Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 26.02.2020, Az. 4 ABR 19/19

4. Senat | REWIS RS 2020, 352

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Mitbestimmung bei Ein- und Umgruppierung - Zustimmungsersetzungsverfahren - Bestimmung von Gesamt- oder Teiltätigkeiten - Bearbeiter/-innen von Kundenreklamationen


Tenor

1. Auf die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats wird der Beschluss des [X.]s Baden-Württemberg vom 22. Februar 2019 - 12 [X.] - aufgehoben.
2. Die Sache wird zur neuen Anhörung und Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

A. Die Beteiligten streiten über die Ersetzung der Zustimmung des bei der Arbeitgeberin gebildeten Betriebsrats zur Umgruppierung von zuletzt vier am [X.] beschäftigten Arbeitnehmerinnen.

2

Die Arbeitgeberin betreibt bundesweit ein Einzelhandelsunternehmen. Mit der [X.] - [X.] ([X.]) schloss sie am 16. Dezember 2015 einen Anerkennungs- und Übergangstarifvertrag ([X.]) sowie am 29. April 2016 zwei Ergänzungstarifverträge. In diesen ist [X.]. bestimmt, dass ab dem 1. Mai 2017 die regionalen [X.], die [X.] abgeschlossen hat, in ihrer jeweiligen Fassung gelten.

3

In ihrem Betrieb in [X.] sind die [X.], [X.], [X.]p und V am [X.], der von einem [X.]upervisor geleitet wird, beschäftigt. Dort üben sie nach den Feststellungen des [X.] folgende Tätigkeiten aus:

        

-       

Abwicklung von Warenrückgabe und -umtausch,

        

-       

Hausdurchsagen,

        

-       

Annahme externer Telefonanrufe (einziger Telefonanschluss Filiale),

        

-       

Ausstellung von [X.],

        

-       

Aufbewahrung von Fundsachen,

        

-       

Bearbeitung beschädigter Ware (entweder Weiterleitung an Recyclingunternehmen oder Verkauf zu reduzierten Preisen),

        

-       

Personaleinkäufe,

        

-       

Mithilfe beim Aufräumen im Verkauf.

4

Die Arbeitgeberin erließ „Richtlinien für den [X.]undenservice-Desk“ zur Vorgehensweise bei [X.]n. Danach hat ein [X.]unde innerhalb von 28 Tagen nach einem [X.]auf das Recht, die Ware entweder gegen Erstattung des [X.]aufpreises oder gegen Umtausch zurückzugeben, es sei denn, es handelt sich um Badeartikel ohne Hygienesiegel, Unterwäsche, Piercingschmuck oder [X.]osmetikartikel ohne [X.]iegel. Befindet sich die Ware in verkaufsfähigem Zustand und wird der Einkaufsnachweis vorgelegt, kann der [X.]aufpreis erstattet werden.

5

Bei Rückgabe ohne einen Beleg kann ein Umtausch erfolgen, wenn sich die Ware in verkaufsfähigem Zustand befindet. Die Beschäftigten haben die Ware dann darauf zu untersuchen. Die Rückgabe muss durch einen Manager genehmigt werden, wenn die Erstattung einen bestimmten Betrag übersteigt, ohne Beleg durchgeführt werden soll oder es sich um eine Rückgabe mangelfreier Ware in nicht verkaufsfähigem Zustand handelt.

6

Für die Rückgabe von (mangelhafter) Ware nach einem Zeitraum von mehr als vier Wochen nach [X.]auf bestehen bei der Arbeitgeberin keine eigenständigen Regelungen.

7

Die Arbeitgeberin beantragte beim Betriebsrat die Zustimmung zur „Eingruppierung“ der vier Arbeitnehmerinnen in die [X.] des zwischen dem [X.] und [X.] abgeschlossenen Tarifvertrags über Gehälter, Löhne, Ausbildungsvergütungen und [X.]ozialzulagen für die Arbeitnehmer/-innen und Auszubildenden des Einzelhandels in [X.] vom 27. Juli 2017 ([X.] 2017). Der Betriebsrat verweigerte die Zustimmung mit der Begründung, die [X.]I [X.] 2017 sei zutreffend.

8

Die Arbeitgeberin hat die Auffassung vertreten, am [X.] seien gewöhnliche Verkaufs- und [X.]assiertätigkeiten auszuüben, die der [X.] [X.] 2017 zuzuordnen seien. Diese würden lediglich aus organisatorischen Gründen von den [X.]assen getrennt ausgeübt. Ihre Tätigkeit würde auch nicht vom [X.] „[X.] von [X.]reditfragen und [X.]undenreklamationen“ der [X.]I [X.] 2017 erfasst. Um [X.]undenreklamationen handele es sich nach ihren Richtlinien nur, wenn ein [X.]unde die Ware mehr als 28 Tage nach dem [X.]auf wegen eines Mangels zurückgeben wolle. Dies sei nur bei etwa 5 % der [X.]n der Fall. Auch würden die Tätigkeiten am [X.] nicht selbständig i[X.]d. allgemeinen Tätigkeitsmerkmals der [X.]I [X.] 2017 ausgeübt.

9

Die Arbeitgeberin hat - soweit für die Rechtsbeschwerde von Interesse - zuletzt beantragt,

        

die vom Betriebsrat verweigerte Zustimmung zur Umgruppierung

        

1.    

der [X.] in die Beschäftigungsgruppe II, 6. Berufsjahr,

        

2.    

der Arbeitnehmerin [X.]p in die Beschäftigungsgruppe II, 6. Berufsjahr,

        

3.    

der Arbeitnehmerin [X.] in die Beschäftigungsgruppe II, 6. Berufsjahr,

        

4.    

der [X.] in die Beschäftigungsgruppe II, 6. Berufsjahr

        

des zwischen dem Handelsverband Baden-Württemberg e.V. und der [X.] - [X.] geschlossenen Tarifvertrags über Gehälter, Löhne, Ausbildungsvergütungen und [X.]ozialzulagen für die Arbeitnehmer/-innen und Auszubildenden des Einzelhandels in Baden-Württemberg vom 8. Juli 2019 zu ersetzen.

Der Betriebsrat hat die Abweisung der Anträge beantragt. Er hat die Ansicht vertreten, die Tätigkeiten erfüllten das [X.] „[X.] von [X.]undenreklamationen“. Jede [X.] sei eine Reklamation im [X.]. Es reiche aus, wenn ein [X.]unde mit der Ware unzufrieden sei und diese zurückgeben wolle. Die Arbeitnehmerinnen seien zu 60 bis 70 % ihrer Arbeitszeit mit [X.]n beschäftigt. Darüber hinaus übten sie auch selbständige Tätigkeiten aus, indem sie die Ware auf [X.] prüfen.

Das Arbeitsgericht hat die Anträge der Arbeitgeberin abgewiesen. Das [X.] hat auf die Beschwerde der Arbeitgeberin den Beschluss abgeändert und den Anträgen stattgegeben. Mit der vom [X.] zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt der Betriebsrat weiterhin eine Abweisung der Anträge.

B. Die zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet. Mit der vom [X.] gegebenen Begründung durfte den Anträgen nicht stattgegeben werden. Das führt zur Aufhebung der Beschwerdeentscheidung (§ 96 Abs. 1 [X.]atz 2 ArbGG, § 562 Abs. 1 ZPO) und Zurückverweisung der [X.]ache an das [X.] (§ 96 Abs. 1 [X.]atz 2 ArbGG, § 563 Abs. 1 [X.]atz 1 ZPO).

I. Die Zustimmungsersetzungsanträge sind zulässig. Der Umstand, dass die Arbeitgeberin zuletzt jeweils die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zur Umgruppierung in die [X.] des Tarifvertrags über Gehälter, Löhne, Ausbildungsvergütungen und [X.]ozialzulagen für die Arbeitnehmer/-innen und Auszubildenden des Einzelhandels in [X.] vom 8. Juli 2019 ([X.] 2019) und nicht mehr in das Vergütungssystem des [X.] 2017 begehrt, führt nicht zu einer in der [X.] unzulässigen Antragsänderung. Die vorliegend maßgebliche Vergütungsordnung des [X.] 2019 entspricht insoweit derjenigen der Vorgängerregelung. Der Gegenstand der zukunftsbezogenen Zustimmungsersetzungsanträge ist damit derselbe geblieben (vgl. [X.] 21. März 2018 - 7 [X.] - Rn. 14).

II. Die Bewertung der den Arbeitnehmerinnen übertragenen Tätigkeiten durch das [X.] ist nicht frei von Rechtsfehlern.

1. Die Arbeitgeberin hat die Zustimmungsverfahren ordnungsgemäß i[X.]v. § 99 Abs. 1 [X.]atz 1 BetrVG eingeleitet. [X.]ie hat den Betriebsrat über die beabsichtigten personellen Einzelmaßnahmen unter Vorlage der erforderlichen Unterlagen informiert (vgl. dazu zB [X.] 21. März 2018 - 7 [X.] - Rn. 17). Der Betriebsrat wiederum hat seine Zustimmung form- und fristgerecht nach § 99 Abs. 2, Abs. 3 BetrVG verweigert. Er hat jeweils Gründe genannt, die es als möglich erscheinen lassen, dass die [X.] berechtigt erfolgten.

2. Bei der Einreihung der Arbeitnehmerinnen in die [X.] nach Abschnitt I [X.] 2019 handelt es sich um eine nach § 99 Abs. 1 BetrVG mitbestimmungspflichtige Umgruppierung. Eingruppierung i[X.]v. § 99 Abs. 1 [X.]atz 1 BetrVG ist die Einreihung eines Arbeitnehmers in eine betriebliche Vergütungsordnung. Eine Umgruppierung ist jede Änderung dieser Einreihung. Über eine solche muss der Arbeitgeber nicht nur beim Wechsel der einem Arbeitnehmer zugewiesenen Arbeitsaufgaben, sondern auch dann befinden, wenn sich bei gleichbleibender Tätigkeit die betriebliche Vergütungsordnung ändert und infolge dieser Änderung eine Entscheidung über eine „Neueingruppierung“ des Arbeitnehmers erforderlich wird ([X.] 13. November 2019 - 4 [X.] - Rn. 17; 14. April 2015 - 1 [X.] - Rn. 23, [X.]E 151, 212). Galt zunächst die Vergütungsordnung nach Anlage B zum [X.], waren die Tätigkeiten der Arbeitnehmer gemäß § 11 Abs. 3 iVm. Abs. 2 [X.] zum 1. Mai 2017 der Vergütungsordnung des [X.] zuzuordnen.

3. Die Beschwerdeentscheidung erweist sich als rechtsfehlerhaft. Das [X.] hat die erforderliche Ermittlung unterlassen, ob eine einheitliche Gesamttätigkeit oder [X.] vorliegen.

a) Die für die Eingruppierung („Einreihung“) maßgeblichen Bestimmungen in § 11 des [X.] für die Angestellten und gewerblichen Arbeitnehmer/innen des Einzelhandels [X.] vom 5. Dezember 2013 ([X.]) lauten auszugsweise wie folgt:

        

„§ 11 

        

Einreihung der Arbeitnehmer/innen in Beschäftigungsgruppen und [X.]

        

1.    

Die Angestellten werden in Beschäftigungsgruppen, die gewerblichen Arbeitnehmer/innen in [X.] eingereiht, die Bestandteile des Gehalts- und Lohntarifvertrages sind.

        

2.    

Für die Einreihung des/der Angestellten in eine Beschäftigungsgruppe ist ausschließlich die Art seiner/ihrer Tätigkeit entscheidend. Maßgebend sind die jeder Gruppe vorangestellten Tätigkeitsmerkmale.

                          
                          
                 

Die bei den Beschäftigungsgruppen aufgeführten Beispiele sind weder erschöpfend noch für jeden Betrieb zutreffend.

        

…       

        
        

5.    

Angestellte mit Tätigkeiten, die nicht in den Beschäftigungsgruppen erwähnt sind, werden in die Gruppe eingereiht, die ihrem Aufgabenkreis am nächsten kommt.

        

6.    

Üben Angestellte dauernd Tätigkeiten aus, die unter verschiedene Beschäftigungsgruppen fallen, so werden sie in die Beschäftigungsgruppe eingruppiert, die ihrer überwiegenden Tätigkeit entspricht.

        

…“    

        

b) Danach ist für die Eingruppierung die überwiegend ausgeübte Tätigkeit der Arbeitnehmer maßgeblich. Nach § 11 Nr. 6 [X.] gehen die Tarifvertragsparteien davon aus, dass sich die ausgeübte Tätigkeit eines Arbeitnehmers aus verschiedenen [X.] unterschiedlicher [X.] zusammensetzen kann. Es handelt sich dabei um einen allgemein anerkannten Grundsatz der Eingruppierung. Zur Bestimmung der Gesamt- oder [X.] gelten vergleichbare Regeln wie bei der Bestimmung von Arbeitsvorgängen nach den Tarifverträgen des öffentlichen Dienstes, lediglich die anzuwendenden Maßstäbe sind weniger streng ([X.] 24. Febr[X.]r 2016 - 4 [X.] - Rn. 15 mwN). Die so bestimmte Gesamt- oder die [X.] sind dann tariflich (gesondert) zu bewerten ([X.] 26. August 2015 - 4 [X.] - Rn. 43; 13. November 2013 - 4 [X.] - Rn. 26). Dies gilt auch für die Erfüllung von [X.]en. Ein solches kann sich immer nur auf eine einheitlich zu bewertende Gesamttätigkeit oder eine Teiltätigkeit beziehen ([X.] 24. Febr[X.]r 2016 - 4 [X.] - Rn. 18).

c) Das [X.] hat rechtsfehlerhaft keine Gesamttätigkeit oder [X.] bestimmt. Es hat vielmehr bei seiner Bewertung darauf abgestellt, ob die Arbeitnehmerinnen „überwiegend mit dieser Tätigkeit“, den [X.]undenreklamationen, „beschäftigt sind“ sowie anschließend, ob die Arbeiten, die am [X.] anfallen, „überwiegend die Tätigkeitsmerkmale der Gehaltsgruppe III“ [X.] 2017 erfüllen. Damit hat es einzelne Tätigkeiten einer Würdigung unterzogen und diese in Bezug zur Gesamtarbeitszeit gesetzt. Es fehlt aber an der erforderlichen Bestimmung und Bewertung der jeweils maßgeblichen einheitlichen Gesamttätigkeit oder [X.].

Weiterhin hat das [X.] keine hinreichenden Feststellungen zum zeitlichen Anteil der jeweiligen Tätigkeiten getroffen. Es hat lediglich den Vortrag der Beteiligten wiedergegeben und daraus den [X.]chluss gezogen, es könne nicht festgestellt werden, dass die Arbeitnehmerinnen im Verhältnis zu ihrer Gesamtarbeitszeit überwiegend mit Reklamationen oder selbständigen Tätigkeiten beschäftigt würden.

III. Ob die Zustimmungsersetzungsanträge in der [X.]ache begründet sind, kann der [X.]enat nach § 96 Abs. 1 [X.]atz 2 ArbGG iVm. § 563 Abs. 3 ZPO nicht selbst entscheiden. Es fehlt an den erforderlichen Feststellungen des [X.] zur inhaltlichen Ausgestaltung der Arbeitsplätze, die es dem [X.]enat ermöglichen würden, die Erfüllung der Tätigkeitsmerkmale zu prüfen. Der Inhalt der durch die Arbeitnehmerinnen ausgeübten Tätigkeiten wird zwar im Hinblick auf die „Abwicklung von [X.] und -umtausch“ im Grundsatz festgestellt. Hinsichtlich der weiteren Tätigkeiten beschränken sich die Feststellungen aber auf [X.]tichpunkte. Diesen lassen sich der genaue Tätigkeitsinhalt sowie deren Ablauf und Organisation nicht entnehmen. Es ist schon nicht ersichtlich, ob die Tätigkeiten einheitlich oder teilweise getrennt zugewiesen und von einem „[X.]“ oder auch an anderen Orten ausgeübt werden. Diese Feststellungen wären aber erforderlich, um zu bestimmen, ob die Arbeitnehmerinnen eine Gesamt- oder mehrere [X.] ausüben. Mangels konkreter Feststellungen zum Inhalt der einzelnen Tätigkeiten kann der [X.]enat auch nicht beurteilen, ob die Bestimmung einer Gesamt- oder mehrerer [X.] deshalb dahinstehen kann, weil unter keinem denkbaren Zuschnitt der Arbeitsaufgaben eine Einreihung in die [X.] III [X.] 2019 in Betracht kommt.

IV. Das [X.] wird bei der erneuten Anhörung und Entscheidung zunächst auf Grundlage des nach § 83 ArbGG von Amts wegen zu ermittelnden näheren Inhalts der Einzeltätigkeiten zu bestimmen haben, ob eine Gesamt- oder mehrere [X.] vorliegen. Anschließend wird es nach Maßgabe des § 11 [X.] und unter Berücksichtigung der nachstehenden Ausführungen zu bewerten haben, ob die Tätigkeiten der Arbeitnehmerinnen eine Einreihung in die [X.] [X.] 2019 begründen können.

1. Der [X.] 2019 enthält [X.]. folgende Regelungen:

        

I. Gehälter

        

 1. Beschäftigungsgruppen

        

Gruppe I

        

Tätigkeitsmerkmale:

                 

Vorwiegend schematische oder mechanische Tätigkeiten.

        

…       

        

Gruppe II

        

Tätigkeitsmerkmale:

                 

Einfache kaufmännische Tätigkeiten, für die die Tätigkeitsmerkmale einer höheren Beschäftigungsgruppe nicht zutreffen.

        

Beispiele:

                 

Verkäufer und Verkäuferinnen, [X.]assierer/-innen mit einfacher Tätigkeit, auch an [X.]B-[X.]assen, Angestellte am Packtisch mit [X.]ontrolltätigkeit.

                 

Angestellte in der Dekoration, Dekorateure/Dekorateurinnen.

                 

Angestellte in Lager und Expedition. [X.]achkundiges Prüfen von ein- und ausgehender Ware.

                 

…       

        

Gruppe III

        

Tätigkeitsmerkmale:

                 

Tätigkeiten, die selbständig im Rahmen allgemeiner Anweisungen ausgeübt werden.

        

Beispiele:

                 

Erste Verkäufer/-innen ([X.]). [X.]ortimentskontrollen, [X.]assierer/-innen mit gehobener Tätigkeit, z.B. an Etagen-, Bereichs-, Regional- und [X.]ammelkassen sowie an Verbrauchermarkt- und sonstigen [X.]B-[X.]assen.

                 

…       

                          
                 

Buchhalter/-innen und [X.], [X.] von [X.]reditfragen und [X.]undenreklamationen. …“

2. Eine Einreihung in [X.] [X.] 2019 setzt zunächst die Ausübung einfacher kaufmännischer Tätigkeiten voraus. Auch wenn zwischen den Beteiligten nicht streitig ist, dass die Arbeitnehmerinnen zumindest solche ausüben, ist diesbezüglich eine pauschale Überprüfung erforderlich. Diese muss erkennen lassen, aufgrund welcher konkreten Tatsachen die Erfordernisse einer bestimmten Vergütungsgruppe als erfüllt angesehen werden können (vgl. [X.] 13. November 2019 - 4 [X.] - Rn. 20 mwN).

3. Allerdings scheidet eine Eingruppierung in [X.] [X.] 2019 aus, wenn Tätigkeitsmerkmale einer höheren [X.] zutreffen.

a) Das [X.] wird daher zu prüfen haben, ob die (Gesamt- oder eine Teil-)Tätigkeit der Arbeitnehmerinnen das [X.] der [X.] III [X.] 2019 „[X.] von [X.]reditfragen und [X.]undenreklamationen“ erfüllen.

aa) Bei dieser Prüfung kann nicht nur auf den - noch durch das [X.] festzustellenden - zeitlichen Umfang der Reklamationen innerhalb einer Gesamt- oder Teiltätigkeit abgestellt werden. Das [X.] kann auch dann erfüllt sein, wenn Reklamationen zwar nicht zeitlich überwiegend bearbeitet werden, diese aber dennoch die Gesamt- oder eine Teiltätigkeit prägen.

(1) Nach ständiger Rechtsprechung sind bei Vergütungsgruppen, in denen allgemein gefassten Tätigkeitsmerkmalen konkrete Beispiele beigefügt sind, die Erfordernisse der Tätigkeitsmerkmale regelmäßig dann als erfüllt anzusehen, wenn der Arbeitnehmer eine den Beispielen entsprechende Tätigkeit ausübt ([X.] 12. Juni 2019 - 4 [X.] - Rn. 17; 23. Jan[X.]r 2019 - 4 [X.] - Rn. 27, jeweils mwN).

(2) Eine entsprechende Tätigkeit liegt - soweit es sich bei dem [X.] nicht um ein tarifliches Q[X.]lifikationsmerkmal handelt (vgl. hierzu [X.] 18. Febr[X.]r 2015 - 4 [X.] - Rn. 43; 13. November 2013 - 4 [X.] - Rn. 40) - nicht ohne weiteres bereits dann vor, wenn die Voraussetzungen des [X.]s in geringem, aber rechtserheblichem Ausmaß erfüllt werden. Vielmehr wird eine Tätigkeit regelmäßig nur dann einem [X.] entsprechen, wenn sie innerhalb der zu bewertenden Arbeitseinheit zeitlich überwiegend ausgeübt wird. Eine entsprechende Tätigkeit kann aber auch dann vorliegen, wenn die anfallenden Aufgaben durch ihre q[X.]litativen Anforderungen den [X.]chwerpunkt der Tätigkeiten bilden oder für die Gesamt- oder Teiltätigkeit so bedeutsam sind, dass die Gesamt- oder Teiltätigkeit insgesamt dem „Bild“ der durch das [X.] beschriebenen Tätigkeit entspricht. Es muss sich um dem [X.] typischerweise zuzuordnende Tätigkeiten handeln.

bb) Zur Erfüllung des [X.]s ist ausreichend, dass ein Arbeitnehmer entweder [X.]reditfragen oder [X.]undenreklamationen bearbeitet. Die Worte sind zwar in dem Tarifvertrag durch ein „und“ verbunden. Dieses wird aber, wie sich aus der [X.]ystematik der [X.]e insgesamt ergibt, lediglich zur Aufzählung verwendet, nicht um eine kumulative Anforderung zu kennzeichnen. Hierfür spricht auch, dass das [X.] bis zur Einfügung des Merkmals „[X.]undenreklamationen“ mit dem Gehalts- und Lohntarifvertrag, Ausbildungsvergütungen für die Arbeitnehmer und Auszubildenden des Einzelhandels in [X.] vom 11. März 1975 ([X.] 1975) ausschließlich die Bearbeitung von [X.]reditfragen vorsah. Es ist nicht ersichtlich, dass dies nach Änderung des Tarifvertrags nicht mehr allein ausreichend sein sollte, um das [X.] zu erfüllen.

cc) Das [X.] hat seiner Prüfung den zutreffenden Begriff der „[X.]undenreklamationen“ zugrunde gelegt. Um solche handelt es sich entgegen der Auffassung des Betriebsrats nur dann, wenn sachliche Beanstandungen der Ware inhaltlich auf ihre Berechtigung geprüft und bearbeitet werden, nicht aber, wenn - wie im Betrieb der Arbeitgeberin innerhalb der ersten 28 Tage nach [X.]auf - die Ware ohne weitere Voraussetzungen zurückgegeben werden kann. Dies ergibt die Auslegung des Tarifvertrags (zu den Maßstäben der Tarifauslegung zB [X.] 20. Juni 2018 - 4 [X.] - Rn. 19).

(1) „[X.] von [X.]undenreklamationen“ erfordert dem Wortlaut nach die inhaltliche Auseinandersetzung mit einer Beanstandung der erworbenen Ware als mangelhaft. Bei der Bestimmung des Begriffs der „Reklamation“ ist der allgemeine [X.]prachgebrauch zugrunde zu legen.

(a) Wird ein von den Tarifvertragsparteien verwendeter Begriff nicht im Tarifvertrag selbst definiert, ist für die Ermittlung des fachlichen Geltungsbereichs davon auszugehen, dass sie diesen in dem [X.]inne gebraucht haben, wie es dem allgemeinen [X.]prachgebrauch und der Auffassung der beteiligten Branchen entspricht, wenn nicht sichere Anhaltspunkte für eine abweichende Auslegung gegeben sind ([X.] 12. Juni 2019 - 4 [X.] - Rn. 47 mwN).

(b) Nach dem allgemeinen [X.]prachgebrauch ist unter Reklamation die Beanstandung bestimmter Mängel oder Inkorrektheiten zu verstehen ([X.] Deutsches Universalwörterbuch 8. Aufl. [X.]tichwort „Reklamation“; [X.] Wirtschaftslexikon 18. Aufl. [X.]tichwort „Reklamation“: Mängelanzeige). [X.]ynonym zu „reklamieren“ werden die Begriffe „beanstanden“, „bemängeln“, „monieren“, „sich beklagen“, „sich beschweren“ verwendet ([X.] [X.]. [X.]tichwort „reklamieren“; [X.] Deutsches Wörterbuch 9. Aufl. [X.]tichwort „reklamieren“). Eine Reklamation liegt danach nur dann vor, wenn der [X.]unde die Auffassung vertritt, die Ware befinde sich nicht im vereinbarten oder zu erwartenden Zustand, sei mithin mangelhaft i[X.]d. Gewährleistungsrechts, woraus er Rechte, zB zur Rückgabe und [X.]aufpreiserstattung, herleitet.

(c) Nicht erfasst werden hingegen die Fälle, in denen die Ware objektiv mangelfrei ist, der [X.]unde aber aus anderen Gründen von [X.]ulanzregelungen des Verkäufers zur Rückgabe Gebrauch machen will. Deshalb kommt es entgegen der Auffassung des Betriebsrats nicht darauf an, ob in einer von ihm angeführten Internetquelle (www.onpulson.de/lexikon/reklamation) neben tatsächlichen Mängeln auch „Missverständnisse oder unrealistische Erwartungen“ als [X.]undenreklamationen angesehen werden. [X.]oweit „Missverständnisse oder unrealistische Erwartungen“ nicht ausnahmsweise zu berechtigten „Reklamationen“ führen, fehlt es an Anhaltspunkten, dass die Tarifvertragsparteien den Begriff abweichend vom allgemeinen [X.]prachgebrauch - in dem erweiterten [X.]inne, den der Betriebsrat vertritt - verstanden haben.

(d) Zudem wird auch im Einzelhandel zwischen Reklamationen und anderen [X.]n unterschieden. Die Verordnung über die Berufsausbildungen zum Verkäufer und zur Verkäuferin sowie zum [X.]aufmann im Einzelhandel und zur [X.]auffrau im Einzelhandel (Verkäufer- und Einzelhandelskaufleuteausbildungsverordnung - VerkEH[X.]flAusbV) vom 13. März 2017, zuletzt geändert durch Art. 1 der Verordnung vom 1. Juni 2017 (BGBl. I [X.]. 1503) differenziert an mehreren [X.]tellen zwischen Umtausch und Reklamation.

(2) Für ein solches Verständnis des Begriffs „[X.]undenreklamation“ spricht weiterhin die Tarifentwicklung des [X.]. Das [X.] ist mit dem [X.] 1975 eingefügt worden. Dabei sind für die Auslegung zunächst die Verhältnisse zu diesem Zeitpunkt maßgebend (vgl. [X.] 16. März 2016 - 4 [X.] - Rn. 27; 6. Dezember 2006 - 4 [X.] - Rn. 23, [X.]E 120, 269). Damals war unter dem Begriff Reklamation lediglich die Mängelrüge zu verstehen, da die Zulässigkeit einer [X.] ohne einen Mangel der gekauften [X.]ache nach Maßgabe der noch geltenden Verordnung des Reichspräsidenten zum [X.]chutze der Wirtschaft, Erster Teil: Zugabewesen (Zugabeverordnung, vom 9. März 1932, [X.]. I [X.]. 121, außer [X.] getreten am 24. Juli 2001) zumindest umstritten war (vgl. [X.] 28. [X.]eptember 2000 - I ZR 201/98 -; 5. April 2001 - I ZR 39/99 -). Es fehlt an Anhaltspunkten, dass die Tarifvertragsparteien bei Ne[X.]bschluss der folgenden Gehaltstarifverträge ohne Änderung des Wortlauts der Vorschrift ein anderes Verständnis zugrunde gelegt haben könnten.

(3) Eine im Betrieb der Arbeitgeberin innerhalb der ersten 28 Tage nach [X.]auf vorgenommene [X.] stellt daher - unabhängig davon, ob die Ware mangelhaft ist oder nicht - keine Reklamation im [X.] dar, weil der Grund der Rückgabe für diese ohne Bedeutung ist.

b) Das [X.] wird ferner nach Maßgabe der noch zu treffenden Feststellungen zur Organisation und Ausgestaltung der Tätigkeiten zu prüfen haben, ob möglicherweise aufgrund der Bündelung bestimmter Aufgaben am [X.] das [X.] „[X.]assierer/-innen mit gehobener Tätigkeit, z.B. an [X.]ammelkassen“ einschlägig ist. Eine [X.]ammelkasse im [X.] liegt vor, wenn an einer [X.]asse abteilungsübergreifend gegenüber anderen vorhandenen [X.]assen bestimmte besondere [X.]assenangelegenheiten erledigt werden ([X.] 23. [X.]eptember 2009 - 4 [X.] - Rn. 36 mwN).

c) Ergibt sich aufgrund der [X.]e keine Zuordnung der Tätigkeiten der Arbeitnehmerinnen zur [X.] III [X.] 2019 ist zu beurteilen, ob die Anforderungen des allgemeinen Tätigkeitsmerkmals dieser Gruppe - selbständige Tätigkeiten im Rahmen allgemeiner Anweisungen - innerhalb einer Gesamt- oder von [X.] mit insgesamt überwiegendem zeitlichen Umfang erfüllt sind.

aa) Dabei ist es ausreichend, wenn die selbständigen Tätigkeiten innerhalb der Gesamt- oder Teiltätigkeit in rechtserheblichem Ausmaß anfallen und ohne sie ein sinnvoll verwertbares Arbeitsergebnis nicht erzielt werden könnte (vgl. hierzu [X.] 28. Febr[X.]r 2018 - 4 [X.] - Rn. 38, [X.]E 162, 81; 17. April 2013 - 4 [X.] - Rn. 40).

bb) Das [X.] ist zutreffend vom Begriff der [X.]elbständigkeit i[X.]d. [X.]I [X.] 2019 ausgegangen (vgl. dazu [X.] 13. November 2019 - 4 [X.] - Rn. 40 [zum [X.] Einzelhandel [X.]]; 18. Mai 2011 - 4 [X.] - Rn. 29; 23. [X.]eptember 2009 - 4 [X.] - Rn. 41 mwN). Als selbständige Tätigkeiten kommen - abhängig davon, inwieweit die Arbeitgeberin durch die Arbeitsschritte das mögliche Ergebnis vorgegeben hat - etwa die Entscheidung über Preisreduzierungen, die Prüfung der Ware auf [X.] und die Durchführung von Reklamationen in Betracht. Dabei können allerdings nur dann selbständige Leistungen vorliegen, wenn die Tätigkeiten über das der [X.] [X.] 2019 zugeordnete „[X.]achkundige Prüfen von ein- und ausgehender Ware“ hinausgehen. Von weiteren Hinweisen sieht der [X.]enat ab.

        

    Treber    

        

    Rinck    

        

    [X.]lug    

        

        

        

    [X.]opp    

        

    [X.]    

                 

Meta

4 ABR 19/19

26.02.2020

Bundesarbeitsgericht 4. Senat

Beschluss

Sachgebiet: ABR

vorgehend ArbG Karlsruhe, 11. April 2018, Az: 9 BV 9/17, Beschluss

§ 99 Abs 1 BetrVG, § 99 Abs 4 BetrVG, § 1 TVG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 26.02.2020, Az. 4 ABR 19/19 (REWIS RS 2020, 352)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 352

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

4 ABR 82/09 (Bundesarbeitsgericht)

Eingruppierung von Kassierern in einem Einrichtungshaus nach dem Gehaltstarifvertrag für den Einzelhandel in Baden-Württemberg - …


4 ABR 122/09 (Bundesarbeitsgericht)

Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zur Eingruppierung einer Mitarbeiterin im Verkauf/Lager in den Gehalts-TV Einzelhandel …


4 ABR 3/19 (Bundesarbeitsgericht)

Eingruppierung von Salesfloor Supervisoren - Zustimmungsersetzungsverfahren


10 AZR 211/17 (Bundesarbeitsgericht)

Tarifliche Funktionszulage für Kassierer/innen des Lebensmitteleinzelhandels in Baden-Württemberg - Auslegung der Tarifvorschrift I 2 a …


5 TaBV 27/20 (LArbG München)

Gehaltsgruppen II, III und IV des Gehaltstarifvertrages für die Angestellten im Einzelhandel in Bayern


Referenzen
Wird zitiert von

4 TaBV 13/21

7 Sa 661/21

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.