Bundesgerichtshof, Urteil vom 27.07.2021, Az. II ZR 164/20

2. Zivilsenat | REWIS RS 2021, 3755

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Vorsätzliche Insolvenzverschleppung: Erfüllung des Tatbestands einer sittenwidrigen Schädigung; vom Schutzbereich erfasste Personen


Leitsatz

1. Die vorsätzliche Insolvenzverschleppung in der Absicht, das als unabwendbar erkannte Ende eines Unternehmens so lange wie möglich hinauszuzögern, erfüllt den Tatbestand einer sittenwidrigen Schädigung i.S.d. § 826 BGB, wenn dabei die Schädigung der Unternehmensgläubiger billigend in Kauf genommen wird.

2. Der Schutzbereich einer vorsätzlich sittenwidrigen Insolvenzverschleppung erfasst Personen, die vor Insolvenzreife in Vertragsbeziehungen mit einer GmbH getreten sind und durch einen gegen die mittlerweile unerkannt insolvenzreife Gesellschaft eingeleiteten Rechtsstreit oder ein gegen diese eingeleitetes selbstständiges Beweisverfahren mit Kosten belastet werden, für die sie bei der Gesellschaft keinen Ersatz erlangen können.

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des [X.] vom 9. September 2020 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens trägt der Beklagte.

Streitwert: bis 7.000 €

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger beauftragte am 14. Januar 2015 die [X.], deren Geschäftsführer der Beklagte war, mit Fassadenarbeiten. Nach Abschlagszahlungen in Höhe von 13.000 € und ergebnislosen Fristsetzungen zur Erbringung der Werkleistung kündigte der Kläger den [X.] vom 22. August 2016 und forderte unter Fristsetzung zum 29. August 2016 die Beseitigung mehrerer behaupteter Mängel sowie die Rückzahlung von 11.000 € entsprechend dem seiner Ansicht nach erreichten Leistungsstand. Die Aufforderung blieb ohne Ergebnis.

2

Mit Schriftsatz vom 30. August 2016 beantragte der Kläger ein selbständiges Beweisverfahren gegen die [X.] mit Beweisfragen zum Leistungsstand und dem darauf entfallenden Werklohn, zu behaupteten Mängeln der bislang erbrachten Werkleistungen und zu Gebäudeschäden. Das [X.] ordnete mit Beschluss vom 16. November 2016 eine sachverständige Begutachtung an.

3

Am 5. Dezember 2016 erging gegen den Beklagten ein Strafbefehl wegen vorsätzlicher Insolvenzverschleppung. Den dagegen eingelegten Einspruch hat der Beklagte auf die Rechtsfolgen beschränkt. Nach Eigenantrag vom 14. Dezember 2016 wurde über das Vermögen der [X.] am 21. März 2017 das Insolvenzverfahren eröffnet und ein Insolvenzverwalter bestellt.

4

Am 11. Mai 2017 erstattete der Sachverständige im selbständigen Beweisverfahren ein schriftliches Gutachten, in dem er eine Leistungserbringung von lediglich ca. 5 % (900 € einschließlich Umsatzsteuer) und Mängel feststellte, deren Beseitigungskosten er auf 6.400 € schätzte.

5

Mit Schreiben vom 9. Juni 2017 äußerte sich erstmals der Insolvenzverwalter der [X.] im selbständigen Beweisverfahren und gab bekannt, dass die Insolvenzmasse nicht in der Lage sei, Kosten für die Vergütung eines Sachverständigen zu tragen.

6

Der Kläger verlangt die Erstattung von Gerichtskosten des selbständigen Beweisverfahrens, die er mit 317 € angibt, Kosten der gerichtlich angeordneten Begutachtung durch den Sachverständigen, deren Höhe er mit 2.606,02 € beziffert, und Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.935,49 €. Daneben begehrt er die Feststellung, dass dem Zahlungsanspruch eine vorsätzliche unerlaubte Handlung des Beklagten zugrunde liegt. Das [X.] hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt. Die hiergegen gerichtete Berufung des Beklagten wurde zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision des Beklagten.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision des [X.]n hat keinen Erfolg.

8

I. Das Berufungsgericht ([X.], [X.], 1396) hat, soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung, seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

9

Dem Kläger stehe ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 [X.] i.V.m. § 15a [X.] zu. Ohne Verletzung des Rechts habe das [X.] festgestellt, dass für die [X.] seit dem 1. Dezember 2015 der Eröffnungsgrund der Zahlungsunfähigkeit bestanden habe, mit der Folge der Pflicht des [X.]n, unverzüglich, spätestens nach drei Wochen einen Eröffnungsantrag zu stellen. Zutreffend und von der Berufung nicht angegriffenen habe das [X.] auch die weiteren haftungsbegründenden Voraussetzungen, nämlich die schuldhaft unterlassene Antragstellung durch den [X.]n, bejaht.

Nach § 823 Abs. 2 [X.] i.V.m. § 15a [X.] könne der Ersatz solcher freiwilligen Aufwendungen verlangt werden, die nach Verletzung der Insolvenzantragspflicht in dem Vertrauen auf die Solvenz des Schuldners und der vernünftigen Erwartung gemacht würden, einen vor Insolvenzreife gegen den Schuldner begründeten Anspruch durchzusetzen. Ein solcher Schaden sei vom Schutzzweck der Norm umfasst.

Zu Unrecht beanstande die Berufung, dass das [X.] ohne Prüfung die Berechtigung des Gewährleistungsverlangens des [X.] unterstellt habe. Maßgeblich für die haftungsausfüllende Kausalität sei zunächst, ob dem Kläger die Aufwendungen ohne die Pflichtverletzung des [X.]n, also bei rechtzeitiger Stellung des Insolvenzantrags, erspart geblieben wären, weil er von den kostenauslösenden Maßnahmen, nämlich der Beauftragung eines Rechtsanwalts mit der Durchführung eines selbstständigen Beweisverfahrens und der Einleitung dieses Verfahrens sowie den Zahlungen der Vorschüsse abgesehen hätte. Dabei komme es für die Kausalität im Sinn der Äquivalenz nicht darauf an, ob das Gewährleistungsverlangen berechtigt gewesen sei. Im Streitfall sei anzunehmen, dass der Kläger von erheblichen Kosten auslösenden Beweissicherungsmaßnahmen abgesehen hätte. Ob dies vom [X.]n überhaupt bestritten gewesen sei, könne dahinstehen. Jedenfalls könne der Senat davon ausgehen, dass der Kläger im Fall eines pflichtgemäß bereits Ende 2015 gestellten Insolvenzantrags auf die kostenauslösenden Maßnahmen ab August 2016 verzichtet hätte. Denn diese Maßnahmen könnten nicht als sinnvoll zur Durchsetzung von Forderungen, die wirtschaftlich letztlich allenfalls zu einer ungewissen Quote zu realisieren gewesen wären, erscheinen, insbesondere zumal die Erstattung der dafür aufgewandten Kosten über den Umweg des erhofften Erfolgs in der Hauptsache mangels Solvenz nicht zu erwarten gewesen sei. Es spreche ein unter Berücksichtigung aller Umstände für die Schadensschätzung nach § 287 ZPO ausreichend starkes Indiz dafür, dass der Kläger in Kenntnis eines Insolvenzantrags kein selbständiges Beweisverfahren angestrebt hätte.

Das [X.] habe nachvollziehbar festgestellt, dass der [X.] die Zahlungsunfähigkeit der [X.] erkannt, dennoch keinen Insolvenzantrag gestellt und so billigend in Kauf genommen habe, dass der Kläger einen kostenauslösenden "Prozess" (d.h. etwa ein selbständiges Beweisverfahren) anstrenge. Dagegen bringe die Berufung auch nichts vor, die insbesondere keine Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellung hinsichtlich des dolus eventualis des [X.] aufzeige. Dies rechtfertige den vom [X.] mit zutreffender Begründung für nach § 256 Abs. 1 ZPO zulässig erachteten Feststellungsantrag.

II. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand. Es kann dahinstehen, ob, wie das Berufungsgericht meint, der Anspruch des [X.] auf § 823 Abs. 2 [X.] i.V.m. § 15a Abs. 1 Satz 1 [X.] in der Fassung des [X.] (im Folgenden: aF) gestützt werden kann. Das Berufungsurteil stellt sich jedenfalls aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch wegen vorsätzlicher sittenwidriger Insolvenzverschleppung aus § 826 [X.] zu.

1. Der Senat ist durch die vom Berufungsgericht formulierte [X.] nicht daran gehindert, den Anspruch auf § 826 [X.] zu stützen.

a) Die Zulassung der Revision kann auf einen selbständigen Teil des [X.] beschränkt werden. Die Eingrenzung der Rechtsmittelzulassung kann sich bei uneingeschränkter Zulassung im Tenor auch aus den Entscheidungsgründen des Berufungsurteils ergeben. Dies kann der Fall sein, wenn die Zulassung nur wegen einer bestimmten Rechtsfrage ausgesprochen wird. Bezieht sich die Rechtsfrage, zu deren Klärung das Berufungsgericht die Revision zugelassen hat, auf einen abtrennbaren Teil des Streitstoffs, ist die Entscheidung grundsätzlich so auszulegen, dass die Revision lediglich beschränkt auf diesen Teil des [X.] zugelassen worden ist ([X.], Urteil vom 13. August 2020 - [X.], [X.], 1862 Rn. 13 mwN). Demgegenüber ist eine Beschränkung der Zulassung auf Anspruchselemente oder einzelne von mehreren miteinander konkurrierenden Anspruchsgrundlagen nicht zulässig ([X.], Urteil vom 7. Juli 1983 - [X.], NJW 1984, 615, insoweit in [X.]Z 88, 85 nicht abgedruckt; Urteil vom 15. Dezember 1992 - [X.], NJW 1993, 655, 656; Urteil vom 24. August 2017 - [X.], [X.], 27 Rn. 11; Urteil vom 27. Juni 2019 - [X.], [X.], 1183 Rn. 7; Urteil vom 13. August 2020 - [X.], [X.], 1862 Rn. 13 mwN).

b) Nach diesen Maßstäben hat das Berufungsgericht die Zulassung der Revision nicht auf den Anspruch aus § 823 Abs. 2 [X.] i.V.m. § 15a Abs. 1 Satz 1 [X.] aF beschränkt.

Eine Begrenzung der Revision im [X.] fehlt. In seinen Entscheidungsgründen hat das Berufungsgericht formuliert, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung, wegen der sich stellenden Rechtsfrage:

"ob der Gläubiger im Rahmen von § 823 Abs. 2 [X.] i.V.m. § 15a [X.] solche Aufwendungen, die er nach Insolvenzreife und Verletzung der Insolvenzantragspflicht in der vernünftigen Erwartung gemacht hat, gegen den Insolvenzschuldner vor Insolvenzreife begründete Ansprüche durchzusetzen, erstattet verlangen kann (insoweit also Neugläubiger im Sinn der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist)."

Eine hierin liegende Beschränkung der Revisionszulassung wäre jedenfalls insoweit unzulässig, als sie einen Anspruch aus vorsätzlicher sittenwidriger Insolvenzverschleppung nach § 826 [X.] ausschließen würde. Dieser Anspruch und der Anspruch aus § 823 Abs. 2 [X.] i.V.m. § 15a Abs. 1 Satz 1 [X.] aF konkurrieren auf der Grundlage der Feststellungen des Berufungsgerichts, weil sie sich im Wesentlichen lediglich im Grad des Verschuldens unterscheiden, im Übrigen aber auf demselben Verhaltensstandard beruhen (vgl. [X.], Urteil vom 9. Juli 1979 - [X.], [X.]Z 75, 96, 114; [X.]/[X.], 8. Aufl., § 826 Rn. 172; MünchKomm[X.]/Klöhn, 4. Aufl., § 15a Rn. 296, 298).

2. Der Kläger kann von dem [X.]n Ersatz der ihm durch das gegen die insolvente [X.] als Gegner geführte selbständige Beweisverfahren entstandenen Kosten nach § 826 [X.] verlangen, weil der [X.] als Geschäftsführer der [X.] vorsätzlich verletzt und den Kläger dadurch sittenwidrig geschädigt hat.

a) Der [X.] haftet nach § 826 [X.], weil er vorsätzlich die Insolvenz der [X.] verschleppt hat. Die vorsätzliche Insolvenzverschleppung in der Absicht, das als unabwendbar erkannte Ende eines Unternehmens so lange wie möglich hinauszuzögern, erfüllt den Tatbestand einer sittenwidrigen Schädigung i.S.d. § 826 [X.], wenn dabei die Schädigung der [X.] billigend in Kauf genommen wird (vgl. [X.], Urteil vom 26. Juni 1989 - [X.], [X.]Z 108, 134, 142; Urteil vom 18. Dezember 2007 - [X.], [X.]Z 175, 58 Rn. 15).

aa) Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass die [X.] seit dem 1. Dezember 2015 zahlungsunfähig im Sinne des § 17 Abs. 2 [X.] war und der [X.] seiner aus § 15a Abs. 1 Satz 1 [X.] aF folgenden Insolvenzantragspflicht nicht nachgekommen ist. Die Revision greift das nicht an.

bb) Der [X.] hat vorsätzlich gehandelt, insbesondere ist der vom Kläger geltend gemachte Schaden vom Vorsatz des [X.]n umfasst.

Der gemäß § 826 [X.] erforderliche Vorsatz enthält ein Wissens- und ein Wollenselement. Der Handelnde muss die Schädigung des Anspruchstellers gekannt bzw. vorausgesehen und in seinen Willen aufgenommen, jedenfalls aber für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen haben. Dabei braucht der Täter nicht zu wissen, welche oder wie viele Personen durch sein Verhalten geschädigt werden; vielmehr reicht aus, dass er die Richtung, in der sich sein Verhalten zum Schaden irgendwelcher anderer auswirken könnte, und die Art des möglicherweise eintretenden Schadens vorausgesehen und mindestens billigend in Kauf genommen hat (vgl. [X.], Urteil vom 26. Juni 1989 - [X.], [X.]Z 108, 134, 143; Urteil vom 19. Juli 2004 - [X.], [X.]Z 160, 149 Rn. 47; Urteil vom 18. Dezember 2007 - [X.], [X.]Z 175, 58 Rn. 16; Urteil vom 25. Mai 2020 - [X.] 252/19, [X.]Z 225, 316 Rn. 61).

Die Annahme des Berufungsgerichts, der [X.] habe die Schädigung der Gläubiger der [X.] durch deren Fortführung trotz eingetretener Zahlungsunfähigkeit billigend in Kauf genommen, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Die Fortführung des Geschäftsbetriebs der [X.] musste zu Schädigungen Dritter führen, die mit der [X.] anspruchsbegründend in Kontakt traten und deren Forderungen jedenfalls nicht mehr vollständig beglichen werden konnten (vgl. [X.], Urteil vom 18. Dezember 2007 - [X.], [X.]Z 175, 58 Rn. 15). In gleicher Weise musste die Fortführung des Geschäftsbetriebs zur Schädigung von Vertragspartnern der GmbH führen, welche in dem Vertragsverhältnis gründende kostenauslösende Maßnahmen ergriffen, die sich wegen der Insolvenz der [X.] nachträglich als wirtschaftlich unsinnig erwiesen und für die von der [X.] keine Erstattung erlangt werden konnte. Das Berufungsgericht hat in Übereinstimmung mit dem [X.] festgestellt, der [X.] habe die Zahlungsunfähigkeit der [X.] erkannt, dennoch keinen Insolvenzantrag gestellt und so billigend in Kauf genommen, dass der Kläger einen kostenauslösenden Prozess, hier ein selbständiges Beweisverfahren, anstrenge.

Die Revision greift dies, wie schon die Berufungsbegründung, nicht an. Sie wendet sich lediglich ohne Erfolg gegen das vom Berufungsgericht bejahte Feststellungsinteresse. Das Feststellungsinteresse ergibt sich bei einem Anspruch aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung aus den erweiterten [X.] des § 850f Abs. 2 ZPO ([X.], Urteil vom 30. November 1989 - [X.], [X.]Z 109, 275, 280 f.; Beschluss vom 26. September 2002 - [X.], [X.]Z 152, 166, 171 f.; Beschluss vom 5. April 2005 - [X.], [X.], 1663; Beschluss vom 20. Oktober 2009 - [X.], juris; Beschluss vom 3. März 2016 - [X.], [X.]Z 209, 168 Rn. 23).

cc) Die Sittenwidrigkeit der vorsätzlichen Insolvenzverschleppung folgt regelmäßig bereits aus dem vorsätzlichen Verstoß des Antragspflichtigen gegen seine Pflicht (vgl. [X.], Urteil vom 26. Juni 1989 - [X.], [X.]Z 108, 134, 144 f.; Urteil vom 18. Dezember 2007 - [X.], [X.]Z 175, 58 Rn. 15; [X.], [X.] 1999, 947, 948; [X.], [X.], 328, 329; [X.]/[X.] EWiR 2002, 623, 624; MünchKomm[X.]/Klöhn, 4. Aufl., § 15a Rn. 298). Wenn der Geschäftsführer die Insolvenzreife der [X.] erkennt und das Unternehmen dennoch weiterführt, lässt das darauf schließen, dass er das unabweisbare Ende des Unternehmens zum Nachteil der Gläubiger nur hinauszögern will. Für Umstände, nach denen ein Verstoß gegen die guten Sitten ausnahmsweise ausscheidet, ist der beklagte Geschäftsführer darlegungsbelastet ([X.], Urteil vom 26. Juni 1989 - [X.], [X.]Z 108, 134, 144 f.; Urteil vom 18. Dezember 2007 - [X.], [X.], 361 Rn. 17, insoweit in [X.]Z 175, 58 nicht abgedruckt; [X.], [X.] 2007, 105, 106). Die Sittenwidrigkeit kann etwa dann entfallen, wenn der Geschäftsführer den Antrag unterlassen hat, weil er die Krise den Umständen nach als überwindbar und darum Bemühungen um ihre Behebung durch einen Sanierungsversuch als lohnend und berechtigt ansehen durfte (vgl. [X.], Urteil vom 9. Juli 1979 - [X.], [X.]Z 75, 96, 114; Urteil vom 26. Juni 1989 - [X.], [X.]Z 108, 134, 144 f.; [X.], [X.] 1999, 947, 948). Solche Umstände sind nicht geltend gemacht.

b) Dem Kläger ist durch die vorsätzliche Verschleppung des Insolvenzantrags bis zum 14. Dezember 2016 durch den [X.]n als Geschäftsführer der seit 1. Dezember 2015 insolvenzreifen [X.] ein nach §§ 826, 249 [X.] ersatzfähiger Schaden entstanden.

aa) Ein Schaden im Sinne der §§ 826, 249 [X.] ist dem Kläger durch die verspätete Stellung des Insolvenzantrags dann entstanden, wenn die rechtzeitige Antragstellung dazu geführt hätte, dass er das kostenauslösende selbständige Beweisverfahren gegen die [X.] nicht eingeleitet hätte (vgl. [X.], Urteil vom 18. Dezember 2007 - [X.], [X.]Z 175, 58 Rn. 22; Urteil vom 13. Oktober 2009 - [X.], [X.], 2439 Rn. 10; [X.], [X.], 328, 329).

Das Berufungsgericht hat aufgrund seiner revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden tatrichterlichen Würdigung festgestellt, der Kläger hätte im [X.] pflichtgemäß bereits Ende 2015 gestellten Insolvenzantrags auf die kostenauslösenden Maßnahmen ab August 2016 verzichtet. Dem setzt die Revision nichts entgegen. Sie verweist lediglich darauf, der [X.] habe erstinstanzlich das Vorbringen des [X.] zur Kausalität bestritten. Dies hat aber auch das Berufungsgericht seiner Würdigung zugrunde gelegt.

bb) Der Zurechnungszusammenhang zwischen der Insolvenzverschleppung des [X.]n und den durch das selbständige Beweisverfahren dem Kläger entstandenen Kosten entfällt auch dann nicht, wenn das Gewährleistungsverlangen des [X.] in der Sache nicht berechtigt war. Entgegen der Auffassung der Revision durfte das Berufungsgericht diese Frage daher offenlassen. Der nach § 826 [X.] wegen vorsätzlicher sittenwidriger Insolvenzverschleppung verantwortliche Geschäftsleiter einer GmbH haftet für solche Rechtsverfolgungskosten, für deren Verursachung ein rechtfertigender Anlass bestand oder die durch die Insolvenzverschleppung herausgefordert wurden und die sich weder als ungewöhnlich noch als gänzlich unangemessen darstellen.

Eine für den Schaden mitursächliche willentliche Handlung des Verletzten schließt nicht ohne weiteres aus, den Schaden demjenigen zuzurechnen, der die schädigende Kausalkette in Gang gesetzt hat, wenn für die Zweithandlung des Geschädigten ein rechtfertigender Anlass bestand oder sie durch das haftungsbegründende Ereignis herausgefordert wurde. Wenn sich dann die Reaktion auch nicht als ungewöhnlich oder gänzlich unangemessen erweist, so bleibt der Zurechnungszusammenhang mit dem Verhalten des Schädigers bestehen ([X.], Urteil vom 3. Dezember 1992 - [X.], NJW 1993, 1139, 1141 mwN; Urteil vom 4. Juli 1994 - [X.], [X.], 126, 127; Urteil vom 20. Oktober 1994 - [X.], [X.], 449, 451; Urteil vom 14. Juni 2012 - [X.], [X.]Z 193, 297 Rn. 44; Urteil vom 13. Oktober 2016 - [X.], NJW 2017, 1600 Rn. 11). So liegt es nach den von der Revision nicht beanstandeten Feststellungen des Berufungsgerichts hier.

Die Einleitung des selbständigen Beweisverfahrens war nach den Feststellungen des Berufungsgerichts aus objektiver Sicht gerechtfertigt und der Kläger wurde durch den vom [X.]n zu verantwortenden Fortbestand der insolventen [X.] herausgefordert, das Verfahren überhaupt noch einzuleiten. Da der Kläger schon zuvor Verzögerungen gerügt und Mängelbeseitigung sowie teilweise Rückzahlung seiner Abschlagszahlungen, jeweils unter Setzung einer fruchtlos verstrichenen Frist, verlangt hat, war die Einleitung und Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens eine nachvollziehbare Maßnahme. Dies gilt insbesondere mit Blick auf das Bedürfnis des [X.], vor der weiteren Werkausführung Beweise über den durch die [X.] erreichten Stand zu sichern. Es ist nicht ersichtlich, dass die in der Sache behaupteten Ansprüche aus Sicht des [X.] vernünftigerweise nicht anzunehmen waren. Die Maßnahme war danach weder ungewöhnlich noch gänzlich unangemessen.

cc) Der Schutzbereich des § 826 [X.] erfasst den Ersatz der Kosten, die dem Vertragspartner einer GmbH dadurch entstehen, dass er zur Feststellung von das vor der Insolvenzreife begründete Vertragsverhältnis betreffende Tatsachen gegen die unerkannt insolvenzreife [X.] ein selbständiges Beweisverfahren führt.

(1) Der Senat hat bereits entschieden, dass der Schutzzweck der Norm des § 15a Abs. 1 Satz 1 [X.] aF den Ersatz solcher ([X.] umfasst, die dem Gläubiger, der nach Insolvenzreife der GmbH einen Vertrag mit dieser abgeschlossen hat, wegen der Verfolgung seiner Zahlungsansprüche gegen die [X.] entstanden sind. Die Insolvenzantragspflicht soll den Vertragspartner einer GmbH davor schützen, dass er sich durch die Prozessführung mit der unerkannt insolvenzreifen [X.] mit Kosten belastet, die er bei der [X.] als Kostenschuldnerin nicht mehr realisieren kann ([X.], Urteil vom 27. April 2009 - [X.], [X.], 1220 Rn. 19; Urteil vom 14. Mai 2012 - [X.], [X.], 1455 Rn. 26; Urteil vom 21. Oktober 2014 - [X.], [X.], 267 Rn. 23 f.). Zu den Rechtsverfolgungskosten in diesem Sinn gehören auch die Kosten eines selbständigen Beweisverfahrens (vgl. [X.], Urteil vom 14. Mai 2012 - [X.], [X.], 1455). Dieser Schaden ist auch nach einer vorsätzlich sittenwidrigen Insolvenzverschleppung nach § 826 [X.] ersatzfähig.

(2) Der Schutzbereich einer vorsätzlich sittenwidrigen Insolvenzverschleppung im Sinn des § 826 [X.] erfasst darüber hinaus Personen, die vor Insolvenzreife in Vertragsbeziehungen mit einer GmbH getreten sind und durch einen gegen die mittlerweile unerkannt insolvenzreife [X.] eingeleiteten Rechtsstreit oder ein gegen diese eingeleitetes selbständiges Beweisverfahren mit Kosten belastet werden, für die sie bei der [X.] keinen Ersatz erlangen können.

Auch bei § 826 [X.] wird der Haftungsumfang nach Maßgabe des Schutzzwecks der Norm beschränkt. Es muss ein innerer Zusammenhang mit der durch den Schädiger geschaffenen Gefahrenlage bestehen, nicht nur eine bloße zufällige äußere Verbindung. Abzustellen ist auf den Schutzzweck der konkret verletzten Verhaltensnorm, wie hier des Verbots der Insolvenzverschleppung (vgl. [X.], Urteil vom 14. Oktober 1971 - [X.], [X.]Z 57, 137, 142; Urteil vom 11. November 1985 - [X.], [X.]Z 96, 231, 236 f.; [X.]/[X.], 8. Aufl., § 826 Rn. 49).

Als Ausgangspunkt zur Bemessung des Schutzbereichs dient daher auch hier der Schutzzweck des Verbots der Insolvenzverschleppung. Das Verbot dient nicht nur der Erhaltung des [X.]svermögens, sondern hat auch den Zweck, insolvenzreife [X.]en mit beschränktem Haftungsfonds vom Geschäftsverkehr fernzuhalten, damit durch das Auftreten solcher Gebilde nicht Gläubiger geschädigt oder gefährdet werden ([X.], Urteil vom 6. Juni 1994 - [X.], [X.]Z 126, 181, 194 ff.; Urteil vom 25. Juli 2005 - [X.], [X.]Z 164, 50, 60; Urteil vom 15. März 2011 - [X.], [X.], 1007 Rn. 20; Urteil vom 14. Mai 2012 - [X.], [X.], 1455 Rn. 12 f.; Urteil vom 22. Oktober 2013 - [X.], [X.], 23 Rn. 7; Urteil vom 21. Oktober 2014 - [X.], [X.], 267 Rn. 13). Der Schutzbereich des § 826 [X.] ist im Hinblick auf die aus der vorsätzlichen Insolvenzverschleppung regelmäßig folgenden Sittenwidrigkeit weiter als der des § 15a Abs. 1 [X.]. Der Geschäftsführer einer GmbH, der durch eine Insolvenzverschleppung einen nicht vom Schutzbereich des § 15a Abs. 1 [X.] abgedeckten Vermögensschaden verursacht, kann daher aus § 826 [X.] zum Schadensersatz verpflichtet sein, was insbesondere Bedeutung im Hinblick auf den geschützten Personenkreis erlangen kann (vgl. [X.], Urteil vom 18. Dezember 2007 - [X.], [X.]Z 175, 58 Rn. 14; Urteil vom 13. Oktober 2009 - [X.], [X.], 2439 Rn. 7 mwN). In den Schutzbereich der vorsätzlichen Insolvenzverschleppung können selbst zuvor mit der [X.] vertraglich nicht gebundene Dritte einbezogen sein (vgl. [X.], Urteil vom 11. November 1985 - [X.], [X.]Z 96, 231, 236 ff.; Urteil vom 26. Juni 1989 - [X.], [X.]Z 108, 134, 141 f.; Urteil vom 18. Dezember 2007 - [X.], [X.]Z 175, 58 Rn. 14; Urteil vom 13. Oktober 2009 - [X.], [X.], 2439 Rn. 7 mwN).

Ein Verhalten kann hinsichtlich der Herbeiführung bestimmter Schäden, insbesondere auch hinsichtlich der Schädigung bestimmter Personen, als sittlich anstößig zu werten sein, während ihm diese Qualifikation hinsichtlich anderer, wenn auch ebenfalls adäquat verursachter Schadensfolgen nicht zukommt. Die Ersatzpflicht beschränkt sich in einem solchen Fall auf diejenigen Schäden, die dem in sittlich anstößiger Weise geschaffenen Gefahrenbereich entstammen ([X.], Urteil vom 11. November 1985 - [X.], [X.]Z 96, 231, 236 f.; Urteil vom 7. Mai 2019 - [X.], [X.], 1325 Rn. 8). Ein solcher Schaden liegt vor, wenn eine Person vor Insolvenzreife in Vertragsbeziehungen mit der GmbH getreten ist und durch einen gegen die mittlerweile unerkannt insolvenzreife [X.] eingeleiteten Rechtsstreit oder ein gegen diese eingeleitetes selbständiges Beweisverfahren mit Kosten belastet wird, für die sie bei der [X.] keinen Ersatz erlangen kann. Die Schädigung der Vertragspartner der [X.] durch weitere im Vertragsverhältnis wurzelnde, aber wirtschaftlich unsinnige und ohne durchsetzbaren Erstattungsanspruch gegenüber der [X.] bleibende Aufwendungen ist die zwangsläufige Folge der Insolvenzverschleppung und liegt auch unmittelbar in der Zielrichtung des sittenwidrigen Verhaltens, weil der Schädiger nur unter Inkaufnahme dieser Schäden die Insolvenz verschleppen kann (vgl. [X.], Urteil vom 11. November 1985 - [X.], [X.]Z 96, 231, 237). Eine Ausuferung der Haftung des Geschäftsführers steht nicht zu befürchten, da nicht jeder beliebige Dritte geschützt ist, sondern in Sachverhalten wie dem vorliegenden die Haftung an die vor Insolvenzreife bereits bestehende Rechtsbeziehung zur [X.] anknüpft (vgl. [X.], Urteil vom 11. November 1985 - [X.], [X.]Z 96, 231, 237).

c) Die Angriffe der Revision gegen die Höhe des Anspruchs bleiben ohne Erfolg. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die vom [X.] festgestellte Höhe der Aufwendungen des [X.] greife die Berufung nicht an. Die Revision weist zwar zutreffend darauf hin, dass das Berufungsgericht alle konkreten Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen begründen, berücksichtigen muss, die ihre Grundlage im erstinstanzlichen Vorbringen der Parteien haben, auch wenn das Übergehen dieses Vortrags von dem Berufungskläger nicht zum Gegenstand einer Berufungsrüge gemacht worden ist ([X.], Urteil vom 12. März 2004 - [X.], [X.]Z 158, 269, 279; Beschluss vom 28. April 2020 - [X.] 347/19, [X.], 1152 Rn. 8). Das Berufungsgericht hat dieses Erfordernis indes nicht übersehen und Zweifel an der Richtigkeit der Feststellungen des [X.]s verneint. Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit dieser Tatsachenfeststellungen begründen, zeigt auch die Revision nicht auf.

aa) Soweit die Revision einwendet, der Kläger hätte in der entsprechenden Situation, in der Baumängel und die Rückzahlung von [X.] in Höhe eines fünfstelligen Betrags sowie ein Insolvenzverfahren im Raum stehen, ohnehin die Dienste eines Rechtsanwalts in Anspruch genommen, stellt dies die tatrichterliche Feststellung nicht in Frage. Es kommt allein darauf an, ob die dem Kläger entstandenen Rechtsanwaltskosten auch bei rechtzeitiger Stellung eines Insolvenzantrags angefallen wären. Das ist nicht der Fall, weil diese Kosten nach den Feststellungen der Vorinstanzen gerade für diejenigen Beweissicherungsmaßnahmen angefallen sind, die der Kläger bei rechtzeitiger Stellung des Insolvenzantrags nicht ergriffen hätte. Sollte die Revision darauf hinauswollen, dass etwa bei pflichtgemäßem Handeln des [X.]n Rechtsanwaltskosten für anderweitige anwaltliche Tätigkeiten, etwa für eine Beratung, angefallen wären, ist das eine Frage, die den Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens betrifft, für den der [X.] darlegungs- und beweisbelastet ist. Die Revision zeigt jedoch bereits nicht auf, dass der [X.] in den Vorinstanzen diesen Einwand erhoben hat.

bb) [X.], das [X.] habe sich wegen der Höhe der Sachverständigenkosten nicht auf eine elektronische Akte berufen dürfen, deren Inhalt nicht zu den Gerichtsakten gelangt sei, bleibt ohne Erfolg.

Das Gericht ist nach § 273 Abs. 2 Nr. 2 ZPO bzw. nach § 432 ZPO befugt Gerichtsakten aus anderen Verfahren beizuziehen. Zur Wahrung des Beibringungsgrundsatzes ist es erforderlich, dass sich eine Partei unter Angabe der erheblichen Aktenteile auf diese Akten bezogen hat ([X.], Urteil vom 9. Juni 1994 - [X.], [X.], 1555, insoweit in [X.]Z 126, 217 nicht abgedruckt; Urteil vom 12. November 2003 - [X.], [X.], 1324, 1325; [X.], NJW 2014, 1581, 1582). Der Kläger hat zum Beweis für die Höhe der Sachverständigenkosten die Beiziehung der Akten des vor einer anderen Kammer desselben [X.]s geführten selbständigen Beweisverfahrens beantragt. Die Beiziehung der Akten war nicht möglich, weil, worauf das [X.] die Parteien mit Verfügung vom 28. Juni 2019 und in der mündlichen Verhandlung hingewiesen hat, die entsprechende Akte laut Registratur nicht auffindbar war. Deshalb hat das [X.] die Angaben auf der Grundlage der zur Verfügung stehenden Daten über das Softwareprogramm ForumStar überprüft.

Es kann dahinstehen, ob in dem Umstand, dass das [X.], bevor es sein Urteil anstatt auf die schriftliche Akte auf digitale Informationen gestützt hat, dem [X.]n keine Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben und diese auch nicht zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht hat, eine Verletzung des rechtlichen Gehörs des [X.]n liegt (vgl. [X.], Urteil vom 20. September 1978 - [X.], [X.], 1105; Urteil vom 8. Januar 1985 - [X.] 15/83, NJW 1985, 1399, 1400; Beschluss vom 18. Juli 2006 - [X.], juris Rn. 5; Beschluss vom 23. November 2011 - [X.], [X.], 297 Rn. 8, 13; Beschluss vom 5. Oktober 2016 - [X.] 152/16, [X.] 2017, 842 Rn. 8 mwN; Beschluss vom 14. November 2017 - [X.], NJW 2018, 1171 Rn. 19). Darauf könnte sich der [X.] in der Revisionsinstanz nicht mehr berufen.

Der [X.] hat sich in der Berufungsbegründung mit der Höhe der Sachverständigenkosten wie auch mit den anderen Schadenspositionen nicht befasst. Es ist naheliegend, darin eine Aufgabe des erstinstanzlichen Bestreitens mit Nichtwissen, dass Sachverständigenkosten in der geltend gemachten Höhe angefallen seien, zu sehen, nachdem das [X.] nach Überprüfung anhand elektronisch gespeicherter Daten die Richtigkeit des klägerischen Vortrags als bestätigt angesehen hat. Jedenfalls ist eine entsprechende Revisionsrüge nach dem allgemeinen Grundsatz der Subsidiarität ausgeschlossen. Nach dem Inhalt des in § 295 ZPO zum Ausdruck kommenden Rechtsgedankens kann eine Partei eine Gehörsverletzung nicht mehr rügen, wenn sie die ihr nach Kenntnis des Verstoßes verbliebenen Möglichkeiten einer Äußerung nicht genutzt hat. Ist gegen die gehörsverletzende Entscheidung - wie hier mit der Berufung - ein Rechtsmittel gegeben, das (auch) zur Überprüfung dieser Verletzung führen kann, so ist den Anforderungen des Art. 103 Abs. 1 GG hinreichend Rechnung getragen. Eine erstmalige Überprüfung des Gehörsverstoßes in der letzten Instanz scheidet unter diesen Umständen aus ([X.], Urteil vom 9. Februar 2011 - [X.], [X.], 274 Rn. 10).

cc) Der weitere Einwand der Revision, der Sachverständige sei nach Aktenlage erst nach Stellung des Insolvenzantrags tätig geworden, beeinträchtigt den Anspruch des [X.] auf Kostenerstattung nicht.

Der Kläger beantragte mit [X.] vom 30. August 2016 die Einleitung des selbständigen Beweisverfahrens, dessen Kosten er ersetzt verlangt. Das [X.] ordnete mit Beschluss vom 16. November 2016 die sachverständige Begutachtung an. Die dadurch begründete Kausalität der Verletzung der Insolvenzantragspflicht für die Sachverständigenkosten wird nicht dadurch unterbrochen, dass der [X.] am 14. Dezember 2016 Insolvenzantrag stellte und das Insolvenzverfahren am 21. März 2017 eröffnet wurde. Zum einen wird ein selbständiges Beweisverfahren nicht durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer der Parteien unterbrochen ([X.], Beschluss vom 11. Dezember 2003 - [X.], [X.], 186). Zum anderen wird von der Revision nicht behauptet und ist auch nicht ersichtlich, dass der Kläger vor der erstmaligen Meldung des Insolvenzverwalters im selbständigen Beweisverfahren mit Schreiben vom 9. Juni 2017 Kenntnis von der Insolvenzreife der [X.] erlangte. Ihm fehlte daher die rechtzeitige Information, um die Entscheidung zu treffen, ob er angesichts der schlechten wirtschaftlichen Situation der [X.] das Beweisverfahren vor Erstattung des schriftlichen Gutachtens durch den Sachverständigen am 11. Mai 2017 beendet.

Abgesehen davon, dass die Revision nicht aufzeigt, der [X.] hätte geltend gemacht, der Kläger habe es unter Verstoß gegen seine Schadensminderungsobliegenheit unterlassen, den Antrag auf Durchführung des selbständigen Beweisverfahrens zurückzunehmen, wäre der [X.] mit diesem Einwand ausgeschlossen. Denn fahrlässiges Verhalten des Geschädigten, wie es hier allenfalls in Betracht käme, bleibt gegenüber vorsätzlichem Handeln des Schädigers grundsätzlich unberücksichtigt ([X.], Urteil vom 14. Oktober 1971 - [X.], [X.]Z 57, 137, 145 f.; Urteil vom 6. Dezember 1983 - [X.] 60/82, [X.], 160, 161; Urteil vom 8. Juli 1986 - [X.] 47/85, [X.]Z 98, 148, 158; Urteil vom 1. Juli 1991 - [X.], ZIP 1991, 1140, 1145; Urteil vom 9. Oktober 1991 - [X.], [X.], 106; Urteil vom 10. November 2016 - [X.]/15, [X.]Z 213, 1 Rn. 42).

dd) Bezüglich der Rechtsanwaltskosten erweist sich die Beurteilung der Vorinstanzen gleichfalls als rechtsfehlerfrei. Zu Unrecht rügt die Beschwerde, dem Vortrag des [X.] und den vorgelegten Unterlagen sei nicht zu entnehmen, für welches Mandat und für welche Tätigkeit die Kosten angefallen seien.

Der Kläger hat vorgetragen, dass die Rechtsanwaltskosten im Zusammenhang mit dem selbständigen Beweisverfahren entstanden seien und dies durch Vorlage der Kostennoten seines Rechtsanwalts unter Beweis gestellt. Das [X.] hat die vom Kläger vorgelegten Kostennoten diesem selbständigen Beweisverfahren zugeordnet. An diese vom Berufungsgericht geteilte Würdigung ist der Senat gebunden. Das Revisionsgericht kann lediglich überprüfen, ob sich der Tatrichter entsprechend dem Gebot des § 286 ZPO mit dem Prozessstoff und den [X.] umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, die Beweiswürdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstößt (statt anderer Nachweise [X.], Urteil vom 25. März 2021 - [X.], [X.], 967 Rn. 22). Die Revision zeigt solche Fehler nicht auf. Sie zeigt auch nicht auf, dass der [X.] die Zugehörigkeit der Kostennoten zu dem gegen die [X.] geführten selbständigen Beweisverfahren in Frage gestellt hätte. In der Berufungsbegründung hat der [X.] vielmehr selbst ausgeführt, die vom Kläger geltend gemachten Kosten seien aus der Einleitung eines selbständigen Beweisverfahrens entstanden, das noch überhaupt nicht abgeschlossen sei.

3. Für die von der Revision befürwortete Zug-um-Zug-Einschränkung ist kein Raum.

Zutreffend weist die Revision allerdings darauf hin, dass, jedenfalls bei der Haftung aus § 823 Abs. 2 [X.] i.V.m. § 15a Abs. 1 [X.] aF, dem in voller Höhe ersatzpflichtigen Geschäftsführer entsprechend § 255 [X.] ein Anspruch auf Abtretung der Insolvenzforderung des Neugläubigers gegen die [X.] zuzubilligen sei, um dem schadensersatzrechtlichen [X.] zu tragen ([X.], Urteil vom 6. Juni 1994 - [X.], [X.]Z 126, 181, 201; Urteil vom 27. April 2009 - [X.], [X.], 1220 Rn. 21; Urteil vom 21. Oktober 2014 - [X.], [X.], 267 Rn. 28). Diesen Anspruch muss der Geschäftsführer im [X.] allerdings mit der Einrede des Zurückbehaltungsrechts nach §§ 273, 274 [X.] geltend machen (vgl. [X.], Urteil vom 30. April 1952 - [X.], [X.]Z 6, 55, 61 f.; Urteil vom 25. Januar 1990 - [X.], [X.], 541; Urteil vom 5. Februar 2007 - II ZR 234/05, [X.]Z 171, 46 Rn. 20; Urteil vom 15. April 2010 - [X.], NJW 2010, 1961 Rn. 31, 35; [X.], [X.], 1173, 1182; [X.]/Bitter/[X.], [X.], [X.]. 2019, § 255 Rn. 40).

Die Revision zeigt nicht auf, dass der [X.] sich in den Tatsacheninstanzen auf ein Zurückbehaltungsrecht berufen hätte. Die Revision erhebt auch selbst nicht ausdrücklich die Einrede des Zurückbehaltungsrechts. Es reicht allerdings aus, dass das Zurückbehaltungsrecht konkludent geltend gemacht wird (vgl. [X.], Urteil vom 27. März 1985 - [X.], NJW 1985, 2417, 2418). Hiervon ist angesichts der Rechtsausführungen der Revision auszugehen. Das von der [X.]n erstmals in der Revisionsinstanz geltend gemachte Zurückbehaltungsrecht kann indes aus prozessualen Gründen nicht berücksichtigt werden. Die in den Tatsacheninstanzen versäumte Einrede kann im [X.] nicht nachgeholt werden (vgl. [X.], Urteil vom 1. März 1951 - [X.], [X.]Z 1, 234, 239; Urteil vom 1. Februar 1993 - [X.], NJW-RR 1993, 774, 776; Urteil vom 26. Januar 2005 - [X.], [X.], 531 Rn. 18; Urteil vom 24. November 2006 - [X.] 6/05, NJW 2007, 1269 Rn. 37). In der Revisionsinstanz ist kein Raum mehr für die Würdigung eines Sachverhaltes, welcher der Prüfung und Beurteilung durch den Tatrichter noch nicht unterlag. Das Berufungsgericht konnte den Sachvortrag der Parteien bisher insbesondere nicht unter dem rechtlichen Gesichtspunkt einer Insolvenzforderung des [X.] gegen die [X.] auf Erstattung der Kosten des selbständigen Beweisverfahrens würdigen.

[X.]     

      

Born     

      

B. Grüneberg

      

V. Sander     

      

von Selle     

      

Meta

II ZR 164/20

27.07.2021

Bundesgerichtshof 2. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Karlsruhe, 9. September 2020, Az: 6 U 109/19, Urteil

§ 826 BGB, § 15a Abs 1 S 1 InsO vom 15.07.2013

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 27.07.2021, Az. II ZR 164/20 (REWIS RS 2021, 3755)

Papier­fundstellen: MDR 2021, 1218-1219 WM2021,1635 NJW 2021, 3330 REWIS RS 2021, 3755

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

II ZR 113/13 (Bundesgerichtshof)

Schutzgesetzverletzung durch Verletzung der Insolvenzantragspflicht: Haftung des GmbH-Geschäftführers bei nicht ordnungsgemäßer Leistungserbringung durch ein insolvenzreifes …


II ZR 53/18 (Bundesgerichtshof)

Deliktische Haftung des Geschäftsführers einer GmbH wegen Verletzung der Insolvenzantragspflicht


II ZR 113/13 (Bundesgerichtshof)


II ZR 119/10 (Bundesgerichtshof)

Gläubigerantrag auf Insolvenzeröffnung über das Vermögen einer GmbH: Nachweis der Zahlungseinstellung bei Geschäftführerhaftung wegen Insolvenzverschleppung …


VI ZR 231/06 (Bundesgerichtshof)


Literatur & Presse BETA

Diese Funktion steht nur angemeldeten Nutzern zur Verfügung.

Anmelden
Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.