Bundesgerichtshof, Urteil vom 28.03.2019, Az. I ZR 132/17

1. Zivilsenat | REWIS RS 2019, 8754

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Gegenstand

Öffentliche Wiedergabe eines urheberrechtlich geschützten Computerprogramms bei Abrufmöglichkeit in Downloadportal - Testversion


Leitsatz

Testversion

Das Bereithalten eines Computerprogramms zum Abruf auf einem Downloadportal stellt eine öffentliche Wiedergabe in Form des öffentlichen Zugänglichmachens dar, wenn der Betreiber des Downloadportals das Computerprogramm auf einem eigenen Rechner vorhält und auf diese Weise die Kontrolle über seine Bereithaltung ausübt. Das gilt auch dann, wenn das Computerprogramm zuvor vom Urheberrechtsinhaber auf einer anderen Internetseite frei zugänglich im Internet zur Verfügung gestellt worden ist.

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 29. Zivilsenats des [X.] vom 1. Juni 2017 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin ist die in den [X.] ansässige [X.]. Sie entwickelt und vertreibt das Computerprogrammpaket "[X.] 2013".

2

Der Beklagte bot über seine Website, einen Webshop und die [X.]-Handelsplattform [X.] bundesweit Microsoft-Computerprogramme zum Kauf an. Im September und Oktober 2013 sowie im August 2014 erwarben Testkäufer bei ihm jeweils Exemplare des [X.] "[X.] 2013 Professional Plus Vollversion [X.]". Der Beklagte übersandte den Testkäufern in allen drei Fällen E-Mails, in denen ein als "Lizenzschlüssel" bezeichneter Product-Key sowie ein [X.] auf die Website des Beklagten mitgeteilt wurden. Der vom Beklagten mitgeteilte [X.] führte jeweils zu einem vom Beklagten betriebenen Portal, auf dem das Programm "[X.] 2013" zum Download bereitgehalten wurde. Das Programm konnte von sämtlichen Besuchern dieser [X.]seite ohne Product-Key als 30-Tage-Testversion genutzt werden.

3

Die Klägerin sieht durch das Verhalten des Beklagten ihr Urheberrecht an dem Computerprogramm verletzt. Sie hat den Beklagten - soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung - auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Rechnungslegung in Anspruch genommen sowie die Feststellung seiner Schadensersatzpflicht beantragt.

4

Das [X.] hat der Klage mit diesen Anträgen stattgegeben. Die Berufung des Beklagten ist im Wesentlichen ohne Erfolg geblieben. Soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung, hat das Berufungsgericht es dem Beklagten gemäß dem zuletzt gestellten Berufungsantrag zu [X.] unter Androhung von [X.] verboten,

ohne Einwilligung der Klägerin das [X.] "[X.] 2013" über das [X.] öffentlich zum Abruf per Download durch Dritte bereitzuhalten.

5

Außerdem hat das Berufungsgericht den Beklagten im Hinblick auf die insoweit verbotene Handlung zur Auskunftserteilung und Rechnungslegung verurteilt und seine Pflicht zur Leistung von Schadensersatz festgestellt ([X.], [X.], 1034).

6

Der Beklagte verfolgt mit seiner vom Berufungsgericht in Bezug auf den wiedergegebenen [X.] zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, seinen Antrag auf Abweisung des [X.] zu [X.] und der auf diesen bezogenen Anträge auf Auskunftserteilung, Rechnungslegung und Feststellung seiner Schadensersatzpflicht weiter.

Entscheidungsgründe

7

A. Das Berufungsgericht hat angenommen, der Klägerin stünden der mit dem Antrag zu [X.] geltend gemachte Unterlassungsanspruch und die darauf bezogenen [X.] gemäß § 97 Abs. 1 und 2, § 101 Abs. 1 und 3 [X.] zu. Zur Begründung hat es ausgeführt:

8

Der [X.] habe dadurch, dass er das Computerprogrammpaket "[X.] 2013" ohne Zustimmung der Klägerin in der 30-Tage-Testversion für sämtliche Besucher seiner [X.]seite zum Abruf bereitgehalten habe, das Recht der Klägerin zur öffentlichen Zugänglichmachung verletzt.

9

Der Annahme einer Rechtsverletzung stehe nicht entgegen, dass das vom [X.]n im [X.] bereitgehaltene Computerprogramm ohne Product-Key nur als 30-Tage-Testversion verwendet werden könne. Es könne dahinstehen, ob die Klägerin ihrerseits - wie vom [X.]n behauptet - das Programmpaket "[X.] 2013" der Öffentlichkeit mit einer Nutzungseinschränkung auf 30 Tage frei zugänglich im [X.] zur Verfügung gestellt habe. Dieser Umstand ändere nichts daran, dass das Verhalten des [X.]n die Voraussetzungen einer öffentlichen Wiedergabe gemäß § 69c Nr. 4 [X.] erfülle. Entgegen der Ansicht des [X.]n sei die Wiedergabe gegenüber einem "neuen Publikum" im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] erfolgt.

B. Die hiergegen gerichtete Revision des [X.]n hat keinen Erfolg.

I. Die Revision ist nicht nur hinsichtlich der Verurteilung zur Unterlassung, sondern auch hinsichtlich der darauf bezogenen Verurteilungen zu Auskunftserteilung und Rechnungslegung sowie Feststellung der Schadensersatzpflicht zulässig.

1. Allerdings hat das Berufungsgericht die Revision des [X.]n in seinem Entscheidungssatz lediglich auf seinen [X.] zu [X.] beschränkt zugelassen und dazu ausgeführt, insoweit sei die Frage der öffentlichen Zugänglichmachung mit Blick auf die Vorlageentscheidung des [X.] in der Sache "[X.]" (Beschluss vom 23. Februar 2017 - I ZR 267/15, [X.], 514 = [X.], 569) von grundsätzlicher Bedeutung.

2. Diese Beschränkung der Zulassung ist aber unwirksam, soweit die auf den [X.] zu [X.] bezogenen Annexanträge in Rede stehen.

a) Eine Beschränkung der Revisionszulassung ist nur wirksam, wenn die Zulassung sich auf einen tatsächlich und rechtlich selbständigen Teil des Gesamtstreitstoffs bezieht und auch im Falle der Zurückverweisung kein Widerspruch zum nicht anfechtbaren Teil des Streitstoffs auftreten kann ([X.], Beschluss vom 10. April 2018 - [X.], [X.], 710 Rn. 21; Urteil vom 26. Juli 2018 - I ZR 226/14, [X.], 1246 Rn. 17 = [X.], 82 - [X.], jeweils mwN).

b) Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor. Die vom Berufungsgericht vorgenommene Beschränkung der Zulassung der Revision begründet die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen. Der Unterlassungsantrag zu [X.] und die auf diesen Antrag bezogenen Anträge auf Auskunftserteilung, Rechnungslegung und Feststellung der Schadensersatzpflicht setzen jeweils voraus, dass das [X.] der Klägerin durch das Bereithalten von [X.] zum Download verletzt wird. Dies wiederum ist davon abhängig, ob dieses Verhalten die Voraussetzungen einer öffentlichen Wiedergabe im Sinne von § 69c Nr. 4 [X.] erfüllt.

II. Die Revision ist unbegründet. Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, der [X.] habe dadurch, dass er ohne Einwilligung der Klägerin das Computerprogramm "[X.] 2013" über das [X.] auf seinem [X.] zum Abruf durch Dritte bereitgehalten hat, das ausschließliche Recht der Klägerin zur öffentlichen Zugänglichmachung gemäß § 69c Nr. 4 [X.] verletzt.

1. Nach § 69c Nr. 4 [X.] steht dem Rechtsinhaber das ausschließliche Recht zu, die drahtgebundene oder drahtlose öffentliche Wiedergabe eines Computerprogramms einschließlich der öffentlichen Zugänglichmachung in der Weise, dass es Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich ist, vorzunehmen oder zu gestatten.

2. Das Berufungsgericht hat angenommen, dass der Klägerin die urheberrechtlichen Verwertungsrechte an den Computerprogrammen "[X.] 2013" zustehen und sie dem [X.]n keine Zustimmung zur öffentlichen Zugänglichmachung dieser Programme erteilt hat. Gegen diese Beurteilung wendet sich die Revision nicht; sie lässt auch keinen Rechtsfehler erkennen.

3. Das Berufungsgericht hat weiter festgestellt, dass der [X.] das Computerprogramm "[X.] 2013" über das [X.] auf seinem [X.] zum Abruf durch Dritte bereitgehalten hat. Dieses Verhalten verletzt das Recht zum öffentlichen Zugänglichmachen gemäß §§ 19a, 69c Nr. 4 [X.].

a) Bei der Auslegung des Begriffs der öffentlichen Wiedergabe eines Computerprogramms einschließlich der öffentlichen Zugänglichmachung gemäß § 69c Nr. 4 [X.] gelten unionsrechtliche Maßstäbe.

aa) Bei dem Recht der öffentlichen Zugänglichmachung handelt es sich um ein besonderes Recht der öffentlichen Wiedergabe (vgl. § 15 Abs. 2 und 3 [X.]). Da es sich bei den Rechten des Urhebers zur öffentlichen Wiedergabe in Form der öffentlichen Zugänglichmachung um nach Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/[X.] harmonisiertes Recht handelt, sind die entsprechenden Bestimmungen des [X.] auszulegen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/[X.] diese Rechte in seinem Anwendungsbereich vollständig harmonisiert und die Mitgliedstaaten das durch diese Vorschrift begründete Schutzniveau daher weder unterschreiten noch überschreiten dürfen (vgl. [X.], Urteil vom 13. Februar 2014 - [X.]/12, [X.], 360 Rn. 33 bis 41 = [X.], 414 - [X.]/[X.]; [X.], [X.], 514 Rn. 17 - [X.] I; [X.], Beschluss vom 20. September 2018 - [X.], [X.], 1239 Rn. 15 = [X.], 1480 - uploaded).

bb) Allerdings sieht die Richtlinie 2009/24/[X.] über den Rechtsschutz von Computerprogrammen kein eigenständiges Recht zur öffentlichen Wiedergabe vor. Dieser Umstand steht einer einheitlichen Auslegung dieses Rechtsbegriffs in Übereinstimmung mit Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/[X.] aber nicht entgegen.

(1) Dies gilt zum einen, wenn man davon ausgeht, es liege hinsichtlich des Rechts zur öffentlichen Wiedergabe von Computerprogrammen eine Lücke im Unionsrecht vor, die für das [X.] Recht durch das Gesetz zur Regelung des [X.]s in der Informationsgesellschaft vom 10. September 2003 (BGBl. [X.]774, 1777) im Wege der klarstellenden Hinzufügung von § 69c Nr. 4 [X.] geschlossen worden sei, ohne dass dies durch die Richtlinie 2001/29/[X.] veranlasst gewesen wäre (Dreier in Dreier/[X.], [X.], 6. Aufl., § 69c Rn. 27). Es handelte sich dann lediglich um eine Klarstellung der bereits zuvor geltenden Rechtslage (vgl. Begründung des [X.], BT-Drucks. 15/38, [X.]; [X.], Urteil vom 20. Mai 2009 - I ZR 239/06, [X.], 864 Rn. 16 = [X.], 1143 - [X.]). In diesem Fall erforderte der Grundsatz der einheitlichen Auslegung des nationalen Rechts, den Begriff der öffentlichen Wiedergabe einschließlich des Begriffs der öffentlichen Zugänglichmachung in § 69c Nr. 4 [X.] wie die entsprechenden Begriffe in § 15 Abs. 2 Satz 1 und 2, § 19a [X.] in Übereinstimmung mit den entsprechenden Begriffen in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/[X.] auszulegen (vgl. [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 12. Aufl., § 69c [X.] Rn. 34). Nach diesem Grundsatz kann nach dem innerstaatlichen Recht eine für bestimmte Sachverhalte gebotene richtlinienkonforme Auslegung auf nicht von der Richtlinie erfasste Konstellationen zu erstrecken sein, wenn der nationale Gesetzgeber beide Fallgestaltungen parallel regeln wollte (vgl. [X.], Urteil vom 17. September 2015 - [X.], [X.]Z 206, 365 Rn. 38 - [X.], mwN). So verhielte es sich hier. Es gibt keine Anhaltspunkte für die Annahme, der nationale Gesetzgeber habe in § 69c Nr. 4 [X.] einen anderen Begriff der öffentlichen Wiedergabe einschließlich des Begriffs der öffentlichen Zugänglichmachung als in § 15 Abs. 2 Satz 1 und 2, § 19a [X.] zugrunde legen wollen.

(2) Es ist allerdings fraglich, ob im Hinblick auf das Recht der öffentlichen Wiedergabe von Computerprogrammen tatsächlich eine Lücke im Unionsrecht vorliegt und diese durch das nationale Recht geschlossen werden könnte. Für den Fall, dass die Richtlinie 2009/24/[X.] abschließend festlegt, welche Ausschließlichkeitsrechte die Schutzberechtigten geltend machen können, um bestimmte Handlungen zu erlauben oder zu verbieten (vgl. Erwägungsgründe 4 bis 6 der Richtlinie 2009/24/[X.]), könnte Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/[X.] ein ausschließliches Recht des Urhebers eines Computerprogramms zur öffentlichen Wiedergabe einschließlich der öffentlichen Zugänglichmachung begründen. Dafür spricht, dass die Richtlinie 2001/29/[X.] gemäß ihrem Erwägungsgrund 15 auch der Umsetzung des WIPO-[X.]svertrags ([X.]) vom 20. Dezember 1996 dient, der in seinen Artikeln 4 und 8 für Urheber von Computerprogrammen ein ausschließliches Recht der öffentlichen Wiedergabe einschließlich der öffentlichen Zugänglichmachung vorsieht (vgl. [X.], [X.] 2002, 309, 311; Dreier, ZUM 2002, 28, 29; vgl. auch [X.] in [X.]/[X.], [X.], 4. Aufl., § 69c [X.] Rn. 1). Dem stünde nicht entgegen, dass die Richtlinie 2001/29/[X.] die unionsrechtlichen Bestimmungen über den rechtlichen Schutz von Computerprogrammen unberührt lässt und sie in keiner Weise beeinträchtigt (Art. 1 Abs. 2 Buchst. 1 der Richtlinie 2001/29/[X.]). Damit ist die Annahme vereinbar, dass die Richtlinie 2009/24/[X.] durch die Richtlinie 2001/29/[X.] um ein Recht der öffentlichen Wiedergabe einschließlich der öffentlichen Zugänglichmachung ergänzt wird. Unter dieser Prämisse wäre § 69c Nr. 4 [X.] nach dem Grundsatz der richtlinienkonformen Auslegung nationalen Rechts und nicht nach dem Grundsatz der einheitlichen Auslegung des nationalen Rechts in Übereinstimmung mit Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/[X.] auszulegen.

(3) Der Senat ist deshalb in ständiger Rechtsprechung davon ausgegangen, dass der Begriff der öffentlichen Zugänglichmachung im Sinne von § 69c Nr. 4 [X.] demjenigen in § 19a [X.] entspricht und in Übereinstimmung mit Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/[X.] auszulegen ist (vgl. [X.], [X.], 864 Rn. 16 - [X.]; [X.], Urteil vom 6. Oktober 2016 - [X.], [X.] 2017, 390 Rn. 16; Urteil vom 13. Juli 2017 - I ZR 193/16, [X.], 189 Rn. 11 = [X.], 210 - Benutzerkennung; Urteil vom 27. Juli 2017 - [X.], [X.], 484 Rn. 10 = [X.], 1222 - Ego-Shooter; Urteil vom 22. März 2018 - I ZR 265/16, [X.], 914 Rn. 14 = [X.], 1087 - [X.]; Urteil vom 26. Juli 2018 - [X.], [X.], 1044 Rn. 12 = [X.], 1202 - Dead Island).

b) Der Begriff der "öffentlichen Wiedergabe" gemäß Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/[X.] hat zwei Tatbestandsmerkmale, nämlich eine Handlung der Wiedergabe und die Öffentlichkeit dieser Wiedergabe. Ferner erfordert dieser Begriff eine individuelle Beurteilung. Im Rahmen einer derartigen Beurteilung sind eine Reihe weiterer Kriterien zu berücksichtigen, die unselbständig und miteinander verflochten sind. Da diese Kriterien im jeweiligen Einzelfall in sehr unterschiedlichem Maß vorliegen können, sind sie einzeln und in ihrem Zusammenwirken mit den anderen Kriterien anzuwenden ([X.], Urteil vom 11. Januar 2018 - [X.]/17, [X.], 608 Rn. 27 = [X.], 701 - [X.]; [X.], [X.], 1239 Rn. 17 - uploaded, jeweils mwN).

aa) Das Bereithalten eines Computerprogramms auf einem [X.] im [X.] stellt eine Handlung der Wiedergabe dar.

Der Begriff der Wiedergabe ist mit Blick auf das Hauptziel der Richtlinie 2001/29/[X.], ein hohes Schutzniveau für die Urheber sicherzustellen, weit zu verstehen, und zwar dahin, dass er jede Übertragung geschützter Werke unabhängig vom eingesetzten technischen Mittel oder Verfahren umfasst. Eine "Wiedergabe" setzt voraus, dass der Nutzer in voller Kenntnis der Folgen seines Verhaltens - also absichtlich und gezielt - tätig wird, um Dritten einen Zugang zum geschützten Werk zu verschaffen, den diese ohne sein Tätigwerden nicht hätten. Dabei reicht es aus, wenn Dritte einen Zugang zum geschützten Werk haben, ohne dass es darauf ankommt, ob sie diesen nutzen ([X.], [X.], 608 Rn. 29 - [X.], mwN).

Danach ist das hier in Rede stehende Bereithalten eines Computerprogramms zum Download auf einem [X.]portal eine Handlung der Wiedergabe. Der [X.] verschafft dadurch Dritten durch technische Mittel in voller Kenntnis der Folgen seines Verhaltens - also absichtlich und gezielt - die Möglichkeit des Zugriffs auf urheberrechtlich geschützte Werke, die sie ohne sein Tätigwerden in dieser Form nicht hätten. Die Revision stellt auch nicht in Abrede, dass im Streitfall eine Handlung der Wiedergabe vorliegt.

bb) Im Streitfall liegt auch eine Öffentlichkeit der Wiedergabe vor.

Der Begriff der Öffentlichkeit ist nur bei einer unbestimmten Zahl potentieller Adressaten und recht vielen Personen erfüllt.

Um eine "unbestimmte Zahl potentieller Adressaten" handelt es sich, wenn die Wiedergabe für Personen allgemein erfolgt, also nicht auf besondere Personen beschränkt ist, die einer privaten Gruppe angehören. Hinsichtlich des Kriteriums "recht viele Personen" ist die kumulative Wirkung zu beachten, die sich aus der Zugänglichmachung der Werke bei den potentiellen Adressaten ergibt. Dabei kommt es darauf an, wie viele Personen gleichzeitig und nacheinander Zugang zu demselben Werk haben ([X.], [X.], 608 Rn. 33 f. - [X.], mwN).

Das Berufungsgericht hat angenommen, das Computerprogramm sei sämtlichen potentiellen Nutzern der [X.]seite des [X.]n und damit einer unbestimmten und ziemlich großen Zahl von Adressaten zugänglich. Diese Beurteilung lässt keinen Rechtsfehler erkennen und wird von der Revision auch nicht angegriffen.

cc) Die Einstufung als "öffentliche Wiedergabe" erfordert weiterhin, dass ein geschütztes Werk unter Verwendung eines technischen Verfahrens, das sich von dem bisher verwendeten unterscheidet, oder - ansonsten - für ein neues Publikum wiedergegeben wird, also für ein Publikum, an das der Inhaber des [X.]s nicht dachte, als er die ursprüngliche öffentliche Wiedergabe erlaubte. Erfolgt die nachfolgende Wiedergabe nach einem spezifischen technischen Verfahren, das sich von demjenigen der ursprünglichen Wiedergabe unterscheidet, braucht nicht geprüft zu werden, ob das Werk für ein neues Publikum wiedergegeben wird; in einem solchen Fall bedarf die Wiedergabe ohne Weiteres der Erlaubnis des Urhebers ([X.], [X.], 608 Rn. 37 - [X.], mwN; vgl. aber auch [zur Kabelweitersendung] [X.], Urteil vom 16. März 2017 - [X.]/16, [X.], 510 Rn. 26 f. = [X.], 682 - [X.]/Zürs.net; [X.], medien und recht 3/18 - Beilage, S. 14, 17 f.).

(1) Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass das Computerprogramm "[X.] 2013" sowohl von der Klägerin als auch vom [X.]n im [X.] zum Download bereitgehalten und damit nach demselben spezifischen technischen Verfahren öffentlich wiedergegeben wurde. Diese zutreffende Beurteilung wird von der Revision als für sie günstig hingenommen.

(2) Das Berufungsgericht hat ferner angenommen, dass der [X.] das Computerprogramm der Klägerin auf seiner [X.]seite für ein neues Publikum wiedergegeben hat. Es hat dabei offengelassen, ob die Klägerin - wie der [X.] behauptet - das von ihm zum Download bereitgehaltene Programmpaket "[X.] 2013" ihrerseits der Öffentlichkeit mit einer Nutzungseinschränkung auf 30 Tage frei zugänglich im [X.] zur Verfügung gestellt hat. Das Berufungsgericht hat angenommen, dass auch in diesem Fall die Voraussetzungen der Wiedergabe für ein neues Publikum vorlägen. Gegen diese Beurteilung wendet sich die Revision ohne Erfolg.

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] ist ein neues Publikum ein solches, an das der Inhaber des [X.]s nicht gedacht hatte, als er die ursprüngliche öffentliche Wiedergabe erlaubte ([X.], Urteil vom 7. August 2018 - [X.]/17, [X.], 911 Rn. 24 = [X.], 1052 - Land [X.]/[X.], mwN). Bei der näheren Bestimmung des Merkmals des "neuen Publikums" unterscheidet der Gerichtshof der [X.] danach, ob das wiedergegebene Werk auf eine andere Website als die, auf der die ursprüngliche Wiedergabe erfolgte, eingestellt wird oder ob die Wiedergabe dergestalt erfolgt, dass auf der Website ein Hyperlink eingestellt wird, der auf eine andere Website verweist, auf der das betreffende Werk ursprünglich ohne beschränkende Maßnahmen und mit Zustimmung des [X.]sinhabers wiedergegeben worden ist.

Keine Wiedergabe für ein neues Publikum liegt vor, wenn auf einer [X.]seite anklickbare [X.]s zu Werken bereitgestellt werden, die auf einer anderen [X.]seite mit Erlaubnis der [X.]sinhaber für alle [X.]nutzer frei zugänglich sind. [X.] der Zugang zu den Werken auf der anderen [X.]seite keiner beschränkenden Maßnahme, waren die Werke für sämtliche [X.]nutzer frei zugänglich. Werden die betreffenden Werke den Nutzern einer [X.]seite über einen anklickbaren Hyperlink zugänglich gemacht, sind diese Nutzer potentielle Adressaten der ursprünglichen Wiedergabe. Sie sind Mitglieder der Öffentlichkeit, die die Inhaber des [X.]s erfassen wollten, als sie die ursprüngliche Wiedergabe erlaubten. Eine solche Wiedergabe erfolgt nicht gegenüber einem neuen Publikum. Sie ist daher keine öffentliche Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/[X.] und bedarf keiner Erlaubnis der [X.]sinhaber (vgl. [X.], [X.], 360 Rn. 25 bis 28 - [X.]/[X.]; [X.], 1196 Rn. 15 und 16 - BestWater International/Mebes und [X.]; [X.], 1152 Rn. 40 bis 42 - [X.]/[X.] u.a.; [X.], 911 Rn. 37 - Land [X.]/[X.]).

Diese Rechtsprechung beruht auf den Besonderheiten der Wiedergabe durch Hyperlinks. Diese tragen zum guten Funktionieren des [X.]s bei, indem sie die Verbreitung von Informationen im [X.] ermöglichen, das sich durch die Verfügbarkeit immenser Informationsmengen auszeichnet ([X.], [X.], 911 Rn. 40 - Land [X.]/[X.]). Außerdem wird bei der Wiedergabe durch Hyperlinks der vorbeugende Charakter der Rechte des Rechteinhabers gewahrt, da der Urheber sein Werk, wenn er es auf der betreffenden Website nicht mehr wiedergeben möchte, von der Website entfernen kann, auf der er es ursprünglich wiedergegeben hat, wodurch jeder Hyperlink, der auf es verweist, hinfällig wird ([X.], [X.], 911 Rn. 44 - Land [X.]/[X.]). Zudem ist das mangelnde Zutun des Betreibers der Website zu berücksichtigen, auf der der anklickbare [X.] eingefügt worden war, der den Zugang zu den betreffenden Werken auf der Website ermöglichte, auf der sie ursprünglich mit der Zustimmung des [X.]sinhabers wiedergegeben worden waren ([X.], [X.], 911 Rn. 45 - Land [X.]/[X.]).

Dagegen erfolgt die Wiedergabe für ein neues Publikum, wenn ein urheberrechtlich geschütztes Werk auf eine andere Website eingestellt wird als die, auf der die ursprüngliche Wiedergabe mit der Zustimmung des [X.]sinhabers erfolgt ist. Unter solchen Umständen besteht das Publikum, an das der [X.]sinhaber gedacht hatte, als er der Wiedergabe seines Werkes auf der Website zugestimmt hatte, auf der es ursprünglich veröffentlicht wurde, nur aus den Nutzern dieser Website und nicht aus den Nutzern der Website, auf der das Werk später ohne Zustimmung des [X.]sinhabers eingestellt worden ist, oder sonstigen [X.]nutzern ([X.], [X.], 911 Rn. 35 - Land [X.]/[X.]). Der Umstand, dass der [X.]sinhaber die Möglichkeiten der [X.]nutzer zur Nutzung seines Werkes auf der Website, auf der die ursprüngliche Wiedergabe mit seiner Zustimmung erfolgt ist, nicht eingeschränkt hat, ist insoweit unerheblich ([X.], [X.], 911 Rn. 36 - Land [X.]/[X.]).

Nach diesen Maßstäben hat der [X.] das Computerprogramm der Klägerin für ein neues Publikum wiedergegeben. Nach den von der Revision nicht beanstandeten Feststellungen des Berufungsgerichts hat der [X.] auf seiner [X.]seite keinen anklickbaren [X.] zu dem - unterstellt - von der Klägerin mit einer Nutzungseinschränkung auf 30 Tage für alle [X.]nutzer frei zugänglich im [X.] zur Verfügung gestellten Computerprogrammpaket "[X.] 2013" bereitgestellt; vielmehr hat er das Computerprogramm ohne Zustimmung der Klägerin auf sein [X.] eingestellt.

c) Damit ist das Recht der öffentlichen Wiedergabe in seiner besonderen Erscheinungsform des Rechts der öffentlichen Zugänglichmachung verletzt.

Eine öffentliche Zugänglichmachung im Sinne von § 19a [X.] und damit auch im Sinne von § 64c Nr. 4 [X.] erfordert, dass Dritten der Zugriff auf ein urheberrechtlich geschütztes Werk eröffnet wird, das sich in der [X.] befindet (zu § 19a [X.] vgl. [X.], Urteil vom 29. April 2010 - [X.], [X.]Z 185, 291 Rn. 19 - Vorschaubilder I; Urteil vom 29. April 2010 - [X.], [X.], 56 Rn. 23 = [X.], 88 - [X.]; Beschluss vom 16. Mai 2013 - [X.], [X.], 818 Rn. 8 = [X.], 1047 - Die Realität I; Urteil vom 9. Juli 2015 - [X.], [X.], 171 Rn. 13 = [X.], 224 - Die Realität II).

Das Bereithalten eines Computerprogramms zum Abruf auf einem [X.] stellt eine eigene Nutzungshandlung des öffentlichen Zugänglichmachens dar, wenn der Betreiber des [X.]s das Computerprogramm - wie im Streitfall der [X.] - auf einem eigenen Rechner und damit unabhängig von der ursprünglichen Quelle vorhält und auf diese Weise die Kontrolle über seine Bereithaltung ausübt (vgl. [X.]Z 185, 291 Rn. 20 - Vorschaubilder I; [X.], Urteil vom 21. September 2017 - [X.], [X.], 178 Rn. 19 = [X.], 201 - Vorschaubilder III; Urteil vom 10. Januar 2019 - I ZR 267/15, juris Rn. 51 - [X.] II).

III. Eine Vorlage an den Gerichtshof der [X.] ist nicht veranlasst (vgl. [X.], Urteil vom 6. Oktober 1982 - [X.]/81, Slg. 1982, 3415 Rn. 21 = NJW 1983, 1257 - [X.]). Es besteht kein vernünftiger Zweifel daran, dass ein nationales Recht der öffentlichen Wiedergabe einschließlich der öffentlichen Zugänglichmachung von Computerprogrammen mit dem Unionsrecht vereinbar ist. Im Streitfall stellt sich keine entscheidungserhebliche Frage zur Auslegung von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/[X.], die nicht bereits durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs geklärt oder zweifelsfrei zu beantworten ist. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] ist es grundsätzlich Sache der nationalen Gerichte, anhand der von ihm aufgestellten Kriterien aufgrund einer umfassenden Beurteilung der gegebenen Situation zu beurteilen, ob in einem konkreten Fall eine öffentliche Wiedergabe vorliegt (vgl. [X.], Urteil vom 15. März 2012 - [X.]/10, [X.], 593 Rn. 93 = [X.], 1689 - SCF/Del Corso; Urteil vom 15. März 2012 - [X.]/10, [X.], 597 Rn. 39 - [X.]/Irland).

IV. Danach ist die Revision gegen das Berufungsurteil auf Kosten des [X.]n (§ 97 Abs. 1 ZPO) zurückzuweisen.

Koch     

      

Schaffert     

      

[X.]

      

Löffler     

      

Schwonke     

      

Meta

I ZR 132/17

28.03.2019

Bundesgerichtshof 1. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG München, 1. Juni 2017, Az: 29 U 2554/16, Urteil

Art 3 Abs 1 EGRL 29/2001, § 15 Abs 2 Nr 2 UrhG, § 15 Abs 3 UrhG, § 19a UrhG, § 69c Nr 4 UrhG, § 97 Abs 1 UrhG, § 97 Abs 2 UrhG, § 101 Abs 1 UrhG, § 101 Abs 3 UrhG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 28.03.2019, Az. I ZR 132/17 (REWIS RS 2019, 8754)

Papier­fundstellen: MDR 2019, 1323-1324 REWIS RS 2019, 8754


Verfahrensgang

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Az. I ZR 132/17

Bundesgerichtshof, I ZR 132/17, 28.03.2019.


Az. 29 U 2554/16

OLG München, 29 U 2554/16, 01.06.2017.


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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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