Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 29.01.2020, Az. 4 ABR 26/19

4. Senat | REWIS RS 2020, 345

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Mitbestimmung bei Ein- und Umgruppierung - Zustimmungsersetzung - Berechnung der Berufsjahre bei Teilzeitbeschäftigten


Leitsatz

Eine schlechtere Behandlung von Teilzeitbeschäftigten gegenüber Vollzeitbeschäftigten ist nicht schon deshalb iSd. § 4 Abs. 1 Satz 1 TzBfG sachlich gerechtfertigt, weil sie in einem Tarifvertrag vorgesehen ist. Für die in § 6 Nr. 4 Abs. 2 des zwischen dem Handelsverband Niedersachsen-Bremen e.V. und ver.di geschlossenen Manteltarifvertrags für den Einzelhandel Niedersachsen vom 24. Februar 2014 vorgesehene schlechtere Behandlung von Teilzeitbeschäftigten mit einer Arbeitszeit von weniger als 19 Wochenstunden bei der Berechnung der Berufsjahre für einen Stufenaufstieg innerhalb einer Gehaltsgruppe fehlt es an dem erforderlichen sachlichen Grund. Auch unter Berücksichtigung des von den Tarifvertragsparteien festgelegten Zwecks - die gewonnene Berufserfahrung zu honorieren - ist die Regelung sachlich nicht gerechtfertigt, da sie weder einem echten Bedarf entspricht noch zur Erreichung des Zwecks geeignet und erforderlich ist. Der Verstoß gegen § 4 Abs. 1 Satz 1 TzBfG führt nach § 134 BGB zur Nichtigkeit der Tarifbestimmung.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des [X.] vom 27. Mai 2019 - 15 [X.] - wird zurückgewiesen.

Gründe

1

A. Die Beteiligten streiten über die Ersetzung der Zustimmung des bei der Arbeitgeberin gebildeten Betriebsrats zur beabsichtigten Umgruppierung von zuletzt noch drei [X.]tail Assistants.

2

Die Arbeitgeberin betreibt bundesweit ein Einzelhandelsunternehmen, darunter einen Betrieb in [X.] mit ca. 420 Arbeitnehmern. [X.]ie schloss am 16. Dezember 2015 mit der [X.] ([X.]) einen Anerkennungs- und Übergangstarifvertrag ([X.]) sowie am 29. April 2016 zwei Ergänzungstarifverträge. In diesen ist ua. bestimmt, dass ab dem 1. Mai 2017 die regionalen [X.], die [X.] abgeschlossen hat, in ihrer [X.]eiligen Fassung gelten.

3

Im Betrieb in [X.] sind ua. die Arbeitnehmerinnen R, [X.] und [X.] überzuleiten, die als [X.]tail Assistants tätig sind. Die [X.], die eine dreijährige kaufmännische Berufsausbildung abgeschlossen hat, ist nach den Feststellungen des [X.] bei der Arbeitgeberin seit dem 5. [X.]eptember 2014 mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von acht [X.]tunden beschäftigt. Zuvor war sie vom 1. November 2009 bis zum 31. Oktober 2010 sowie vom 1. Juni 2011 bis zum 30. Juni 2014 mit einer regelmäßigen Arbeitszeit von 16 Wochenstunden im Einzelhandel bei einem anderen Arbeitgeber tätig. Die Arbeitnehmerin [X.] verfügt über einschlägige Vorbeschäftigungszeiten bei anderen Einzelhandelsunternehmen von 2,52 Jahren und war vom 24. August 2012 bis zum 23. August 2015 bei der Arbeitgeberin mit der regelmäßigen tariflichen wöchentlichen Arbeitszeit von 37,5 [X.]tunden beschäftigt. [X.]eit dem 24. August 2015 beträgt ihre wöchentliche Arbeitszeit acht [X.]tunden. Die [X.] war für die Arbeitgeberin vom 23. Juni 2012 bis zum 22. Juni 2015 als Vollzeitbeschäftigte tätig und arbeitet seitdem mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von acht [X.]tunden.

4

Die Arbeitgeberin unterrichtete den Betriebsrat im April 2017 ua. über die geplante „Eingruppierung“ der drei Arbeitnehmerinnen in die [X.] des § 3 des [X.]s für den Einzelhandel [X.] vom 23. Juli 2015, abgeschlossen zwischen dem [X.]andelsverband [X.]-Bremen e.V. und [X.] ([X.] 2015). Innerhalb dieser ist die Vergütung nach dem 1. bis 7. Berufsjahr gestaffelt, wobei Berufsjahre nach § 3 [X.] Unterabschnitt 3 [X.] 2015 als einschlägige Tätigkeitsjahre nach Abschluss der Berufsausbildung definiert sind. Die zurückgelegten Jahre innerhalb der [X.]staffel berechnete die Arbeitgeberin unter Verweis auf § 6 Nr. 4 Abs. 2 des zwischen dem [X.]andelsverband [X.]-Bremen e.V. und [X.] geschlossenen Manteltarifvertrags vom 24. Februar 2014 ([X.]) im [X.]inblick auf die Teilzeitbeschäftigung der Arbeitnehmerinnen im Verhältnis zu einer Vollzeitbeschäftigung anteilig. Für die Eingruppierung der [X.] sah sie im [X.] das 6. Berufsjahr, für die der Arbeitnehmerin [X.] das 3. Berufsjahr und für die [X.] das 2. Berufsjahr als zutreffend an.

5

Der Betriebsrat verweigerte hierzu die von der Arbeitgeberin begehrte Zustimmung in einem Fall mit der Begründung, die betroffenen Arbeitnehmer würden durch die Überleitung benachteiligt. Im Übrigen widersprach er unter Verweis auf eine fehlerhafte Berechnung der Berufsjahre.

6

Nach Einleitung des Beschlussverfahrens durch die Arbeitgeberin trat am 1. Mai 2017 der [X.] für den Einzelhandel [X.] vom 2. August 2017 ([X.] 2017) in [X.], der die vorliegend maßgeblichen Eingruppierungsbestimmungen gegenüber dem [X.] 2015 unverändert ließ.

7

Mit [X.]chreiben vom 20. Juli 2018 unterrichtete die Arbeitgeberin den Betriebsrat erneut über die geplanten „Eingruppierungen“ und erbat dazu dessen Zustimmung. [X.]insichtlich der Arbeitnehmerinnen R und [X.] ging sie von einer unveränderten Eingruppierung aus, während sie für die Arbeitnehmerin [X.] die Zustimmung zur [X.], 4. Berufsjahr [X.] 2017 begehrte. Der Betriebsrat verweigerte erneut die Zustimmung unter Verweis auf eine fehlerhafte Berechnung der Berufsjahre. Im weiteren Verlauf des Beschwerdeverfahrens unterrichtete die Arbeitgeberin den Betriebsrat mit [X.]chreiben vom 8. März 2019 erneut über die geplanten „Eingruppierungen“, hinsichtlich der Arbeitnehmerinnen R und [X.] ohne Änderungen zur ursprünglichen Eingruppierung und in Bezug auf die Arbeitnehmerin [X.] zu einer solchen nach [X.], nunmehr 5. Berufsjahr [X.] 2017. Der Betriebsrat verweigerte weiterhin die Zustimmung mit gleichbleibender Begründung.

8

Die Arbeitgeberin hat die Auffassung vertreten, die nur anteilige Berücksichtigung der einschlägigen Beschäftigungsjahre als Berufsjahre bei [X.] sei vom [X.] vorgegeben und mit § 4 Abs. 1 [X.] vereinbar. Eine schlechtere Behandlung von [X.] gegenüber Vollzeitbeschäftigten ergebe sich hieraus nicht. Jedenfalls sei eine solche sachlich gerechtfertigt. [X.] sei die größere Erfahrung, die durch eine Vollzeitbeschäftigung erworben werde. Die Tarifvertragsparteien, denen insoweit eine [X.] zukomme, seien davon ausgegangen, dass ab einem bestimmten regelmäßigen Arbeitszeitvolumen ein höheres Maß an Berufserfahrung gesammelt werde. Teilzeitbeschäftigte würden häufig nicht zu allen Arbeitszeiten eingesetzt und daher nicht das gesamte [X.]pektrum möglicher Tätigkeiten ausüben.

9

Die Arbeitgeberin hat zuletzt beantragt,

        

die Zustimmung des Betriebsrats zur Umgruppierung von

        

1.    

R in die [X.], 6. Berufsjahr;

        

2.    

[X.] in die [X.], 5. Berufsjahr;

        

3.    

[X.] in die [X.], 2. Berufsjahr

        

des [X.]s für den niedersächsischen Einzelhandel iVm. dem zwischen der Arbeitgeberin und [X.] am 17. Dezember 2015 abgeschlossenen Anerkennungs- und Übergangstarifvertrag nebst Ergänzungsvereinbarung vom 29. April 2016 zu ersetzen.

Der Betriebsrat hat beantragt, die Anträge abzuweisen. Die nur anteilige Berücksichtigung der Berufsjahre bei [X.] verstoße gegen § 4 [X.].

Das Arbeitsgericht hat den Anträgen stattgegeben, das [X.] hat den Beschluss des Arbeitsgerichts auf die Beschwerde des Betriebsrats abgeändert und die Anträge abgewiesen. Mit ihrer durch das [X.] zugelassenen [X.]chtsbeschwerde verfolgt die Arbeitgeberin ihr Begehren weiter.

B. Die zulässige [X.]chtsbeschwerde ist unbegründet. Das [X.] ist im Ergebnis zu [X.]cht davon ausgegangen, dass die Zustimmung des Betriebsrats zur [X.] nicht zu ersetzen i[X.]

I. Die Zustimmungsersetzungsanträge sind zulässig, insbesondere besteht das erforderliche [X.]chtsschutzbedürfnis.

1. Das [X.]chtsschutzbedürfnis verlangt als [X.]achentscheidungsvoraussetzung das Vorliegen eines berechtigten Interesses an der Inanspruchnahme der Gerichte. Fehlt es, ist ein Antrag als unzulässig abzuweisen. Bei Leistungs- und Gestaltungsklagen kann das [X.]chtsschutzbedürfnis fehlen, wenn der Antragsteller offensichtlich gerichtlicher [X.]ilfe zur Erreichung seines Ziels nicht (mehr) bedarf. Der Antrag eines Arbeitgebers, die Zustimmung des Betriebsrats zu einer personellen Maßnahme nach § 99 Abs. 4 [X.] gerichtlich zu ersetzen, setzt de[X.]alb voraus, dass der Arbeitgeber die Durchführung dieser Maßnahme noch beabsichtigt ([X.] 27. [X.]eptember 2017 - 7 [X.] - Rn. 17; 13. März 2013 - 7 [X.] - Rn. 22 ff.). Dies ist bei einem auf eine Eingruppierung bezogenen Zustimmungsersetzungsverfahren nur so lange der Fall, wie der betroffene Arbeitnehmer im Betrieb mit unveränderter Eingruppierung beschäftigt ist ([X.] 1. Juli 2009 - 4 [X.] - Rn. 16, [X.]E 131, 197).

2. Danach besteht hinsichtlich der Arbeitnehmerinnen R und [X.] bezogen auf die Unterrichtung aus April 2017 ein [X.]chtsschutzbedürfnis für die Zustimmungsersetzungsanträge.

a) Die Arbeitgeberin hält weiterhin die [X.] des Gehaltstarifvertrags für den [X.] Einzelhandel im 6. (R) und 2. ([X.]) Berufsjahr für zutreffend. Für diese Maßnahme besteht nach wie vor ein [X.]chtsschutzbedürfnis, obwohl die Tarifvertragsparteien nach Abschluss des zweitinstanzlichen Verfahrens am 18. Juli 2019 erneut einen zum 1. Mai 2019 in [X.] getretenen [X.] für den Einzelhandel [X.] ([X.] 2019) vereinbart haben. Die Zustimmungsersetzungsanträge beziehen sich auf die [X.]eiligen Fassungen des [X.], die - soweit für die zukunftsgerichtete Zustimmungsersetzung von Interesse - während des Verfahrens unverändert geblieben sind.

b) [X.]oweit die Arbeitgeberin den Betriebsrat im Juli 2018 und März 2019 erneut über die Eingruppierung der beiden Arbeitnehmerinnen unterrichtet hat, sind diese Unterrichtungen nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens. Mit ihnen hat die Arbeitgeberin dem Betriebsrat lediglich die unveränderte Eingruppierung mitgeteilt. Einem erneuten Zustimmungsersuchen hätte mangels Änderung der beabsichtigten Eingruppierung die Grundlage gefehlt (vgl. [X.] 13. August 2019 - 1 [X.] - Rn. 16; 1. Juli 2009 - 4 [X.] - Rn. 11 ff., [X.]E 131, 197). Die Arbeitgeberin hat durch die erneute Unterrichtung von ihren ursprünglichen personellen Einzelmaßnahmen keinen Abstand genommen und keine eigenständigen, neuen personellen Einzelmaßnahmen eingeleitet (vgl. [X.] 9. Oktober 2013 - 7 [X.] - Rn. 27 f. mwN).

3. Das [X.]chtsschutzbedürfnis ist auch für den auf die Arbeitnehmerin [X.] bezogenen Zustimmungsersetzungsantrag - gerichtet auf das mit Unterrichtung vom 8. März 2019 eingeleitete [X.] - gegeben.

a) Nach Auffassung der Arbeitgeberin hat sich die Zuordnung der Arbeitnehmerin zur [X.]staffel bei Unterrichtung im März 2019 im Vergleich zu den Unterrichtungen aus April 2017 und Juli 2018 verändert. Dadurch war es erforderlich, erneut ein Verfahren nach § 99 Abs. 1 [X.] in Gang zu setzen. Die [X.]tufenänderung löste ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats aus. [X.]ie stellt eine Umgruppierung i[X.]d. § 99 Abs. 1 [X.]atz 1 [X.] und damit eine neue Maßnahme dar, weil sich daraus ein unterschiedliches Entgelt im Vergleich zur niedrigeren [X.]tufe ergibt (vgl. [X.] 26. April 2017 - 4 [X.] - Rn. 10; 19. Oktober 2011 - 4 [X.] - Rn. 20). Das gilt selbst dann, wenn eine [X.]öherstufung allein durch Zeitablauf erfolgt und über diese zwischen den Betriebsparteien - anders als im vorliegenden Fall - kein [X.]treit besteht ([X.] 6. April 2011 - 7 [X.] - Rn. 29, [X.]E 137, 260). Die ursprüngliche Maßnahme - die Eingruppierung unter Einstufung in ein geringeres Berufsjahr - war ab dem Zeitpunkt der Änderung des [X.] nicht mehr durch die Arbeitgeberin beabsichtigt.

b) Dem konnten die Beteiligten - wie geschehen - [X.]chnung tragen, indem sie die zunächst angekündigten Anträge hinsichtlich der Arbeitnehmerin [X.] im Beschwerdeverfahren übereinstimmend für erledigt erklärten und die Arbeitgeberin nach erneuter Unterrichtung des Betriebsrats im Wege der [X.] die Ersetzung der wieder verweigerten Zustimmung zur beabsichtigten Eingruppierung der Arbeitnehmerin [X.] in das Verfahren einführte. Die Antragsänderung der in erster Instanz voll obsiegenden Arbeitgeberin konnte in zweiter Instanz im Rahmen einer nach § 87 Abs. 2 [X.]atz 1, § 64 Abs. 6 ArbGG, § 524 Abs. 1 und Abs. 3 ZPO zulässigen [X.] erfolgen, für die keine Beschwer erforderlich war (vgl. [X.] 29. [X.]eptember 1993 - 4 [X.] - zu [X.] der Gründe, [X.]E 74, 268). Mangels Fristsetzung zur Beschwerdeerwiderung nach § 524 Abs. 2 [X.]atz 2 ZPO iVm. § 87 Abs. 2 [X.]atz 1, § 64 Abs. 6 [X.]atz 1 ArbGG durch das [X.] konnte die Anschließung auch noch im Termin zur Anhörung erfolgen (vgl. [X.] 17. Februar 2015 - 1 [X.] - Rn. 17, [X.]E 151, 27). Die Entscheidung des [X.] über die Zulassung der [X.] ist nach § 81 Abs. 3 [X.]atz 3, § 87 Abs. 2 [X.]atz 3 [X.]albs. 2 ArbGG unanfechtbar.

II. Die Zustimmungsersetzungsanträge der Arbeitgeberin nach § 99 Abs. 4 [X.] sind unbegründet. Der Betriebsrat hat die Zustimmung [X.]eils zu [X.]cht verweigert. Die geplanten [X.] verstoßen gegen Eingruppierungsbestimmungen des nunmehr als Vergütungsordnung i[X.]d. § 99 Abs. 1 [X.] maßgebenden [X.] 2019, weil die von der Arbeitgeberin angewendete [X.]gelung zur Berechnung der Berufsjahre (§ 6 Nr. 4 Abs. 2 [X.]) nach § 134 BGB unwirksam ist (§ 99 Abs. 2 Nr. 1 [X.]).

1. Bei der Eingliederung der Arbeitnehmerinnen in [X.] und Berufsjahre nach § 3 [X.] 2019 handelt es sich um nach § 99 Abs. 1 [X.] mitbestimmungspflichtige [X.]. Die Arbeitgeberin hat die [X.]eiligen [X.] ordnungsgemäß i[X.]v. § 99 Abs. 1 [X.]atz 1 [X.] eingeleitet. Der Betriebsrat hat die begehrte Zustimmung nach Maßgabe der gesetzlichen [X.]gelungen in § 99 Abs. 3 [X.] wirksam verweigert.

2. Die von der Arbeitgeberin beabsichtigte Eingruppierung verstößt im [X.]inblick auf die Berufsjahre gegen § 3 [X.] Unterabschnitt 3 [X.] 2019. Die in § 6 Nr. 4 Abs. 2 [X.] vorgesehene anteilige Berücksichtigung der Berufsjahre ist aufgrund eines Verstoßes gegen § 4 Abs. 1 [X.]atz 1 [X.] nach § 134 BGB nichtig. [X.]ie kann zur Ermittlung der zutreffenden Berufsjahre innerhalb der [X.] [X.] 2019 nicht herangezogen werden. De[X.]alb kann dahinstehen, ob die Zustimmung des Betriebsrats dann zu ersetzen wäre, wenn die [X.]chtsauffassung der Arbeitgeberin zutreffend wäre. Die sich daraus nach ihrer Ansicht ergebende Zuordnung zu den Berufsjahren ist jedenfalls nach dem bi[X.]erigen Vortrag und den vorgelegten Unterlagen nicht nachvollziehbar.

a) Die Anträge der Arbeitgeberin sind unabhängig davon abzuweisen, ob der Betriebsrat die [X.] innerhalb der Wochenfrist des § 99 Abs. 3 [X.]atz 1 [X.] auch auf einen Verstoß des § 6 Nr. 4 Abs. 2 [X.] gegen § 4 Abs. 1 [X.]atz 1 [X.] gestützt hat. Ein Betriebsrat ist zwar grundsätzlich mit Verweigerungsgründen ausgeschlossen, die er nicht innerhalb der Wochenfrist mitgeteilt hat ([X.] 23. Januar 2019 - 4 [X.] - Rn. 17; 17. November 2010 - 7 [X.] - Rn. 34). Betrifft ein Einwand - wie vorliegend - die Wirksamkeit der [X.]chtsnorm, auf der die beabsichtigte Maßnahme eines Arbeitgebers beruht, ist dieser aber unabhängig davon beachtlich, ob und zu welchem Zeitpunkt sich der Betriebsrat darauf berufen hat. Die Gerichte dürfen ungültige Normen nicht zur Grundlage ihrer Ersetzungsentscheidung machen ([X.] 20. [X.]eptember 2006 - 10 [X.] - Rn. 17; 6. August 2002 - 1 [X.] - zu [X.] 3 a der Gründe, [X.]E 102, 135).

b) § 6 Nr. 4 Abs. 2 [X.] ist wegen eines Verstoßes gegen § 4 Abs. 1 [X.]atz 1 [X.] nach § 134 BGB nichtig. Die Arbeitnehmerinnen werden wegen ihrer Teilzeitbeschäftigung ohne sachliche Gründe schlechter behandelt als vergleichbare vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer.

aa) § 6 Nr. 4 [X.] - „Gehalts- und Lohnregelung“ - lautet:

        

„Unterbrechungen des Arbeitsverhältnisses bis zur Dauer von vier Monaten im Jahr sind bei der Errechnung von Berufs- bzw. Tätigkeitsjahren nicht abzusetzen.

        

Bei Teilzeitbeschäftigten ist für die Berechnung der Berufsjahre die geleistete durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit zugrunde zu legen, wobei eine Arbeitszeit von 19 und mehr Wochenstunden einer Vollbeschäftigung gleichzusetzen i[X.]“

bb) Nach § 4 Abs. 1 [X.]atz 1 [X.] dürfen Teilzeitbeschäftigte wegen ihrer Teilzeitarbeit nicht schlechter behandelt werden als vergleichbare Vollzeitbeschäftigte, es sei denn, sachliche Gründe rechtfertigen eine unterschiedliche Behandlung. Bei der Anwendung des gesetzlichen [X.] ist die [X.]chtsprechung des Gericht[X.]ofs der [X.] zu berücksichtigen. Denn mit § 4 Abs. 1 [X.] wurden § 4 Nr. 1 und Nr. 2 der von [X.], [X.] und [X.] geschlossenen Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit im Anhang der Richtlinie 97/81/[X.] vom 15. Dezember 1997 umgesetzt ([X.]. [X.] vom 20. Januar 1998 [X.]. 9 - Rahmenvereinbarung).

cc) Eine schlechtere Behandlung von [X.] kann sachlich gerechtfertigt sein, wenn sich ihr Grund aus dem Verhältnis von [X.] und Umfang der Teilzeitarbeit herleiten läs[X.] Die Prüfung der sachlichen [X.]chtfertigung der unterschiedlichen Behandlung hat sich an dem mit der Leistung verfolgten Zweck zu orientieren. Dabei kommt es nicht auf die denkbaren [X.]e an, sondern - bei tariflichen [X.]gelungen - auf diejenigen, die die Tarifvertragsparteien im Rahmen ihrer durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Tarifautonomie durch die maßgeblichen Tarifregelungen ausdrücklich festgelegt haben oder sich aus diesen im Wege der Auslegung ergeben ([X.] 19. Dezember 2018 - 10 [X.] - Rn. 66, [X.]E 165, 1; 23. März 2017 - 6 [X.] - Rn. 55, [X.]E 158, 360). [X.]achliche Gründe liegen nur vor, wenn die in [X.]de stehende Ungleichbehandlung einem echten Bedarf entspricht und zur Erreichung des verfolgten Zwecks geeignet und erforderlich ist (EuG[X.] 1. März 2012 - [X.]/10 - [O’[X.]] Rn. 64 mwN; vgl. zu § 4 Nr. 1 Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge 9. Februar 2017 - [X.]/16 - [[X.]] Rn. 42). Allein das unterschiedliche Arbeitspensum berechtigt danach nicht zu einer unterschiedlichen Behandlung von Voll- und Teilzeitkräften. Die [X.]chtfertigungsgründe müssen anderer Art sein ([X.] 23. Juli 2019 - 9 [X.] - Rn. 23 mwN).

dd) Nach diesen Maßstäben verstößt die [X.]gelung in § 6 Nr. 4 Abs. 2 [X.] gegen § 4 Abs. 1 [X.].

(1) Nach § 6 Nr. 4 Abs. 2 [X.] werden die mit weniger als 19 Wochenstunden beschäftigten Arbeitnehmerinnen schlechter behandelt als Vollzeitbeschäftigte. Die von ihnen geleisteten Berufsjahre werden nicht voll, sondern lediglich anteilig entsprechend der durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit berücksichtigt. Die Dauer der Arbeitszeit ist das ausschließliche tarifliche [X.] für die unterschiedlichen Arbeitsbedingungen (vgl. [X.] 19. Dezember 2018 - 10 [X.] - Rn. 48 mwN, [X.]E 165, 1). Das Benachteiligungsverbot des § 4 Abs. 1 [X.]atz 1 [X.] gilt entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin auch dann, wenn teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer untereinander unterschiedlich behandelt werden, sofern eine Gruppe der teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer wie vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer behandelt und eine andere Gruppe der [X.] von einzelnen Leistungen ausgeschlossen wird. Deren schlechtere Behandlung entfällt nicht, weil der Arbeitgeber eine andere Gruppe [X.] nicht benachteiligt. Verglichen werden dann nicht die unterschiedlichen Gruppen [X.], sondern eine bestimmte Personengruppe teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer mit Vollzeitbeschäftigten ([X.] 25. April 2007 - 6 [X.] - Rn. 22, [X.]E 122, 215).

(2) Die schlechtere Behandlung der [X.] mit einer durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit von unter 19 [X.]tunden ist nicht durch sachliche Gründe gerechtfertigt.

(a) Entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin ist nicht allein de[X.]alb, weil es sich bei § 6 Nr. 4 Abs. 2 [X.] um eine tarifvertragliche [X.]gelung handelt, davon auszugehen, diese beruhe auf einem sachlichen Grund. Die [X.] gelten auch für tarifliche [X.]gelungen. [X.]ie stehen nach § 22 [X.] nicht zur Disposition der Tarifvertragsparteien ([X.] 19. Dezember 2018 - 10 [X.] - Rn. 47, [X.]E 165, 1; 23. März 2017 - 6 [X.] - Rn. 44, [X.]E 158, 360). Eine unterschiedliche Behandlung von Teilzeit- und Vollzeitbeschäftigten kann daher nicht damit gerechtfertigt werden, dass sie in einer allgemeinen und abstrakten Norm wie einem Gesetz oder einem Tarifvertrag vorgesehen ist (EuG[X.] 1. März 2012 - [X.]/10 - [O’[X.]] Rn. 64; vgl. zu § 4 Nr. 1 Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge 9. Februar 2017 - [X.]/16 - [[X.]] Rn. 42). Auch für Tarifbestimmungen ist zu prüfen, ob ein sachlicher Grund tatsächlich vorliegt.

(b) Der Aufstieg nach Berufs- oder Tätigkeitsjahren innerhalb einer Vergütungsgruppe soll regelmäßig eine durch Ausübung der Tätigkeit gewonnene Berufserfahrung honorieren (für die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes [X.] 6. [X.]eptember 2018 - 6 [X.] 836/16 - Rn. 21, [X.]E 163, 257). Diesen zulässigen Zweck (vgl. [X.] 27. Januar 2011 - 6 [X.] 578/09 - Rn. 34) haben die Tarifvertragsparteien vorliegend zwar nicht ausdrücklich im Tarifvertrag festgehalten. Er ergibt sich aber hinreichend deutlich aus der Bezeichnung „Berufsjahr“ sowie daraus, dass nach § 6 Nr. 4 Abs. 1 [X.] längere Unterbrechungen des Arbeitsverhältnisses für die Berechnung unberücksichtigt bleiben. Für den Kreis der [X.] mit einer Arbeitszeit von weniger als 19 Wochenstunden der [X.] [X.] 2019 geht § 6 Nr. 4 Abs. 2 [X.] davon aus, dass für die Ermittlung der Berufsjahre die tatsächlich geleisteten einschlägigen Beschäftigungsjahre nur anteilig zu berücksichtigen sind.

(c) Die von der konkreten Tätigkeit unabhängige, sich allein an der geringeren wöchentlichen Arbeitszeit orientierende Differenzierung zwischen Teilzeit- und Vollzeitbeschäftigten bei der Ermittlung der für die Vergütung maßgeblichen Berufsjahre ist durch den Zweck der [X.]onorierung der Berufserfahrung sachlich nicht gerechtfertigt. Das Dienstalter geht zwar [X.]and in [X.]and mit der dienstlichen Erfahrung, jedoch hängt die sachliche [X.]chtfertigung von allen Umständen des Einzelfalls und insbesondere davon ab, welche Beziehung zwischen der Art der ausgeübten Tätigkeit und der Erfahrung besteht, die durch die Ausübung dieser Tätigkeit nach einer bestimmten Anzahl geleisteter Arbeitsstunden erworben wird, also ob ein besonderer Zusammenhang zwischen der Dauer der beruflichen Tätigkeit und dem Erwerb eines bestimmten Kenntnis- und Erfahrungsstands besteht (EuG[X.] 3. Oktober 2019 - [X.]/18 - [[X.]chuch-Ghannadan] Rn. 39; 7. Februar 1991 - [X.]/89 - [[X.]] Rn. 13 f., [X.]. mwN).

Es gibt auch keinen allgemeinen Erfahrungssatz, der die Annahme rechtfertigen könnte, bei allen Arbeitnehmern der [X.] [X.] 2019 („Angestellte mit abgeschlossener einschlägiger Berufsausbildung bzw. nach dreijähriger Tätigkeit nach Vollendung es 18. Lebensjahres in Gehaltsgruppe I“), die mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von weniger als 19 [X.]tunden beschäftigt werden, sei der [X.] proportional zur Arbeitszeit geringer als bei Vollzeitbeschäftigten. Eine solche [X.]lation zwischen Erfahrung und Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit ist für diese Angestellten weder offenkundig noch ist anhand objektiver Kriterien erkennbar, dass im spezifischen Kontext der Arbeitsverhältnisse in den Betrieben des Einzelhandels in [X.], die von der [X.] [X.] 2019 erfasst werden, eine besondere Beziehung zwischen der Art der geleisteten Tätigkeit und der Erfahrung besteht, die nach einer bestimmten Mindestanzahl geleisteter Arbeitsstunden erworben wird ([X.]. dazu EuG[X.] 3. Oktober 2019 - [X.]/18 - [[X.]chuch-Ghannadan] Rn. 40). Es erschließt sich auch nicht, warum ein solcher Zusammenhang zwischen Arbeitszeit und erworbener Erfahrung bei den ausschließlich in [X.] [X.] 2019 maßgeblichen Berufsjahren, nicht aber bei den in den anderen [X.] zu durchlaufenden Tätigkeitsjahren bestehen sollte. § 6 Nr. 4 Abs. 2 [X.] bezieht sich aber ausschließlich auf Berufs-, nicht auf Tätigkeitsjahre.

Entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin ist zudem nicht ersichtlich, dass Teilzeitbeschäftigte der [X.] [X.] 2019 i[X.]d. § 6 Nr. 4 Abs. 2 [X.] nicht das gesamte [X.]pektrum möglicher Tätigkeiten ausüben würden, weil sie nur zu bestimmten Tagen oder Tageszeiten eingesetzt würden. Nach §§ 4b, 5 [X.] ist nicht ein solcher, auf einzelne Zeiten begrenzter Einsatz, sondern eine Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit auf mehrere Arbeitstage vorgesehen. [X.]oweit dies im Betrieb der Arbeitgeberin, wie sie vorgetragen hat, anders gehandhabt werden sollte, fehlt es an tragfähigen Anhaltspunkten, eine derartige Arbeitseinteilung erfolge in allen Betrieben und allen Tätigkeiten von [X.] im Einzelhandel, die der [X.] [X.] 2019 unterfallen.

c) Der Verstoß gegen § 4 Abs. 1 [X.] führt nach § 134 BGB zur Nichtigkeit der die [X.] mit weniger als 19 Wochenstunden benachteiligenden tariflichen [X.]gelung des § 6 Nr. 4 Abs. 2 [X.]. Für die Berechnung der Berufsjahre ist daher die tarifliche Grundregel in § 3 [X.] Unterabschnitt 3 [X.] 2019 heranzuziehen. Die Eingruppierungsbestimmungen des [X.] 2019 bleiben von der Nichtigkeit des § 6 Nr. 4 Abs. 2 [X.] unberührt, weil eine sinnvolle und in sich geschlossene [X.]gelung verbleibt (vgl. zur [X.] Rspr. etwa [X.] 9. Mai 2007 - 4 [X.] 275/06 - Rn. 37 mwN). Nach § 3 [X.] Unterabschnitt 3 [X.] 2019 sind Berufsjahre „einschlägige Tätigkeitsjahre nach Abschluss der Berufsausbildung“, die unabhängig von dem Umfang der zu leistenden Arbeitszeit in vollem Umfang zu berücksichtigen sind. Die Arbeitnehmerinnen R und [X.] hatten danach zum Zeitpunkt der Anhörung vor dem [X.]enat bereits das 7. Berufsjahr, die [X.] das 5. Berufsjahr erreicht.

        

    Treber    

        

    W. [X.]infelder    

        

    Klug    

        

        

        

    Treber    

        

    Kiefer    

                 

Meta

4 ABR 26/19

29.01.2020

Bundesarbeitsgericht 4. Senat

Beschluss

Sachgebiet: ABR

vorgehend ArbG Hannover, 8. November 2018, Az: 2 BV 4/18, Beschluss

§ 99 Abs 3 S 1 BetrVG, § 99 Abs 4 BetrVG, § 4 Abs 1 S 1 TzBfG, § 134 BGB, § 1 TVG, § 4 Nr 1 Anh EGRL 81/97

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 29.01.2020, Az. 4 ABR 26/19 (REWIS RS 2020, 345)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 345

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

4 ABR 19/19 (Bundesarbeitsgericht)

Mitbestimmung bei Ein- und Umgruppierung - Zustimmungsersetzungsverfahren - Bestimmung von Gesamt- oder Teiltätigkeiten - Bearbeiter/-innen …


7 ABR 8/16 (Bundesarbeitsgericht)

Zustimmungsersetzung - Ein- und Umgruppierung


4 ABR 3/19 (Bundesarbeitsgericht)

Eingruppierung von Salesfloor Supervisoren - Zustimmungsersetzungsverfahren


4 ABR 122/09 (Bundesarbeitsgericht)

Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zur Eingruppierung einer Mitarbeiterin im Verkauf/Lager in den Gehalts-TV Einzelhandel …


4 ABR 115/09 (Bundesarbeitsgericht)

Eingruppierung von Arbeitnehmern im Service-Center eines Zeitungsverlags - Gehaltstarifvertrag für die Angestellten im Zeitungsverlagsgewerbe in …


Referenzen
Wird zitiert von

9 AZR 332/22

9 AZR 132/22

18 Sa 744/20

9 Sa 261/20

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.