Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 15.01.2015, Az. 6 AZR 646/13

6. Senat | REWIS RS 2015, 17088

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Strukturausgleich gemäß § 12 TVÜ-Bund bei Bewährungsaufstieg vor Überleitung


Tenor

1. Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 6. März 2013 - 10 [X.] 1018/12 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Ansprüche des Klägers auf [X.].

2

Der Kläger ist auf der Grundlage eines mit der [X.] abgeschlossenen Arbeitsvertrags seit dem 1. Januar 1995 bei dem [X.]n als technischer Angestellter beschäftigt. Der [X.] ist nach § 1 Abs. 1 des Gesetzes über den [X.] vom 10. September 1998 ([X.]) seit dem 1. Januar 1999 eine teilrechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts im Geschäftsbereich des [X.], Bau und Stadtentwicklung (jetzt [X.] und digitale Infrastruktur). Nach den vertraglichen Vereinbarungen bestimmt sich das Arbeitsverhältnis der Parteien nach dem [X.]-Angestelltentarifvertrag ([X.]) und den diesen ersetzenden Tarifverträgen. Der Kläger war zunächst in die Vergütungsgruppe III [X.] eingruppiert. Zum 1. Mai 2005 erfolgte der [X.] in die Vergütungsgruppe [X.] [X.].

3

Seit dem 1. Oktober 2005 richtet sich das Arbeitsverhältnis nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst vom 13. September 2005 ([X.]) und dem Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten des [X.] in den [X.] und zur Regelung des Übergangsrechts vom 13. September 2005 ([X.]). Entsprechend der bis zum 31. Dezember 2013 geltenden Anlage 2 zu § 4 Abs. 1 [X.] erfolgte eine Überleitung des Klägers von der Vergütungsgruppe [X.] [X.] in die [X.] 12 [X.].

4

Der [X.] informierte den Kläger mit Schreiben vom 30. Januar 2006 über die „Umstellung“ seines Arbeitsverhältnisses auf der Grundlage des [X.]. Das Schreiben enthielt zudem folgenden Passus:

        

„Außerdem erhalten Sie - vorbehaltlich noch ausstehender, ergänzender Regelungen - ab 01.10.2009 dauerhaft einen monatlichen [X.] in Höhe von 100,00 Euro (bei Teilzeittätigkeit anteilig).“

5

Der Anspruch auf [X.] ist in § 12 [X.] geregelt. Gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 [X.] erhalten aus dem Geltungsbereich des [X.]/[X.]-O übergeleitete Beschäftigte ausschließlich in den in Anlage 3 [X.] aufgeführten Fällen zusätzlich zu ihrem monatlichen Entgelt einen nicht dynamischen [X.]. Maßgeblicher Stichtag für die anspruchsbegründenden Voraussetzungen (Vergütungsgruppe, Lebensalterstufe, Ortszuschlag, Aufstiegszeiten) ist nach § 12 Abs. 1 Satz 2 [X.] der 1. Oktober 2005, sofern in Anlage 3 [X.] nicht ausdrücklich etwas anderes geregelt ist.Die Anlage 3 [X.] sieht in Spalte 2 unter der Überschrift „Vergütungsgruppe bei In-Kraft-Treten [X.]“ einen Anspruch auf [X.] bei Überleitung in die [X.] 12 [X.] nur bei Vergütung nach der Vergütungsgruppe III [X.] vor. Diesbezüglich werden insgesamt 30 Konstellationen geregelt, welche zu einem dauerhaften oder zeitlich begrenzten Anspruch auf [X.] zwischen 50,00 Euro und 100,00 Euro brutto monatlich führen. Bei Vorliegen der Vergütungsgruppe [X.] [X.] „bei In-Kraft-Treten [X.]“ kommt nach der Tabelle der Anlage 3 [X.] ein [X.] nur bei Überleitung in die [X.]n 13 oder 14 [X.] in Betracht.

6

Der Kläger erhielt ab dem 1. Oktober 2009 einen [X.] iHv. 100,00 Euro brutto monatlich. Mit Schreiben vom 9. Mai 2011 teilte der [X.] dem Kläger jedoch mit, dass „aufgrund neuer höchstrichterlicher Rechtsprechung zu den Anspruchsvoraussetzungen für die Zahlung eines [X.]s gemäß § 12 [X.]“ eine Überprüfung erforderlich geworden sei. Bis zu deren Abschluss würden die Zahlungen des [X.]s unter Vorbehalt geleistet. Am 28. Juni 2011 vertrat der [X.] schließlich die Auffassung, dass dem Kläger ein Anspruch auf Zahlung des [X.]s nicht zustehe und nicht zugestanden habe. Mit Wirkung ab dem 1. Juli 2011 werde die Zahlung des [X.]s daher eingestellt. Für die Monate April, Mai und Juni 2011 ergebe sich eine Überzahlung iHv. 300,00 Euro. Der entsprechende Rückforderungsanspruch werde mit der Entgeltzahlung für den Monat August 2011 verrechnet. Der Kläger widersprach mit Schreiben vom 30. Juni 2011. Der [X.] nahm dennoch wie angekündigt sowohl die Zahlungseinstellung als auch die Aufrechnung vor.

7

Mit seiner am 20. April 2012 eingegangenen Klage hat der Kläger die Weiterzahlung des [X.]s verlangt. Unter Berücksichtigung der im August 2011 vorgenommenen Aufrechnung und der Zinsen seien für die [X.] bis einschließlich März 2012 insgesamt 1.224,89 Euro brutto nachzuzahlen. Der Anspruch auf Zahlung des bisherigen [X.]s bestehe ab April 2012 unverändert fort. Der [X.] habe ihm diesen [X.] mit Schreiben vom 30. Januar 2006 zugesichert. Der Einschub „vorbehaltlich noch ausstehender, ergänzender Regelungen“ sei für ihn als Empfänger des Schreibens so zu verstehen gewesen, dass die Zahlung ab dem 1. Oktober 2009 dauerhaft gewährt werden soll, wenn sich bis dahin nichts ändert. Dieses Verständnis des Vorbehalts ergebe sich auch daraus, dass der [X.] die Zahlung des [X.]s mit seinem Schreiben vom 9. Mai 2011 erneut unter Vorbehalt gestellt habe. Der [X.] sei mithin selbst davon ausgegangen, dass der im Schreiben vom 30. Januar 2006 ausgedrückte Vorbehalt mit Aufnahme der Zahlung des [X.]s keine Wirkung mehr entfalte. Zudem habe sich durch die Leistung des [X.]s ein Vertrauenstatbestand gebildet. Die Streichung der Zulage stelle deshalb eine unzulässige Rechtsausübung dar.

8

Weiterhin habe er einen tarifvertraglichen Anspruch auf den [X.]. Die Tarifvertragsparteien hätten die bei ihm vorliegende Konstellation eines kurz vor der Überleitung in den [X.] erfolgten [X.]s von der Vergütungsgruppe III [X.] in die Vergütungsgruppe [X.] [X.] offensichtlich versehentlich unberücksichtigt gelassen. Er werde damit ungerechtfertigt wesentlich schlechter behandelt als ein Arbeitnehmer, dessen [X.] in die Vergütungsgruppe [X.] [X.] vor dem Überleitungsstichtag noch nicht abgeschlossen gewesen sei. Hierfür sei kein Sachgrund ersichtlich. Die unbewusste Regelungslücke sei dahin gehend zu schließen, dass bei den vor der Überleitung aufgestiegenen Arbeitnehmern auf die originäre Vergütungsgruppe III [X.] zurückgegriffen werden müsse. Die Tarifvertragsparteien seien über mehrere Jahre davon ausgegangen, dass mit der „Vergütungsgruppe bei In-Kraft-Treten [X.]“ nach der Anlage 3 [X.] die originäre Vergütungsgruppe gemeint gewesen sei, das heißt die Vergütungsgruppe ohne Aufstieg vor der Überleitung. Dementsprechend habe auch der [X.] die tariflichen Regelungen verstanden und angewandt. Die Gerichte für Arbeitssachen seien daher befugt, die tarifliche Regelungslücke im Sinne der bisherigen Anwendungspraxis auszufüllen.

9

Der Kläger hat daher beantragt,

        

1.    

den [X.]n zu verurteilen, an den Kläger 1.224,89 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 1.200,00 Euro seit dem 1. April 2012 zu zahlen;

        

2.    

festzustellen, dass der [X.] verpflichtet ist, dem Kläger ab April 2012 für die Dauer des Beschäftigungsverhältnisses einen monatlichen [X.] gemäß § 12 TVÜ-Bund zu zahlen.

Der [X.] hat seinen Klageabweisungsantrag damit begründet, dass keine Anspruchsgrundlage für den verlangten [X.] bestehe. Eine einzelvertragliche Zusicherung des [X.]s sei nicht erfolgt. Es sei nur eine Erfüllung vermeintlicher tariflicher Ansprüche bezweckt gewesen. Dies komme durch den im Schreiben vom 30. Januar 2006 erklärten Vorbehalt zum Ausdruck. Ein tariflicher Anspruch bestehe nicht, weil ihn die Anlage 3 [X.] nicht vorsehe. Eine unbewusste Regelungslücke sei nicht erkennbar. Selbst bei Annahme einer solchen sei deren Schließung durch eine ergänzende Tarifauslegung nicht möglich, weil mehrere Möglichkeiten der Schließung in Betracht kämen. Die Ausgestaltung sei den Tarifvertragsparteien vorbehalten.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom [X.] zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Klageziele weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Das [X.] hat die Berufung gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf den begehrten [X.].

I. Die Klage ist zulässig.

1. Der Feststellungsantrag ist hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, obwohl er keine Angaben zur Höhe des zu zahlenden [X.]s enthält. Nach dem gesamten Vorbringen des [X.] ist der Antrag dahin zu verstehen, dass der Kläger die Zahlung eines gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 [X.] nicht dynamischen [X.]s von monatlich 100,00 Euro brutto begehrt. Dies entspricht dem bis einschließlich März 2011 geleisteten [X.]. Eine Bezifferung musste auch deshalb nicht erfolgen, weil der [X.] nach § 12 Abs. 4 Satz 1 [X.] bei Teilzeitbeschäftigung anteilig zu zahlen ist und die Höhe des [X.]s damit vom jeweiligen zeitlichen Umfang der Beschäftigung des [X.] abhängt (vgl. [X.] 22. April 2010 - 6 [X.] - Rn. 12, [X.]E 134, 184).

2. Das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse ist gegeben. Der angestrebte feststellende Ausspruch ist trotz seiner nicht vollstreckbaren Wirkung geeignet, den Streit der Parteien über die gegenwärtigen und künftigen Ansprüche des [X.] auf [X.] beizulegen und weitere Prozesse zwischen ihnen zu vermeiden. Das rechtfertigt die Annahme eines rechtlichen Interesses (vgl. [X.] 16. Oktober 2014 - 6 [X.] - Rn. 14; 13. November 2014 - 6 [X.] 1102/12 - Rn. 23).

3. Der Beklagte ist parteifähig iSd. § 50 Abs. 1 ZPO, auch wenn er eine nur teilrechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts ist. Als juristische Person des öffentlichen Rechts, welche nach § 8 Abs. 1 Satz 3 [X.] vor Gericht durch den Vorstand vertreten wird, hat er die Fähigkeit, Subjekt eines Prozessrechtsverhältnisses zu sein (vgl. [X.]/[X.]/[X.] ZPO 17. Aufl. § 43 Rn. 1, 7).

II. Die Klage ist jedoch unbegründet. Der Kläger hat dem Grunde nach keinen Anspruch auf den streitgegenständlichen [X.]. Es kann daher offenbleiben, ob der Beklagte passivlegitimiert ist.

1. An der Passivlegitimation des Beklagten bestehen Zweifel. Ursprünglich war er eine nicht rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts. Die [X.] war die Arbeitgeberin der bei dem Beklagten beschäftigten Arbeitnehmer. Seit dem 1. Januar 1999 ist er nach § 1 Abs. 1 [X.] eine teilrechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts. Die Teilrechtsfähigkeit beschränkt sich nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers auf die in § 5 Abs. 2 [X.] genannten Bereiche (vgl. [X.]. 13/9510 S. 9, 10). Dies betrifft die Zusammenarbeit des Beklagten mit [X.] und seine Berechtigung, in eigenem Namen Unternehmen zu gründen oder sich zu beteiligen. Der Abschluss von Arbeitsverträgen ist hiervon nicht erfasst. Für den Verbleib der Arbeitgeberstellung bei der [X.] spricht auch, dass eine Beurlaubung von Beschäftigten des Beklagten zur Tätigkeit in Unternehmen iSd. § 5 Abs. 2 [X.] im dienstlichen Interesse liegt und die Einzelheiten zwischen dem [X.] und dem Unternehmen vereinbart werden (§ 5 Abs. 3 Sätze 1 und 2 [X.]). Den übrigen Regelungen des [X.] kann nicht entnommen werden, dass der Beklagte nunmehr selbst Arbeitgeber ist. Dies gilt auch für § 8 Abs. 1 Satz 3 [X.]. Demnach erfolgt die gerichtliche und außergerichtliche Vertretung des Beklagten durch die Mitglieder des Vorstands. Hierbei handelt es sich um eine bloße Vertretungsregelung, welche den Inhalt der Arbeitsverhältnisse nicht berührt.

2. Die Passivlegitimation des Beklagten kann hier jedoch dahinstehen. Die Klage ist schon deshalb unbegründet, weil der Kläger keinen Anspruch auf Weiterzahlung des [X.]s hat. Dies hat das [X.] rechtsfehlerfrei entschieden.

a) Der Kläger hat keinen Anspruch nach § 611 Abs. 1 BGB aufgrund einer einzelvertraglichen Zusage. Es ist nicht ersichtlich, dass die Zahlung des [X.]s unabhängig von den unstreitig auf das Arbeitsverhältnis anzuwendenden Tarifverträgen für den öffentlichen Dienst des [X.]es erfolgen sollte.

aa) Von einem entsprechenden Regelungswillen wäre nur bei Vorliegen besonderer Anhaltspunkte auszugehen, weil Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes im Zweifel lediglich Normvollzug betreiben wollen und ein Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes deshalb nur auf eine korrekte Anwendung der aktuell geltenden rechtlichen Regelungen vertrauen darf ([X.] 13. November 2014 - 6 [X.] 1102/12 - Rn. 26; 31. Juli 2014 - 6 [X.] 955/12 - Rn. 21; 28. Januar 2009 - 4 [X.] 904/07 - Rn. 24 f.).

bb) Solche Anhaltspunkte bestehen hier nicht. Insbesondere konnte der Kläger dem Schreiben des Beklagten vom 30. Januar 2006 keine einzelvertragliche Zusage des begehrten [X.]s entnehmen. Zwar wird dort angeführt, dass der Kläger ab dem 1. Oktober 2009 dauerhaft einen monatlichen [X.] iHv. 100,00 Euro brutto erhalte. Diese Aussage steht aber offensichtlich im Zusammenhang mit der Umsetzung der tariflichen Vorgaben bei der Überleitung in den [X.]. In dem besagten Schreiben wird dies durch die Mitteilung klargestellt, dass die „Umstellung“ des Arbeitsverhältnisses auf der Grundlage des [X.] erfolge. Die anschließenden Ausführungen erläutern die sich daraus aus Sicht des Beklagten ergebenden Konsequenzen für das Arbeitsverhältnis des [X.]. Hinsichtlich des [X.]s hat der Beklagte angeführt, dass dessen Zahlung nur „vorbehaltlich noch ausstehender, ergänzender Regelungen“ erfolge. Damit wurde unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass der [X.] nicht einzelvertraglich zugesichert werden soll, sondern von der tariflichen Ausgestaltung abhängen soll. Der Vorbehalt bezieht sich auf die damit verbundene Ungewissheit künftiger tariflicher Regelungen. Es sollte gerade kein Vertrauen des [X.] in eine zeitlich unbegrenzte Zahlung begründet werden. Seine Auffassung, wonach der Vorbehalt mit Aufnahme der Zahlungen seine Wirkung verlieren sollte, ist weder mit dem Wortlaut noch mit dem Gesamtzusammenhang des Schreibens vom 30. Januar 2006 vereinbar. Dieses Verständnis kann auch nicht aus dem Schreiben vom 9. Mai 2011 abgeleitet werden. Mit diesem wurde lediglich vor dem Hintergrund neuerer Rechtsprechung zum [X.] (vgl. [X.] 22. April 2010 - 6 [X.] - [X.]E 134, 184; [X.] 15. Dezember 2010 - 13 [X.]/10 -) ein erneuter Vorbehalt erklärt. Dies entspricht der Bindung des [X.]s an die tariflichen Vorgaben. Konsequenterweise wird auch in diesem Schreiben auf § 12 [X.] Bezug genommen.

b) Ein tariflicher Anspruch auf den begehrten [X.] besteht nicht. § 12 Abs. 1 Satz 1 [X.] [X.]. der Anlage 3 [X.] sieht bei einer Überleitung in die [X.] 12 [X.] keinen [X.] vor, wenn der Arbeitnehmer - wie der Kläger - bei Inkrafttreten des [X.] in die Vergütungsgruppe [X.] eingruppiert ist. Eine ergänzende Auslegung im Sinne der Revision kommt nicht in Betracht.

aa) Nach dem Stichtagsprinzip des [X.]s (§ 12 Abs. 1 Satz 2 [X.]) und der Überschrift in Spalte 2 der [X.]stabelle der Anlage 3 [X.] ist Stichtag für den Anspruch auf den [X.] der erste Geltungstag des neuen [X.] und maßgeblich die Vergütungsgruppe „bei In-Kraft-Treten [X.]“. Gleiches gilt für die [X.]sstufe und die Lebensalterstufe. Für den [X.] kommt es damit ausschließlich auf die zu diesem Zeitpunkt vorliegenden Verhältnisse an. Er soll die Exspektanzverluste ausgleichen, die im Vergleich zur Vergütungsentwicklung bei Weitergeltung des [X.] eintreten. Basis für die Vergleichsberechnung der Tarifvertragsparteien des [X.] war der bei dessen Ablösung durch den [X.] erreichte [X.]. Dies ist mit einem Rückgriff auf die [X.] in der Spalte 2 der Tabelle nicht zu vereinbaren ([X.] 18. Oktober 2012 - 6 [X.] 261/11 - Rn. 69; vgl. auch [X.] in [X.] Bd. IV F § 12 Stand Januar 2013 Rn. 11, 12; Stier öAT 2013, 35; [X.] [X.] online 2013, 27, 29; [X.] 2013, 78). Der im Klammerzusatz in § 12 Abs. 1 Satz 2 [X.] sowie in der Überschrift der Spalte 2 der [X.]stabelle verwendete Begriff der „Vergütungsgruppe“ differenziert nicht zwischen „originärer“ bzw. „[X.]“ und insbesondere nicht danach, wie der Beschäftigte die am Stichtag maßgebliche Vergütungsgruppe erreicht hat. Er ist insoweit unspezifisch. Der durchschnittliche Normunterworfene, der seinen vergütungsrechtlichen Werdegang und vor allem seine aktuelle Eingruppierung kennt, wird deshalb die Spalte 2 aufgrund des Zusatzes „bei In-Kraft-Treten [X.]“ dahin verstehen, dass die Vergütungsgruppe maßgeblich sein soll, aus der er bei Inkrafttreten des [X.] seine Vergütung bezog, ohne danach zu differenzieren, ob er „originär“ dort eingruppiert war oder im Wege des Aufstiegs dorthin gelangt war (vgl. zu § 12 Abs. 1 [X.]-Länder [X.] 18. Oktober 2012 - 6 [X.] 261/11 - Rn. 89).

bb) Eine ergänzende Auslegung der Anlage 3 [X.] dahin gehend, dass ein [X.] auch den zunächst aus der Vergütungsgruppe III [X.] in die Vergütungsgruppe [X.] aufgestiegenen und dann in die [X.] 12 [X.] übergeleiteten Beschäftigten zusteht, ist nicht möglich.

(1) [X.] Regelungen sind einer ergänzenden Auslegung grundsätzlich nur dann zugänglich, wenn damit kein Eingriff in die durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Tarifautonomie verbunden ist. Eine ergänzende Auslegung eines Tarifvertrags scheidet daher aus, wenn die Tarifvertragsparteien eine regelungsbedürftige Frage bewusst ungeregelt lassen und diese Entscheidung höherrangigem Recht nicht widerspricht. Voraussetzung für eine ergänzende Auslegung ist, dass entweder eine unbewusste Regelungslücke vorliegt oder eine Regelung nachträglich lückenhaft geworden ist. In einem solchen Fall haben die Gerichte für Arbeitssachen grundsätzlich die Möglichkeit und die Pflicht, eine Tariflücke zu schließen, wenn sich unter Berücksichtigung von [X.] und Glauben ausreichende Anhaltspunkte für den mutmaßlichen Willen der Tarifvertragsparteien ergeben. Allerdings haben die Tarifvertragsparteien in eigener Verantwortung darüber zu befinden, ob sie eine von ihnen geschaffene Ordnung beibehalten oder ändern. Solange sie daran festhalten, hat sich eine ergänzende Auslegung an dem bestehenden System und dessen Konzeption zu orientieren. Diese Möglichkeit scheidet aus, wenn den Tarifvertragsparteien ein Spielraum zur Lückenschließung bleibt und es ihnen wegen der verfassungsrechtlich geschützten Tarifautonomie überlassen bleiben muss, die von ihnen für angemessen gehaltene Regelung selbst zu finden (vgl. [X.] 12. September 2013 - 6 [X.] 512/12 - Rn. 59; 23. April 2013 - 3 [X.] 23/11 - Rn. 29 mwN; vgl. auch [X.] 29. März 2010 - 1 BvR 1373/08 - Rn. 29, [X.]K 17, 203 ).

(2) Es ist schon nicht erkennbar, dass die von der Revision angenommene unbewusste Regelungslücke besteht. Die Tarifvertragsparteien haben in der [X.]stabelle der Anlage 3 [X.] eine Vielzahl von Konstellationen geregelt. Die Tabelle ist nicht durchgehend stimmig (vgl. zur Auslegung des Merkmals „Aufstieg - ohne“ [X.] 18. Oktober 2012 - 6 [X.] 261/11 - Rn. 59 ff.; 22. April 2010 - 6 [X.] - Rn. 19 ff., [X.]E 134, 184). Es ist daher grundsätzlich nicht feststellbar, ob eine in der Tabelle nicht berücksichtigte Kombination bewusst oder unbewusst keine Berücksichtigung gefunden hat. Dies gilt auch bei einer Überleitung aus der Vergütungsgruppe [X.] nach Aufstieg aus der Vergütungsgruppe III [X.] (vgl. zum [X.]-Länder [X.] 18. Oktober 2012 - 6 [X.] 261/11 - Rn. 30 bis 32).

(3) Sollte die [X.]stabelle der Anlage 3 [X.] bezüglich der vor der Überleitung in die [X.] 12 [X.] in die Vergütungsgruppe [X.] aufgestiegenen Arbeitnehmer eine unbewusste Regelungslücke enthalten, könnte diese nicht - wie von der Revision angenommen - durch eine ergänzende Auslegung geschlossen werden. Eine tarifliche Regelung wäre wegen mehrerer Möglichkeiten der Lückenschließung den Tarifvertragsparteien vorbehalten.

(a) Dies wird schon dadurch deutlich, dass die Tarifvertragsparteien entsprechend den in der [X.]stabelle vorgesehenen Differenzierungen einen [X.] in unterschiedlicher Höhe und Dauer vornehmen könnten. Allein für die [X.] 12 [X.] sieht die [X.]stabelle monatliche Bruttobeträge zwischen 50,00 Euro und 100,00 Euro und eine Dauer der Gewährung zwischen drei Jahren und dauerhafter Leistung vor.

(b) Die dem Kläger bis einschließlich März 2011 gewährte Leistung von 100,00 Euro brutto könnte keinen Maßstab für die Lückenschließung darstellen. Es handelt sich hierbei nur um eine Arbeitgeberleistung und nicht um eine Tarifpraxis, die einen Rückschluss auf den Willen der Tarifvertragspartner bei Vertragsabschluss erlauben würde (vgl. [X.] 22. Oktober 2009 - 6 [X.] 500/08 - Rn. 27). Abweichendes ergibt sich nicht aus dem von der Revision herangezogenen Urteil des [X.] Senats des [X.]esarbeitsgerichts vom 3. November 1998 (- 3 [X.] 432/97 - zu I 2 b der Gründe). In diesem Falle wurde „unter den besonderen Umständen des Einzelfalles“ eine Tariflücke in einem Versorgungstarifvertrag entsprechend einer Handhabung des Arbeitgebers geschlossen. Allerdings ließ sich hier aus Unterlagen und Auskünften der tarifschließenden [X.] ableiten, dass diese die entsprechende Praxis des tarifschließenden Arbeitgebers nicht nur hingenommen hatten. Der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien war erkennbar. Zudem gingen die Tarifvertragsparteien davon aus, dass die Handhabung durch den Arbeitgeber der materiellen Rechtslage entspreche. Solche besonderen Umstände sind im vorliegenden Fall nicht gegeben. Im Gegenteil bestanden zwischen den Tarifvertragsparteien bezüglich des [X.]s im Detail erhebliche Differenzen (vgl. [X.] 18. Oktober 2012 - 6 [X.] 261/11 - Rn. 48 ff.). Dies stünde der Ermittlung des mutmaßlichen Willens der Tarifvertragsparteien entgegen. Eine „übereinstimmende [X.]“ der Tarifvertragsparteien lag jedenfalls nicht vor. Die Zahlungen des Beklagten wurden lediglich nicht beanstandet.

cc) Sollten die Tarifvertragsparteien für die von der Vergütungsgruppe [X.] in die [X.] 12 [X.] übergeleiteten Arbeitnehmer bewusst keinen [X.] vorgesehen haben, würde dies nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen.

(1) Tarifvertragsparteien sind bei der tariflichen Normsetzung nicht unmittelbar grundrechtsgebunden. Die Schutzfunktion der Grundrechte verpflichtet die Arbeitsgerichte jedoch dazu, Tarifregelungen die Durchsetzung zu verweigern, die zu gleichheits- und sachwidrigen Differenzierungen führen und deshalb Art. 3 Abs. 1 GG verletzen. Den Tarifvertragsparteien kommt als selbständigen Grundrechtsträgern allerdings aufgrund der von Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Tarifautonomie ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Wie weit dieser Spielraum reicht, hängt von den [X.] im Einzelfall ab. Hinsichtlich der tatsächlichen Gegebenheiten und betroffenen Interessen liegt die [X.] bei den Tarifvertragsparteien. Sie brauchen nicht die sachgerechteste oder zweckmäßigste Regelung zu finden (vgl. [X.] 3. Juli 2014 - 6 [X.] 1067/12 - Rn. 25; 19. Dezember 2013 - 6 [X.] 94/12  - Rn. 43 ; 21. November 2013 -  6 [X.] 23/12  - Rn. 58 ). Tarifvertragsparteien sind durch Art. 3 Abs. 1 GG auch nicht gehindert, für bestimmte Lebenssachverhalte Stichtage einzuführen (vgl. [X.] 7. Juli 1992 - 1 [X.] ua. - zu [X.] der Gründe, [X.]E 87, 1). Stichtage sind als Ausdruck einer pauschalisierenden Betrachtung und im Interesse der Praktikabilität grundsätzlich zulässig, wenn sich die Wahl des Zeitpunktes am zu regelnden Sachverhalt orientiert und demnach sachlich vertretbar ist. Eine Umstellung von Vergütungssystemen wäre ohne Stichtagsregelungen nicht durchführbar ([X.] 27. Januar 2011 - 6 [X.] 382/09 - Rn. 33 mwN; 17. April 2013 - 4 [X.] 770/11 - Rn. 26).

(2) Demnach hätten die Tarifvertragsparteien ihren Gestaltungsspielraum nicht überschritten. Bei dem Abstellen auf die bei Inkrafttreten des [X.] geltende Vergütungsgruppe handelt es sich um eine sachlich begründete Stichtagsregelung. Die Überleitung des Arbeitsverhältnisses in den [X.] nach Maßgabe des [X.] stellt eine einschneidende Zäsur dar, welche es rechtfertigt, auf den Inhalt des Arbeitsverhältnisses zum Zeitpunkt seiner Überleitung auch bezüglich des [X.]s abzustellen. Dies entspricht der Zielsetzung des [X.]s. Ausgehend von dem bei der Überleitung erreichten Status quo soll der [X.] typische „Exspektanzverluste“ ausgleichen. Welche Verluste davon erfasst werden und wie der Ausgleich erfolgen soll, liegt grundsätzlich im Gestaltungsspielraum der Tarifvertragsparteien. Die Revision verkennt die Reichweite dieser Gestaltungsmacht, von der die Tarifvertragsparteien hier in nicht zu beanstandender Weise Gebrauch gemacht haben. Sie bedachten bei der Ausgestaltung des [X.]s nicht nur den Aufstieg in den [X.] und den [X.], sondern auch den in verschiedenen Vergütungsgruppen möglichen [X.] ([X.] 18. Oktober 2012 - 6 [X.] 261/11 - Rn. 46). Bei dieser typisierenden Betrachtungsweise durften die Tarifvertragsparteien zu dem Schluss kommen, dass bei einer Überleitung aus der Vergütungsgruppe [X.] in die [X.] 12 [X.] kein [X.] erfolgen soll. Sie konnten bei der zukunftsbezogenen Betrachtungsweise berücksichtigen, dass ein [X.] in die Vergütungsgruppe [X.] vor der Überleitung zu einem höheren Vergleichsentgelt nach § 5 [X.] führte und ein weiterer [X.] nicht mehr möglich gewesen wäre. Dabei ergeben sich zwangsläufig - wie im Fall des [X.] - Härten, wenn der [X.] in die Vergütungsgruppe [X.] relativ zeitnah vor der Überleitung erfolgte. [X.] ([X.], 403, 409) hat zutreffend darauf hingewiesen, dass die Beschäftigten der Vergütungsgruppe III [X.] ohne Aufstieg vor der Überleitung besserstehen, obwohl sie ebenfalls in die [X.] 12 [X.] übergeleitet wurden. Dies ist jedoch der Stichtagsregelung geschuldet. Eine sich im Einzelfall aus einer knappen Verfehlung des Stichtags ergebende Härte ist unvermeidbar (vgl. [X.] 27. Februar 2007 - 1 [X.] Rn. 73, [X.]E 117, 272; [X.] 8. Dezember 2011 - 6 [X.] 319/09 - Rn. 43, [X.]E 140, 83).

c) Die Einstellung der Zahlung des [X.]s verstößt entgegen der Auffassung des [X.] nicht gegen [X.] und Glauben. Zwar kann eine Rechtsausübung gemäß § 242 BGB unzulässig sein, wenn sich eine Partei damit in Widerspruch zu ihrem eigenen vorausgegangenen Verhalten setzt und für die andere Partei ein schützenswerter Vertrauenstatbestand geschaffen worden ist oder wenn sonstige besondere Umstände die Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen lassen (vgl. [X.] 20. März 2013 - 10 [X.] 744/11 - Rn. 28; 11. November 2014 - 3 [X.] 849/11 - Rn. 64). Diese Voraussetzungen liegen hier jedoch nicht vor. Der Beklagte hat - wie dargelegt - kein Vertrauen des [X.] in die dauerhafte Zahlung eines [X.]s unabhängig von den tariflichen Vorgaben geweckt.

3. Entgegen der Auffassung der Revision ist das angefochtene Urteil nicht wegen einer Verkennung des § 563 Abs. 2 ZPO aufzuheben. Nach dieser Vorschrift hat das Berufungsgericht die rechtliche Beurteilung, die einer Aufhebung durch das Revisionsgericht zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen. Das vorliegend angegriffene Urteil erging nicht nach der Aufhebung eines vorangegangenen Berufungsurteils in einem Revisionsverfahren. Das [X.] hat eine erstmalige Entscheidung getroffen.

III. [X.] folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Fischermeier    

        

    Spelge    

        

    Krumbiegel     

        

        

        

    K. Jerchel     

        

    Kammann    

                 

Meta

6 AZR 646/13

15.01.2015

Bundesarbeitsgericht 6. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG München, 19. September 2012, Az: 29 Ca 179/12, Urteil

Art 3 Abs 1 GG, Art 9 Abs 3 GG, § 12 Abs 1 TVÜ-Bund, Anl 3 TVÜ-Bund, § 611 BGB, § 1 Abs 1 DWDG, § 5 Abs 2 DWDG, § 5 Abs 3 DWDG, § 8 Abs 1 S 3 DWDG, Entgeltgr 12 TVöD, VergGr 3 BAT, VergGr 2a BAT

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 15.01.2015, Az. 6 AZR 646/13 (REWIS RS 2015, 17088)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 17088

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

6 AZR 261/11 (Bundesarbeitsgericht)

Strukturausgleich nach § 12 Abs 1 TVÜ-L - Merkmal "Aufstieg - ohne" - Auslegung


6 AZR 269/15 (Bundesarbeitsgericht)

Einmalzahlung zur Abgeltung des Strukturausgleichs - Auslegung des Merkmals "Aufstieg - ohne"


6 AZR 962/08 (Bundesarbeitsgericht)

Strukturausgleich nach § 12 Abs 1 S 2 TVÜ-Bund - Tarifauslegung


6 Sa 100/11 (Landesarbeitsgericht Düsseldorf)


12 Sa 1274/10 (Landesarbeitsgericht Köln)


Referenzen
Wird zitiert von

33 Sa 10/17

3 Sa 101/17

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.