Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 15.03.2022, Az. 6 B 20/21

6. Senat | REWIS RS 2022, 689

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Gegenstand

Nutzungsrecht an einer im Eigentum eines Landes stehenden Kapelle


Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs [X.] vom 17. August 2021 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.

Gründe

I

1

Der Kläger, eine gemeinnützige Bürgerrechtsorganisation, begehrt die Nutzung einer im Eigentum des beklagten Landes stehenden Kapelle aus dem 13. Jahrhundert. An dem Gebäude besteht auf der Grundlage eines mit dem Rechtsvorgänger des Beklagten geschlossenen Übereinkommens aus dem [X.] ein Nutzungsrecht der [X.] "vorbehaltlich jederzeitigen Widerrufs (...) zur Vornahme von kirchlichen Handlungen". Einen Antrag des [X.] auf Erteilung der Erlaubnis zur Nutzung der Kapelle für eine Vortragsveranstaltung zu dem Thema der Trennung von Kirche und Staat lehnte der Beklagte unter Hinweis auf das Übereinkommen ab. Die nach Verstreichen des vorgesehenen Veranstaltungstermins erhobene Fortsetzungsfeststellungsklage hat in den Vorinstanzen keinen Erfolg gehabt. Der Verwaltungsgerichtshof hat ausgeführt, mangels einer Widmung und/oder Indienststellung der Kapelle zugunsten der Allgemeinheit oder eines Personenkreises, dem der Kläger zugehörig sei, fehle es an einer Anspruchsgrundlage für die Nutzungsüberlassung oder eine ermessensfehlerfreie Entscheidung hierüber. Ein entsprechender Anspruch folge auch weder aus dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) im Hinblick auf die Vergabepraxis des Beklagten noch aus den Grundrechten der Weltanschauungsfreiheit (Art. 4 Abs. 1 GG), der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) oder der Versammlungsfreiheit (Art. 8 Abs. 1 GG). Die Revision gegen das Berufungsurteil hat der Verwaltungsgerichtshof nicht zugelassen.

II

2

Die Beschwerde des [X.] gegen die Nichtzulassung der Revision hat keinen Erfolg. Die Revision ist nicht wegen der allein geltend gemachten Divergenz gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zuzulassen. Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass die Entscheidung der Vorinstanz auf einem abstrakten Rechtssatz beruht, der im Widerspruch zu einem Rechtssatz steht, den das [X.], der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des [X.] oder das [X.]verfassungsgericht in Anwendung derselben Rechtsvorschrift aufgestellt hat. Zwischen den Gerichten muss ein prinzipieller Auffassungsunterschied über den Bedeutungsgehalt einer bestimmten Rechtsvorschrift oder eines Rechtsgrundsatzes bestehen. Die Behauptung einer fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung von Rechtssätzen, die eines der genannten divergenzfähigen Gerichte aufgestellt hat, genügt den Zulässigkeitsanforderungen einer [X.] dagegen nicht (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. Dezember 2017 - 6 [X.] - NVwZ 2018, 496 Rn. 4 m.w.N.).

3

Nach diesem Maßstab wird die von der Beschwerde behauptete Abweichung von dem Beschluss des [X.]verfassungsgerichts vom 13. Oktober 1998 (2 BvR 1275/96 - [X.] 99, 100) bereits nicht in der gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO erforderlichen Weise dargelegt. Der Kläger entnimmt der genannten Entscheidung zwar den Rechtssatz, dass einerseits die freie Widerruflichkeit eines Rechts als solche den Schutz des Art. 138 Abs. 2 WRV (i.V.m. Art. 140 GG) noch nicht entfallen lasse und andererseits Art. 138 Abs. 2 WRV den Bestand von Rechten, die unter einem Widerrufsvorbehalt stehen, nicht schlechthin und gegenüber jeglichem Widerruf gewährleiste, sondern entscheidend sei, auf welchen Grund der Widerruf sich stützen könne. [X.] das Recht einer ursprünglichen Beschränkung, weil es an bestimmte Voraussetzungen gebunden sei, und ziele der Widerruf darauf, die mit Wegfall der Voraussetzungen akut gewordene Beschränkung formal umzusetzen, greife er nicht in den Schutzbereich ein ([X.], Beschluss vom 13. Oktober 1998 - 2 BvR 1275/96 - [X.] 99, 100 <124>).

4

Die Beschwerde versäumt es jedoch, einen entscheidungserheblichen Rechtssatz des Verwaltungsgerichtshofs herauszuarbeiten, mit dem dieser von dem genannten Rechtssatz des [X.]verfassungsgerichts abgewichen wäre. Vielmehr wendet sie sich lediglich gegen die unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die Entscheidung des [X.]verfassungsgerichts getroffene Feststellung des Verwaltungsgerichtshofs, der Kläger könne aus der Widerruflichkeit des Übereinkommens vom 20. Dezember 1897 nichts für einen eigenen Anspruch auf Überlassung der Kapelle zum Zweck der Durchführung der beabsichtigten Veranstaltung herleiten ([X.]). Nach Art einer Revisionsbegründung kritisiert die Beschwerde in diesem Zusammenhang die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofs, bei dem in § 1 des Übereinkommens vom 20. Dezember 1897 aufgenommenen Recht zum "jederzeitigen Widerruf" handele es sich um einen Fall der (freien) Widerruflichkeit eines Rechts im Sinne der genannten Entscheidung des [X.]verfassungsgerichts, d.h. um einen allgemeinen Widerrufsvorbehalt. Der Verwaltungsgerichtshof hätte nach Ansicht der Beschwerde vielmehr zu dem Ergebnis gelangen müssen, dass im vorliegenden Fall gerade kein allgemeiner, sondern ein ganz konkreter, die zeitliche Komponente der jederzeitigen [X.] betonender Widerrufsvorbehalt vorliege, für den die Grundsätze des [X.]verfassungsgerichts nicht gälten. Auf dieses Vorbringen, das lediglich die richtige Anwendung des erwähnten Rechtssatzes des [X.]verfassungsgerichts thematisiert, kann die [X.] nicht gestützt werden.

5

Unabhängig davon würde das Berufungsurteil entgegen der Ansicht der Beschwerde auch nicht auf der geltend gemachten Abweichung beruhen. Denn der Verwaltungsgerichtshof hat selbstständig tragend darauf abgestellt, an einer Anspruchsgrundlage für die Nutzungsüberlassung oder eine ermessensfehlerfreie Entscheidung fehle es bereits deshalb, weil keine Anhaltspunkte für eine Widmung und/oder Indienststellung der Kapelle zugunsten der Allgemeinheit oder eines Personenkreises, dem der Kläger zugehörig sei, vorlägen und die Kapelle daher keine öffentliche Sache im Gemein-, Sonder- oder Anstaltsgebrauch sei, deren Überlassung zur Nutzung der Kläger nach gleichen Grundsätzen aufgrund einer ermessensfehlerfreien Entscheidung beanspruchen könnte ([X.] f.). Auch aus dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) im Hinblick auf die Vergabepraxis des Beklagten oder den Grundrechten der Weltanschauungsfreiheit (Art. 4 Abs. 1 GG), der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) oder der Versammlungsfreiheit (Art. 8 Abs. 1 GG) könne der Kläger keinen Anspruch auf Zulassung zur Nutzung der Kapelle oder auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung hierüber herleiten ([X.] ff.). Selbst wenn der Hinweis des Verwaltungsgerichtshofs, der Kläger könne aus der (freien) Widerruflichkeit des Übereinkommens nichts für einen eigenen Anspruch auf Überlassung der Kapelle zum Zweck der Durchführung der beabsichtigten Veranstaltung herleiten, mit der genannten Entscheidung des [X.]verfassungsgerichts nicht in Einklang stünde, würde sich - wie die Beschwerde auch ausdrücklich einräumt - immer noch die Frage stellen, woraus der Kläger einen rechtlichen Anspruch auf eigene Nutzung für die beabsichtigte Vortragsveranstaltung in dem Kapellenraum entnehmen kann.

6

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).

7

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen dem Kläger aufzuerlegen, weil die Beigeladene einen Sachantrag gestellt und sich damit gemäß § 154 Abs. 3 VwGO einem Kostenrisiko ausgesetzt hat. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren ergibt sich aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG.

Meta

6 B 20/21

15.03.2022

Bundesverwaltungsgericht 6. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, 17. August 2021, Az: 2 S 2909/20, Urteil

Art 140 GG, Art 138 Abs 2 WRV

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 15.03.2022, Az. 6 B 20/21 (REWIS RS 2022, 689)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 689

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2 BvR 1275/96

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