sich auch gegen die im [X.] geäußerte Neigung des [X.]s zur Zurückverweisung an das Patentamt. Zunächst sei es unerheblich, ob die Einsprechende im Falle einer Zurückverweisung das (mit ihrem Hauptantrag eingegangene) Risiko trage, weiteren Tatsachenstoff zur Begründung der geltend gemachten offenkundigen Vorbenutzung mit fortschreitendem Zeitablauf nicht mehr beschaffen zu können, denn nach Ablauf der Einspruchsfrist könne sie ohnehin keinen weiteren Sachvortrag nachreichen. Zudem habe der [X.] im [X.] einseitig die Belange der [X.] berücksichtigt. Zugunsten der Patentinhaberin müsse jedoch auch berücksichtigt werden, dass sie durch die Fortführung des bereits seit 2008 anhängigen [X.] massiv an der Verwertung ihres Patents gehindert werde. Ihr entstünden durch die lange Verfahrensdauer erhebliche Mehrkosten, die ihr bei einem zulässigen Einspruch nicht entstanden wären, da dieser zügig hätte geprüft werden können. Der [X.] seien daher auch die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, das sie durch ihren unsubstantiierten Einspruch in die Länge ziehe.

II.

1. Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt (§ 73 Abs. 1 Satz 2 [X.]). Die Beschwerde hat auch insoweit Erfolg, als der angegriffene Beschluss aufzuheben und das Verfahren zur weiteren Bearbeitung der Anmeldung an das [X.] zurückzuverweisen ist, § 79 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und 2 [X.].

2. Der angefochtene Beschluss ist aufzuheben, da der Einspruch zu Unrecht als unzulässig verworfen worden ist.

a) Zunächst geht entgegen der Auffassung der Patentinhaberin aus der Einspruchsschrift und den mit ihr vorgelegten Begleitunterlagen hinreichend deutlich die Person der [X.] hervor.

Die Identität des [X.] muss innerhalb der Einspruchsfrist feststehen, damit für Amt und Gegner klar ist, wer [X.] ist. Es bedarf der eindeutigen Erkennbarkeit der Person des Rechtsbehelfsführers, weil der Rechtsbehelf nur in Verbindung mit einer bestimmten Person denkbar ist, von der sie ausgeht ([X.], Patentgesetz, 9. Aufl., § 59, Rn. 77; Busse, Patentgesetz, 7. Aufl., § 59, Rn. 45, [X.]. m. [X.]). Es genügt aber, [X.]n die Person des [X.] innerhalb der Einspruchsfrist aus amtlich verfügbaren Unterlagen ermittelbar ist. Insbesondere müssen die erforderlichen Angaben nicht in der Einspruchsschrift selbst enthalten sein. Ausreichend ist es, [X.]n sich die Identität des [X.] bei verständiger Würdigung der beim [X.] befindlichen Unterlagen innerhalb der Einspruchsfrist ohne weitere Nachforschung zweifelsfrei bestimmen lässt.

Nach diesen Grundsätzen ist die Person der [X.] vorliegend innerhalb der Einspruchsfrist hinreichend identifiziert. Aus dem in der Einspruchsschrift enthaltenen Satz

geht hervor, dass nicht irgendeine [X.] den Einspruch er- hoben hat, sondern diejenige, die aus einer [X.] als Ausgründung heraus entstanden ist. Diese Muttergesellschaft ist in der zusammen mit der Einspruchsschrift als Anlage [X.] vorgelegten Auftragsbestätigung vom 15. Oktober 1997 genauestens bezeichnet, denn dort befinden sich auf jeder Seite unten Angaben wie Name, Adresse, [X.]/Telex-Nr., Daten der Handelsregistereintragung, Namen der Vorstände und Namen des Aufsichtsratsvorsitzenden. Geht man bei lebensnaher Betrachtung davon aus, dass eine Aktiengesellschaft nicht mehrere Gesellschaften mit beschränkter Haftung gleichen Namens ausgliedert, zumal eine solche Mehrfachvergabe identischer Namen auch registerrechtlich nicht zulässig wäre, so steht auch ohne Nachforschungen nur eine ganz bestimmte [X.] als einzig in Betracht kommende Einsprechende fest, nämlich diejenige, die aus einer ganz bestimmten [X.] (vgl. Daten der Auftragsbestätigung) ausgegründet worden ist. Damit ist eine eindeutige Zuordnung des Einspruchs zu einer bestimmten Person gewährleistet. Weitere Daten, wie die Adresse o. Ä., können dann auch noch nach Ablauf der Einspruchsfrist nachgeholt werden.

b) Entgegen der Auffassung der [X.] und der Patentinhaberin ist der Einspruch auch ausreichend mit Gründen versehen (§ 59 Abs. 1 Satz 4 [X.]). Ausreichend substantiiert ist eine Einspruchsbegründung, [X.]n sie die für die Beurteilung des behaupteten [X.] maßgeblichen tatsächlichen Umstände im Einzelnen so darlegt, dass Patentamt und Pateninhaber daraus abschließende Folgerungen für das Vorliegen oder Nichtvorliegen eines [X.] ohne eigenen Ermittlungen ziehen können (vgl. [X.], a. a. [X.], Rn. 85).

(Allein) der sich mit dem druckschriftlichen Stand der Technik befassende Begründungsteil ab Seite 6 der Einspruchsschrift genügt diesen Anforderungen. Dort hat die Einsprechende zunächst kurz behauptet, dass [X.] gemäß Oberbegriff des Anspruchs 1 aus der [X.] 44 15 466 [X.] bekannt seien und dass diese Druckschrift offenbar als Basis für die Merkmale des Oberbegriffs des Anspruchs 1 herangezogen sei. Darin liegt die Behauptung, dass die Merkmale des Oberbegriffs des Anspruchs 1 in der Druckschrift offenbart seien, was die Einsprechende durch einen Hinweis auf [X.]. 3 illustriert, die eine Adapterbuchse 60 zeige. Zwar ist diese Darlegung der Bekanntheit der oberbegrifflichen Merkmale des Anspruchs 1 aus dem druckschriftlichen Stand der Technik äußerst kurz und könnte unter anderen Umständen als unzureichende pauschale Behauptung der Bekanntheit des Oberbegriffs anzusehen sein (vgl. [X.], a. a. [X.], Rn. 99). Hier allerdings geht aus der von der [X.] geäußerten Vermutung, dass die o. g. Druckschrift als Basis für die Merkmale des Oberbegriffs herangezogen worden sei, und aus der anschließenden, vergleichsweise längeren Passage des Begründungsteils zum kennzeichnenden Merkmal hervor, dass die Einsprechende [X.] der patentierten Erfindung allein im kennzeichnenden Merkmal des Anspruchs 1 sieht. Unter diesen Umständen erscheint das äußerst kurze Eingehen der [X.] auf die oberbegrifflichen Merkmale und die anschließende Auseinandersetzung mit dem kennzeichnenden Merkmal als [X.] der patentierten Erfindung noch ausreichend (vgl. [X.], a. a. [X.], Rn. 89, Busse, § 59, Rn. 109).

Dabei dürfte es – worauf es hier aber nicht entscheidungserheblich ankommt – zusätzlich zugunsten einer ausreichend substantiierten Einspruchsbegründung sprechen, dass die beiden angeführten Druckschriften [X.] 44 15 466 [X.] und [X.] 35 06 901 C1 bereits im Erteilungsverfahren berücksichtigt worden sind, so dass Patentamt und Patentinhaber als maßgebliche Adressaten der Einspruchsbegründung (vgl. o. g. Definition bei [X.], a. a. [X.], Rn. 85) die Druckschriften und die Diskussion ihres [X.] kennen oder zumindest den eigenen Akten entnehmen können. Soweit die Patentinhaberin darauf abgestellt hat, dass das Studium der eigenen Akten „selbstverständlich als eigene Ermittlung“ zu werten sei, so dass die o.g. Definition der ausreichenden Substantiierung nicht erfüllt sei, hat sie den [X.] damit nicht überzeugen können. Die ergänzende Heranziehung von Aktenteilen aus dem Erteilungsverfahren, deren Inhalte von Patentamt und Anmelder bzw. Patentinhaber selbst geschaffen worden sind, kann nicht als „Ermittlung“ nicht vorhandenen Tatsachenstoffs o. Ä. sondern nur als Erinnerungshilfe oder Unterstützung bei der Wiedereinarbeitung in bereits dargelegte technische Zusammenhänge angesehen werden.

Dies braucht hier indes nicht abschließend entschieden zu werden. Die Einsprechende hat jedenfalls im [X.] an den äußerst knappen Vortrag zur Bekanntheit der oberbegrifflichen Merkmale aus [X.] 44 15 466 [X.] unter zulässiger Schwerpunktbildung einen [X.] dargelegt, dass und warum sie das kennzeichnende Merkmals des Patentanspruchs 1 des Streitpatents als [X.] der Erfindung nahegelegt ansieht:

Nachdem sie die [X.] 44 15 466 [X.] als die Oberbegriffsmerkmale offenbarend (und damit sinngemäß auch als einen möglichen Ausgangspunkt) herangezogen hat, hat sie auf Seite 6, 2. Absatz der Einspruchsschrift zunächst darauf hingewiesen, dass in [X.] 35 06 901 C1 das Spannorgan 17 und die dem [X.] entsprechende Greiferhülse 8 in formschlüssigen Eingriff miteinander stünden. Weiter hat sie ihre technische Einschätzung geäußert, dass dieser formschlüssige Eingriff ebenso gut eine dauerhafte Kopplung darstelle wie etwa die im Streitpatent ersichtliche Verschraubung (mit Verweis auf [X.]ur 1 der Streitpatentschrift: Verschraubung zwischen Zugstange 30 und [X.] 32 sowie auf [X.]ur 3: Verschraubung der [X.]). Sodann hat sie sinngemäß eine Auslegung des Begriffs „koppelbar“ vorgenommen und diesen aufgrund der im Streitpatent gezeigten Verschraubungsverbindung als lösbare bzw. als „feste, im Prinzip aber doch lösbare Verbindung(en)“ interpretiert. Um genau eine solche handele es sich bei der Vorrichtung gemäß [X.]ur 1 der [X.] 35 06 901 C1. Alsdann hat die Einsprechende das Fachwissen des Fachmanns angeführt, dem klar sei, dass er das [X.] mit einer Spanneinrichtung koppeln müsse und es dazu – aufgrund der Natur der eine Kraftübertragung erfordernden Spannvorrichtung – einer Verbindung bedürfe. Schließlich hat die Einsprechende den Schluss gezogen, dass das Vorsehen einer „dauerhaften“ Verbindung demnach keine erfinderische Tätigkeit begründe, zumal dieser Begriff – wie von ihr dargelegt – sehr weit aufzufassen sei und auch Verschraubungen umfasse.

Ob dies letztlich überzeugend ist, mag dahinstehen. Jedenfalls hat die Einsprechende einen nachvollziehbaren (i.S. v. nachverfolgbaren) [X.] aufgezeigt, mit dem sie zum [X.] des kennzeichnenden Merkmals des Anspruch 1 des Streitpatents und damit zur mangelnden erfinderischen Tätigkeit, mithin zum Vorliegen des [X.] nach § 21 Abs. 1 Nr. 1 [X.] i. V. m. § 4 [X.] gelangt. Patentamt und Patentinhaber sind nun ohne eigene Ermittlungen in der Lage, anhand dieses Vortrags die Patentfähigkeit beurteilen zu können, auch [X.]n nicht jedes Merkmal einzeln behandelt worden ist. Nach alledem ist der Begründungsteil des Einspruchs zur erfinderischen Tätigkeit gegenüber dem druckschriftlichen Stand der Technik substantiiert. Da er bereits für sich genommen eine vollständige Darlegung des einzig geltend gemachten [X.] der mangelnden Patentfähigkeit nach § 21 Abs. 1 Nr. 1 [X.] darstellt, ist der Einspruch damit insgesamt substantiiert und somit letztlich zulässig eingelegt worden. Der angefochtene Verwerfungsbeschluss der [X.] war damit aufzuheben.

3. Der [X.] sieht davon ab, die Sache selbst zu entscheiden und verweist sie nach § 79 Abs. 3 [X.] an das Patentamt zurück. Nach dieser Vorschrift kann das Gericht die angefochtene Entscheidung aufheben, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, [X.]n einer der in Nr. 1 bis 3 aufgeführten Zurückverweisungsgründe vorliegt.

a) Hier liegt zunächst ein Zurückverweisungsgrund nach § 79 Abs. 3 Nr. 1 [X.] vor, denn das Patentamt hat noch nicht in der Sache selbst entschieden (Nr. 1), da die [X.] auf Gründen beruhte, die ein Eingehen auf die Frage des Vorliegens des geltend gemachten [X.] entbehrlich gemacht hat.

b) Darüber hinaus liegt auch ein Zurückverweisungsgrund nach § 79 Abs. 3 Nr. 2 [X.] vor, denn das Verfahren vor dem Patentamt leidet an einem wesentlichen Mangel, da eine zwingend gebotene Anhörung zu Unrecht versagt worden ist. Die Einsprechende hat mit Schriftsatz vom 25. Februar 2009 einen Antrag auf Anhörung gestellt, dem nicht entsprochen worden ist. Zur Begründung der Versagung des Anhörungsantrags hat die [X.] im angefochtenen Beschluss sinngemäß Erwägungen der Sachdienlichkeit vorgenommen (Seite 8, unter Ziffer [X.]). Eine Anhörung im Einspruchsverfahren ist jedoch nach § 59 Abs. 3 [X.] in der seit dem 1. Juli 2006 geltenden Fassung auf Antrag eines Beteiligten zwingend durchzuführen, selbst [X.]n die [X.] beabsichtigt, den Einspruch als unzulässig zu verwerfen (vgl. [X.], a. a. [X.], § 59, Rn. 229 mit Verweis auf [X.], 361 – Dichtungsanordnung). Eine Rechtsgrundlage für die Versagung einer beantragten Anhörung bei fehlender Sachdienlichkeit oder Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtsbehelfs, wie dies in § 46 [X.] a. F. oder in § 79 II 3 [X.] vorgesehen ist, fehlt hingegen in § 59 [X.]. Damit ist der Anspruch der [X.] auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt worden, so dass ein erheblicher Verfahrensfehler vorliegt.

c) Der [X.] macht von seinem ihm nach § 79 Abs. 3 [X.] gewährten Ermessen dahingehend Gebrauch, dass er davon absieht, in der Sache selbst zu entscheiden und sie an das Patentamt zurückverweist.

Als Ermessenserwägungen berücksichtigt der [X.] einerseits, dass die insgesamt lange Verfahrensdauer, insbesondere in der Beschwerdeinstanz, eher für eine baldige abschließende Entscheidung und damit gegen eine Zurückverweisung sprechen dürfte. Andererseits spricht das Vorliegen von gleich zwei [X.] nach § 79 Abs. 3 [X.] deutlich für eine Nachholung eines ordnungsgemäßen, auf eine Sachentscheidung gerichteten patentamtlichen Verfahrens. Dabei hat der [X.] auch zu berücksichtigen, dass die durch die Gehörsverletzung und die unrichtige [X.] in ihren Rechten verletzte Einsprechende mit Hauptantrag die Zurückverweisung begehrt und damit deutlich macht, dass sie sich nicht mit einem [X.] abfinden will, zugleich aber auch das mit der Zurückverweisung einhergehende Risiko zu tragen bereit ist, dass etwaiger ergänzend benötigter Tatsachenstoff für die erfolgreiche Geltendmachung der offenkundigen Vorbenutzung mit fortschreitender Zeit nicht mehr beschafft werden kann.

Soweit die Patentinhaberin hiergegen ein[X.]det, dass sämtlicher neuer Tatsachenvortrag ohnehin als verspätet zu verwerfen sei, entspricht dies nicht den Grundsätzen des vom Untersuchungsgrundsatz beherrschten [X.] nach [X.] Recht. Ist der Einspruch zulässig erhoben, so kann auch spätes Vorbringen, [X.]n es erheblich ist, nicht übergangen werden (vgl. [X.], a. a. [X.], Einleitung Rn. 206-209; § 59, Rn. 206).

Weiter berücksichtigt der [X.] auch den von der Patentinhaberin mit Schriftsatz vom 12. September 2014 genannten Umstand, dass die Patentinhaberin in der ungehinderten Verwertung ihres Schutzrechts beeinträchtigt ist, solange es einspruchsbehaftet ist. Allerdings ist eine Zurückverweisung nach § 79 Abs. 3 [X.] für den Anmelder oder Patentinhaber immer mit einer Verlängerung des [X.] oder [X.] verbunden. Da das Gesetz in § 79 Abs. 3 [X.] die Möglichkeit der Zurückverweisung ausdrücklich vorsieht, kann die damit not[X.]digerweise verbundene Verfahrensverlängerung und Einspruchsbehaftung des Streitpatents kein durchgreifender Grund sein, allein deshalb schon von einer Zurückverweisung abzusehen. Letztlich sprechen in der Gesamtbetrachtung gewichtigere Gründe zugunsten einer Zurückverweisung, so dass der [X.] sein Ermessen in letzterem Sinne ausübt.

4. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr nach § 80 Abs. 3 [X.] entspricht der Billigkeit. Die [X.] hat die von der [X.] beantragte Anhörung ohne Rechtsgrundlage aus Gründen fehlender Sachdienlichkeit versagt. Der Verfahrensfehler ist auch kausal für die Zahlung der Beschwerdegebühr. Denn die Einsprechende hätte in einer Anhörung möglicherweise die [X.] von der Zulässigkeit des Einspruchs überzeugen können, so dass sie zumindest eine abschließende Sachentscheidung erreicht hätte. Damit hätte die Beschwerdeeinlegung und Zahlung der Beschwerdegebühr vermieden werden können. Die Möglichkeit, dass die Entscheidung ohne den Verfahrensmangel anders ausgefallen wäre, reicht aus, um die Ursächlichkeit des Verfahrensfehlers zu begründen (vgl. Busse, a. a. [X.], § 80, Rn. 93; [X.], a. a. [X.], § 73, Rn. 142).

5. Nachdem kein unsubstantiierter Einspruch vorliegt, mit dem die Einsprechende – wie die Patentinhaberin meint – das Einspruchsverfahren unlauter in die Länge zieht, hat der [X.] keinen Grund, der [X.] nach § 80 Abs. 1 [X.] die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Der dahingehende Antrag der Patentinhaberin war daher zurückzuweisen.

Meta

8 W (pat) 26/09

27.10.2014

Bundespatentgericht 8. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 27.10.2014, Az. 8 W (pat) 26/09 (REWIS RS 2014, 1855)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 1855

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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