Bundesgerichtshof, Urteil vom 19.11.2019, Az. II ZR 53/18

2. Zivilsenat | REWIS RS 2019, 1403

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Gegenstand

Deliktische Haftung des Geschäftsführers einer GmbH wegen Verletzung der Insolvenzantragspflicht


Tenor

Auf die Revision der Kläger wird das Urteil der 8. Zivilkammer des [X.] vom 20. Dezember 2017 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als das Berufungsgericht die Anschlussberufung des [X.] zu 2 gegen den Beklagten zu 1 zurückgewiesen und das Urteil des [X.] vom 1. Juni 2016 abgeändert und die Klage gegen den Beklagten zu 1 abgewiesen hat.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin schloss am 9. Februar 2010 einen Vertrag über Strom- und einen Vertrag über [X.] mit der T.        [X.] (im Folgenden: [X.]), der Kläger am 20. Oktober 2010. Die [X.] übertrug diese Verträge mit Zustimmung der Kläger auf die T.     [X.] (im Folgenden: [X.]), die Strom und Gas liefern sollte. Den Forderungseinzug und die Anforderung von Abschlägen für die [X.] übernahm die [X.] (im Folgenden: [X.]).

2

Die Beklagten waren Vorstandsmitglieder der [X.] (im Folgenden: [X.]), die wiederum Gesellschafterin der [X.] und der [X.], nicht aber der [X.] war. Der Beklagte zu 1 war zugleich Geschäftsführer der [X.], der Beklagte zu 2 war Geschäftsführer der [X.].

3

[X.] wurde gegen die [X.] eine Stromsteuernachzahlung in Höhe von rund 19 Mio. € festgesetzt. Zudem wurden monatliche Steuervorauszahlungen auf etwas über 3 Mio. € erhöht. Die [X.] konnte diese Verbindlichkeiten nicht begleichen. Ebenfalls im [X.] erfuhren die Beklagten von Wirtschaftsprüfern von einer Deckungslücke von 24 Mio. € und dass der Konzern illiquide sei. Noch im [X.] informierten die Beklagten den Aufsichtsrat der [X.] darüber, dass unter anderem die [X.], die [X.] und die [X.] über die Hälfte ihres Grund- bzw. Stammkapitals verloren hätten oder ein negatives Stammkapital aufwiesen. ln der [X.] habe man den Tatbestand der Zahlungsunfähigkeit festgestellt. Eine positive Fortführungsprognose könnten Wirtschaftsprüfer nicht stellen.

4

Die [X.] forderte von der Klägerin im Februar und April 2010 und vom Kläger im Oktober 2010 Abschlagszahlungen, die in der Folgezeit abgebucht wurden. Die [X.] forderte im November 2010 und im Januar 2011 weitere Abschläge, die der Kläger bezahlte.

5

Im März 2011 erfuhren die Kläger vom örtlichen Grundversorger und Netzbetreiber, dass die [X.] schon 2010 nur schleppend die geschuldeten Entgelte für die [X.] gezahlt habe. Als die [X.] in 2011 erneut nicht zahlte, kündigte der örtliche Netzbetreiber fristlos, weswegen die Belieferung der Kläger mit Ablauf des 24. März 2011 endete. Über das Vermögen der [X.] wurde das Insolvenzverfahren eröffnet.

6

Die Kläger behaupten, die [X.], die [X.], die [X.] und die [X.] seien spätestens Mitte 2009 zahlungsunfähig, spätestens seit Anfang 2010 auch überschuldet gewesen.

7

Das Amtsgericht hat der Klage auf Schadensersatz wegen [X.] gebliebener Abschlagszahlungen auf Strom- und [X.]en nebst Zinsen sowie Erstattung und Freistellung von [X.] überwiegend stattgegeben. Das Berufungsgericht hat das Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen sowie die Anschlussberufung des [X.], mit der er weiteren Schadensersatz gefordert hat, zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstreben die Kläger im Wesentlichen die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils im Verhältnis zum Beklagten zu 1 sowie die weitergehende Verurteilung des Beklagten zu 1 auf die Anschlussberufung des [X.] hin.

Entscheidungsgründe

Die Revision der Kläger gegen den [X.] zu 1 hat Erfolg.

9

I. Der [X.] kann über die Revision der Kläger im Verhältnis zum [X.] zu 1 abschließend entscheiden, obwohl der Beklagte zu 2 am 10. März 2018 nach Einlegung der Revision verstorben ist und ein Prozessbevollmächtigter für ihn für die Revisionsinstanz noch nicht bestellt war. Danach ist das Verfahren im Verhältnis zu ihm gemäß § 239 Abs. 1 ZPO zwar unterbrochen ([X.], 155, 158; [X.], Beschluss vom 29. Mai 1951 - [X.], [X.]Z 2, 227, 228 f.; [X.], Beschluss vom 27. August 2008 - [X.], [X.], 113 Rn. 3 mwN; vgl. [X.], Beschluss vom 5. Februar 1965 - [X.], [X.]Z 43, 135, 139). Der [X.] hat jedoch mit Beschluss vom 8. Oktober 2019 das Verfahren gemäß § 145 Abs. 1 ZPO von Amts wegen abgetrennt, soweit es die Revision der Kläger gegen den [X.] zu 2 betrifft. Im Verhältnis eines Klägers zu zwei [X.], bei denen es sich um einfache Streitgenossen handelt, ist auch im Revisionsverfahren eine Abtrennung zulässig (vgl. [X.], Beschluss vom 23. Oktober 2018 - [X.], [X.] 2019, 126 Rn. 6).

II. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt: Eine deliktische Haftung der Kläger wegen Insolvenzverschleppung sei nicht gegeben, da im maßgeblichen Zeitraum des Vertragsabschlusses der Kläger, im [X.], keine [X.] der [X.] mehr bestanden habe.

Die [X.] seien 2009 nach ihrer Selbsteinschätzung von der Zahlungsunfähigkeit der [X.] ausgegangen. Die [X.] hätten im [X.] dem Aufsichtsrat der [X.] geschrieben, dass u.a. die [X.], die [X.] und die [X.] über die Hälfte des Stammkapitals verloren hätten oder bereits ein negatives Stammkapital aufweisen würden. In der [X.] des Jahres 2009 habe man daher den Tatbestand der Zahlungsunfähigkeit festgestellt. Eine positive Fortführungsprognose hätten die konsultierten Wirtschaftsprüfer nicht stellen können. Auch sei ergänzend darauf hingewiesen, dass das [X.]die [X.] wegen Insolvenzverschleppung verurteilt habe. Dabei habe es das [X.] ausweislich der Pressemitteilung vom 1. März 2017 als erwiesen angesehen, dass die [X.] und die [X.] seit Mitte 2009 bis jedenfalls Ende 2009 zahlungsunfähig gewesen seien. Für die [X.] habe daher 2009 die Verpflichtung bestanden, einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens für die [X.] zu stellen. Für den [X.] zu 1 habe diese Verpflichtung auch für die [X.] bestanden. Die [X.] hätten diese Pflichten im [X.] verletzt. Sie hätten in ihrem Schreiben vom 9. Juli 2009 selbst eine bilanzielle Überschuldung einzelner [X.]en angenommen und dem Aufsichtsrat schriftlich mitgeteilt.

Die Kläger seien darlegungs- und beweisbelastet dafür, dass der ob-jektive Tatbestand einer haftungsbegründenden Insolvenzverschleppung, das heiße eine Überschuldung der [X.] im [X.], gegeben gewesen sei. Der Tatbestand der Insolvenzverschleppung sei ein [X.]. Im Zeitraum des zum Schaden des [X.]s führenden [X.] müsse der objektive Tatbestand des § 15a [X.] noch vorliegen, um einen Schadensersatzanspruch des [X.]s zu begründen. Dabei habe der [X.] betont, dass die Feststellung einer Überschuldung im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses mit dem [X.] nicht zwingend davon abhänge, dass für diesen konkreten (unterjährigen) Zeitpunkt aufgrund der noch verfügbaren Geschäftsunterlagen eine Überschuldungsbilanz aufgestellt werden könne. Sei die Insolvenzreife für einen früheren Zeitpunkt bewiesen, so gelte der Nachweis der im Zeitpunkt des [X.] noch an-dauernden Verletzung der [X.] jedenfalls bei relativ zeitnah erteilten Aufträgen als geführt, sofern der beklagte Geschäftsführer nicht seinerseits darlege, dass im Zeitpunkt der Auftragserteilung die Überschuldung nachhaltig beseitigt und damit die [X.] entfallen sei.

Zwar habe ausweislich des Strafurteils des [X.]bis zum Ende des Jahres 2009 eine [X.] für die [X.] bestanden, jedoch hätten die [X.] unter Hinweis auf ein für das Strafverfahren erstelltes Gutachten dargelegt, dass für das [X.] die [X.] wiederum entfallen sei. Auch das [X.]habe die [X.] nicht wegen Insolvenzverschleppung im Jahre 2010 verurteilt. Die Kläger seien dem nicht hinreichend substantiiert entgegengetreten.

III. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Prüfung nicht stand. Mit der Begründung des Berufungsgerichts kann die Insolvenzreife der [X.] im Zeitpunkt der Begründung der Vertragsbeziehungen der Kläger mit der [X.] im Februar und im Oktober 2010 und darauf aufbauend eine Haftung des [X.] zu 1 wegen der Verletzung seiner [X.] nicht verneint werden.

1. Im Ausgangspunkt zutreffend hält das Berufungsgericht einen Anspruch der Kläger gegen den [X.] zu 1 aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 15a Abs. 1 Satz 1 [X.] für möglich, wenn dieser es als Geschäftsführer der [X.] trotz Insolvenzreife der [X.] unterlassen hätte, einen Eröffnungsantrag zu stellen, die Kläger mit der unerkannt insolvenzreifen [X.] in Vertragsbeziehungen getreten wären und für ihre Abschlagszahlungen auf Strom und Gas keine Gegenleistungen erhalten hätten. Denn der seine [X.] verletzende Geschäftsführer hat einem vertraglichen [X.] den Schaden zu ersetzen, der ihm dadurch entsteht, dass er infolge des Vertragsschlusses mit der insolvenzreifen [X.] im Vertrauen auf deren Solvenz dieser noch Geld- oder Sachmittel als Vorleistungen zur Verfügung stellt und dadurch Kredit gewährt, ohne einen entsprechend werthaltigen Gegenanspruch oder eine entsprechende Gegenleistung zu erlangen, oder er infolge des Vertragsschlusses Aufwendungen erbracht hat ([X.], Urteil vom 21. Oktober 2014 - [X.], [X.], 267 Rn. 13, 14 mwN).

2. Das Berufungsurteil kann aber deshalb keinen Bestand haben, weil sich anhand der Ausführungen des Berufungsgerichts nicht ausschließen lässt, dass es neben der Zahlungsunfähigkeit der [X.] auch eine Überschuldung der [X.] im [X.] angenommen hat. Das Berufungsgericht hätte dann in Erwägung ziehen müssen, dass eine Überschuldung im Zeitpunkt der Begründung der Vertragsbeziehungen mit der [X.] nicht nachhaltig beseitigt gewesen sein könnte, so dass die Überschuldung im [X.] fortbestanden hätte.

a) Allerdings macht eine einmal gegebene, inzwischen aber durch Erholung der [X.] beendete Insolvenzverschleppung den Täter oder Teilnehmer nicht deshalb für alle späteren durch die [X.] verursachten Schäden haftbar, weil diese bei Erfüllung der damaligen [X.] nicht eingetreten wären. Der objektive und subjektive Tatbestand einer Insolvenzverschleppung als [X.] muss zur Zeit des zum Schaden des "[X.]s" führenden [X.] zwischen ihm und der [X.] bzw. in der zum Schaden des Vertragspartners der [X.] führenden Geschäftssituation noch vorliegen ([X.], Urteil vom 25. Juli 2005 - [X.], [X.]Z 164, 50, 56; Urteil vom 5. Februar 2007 - II ZR 234/05, [X.]Z 171, 46 Rn. 10; Urteil vom 15. März 2011 - [X.], [X.], 1007 Rn. 9).

b) Zu Recht macht die Revision geltend, dass das Berufungsgericht keine Feststellungen dazu getroffen hat, ob der Eröffnungsgrund der Überschuldung im Sinne des § 19 [X.] im Zeitpunkt der Begründung der Vertragsbeziehungen der Kläger mit der [X.] nachhaltig beseitigt worden ist.

aa) Zu Gunsten der Kläger ist für die Revisionsinstanz von einer Überschuldung der [X.] im Sinne des § 19 Abs. 2 Satz 1 [X.] im [X.] auszugehen, nachdem die Feststellungen dazu im Berufungsurteil nicht eindeutig sind.

(1) Nach § 19 Abs. 2 Satz 1 [X.] liegt Überschuldung vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich. Für das Vorliegen der objektiven Voraussetzungen der [X.] und damit auch für die Überschuldung der [X.] sind die Kläger darlegungs- und beweisbelastet (vgl. [X.], Urteil vom 27. April 2009 - [X.], [X.], 1220 Rn. 9 mwN; Urteil vom 15. März 2011 - [X.], [X.], 1007 Rn. 9).

Die rechnerische Überschuldung ist grundsätzlich auf der [X.] festzustellen, in der die stillen Reserven [X.] und Vermögenswerte der [X.] mit ihren aktuellen Liquidationswerten auszuweisen sind (vgl. [X.], Urteil vom 27. April 2009 - [X.], [X.], 1220 Rn. 9 mwN; Beschluss vom 26. April 2010 - [X.], [X.], 1443 Rn. 11; Urteil vom 15. März 2011 - [X.], [X.], 1007 Rn. 33; Urteil vom 24. September 2013 - [X.], [X.], 2400 Rn. 28). Eine rechnerische Überschuldung kann auch aus der Indizwirkung geschlossen werden, die einer Handelsbilanz zukommen kann, wenn sich aus ihr ein nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag ergibt ([X.], Urteil vom 27. April 2009 - [X.], [X.], 1220 Rn. 9 mwN; Beschluss vom 26. April 2010 - [X.], [X.], 1443 Rn. 11; Urteil vom 15. März 2011 - [X.], [X.], 1007 Rn. 33; Urteil vom 24. September 2013 - [X.], [X.], 2400 Rn. 28).

(2) Das Berufungsgericht hat sich in seinen Ausführungen mit einer Überschuldung der [X.] in 2009 befasst. So hat das Berufungsgericht die Angaben der [X.] in ihrer Mitteilung an den Aufsichtsrat wiedergegeben, konsultierte Wirtschaftsprüfer hätten keine positive Fortführungsprognose stellen können. Eine rechnerische Überschuldung hat es zwar nicht ausdrücklich festgestellt. Es hat aber angegeben, dass die [X.] dem Aufsichtsrat eine bilanzielle Überschuldung einzelner [X.]en der [X.], von der eine Indizwirkung für die insolvenzrechtliche Überschuldung ausgehen könnte, mitgeteilt hätten. Die [X.] schrieben nach den Feststellungen des Berufungsgerichts in ihrer Eigenschaft als Vorstandsmitglieder der [X.] im Jahre 2009 dem Aufsichtsrat, dass u.a. die [X.], die [X.] und die [X.] über die Hälfte des Stammkapitals verloren hätten oder bereits ein negatives Stammkapital aufweisen würden und die Wirtschaftsprüfer keine positive Fortführungsprognose stellen könnten. Danach kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Berufungsgericht bei seinen weiteren Erörterungen zur Insolvenzreife jedenfalls auch vom Vorliegen des Eröffnungsgrunds der Überschuldung ausgegangen ist, was insbesondere seine Ausführungen in diesem Zusammenhang zur Pflicht der [X.], einen Insolvenzantrag im [X.] für die [X.] und die [X.] zu stellen, und zur nachhaltigen Beseitigung dieses Eröffnungsgrunds nahelegen.

bb) Das Vorliegen des Eröffnungsgrunds der Überschuldung im [X.] vorausgesetzt, kann nach den bisherigen Feststellungen nicht von einer nachhaltigen Beseitigung dieses Eröffnungsgrunds im [X.] ausgegangen werden.

(1) Das Berufungsgericht führt zutreffend aus, dass die Feststellung einer Überschuldung im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses mit einem [X.] nicht zwingend davon abhängt, dass für diesen konkreten unterjährigen Zeitpunkt aufgrund der noch verfügbaren Geschäftsunterlagen eine Überschuldungsbilanz aufgestellt werden kann. Ist die Insolvenzreife für einen früheren Zeitpunkt bewiesen, so gilt nach der Rechtsprechung des [X.]s der Nachweis der im Zeitpunkt des [X.] noch andauernden Verletzung der [X.] jedenfalls bei relativ zeitnah erteilten Aufträgen als geführt, sofern der beklagte Geschäftsführer nicht seinerseits darlegt, dass im Zeitpunkt der Auftragserteilung die Überschuldung nachhaltig beseitigt und damit die [X.] - wieder - entfallen war (vgl. [X.], Urteil vom 12. März 2007 - [X.], [X.], 1060 Rn. 15; Urteil vom 15. März 2011 - [X.], [X.], 1007 Rn. 10). Diesen zeitlichen Zusammenhang hat der [X.] bei einem Zeitraum von neun Monaten bis zu einem Jahr zwischen der festgestellten Überschuldung und den nachfolgenden Geschäftsabschlüssen als gegeben angesehen (vgl. [X.], Urteil vom 12. März 2007 - [X.], [X.], 1060 Rn. 15; Urteil vom 15. März 2011 - [X.], [X.], 1007 Rn. 10; Urteil vom 19. Juni 2012 - [X.], [X.], 1557 Rn. 19), so dass bei festgestellter Überschuldung in 2009 der Nachweis der Überschuldung der [X.] im Zeitpunkt der Begründung der Vertragsbeziehungen mit den Klägern im Februar und im Oktober 2010 als geführt angesehen werden könnte.

(2) Für eine nachhaltige Beseitigung der Überschuldung der [X.] ist aus den bisherigen Feststellungen nichts ersichtlich.

Nach dem in der Revisionsinstanz zu unterstellenden Vortrag der Kläger hätten die [X.] sich vielmehr im [X.] 2010, so wie auch schon zuvor im [X.] 2008 und im [X.] 2009, kurzfristige Liquidität beschafft, damit aber die Situation der [X.] langfristig weiter verschärft, indem sie für Neukunden Strompakete mit einem bestimmten Stromvolumen zur Abnahme innerhalb eines Jahres zum Festpreis bei Zahlung im Voraus angeboten hätten. Die [X.] habe die Erlöse für diese Strompakete in Höhe von mehr als 25 Mio. € zur Tilgung der [X.] aus den Jahren 2008 und 2009 verwendet. Die von beiden [X.] zweifellos vorausgesehene Folge sei gewesen, dass keine Reserven bestanden hätten, um bis zum Ablauf des Jahres, innerhalb dessen der Paketstrom geliefert habe werden müssen, den Strom einzukaufen, die Netzentgelte zu zahlen und die erneut per Vorauskasse zu entrichtende Stromsteuer zu entrichten. Die [X.] hätten zudem Strom unter dem Gestehungspreis angeboten, was zu einer weiteren Verschlimmerung dieser Situation habe führen müssen, so dass nach Art eines Schneeballsystems immer neue und immer mehr Kunden hätten geworben werden müssen, um die alten Löcher zu stopfen. Die Kläger hätten darüber hinaus darauf hingewiesen, dass die [X.] diesen Vortrag nicht bestritten hätten. Die Kläger hätten ferner vorgetragen, dass sich die Situation der T.     -[X.]en im Jahre 2010 nicht verbessert habe, sondern im Gegenteil immer bedrohlicher geworden sei und immer weitere Botschaften von Wirtschaftsprüfern und Rechtsanwälten eingegangen seien, nach denen Zahlungsunfähigkeit bestanden oder zumindest gedroht habe, ja dass sogar das weitere Schließen von Liquiditätslücken durch das erneute Auflegen von [X.] zur Abwendung einer Zahlungsunfähigkeit nicht ausreichend sei, sondern vielmehr als strafrechtlich relevantes Schneeballsystem zu qualifizieren sei.

Dieses Vorbringen spricht gegen eine Verbesserung der Vermögenslage der [X.] im [X.] bei unterstellter Überschuldung im [X.]. Zudem legt die Behauptung, die [X.] hätten die Geschäfte der [X.] in der Art eines Schneeballsystems geführt, drohende Zahlungsunfähigkeit nahe (vgl. [X.], Urteil vom 8. Januar 2015 - [X.], [X.], 279 Rn. 14). Der Eröffnungsgrund der drohenden Zahlungsunfähigkeit im Sinne des § 18 [X.] begründet zwar keine [X.] für den Geschäftsführer einer GmbH nach § 15a Abs. 1 Satz 1 [X.], so dass auf diesen Eröffnungsgrund eine Haftung aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 15a Abs. 1 [X.] nicht gestützt werden kann. Die drohende Zahlungsunfähigkeit schließt aber objektiv eine positive Fortbestehensprognose der [X.] im Sinne des § 19 Abs. 2 Satz 1 [X.] aus.

(3) Soweit das Berufungsgericht annimmt, dass die [X.] unter Vorlage eines für das Strafverfahren erstellten Gutachtens dargelegt haben, dass die [X.] im [X.] wieder entfallen war, bezieht sich dies auf den Eröffnungsgrund der Zahlungsunfähigkeit im Sinne des § 17 [X.], der dem vor dem [X.]geführten Strafverfahren gegen die Beschuldigten zugrunde lag.

III. Die Berufungsentscheidung ist danach aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen, weil sie noch nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 1 Satz 1 und 3 ZPO). Das Berufungsgericht wird sich, gegebenenfalls nach ergänzendem Vortrag der Parteien, damit befassen müssen, ob die [X.] im Zeitpunkt der Begründung der Vertragsbeziehungen mit den Klägern überschuldet im Sinne des § 19 [X.] war.

Drescher     

        

Born     

        

Bernau

        

B. Grüneberg     

        

V. Sander     

        

Meta

II ZR 53/18

19.11.2019

Bundesgerichtshof 2. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend LG Bremen, 20. Dezember 2017, Az: 8 S 161/16

§ 15a Abs 1 S 1 InsO, § 19 Abs 2 S 1 InsO, § 823 Abs 2 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 19.11.2019, Az. II ZR 53/18 (REWIS RS 2019, 1403)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 1403

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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