Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24.09.2015, Az. 2 AZR 3/14

2. Senat | REWIS RS 2015, 4875

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Gegenstand

Betriebsbedingte Kündigung - freier Arbeitsplatz


Leitsatz

1. Die aus § 1 Abs. 2 Satz 2 und Satz 3 KSchG folgende Verpflichtung des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer zur Vermeidung einer Beendigungskündigung an einem anderen - freien - Arbeitsplatz zu beschäftigen, erstreckt sich grundsätzlich nicht auf Arbeitsplätze in einem im Ausland gelegenen Betrieb oder Betriebsteil des Unternehmens.

2. Eine über die Vorgaben des KSchG hinausgehende "Selbstbindung" des Arbeitgebers zur Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in einem im Ausland gelegenen Betrieb des Unternehmens mag sich im Einzelfall aus § 241 BGB, aus § 242 BGB oder aus einem Verzicht auf den Ausspruch einer Beendigungskündigung ergeben können.

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des [X.] - [X.] - vom 20. Juni 2013 - 14 [X.]/12 - teilweise aufgehoben.

2. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 14. Februar 2012 - 8 [X.]/11 - teilweise abgeändert:

Die gegen die ordentliche Kündigung vom 31. Mai 2011 gerichtete Klage wird abgewiesen.

3. Der Kläger hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen. Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz werden ihm zu 2/3 und der Beklagten zu 1/3 auferlegt.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.

2

Die Beklagte betreibt eine Bank. Sie hat ihren Sitz in der [X.]. In [X.] unterhielt sie mehrere Zweigstellen. Für diese war ein Betriebsrat gewählt. Der Kläger ist [X.] Staatsangehöriger. Er war seit 1991 bei der [X.] und deren Rechtsvorgängerin in deren [X.] Betrieb beschäftigt, zuletzt als Leiter der Zweigstelle M.

3

Da sie ihren Geschäftsbetrieb in [X.] zum 30. April 2011 einstellte, wies die Beklagte dem Kläger für die [X.] ab dem 9. Mai 2011 die Tätigkeit des Leiters der Abteilung für Auslandsgeschäfte in einer Handelsfiliale in [X.] zu. Der Kläger war vom 9. bis mindestens zum 20. Mai 2011 - nach seiner Behauptung bis zum 3. Juni 2011 - arbeitsunfähig. Die Beklagte mahnte ihn unter dem 24. und 27. Mai 2011 wegen Arbeitsverweigerung ab. Mit Schreiben vom 31. Mai 2011 erklärte sie eine außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung.

4

Hiergegen hat der Kläger sich rechtzeitig mit der vorliegenden Klage gewandt. Er hat gemeint, soweit die Kündigungen auf Gründe in seinem Verhalten gestützt würden, seien sie schon deshalb unwirksam, weil die Beklagte ihm eine Tätigkeit in der [X.] nicht kraft ihres Direktionsrechts habe zuweisen können. Zur Vermeidung einer Beendigungskündigung aus betrieblichen Gründen habe sie allerdings eine Änderungskündigung mit dem Ziel erklären müssen, ihn als Leiter einer [X.] Filiale zu beschäftigen. Im Übrigen sei der Betriebsrat vor Ausspruch der Kündigungen nicht ordnungsgemäß angehört worden.

5

Der Kläger hat beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis weder durch die außerordentliche noch durch die ordentliche Kündigung vom 31. Mai 2011 aufgelöst worden ist.

6

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat gemeint, die Kündigungen seien wirksam, weil der Kläger sich beharrlich geweigert habe, die ihm zugewiesene Tätigkeit in der [X.] aufzunehmen. In diesem Zusammenhang hat die Beklagte behauptet, der nicht mehr aufzufindende Arbeitsvertrag mit dem Kläger enthalte eine von ihrer Rechtsvorgängerin standardmäßig verwendete [X.], die sinngemäß wie folgt laute:

        

„Der Arbeitsort ist die [X.] in […]. Die Bank kann den Arbeitnehmer an einer anderen Arbeitsstätte einsetzen (andere [X.], ausländische Filiale, Filiale in der Türkei oder in den Abteilungen der Hauptverwaltung). Dieses kann nicht als eine Änderung zu Ungunsten des Personals betrachtet werden. Wenn man in der Türkei arbeitet, wird die Vergütung in Türkische Lira wie die Mitarbeiter in ähnlichen Positionen sein. Bei Versetzung werden Umzugskosten von der Bank erstattet. Vor einer Versetzung wird die Bank den Arbeitnehmer mit einer angemessenen Frist benachrichtigen.“

7

Die ordentliche Kündigung sei jedenfalls durch dringende betriebliche Erfordernisse sozial gerechtfertigt. Sie sei nicht verpflichtet gewesen, den Kläger in der [X.] weiterzubeschäftigen. Entsprechende, ihm im März und April 2011 unterbreitete Angebote habe er abgelehnt. Eine im Januar 2012 mit dem Ziel der Beschäftigung als Abteilungsleiter in einer Handelsfiliale in [X.] erklärte Änderungskündigung habe er nicht einmal unter Vorbehalt angenommen.

8

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit ihrer Revision begehrt die Beklagte nurmehr, die gegen die ordentliche Kündigung gerichtete Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision ist begründet. Die Vorinstanzen haben der gegen die ordentliche [X.]ündigung vom 31. Mai 2011 gerichteten [X.]lage zu Unrecht stattgegeben.

A. Die ordentliche [X.]ündigung ist wirksam. Sie ist sozial gerechtfertigt ([X.]) und der Betriebsrat ist vor ihrem Ausspruch ordnungsgemäß angehört worden (I[X.]).

[X.] Die ordentliche [X.]ündigung ist gemäß § 1 Abs. 2 [X.]SchG durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt, die einer Weiterbeschäftigung des [X.] in [X.] entgegenstehen.

1. Der Bedarf an einer Beschäftigung des [X.] im [X.] Betrieb der Beklagten ist vor Ablauf der [X.]ündigungsfrist am 30. November 2011 weggefallen.

a) Die Beklagte hatte ihre Geschäfte in [X.] bereits mit Ablauf des 30. April 2011 eingestellt. Danach wurden lediglich noch Abwicklungsarbeiten in der Zweigstelle [X.] verrichtet. Die Stilllegung eines Betriebs zählt zu den dringenden betrieblichen Erfordernissen iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 [X.]SchG ([X.] 18. Oktober 2012 - 6 [X.] - Rn. 47; 8. November 2007 - 2 [X.] - Rn. 17).

b) Der [X.]läger gehörte im [X.]ündigungszeitpunkt noch dem stillgelegten Betrieb in [X.] an. Er war zuvor nicht wirksam auf die Stelle des Leiters der Abteilung für Auslandsgeschäfte in einer Handelsfiliale in [X.] versetzt worden.

aa) Es spielt keine Rolle, ob der Arbeitsvertrag des [X.] die von der Beklagten behauptete [X.] enthält. Jedenfalls ergäbe deren Auslegung nach den für Allgemeine Geschäftsbedingungen geltenden Grundsätzen (vgl. [X.] 13. Februar 2013 - 5 [X.] - Rn. 15; 14. Dezember 2011 - 5 [X.] - Rn. 14, [X.]E 140, 148), dass sie sich allein auf Veränderungen des „[X.]“ durch das einzig vorbehaltene Recht zu einem Einsatz „an einer anderen Arbeitsstätte“ bezöge. Damit hätte sie die Zuweisung einer anderen Arbeitsaufgabe - hier: Abteilungsleiter in einer Handelsfiliale statt Leiter einer Zweigstelle - in keinem Fall tragen können. Das nicht erweiterte Direktionsrecht des Arbeitgebers gemäß § 106 [X.] umfasst keine Abänderung der arbeitsvertraglich vereinbarten Tätigkeit.

bb) Da die Versetzung auf den Posten eines Abteilungsleiters wegen Überschreitung der Grenzen des Direktionsrechts unwirksam war, konnte der Arbeitsplatz des [X.] nicht wenigstens bis zu einer gerichtlichen Entscheidung nach § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB in die [X.] verlagert worden sein (zur Problematik „bloß“ unbilliger Weisungen vgl. [X.] 22. Februar 2012 - 5 [X.] - Rn. 24, [X.]E 141, 34).

2. Die Beklagte musste dem [X.]läger nicht vorrangig die Leitung einer [X.] Filiale anbieten.

a) Die aus § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Buchst. b, Satz 3 [X.]SchG folgende Verpflichtung des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer zur Vermeidung einer Beendigungskündigung an einem anderen - freien - Arbeitsplatz im selben oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens zu beschäftigen, erstreckt sich grundsätzlich nicht auf Arbeitsplätze im Ausland ([X.] 29. August 2013 - 2 [X.] - Rn. 28 ff., [X.]E 146, 37; zustimmend [X.] 2013, 496; [X.]/Schnabel BB 2014, 1525; [X.] 2014, 1198; [X.]/Pfister [X.] 2014, 532; Leuchten [X.] 2014, 319; Todisco P&R 2014, 82). Der Streitfall gibt keine Veranlassung, sich mit dem Einwand von [X.] ([X.]. AP [X.]SchG 1969 § 1 Betriebsbedingte [X.]ündigung Nr. 202) auseinanderzusetzen, dieses Verständnis von § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 [X.]SchG mache es Unternehmern „allzu einfach (…) die Lasten des Arbeitsrechts durch Standortverlagerungen abzuschütteln“. Es geht hier weder um die Verlegung eines Betriebs oder Betriebsteils noch auch nur um eine Funktionsnachfolge. Die Beklagte hat ihren Geschäftsbetrieb in [X.] „ersatzlos“ eingestellt.

b) Die Beklagte hatte sich nicht - über die Vorgaben des § 1 Abs. 2 [X.]SchG hinaus - in der Weise „selbst gebunden“, dass sie dem [X.]läger kraft ihres Direktionsrechts einen - freien - Arbeitsplatz als Leiter einer [X.] Filiale hätte zuweisen oder ihm einen solchen im Wege der Änderungskündigung anbieten müssen.

aa) Die Beklagte musste den [X.]läger nicht kraft ihres Direktionsrechts als Filialleiter in der [X.] einsetzen.

(1) Es kann unterstellt werden, dass sie zu einer solchen Weisung entweder aufgrund der von ihr behaupteten [X.] berechtigt gewesen wäre oder sie sich zumindest nach § 242 BGB so hätte behandeln lassen müssen. Gegen beides bestehen allerdings erhebliche Bedenken.

(a) Eine formularmäßig verwendete [X.] des vorgetragenen Inhalts dürfte nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam sein. Zum einen dürfte sie iSv. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB irreführend sein, weil durch die Formulierung „Dieses kann nicht als eine Änderung zu Ungunsten des Personals angesehen werden“ der - unzutreffende - Eindruck erweckt wird, für eine auch die Interessen des Arbeitnehmers berücksichtigende Ausübungskontrolle im Einzelfall gemäß § 106 Satz 1 [X.], § 315 Abs. 3 BGB bleibe kein Raum mehr. Zum anderen dürfte es sich hinsichtlich der vorbehaltenen Versetzung in die [X.] um eine einheitliche, nicht teilbare Bestimmung handeln, die entgegen § 307 Abs. 2 Nr. 1, § 308 Nr. 4 BGB eine Anpassung der Vergütung an das „ortsübliche“ Lohnniveau ohne das Erfordernis einer Änderungskündigung vorsieht.

(b) Die Beklagte wird sich nach § 242 BGB nicht so behandeln lassen müssen, als wäre die [X.]lausel wirksam (vgl. [X.] 3. April 2008 - 2 [X.] - Rn. 36). Der [X.]läger hatte zuvor weder Nachteile durch eine Anwendung dieser (unwirksamen) [X.] erlitten, noch hatte sich bei ihm ein schutzwürdiges Vertrauen darauf bilden können, die Beklagte werde zur Vermeidung einer Beendigungskündigung von ihr Gebrauch machen. Er wurde zu keiner [X.] im Ausland beschäftigt, bestreitet die Existenz der - vermeintlich - dazu berechtigenden [X.]lausel und bezeichnet es als „beiderseitige Vertragsgrundlage“, dass er ausschließlich in [X.] eingesetzt werden sollte.

(2) Jedenfalls war die Beklagte nicht verpflichtet, dem [X.]läger - über die dazu nicht ausreichenden Vorgaben des § 1 Abs. 2 [X.]SchG hinaus - einen Arbeitsplatz in der [X.] zuzuweisen.

(a) Der Arbeitgeber ist grundsätzlich nicht gehalten, von einem ihm zustehenden Recht Gebrauch zu machen, wenn dies für ihn die Gefahr begründet, einen Rechtsstreit führen zu müssen. Die Pflicht zur Rücksichtnahme gemäß § 241 Abs. 2 BGB verlangt von ihm nicht, die Belange des Arbeitnehmers unter Hintanstellung eigener schutzwürdiger Belange - oder derjenigen anderer Arbeitnehmer - durchzusetzen (für die zu erwartende Gegenwehr eines anderen Arbeitnehmers gegen seine Versetzung im Zuge einer Umorganisation siehe [X.] 24. Februar 2011 - 2 [X.]/09 - Rn. 48, [X.]E 137, 164; 19. Mai 2010 - 5 [X.] - Rn. 31, [X.]E 134, 296; für die vom Betriebsrat verweigerte Zustimmung zu einer Versetzung vgl. [X.] 29. Januar 1997 - 2 [X.] - zu II 1 d der Gründe, [X.]E 85, 107).

(b) Die Beklagte durfte aufgrund der vorangegangenen Gespräche der Parteien erwarten, dass der in [X.] inzwischen tief „verwurzelte“ [X.]läger, der es bevorzugt hatte, das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung zu beenden, die Zuweisung einer - jeden - Tätigkeit in der [X.] nicht einfach hinnähme. Sie musste ihn nicht aus falsch verstandener „Fürsorge“ gleichsam zu seinem „Glück zwingen“. Es kommt hinzu, dass der für den „abgebenden“ [X.] Betrieb gewählte Betriebsrat nach § 99 BetrVG die Zustimmung zur Versetzung sämtlicher betroffener Arbeitnehmer - auch des [X.] - in die [X.] verweigert hatte. Darauf, ob dies beachtlich war (vgl. [X.] 8. Dezember 2009 - 1 [X.] - Rn. 26, [X.]E 132, 324), kommt es nicht an.

(c) Es bedarf deshalb auch keiner Entscheidung, ob eine Pflicht zur Weiterbeschäftigung im Ausland aufgrund einer entsprechenden [X.] - sei es aus § 1 Abs. 2 [X.]SchG oder aus § 241 Abs. 2 BGB - ohnehin nur bei einer Betriebs- oder Betriebsteilverlagerung in einen anderen Staat oder zumindest bei einer „grenzüberschreitenden“ Funktionsnachfolge, nicht aber in dem hiesigen Fall der „ersatzlosen“ Einstellung des Geschäftsbetriebs in [X.] in Betracht kommt (zur Unterscheidung zwischen „Wegfall“ und „Verlagerung“ in sog. [X.]onzernfällen vgl. [X.] 18. September 2003 - 2 [X.] - zu [X.] 4 der Gründe, [X.]E 107, 318; 27. November 1991 - 2 [X.] - zu [X.]I 3 b dd der Gründe; zur Differenzierung zwischen der Verwirklichung des allgemeinen Arbeitsplatzrisikos und der Realisierung einer spezifischen Gefahr von Organisationsverschiebungen in „[X.]onzernfällen“ vgl. grundlegend [X.] FS 25 Jahre [X.] S. 367, 380).

bb) Die Beklagte musste dem [X.]läger einen Arbeitsplatz als Filialleiter in der [X.] auch nicht im Wege der Änderungskündigung anbieten. Eine solche, über die Vorgaben des § 1 Abs. 2 [X.]SchG hinausgehende Verpflichtung folgte weder aus § 241 Abs. 2 BGB noch aus § 242 BGB. Die Beklagte hatte auf ihr Recht, eine Beendigungskündigung zu erklären, nicht verzichtet.

(1) Zwar kann nach § 241 BGB unter Umständen eine Pflicht zur Vertragsanpassung bestehen. Eine solche erwächst jedoch lediglich auf Wunsch einer Vertragspartei und ist nur im Zusammenwirken beider Vertragspartner zu erfüllen (vgl. [X.] 13. August 2009 - 6 [X.] - Rn. 31 mwN, [X.]E 131, 325). Damit scheidet eine Nebenpflicht des Arbeitgebers zum Ausspruch einer Änderungskündigung zumindest dann aus, wenn - wie im Streitfall - nicht auszuschließen ist, dass der Arbeitnehmer das mit ihr verbundene Änderungsangebot allenfalls unter dem Vorbehalt [X.] Rechtfertigung iSv. § 2 Satz 1 [X.]SchG annähme.

(2) Die Beklagte verhielt sich mit der Erklärung einer Beendigungskündigung aus dringenden betrieblichen Erfordernissen auch nicht selbstwidersprüchlich iSv. § 242 BGB (zu den Anforderungen an rechtsmissbräuchlich widersprüchliches Verhalten vgl. [X.] 15. November 2012 - [X.]/11 - Rn. 12 mwN).

(a) Sie agierte nicht unredlich, indem sie dem [X.]läger zunächst eine Versetzung in die [X.] angeboten und ihm sodann eine entsprechende Weisung erteilt, schließlich aber eine betriebsbedingte Beendigungskündigung ausgesprochen hat. Durch die vorangegangenen „[X.]“ hat sie dieses Recht - unabhängig von dem Fehlen des [X.]moments - nicht verwirkt. Sie hatte nicht etwa eine Änderungskündigung als „kleinste“ zu befürchtende Alternative hingestellt.

(b) Es war nicht - zumal nicht treuwidrig - selbstwidersprüchlich, die [X.]ündigungen vorrangig auf die Weigerung des [X.] zu stützen, weisungsgemäß in der [X.] tätig zu werden, und die ordentliche Beendigungskündigung hilfsweise damit zu begründen, dass er dort nicht eingesetzt werden müsse. Zum einen war der [X.]läger lediglich dann - noch - vom Wegfall des [X.] in [X.] betroffen, wenn die Versetzung in die [X.] sich als unwirksam erwiese. Zum anderen ist die Annahme der Beklagten, ein Versetzungsrecht zu besitzen, aus dessen Wahrnehmung die Tätigkeitspflicht des [X.] folge, ohne weiteres mit ihrer Leugnung einer Versetzungspflicht vereinbar. Nichts anderes folgt aus den ihre Weisung „bekräftigenden“ Abmahnungen. Auch sie verdeutlichten bloß, dass die Beklagte sich zu einer Weisung berechtigt und den [X.]läger deshalb zum Tätigwerden in der [X.] verpflichtet sah. Für den Fall besserer Erkenntnis durfte sie - vorsorglich - eine Beendigungskündigung aus dringenden betrieblichen Erfordernissen erklären.

(3) Durch die Versetzungsangebote und die anschließende, durch zwei Abmahnungen „untermauerte“ Weisung hat die Beklagte nicht auf den Ausspruch einer Beendigungskündigung wegen der Stilllegung ihres [X.] Betriebs verzichtet. Die Rechtsprechung zum Verzicht auf eine verhaltensbedingte [X.]ündigung durch die Erteilung einer Abmahnung (vgl. [X.] 26. November 2009 - 2 [X.] 751/08 - Rn. 11 ff.; 13. Dezember 2007 - 6 [X.] 145/07 - Rn. 22 ff., [X.]E 125, 208) kann nicht auf die hier zu beurteilende [X.]onstellation übertragen werden. Dem Verhalten der Beklagten lässt sich ein Verzicht auf eine Beendigungskündigung aus betrieblichen Erfordernissen nicht entnehmen. Handelte sie bei den „[X.]n“ in Unkenntnis ihrer Berechtigung zum Ausspruch einer betriebsbedingten Beendigungskündigung, fehlte es ihr an einem Verzichtsbewusstsein. Unternahm sie diese Versuche wissentlich „überobligationsgemäß“, wollte sie sich für den Fall von deren Scheitern erkennbar nicht den „Rückzug“ auf die Gesetzeslage versperren. Sie gab durch keinerlei Verhalten konkludent zu verstehen, allenfalls eine Änderungskündigung erklären zu wollen.

3. Eine Sozialauswahl gemäß § 1 Abs. 3 [X.]SchG war entbehrlich. Die Beklagte hat aufgrund der Stilllegung die Arbeitsverhältnisse sämtlicher Arbeitnehmer ihres - auch insofern allein in den Blick zu nehmenden - [X.] Betriebs beendet.

I[X.] Die ordentliche [X.]ündigung ist nicht nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam.

1. Das [X.] war aufgrund der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass der Betriebsrat vor Ausspruch der [X.]ündigung ordnungsgemäß beteiligt worden ist. Zwar hätten Bedenken gegen die Glaubwürdigkeit des [X.] bestanden. Jedoch sei die Aussage des [X.] derart glaubhaft gewesen, dass Zweifel an einer korrekten Anhörung ausgeräumt worden seien. Aus den Bekundungen des [X.] ergebe sich, dass er auch über die Absicht einer betriebsbedingten ordentlichen [X.]ündigung wegen des - ihm ohnehin bekannten - Wegfalls des [X.] in [X.] informiert worden sei und mitgeteilt habe, sich zu der Angelegenheit nicht äußern zu wollen. Besonders überzeugend sei gewesen, dass beide Zeugen angegeben hätten, der U habe dem A das [X.]ündigungsschreiben vor dessen Absendung an den [X.]läger gezeigt.

2. Die Würdigung des [X.]s ist in sich widerspruchsfrei, ohne Verletzung von Denkgesetzen und [X.] erfolgt und rechtlich möglich. Damit ist sie revisionsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. [X.] 23. Oktober 2014 - 2 [X.] 865/13 - Rn. 37; 21. Juni 2012 - 2 [X.] 694/11 - Rn. 28, [X.]E 142, 188).

a) Entgegen der Annahme des [X.] hat das [X.] nicht alle Zweifel an der Glaubwürdigkeit des [X.] durch die Aussage des [X.] ausgeräumt gesehen. Vielmehr hat es seine Überzeugung von einer ordnungsgemäßen Betriebsratsanhörung auf die von ihm für glaubhaft gehaltenen Bekundungen des [X.] gestützt. Das durfte es. Ein Gericht ist grundsätzlich frei darin, welche Beweiskraft es einzelnen Beweismitteln für seine Überzeugungsbildung beimisst.

b) Das [X.] hat ohne Widerspruch oder Verletzung von Denkgesetzen angenommen, dem [X.] sei das [X.]ündigungsschreiben vorgelegt worden. Die Revision verkennt, dass es nicht davon ausgegangen ist, dies sei bereits während der Anhörung am 27. Mai 2011 und mithin zu einem [X.]punkt geschehen, als nach der Aussage des [X.] die [X.]ündigungen noch nicht einmal „aufgesetzt“ waren. Das [X.] hat vielmehr der Bekundung des [X.] Glauben geschenkt, „ihm seien die aus der [X.] eingetroffenen [X.]ündigungsschreiben vor Absendung an die Mitarbeiter“ von dem [X.] gezeigt worden. Das kann auch nach dem 27. Mai 2011 erfolgt sein.

c) In der Erklärung des [X.], sich zu der Angelegenheit nicht äußern zu wollen, durfte das [X.] dessen das Anhörungsverfahren beendende, abschließende Stellungnahme als [X.] erblicken. Soweit der [X.]läger die Zeugenaussage anders verstanden wissen will, setzt er nur seine eigene Wertung an die Stelle derer des [X.]s. Rechtsfehler zeigt er damit nicht auf.

B. Die [X.]ostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1, § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

        

    [X.]reft    

        

    Berger    

        

    Niemann    

        

        

        

    Beckerle    

        

    [X.]    

                 

Meta

2 AZR 3/14

24.09.2015

Bundesarbeitsgericht 2. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Mannheim, 14. Februar 2012, Az: 8 Ca 227/11, Urteil

§ 1 Abs 2 S 1 KSchG, § 1 Abs 2 S 2 Nr 1 Buchst b KSchG, § 1 Abs 2 S 3 KSchG, § 241 Abs 2 BGB, § 242 BGB, § 307 Abs 1 S 1 BGB, § 307 Abs 1 S 2 BGB, § 307 Abs 2 Nr 1 BGB, § 308 Nr 4 BGB, § 315 Abs 3 BGB, § 106 S 1 GewO, § 99 BetrVG, § 102 Abs 1 S 3 BetrVG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24.09.2015, Az. 2 AZR 3/14 (REWIS RS 2015, 4875)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 4875

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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