Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 29.08.2013, Az. 2 AZR 809/12

2. Senat | REWIS RS 2013, 3135

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Gegenstand

Betriebsbedingte Kündigung - freier Arbeitsplatz


Leitsatz

Die aus § 1 Abs. 2 KSchG folgende Verpflichtung des Arbeitgebers, dem Arbeitnehmer zur Vermeidung einer Beendigungskündigung eine Weiterbeschäftigung zu geänderten, möglicherweise auch zu schlechteren Arbeitsbedingungen anzubieten, bezieht sich grundsätzlich nicht auf freie Arbeitsplätze in einem im Ausland gelegenen Betrieb des Unternehmens.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 5. Juli 2012 - 15 Sa 759/12 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die [X.]irksamkeit einer ordentlichen Kündigung.

2

Die Beklagte ist ein Unternehmen der Textilindustrie. Sie hat in [X.]/[X.] eine unselbständige Betriebsstätte, in der sie Verbandstoffe herstellt. Die Endfertigung der Stoffe einschließlich Verpackung und Versand erfolgte an ihrem Sitz in [X.]/Nordrhein-[X.]estfalen. Die 1965 geborene Klägerin war seit [X.]anuar 1984 bei der Beklagten am Standort [X.] als Textilarbeiterin beschäftigt. Zuletzt war sie als Vorarbeiterin gegen ein Bruttomonatsentgelt in Höhe von 2.474,57 Euro tätig.

3

Im [X.]uni 2011 beschloss die Beklagte, die Produktion in [X.] zum 31. [X.]anuar 2012 vollständig einzustellen und funktionstüchtige Maschinen nach [X.] zu verbringen. Die Abteilungen Großversand, [X.]arenannahme, Lager und Qualitätssicherung sollten zum 30. [X.]uni 2012 geschlossen werden. Der kaufmännische Bereich - bestehend aus Finanzbuchhaltung, Lohnabrechnung, Ein- und Verkauf - sollte in [X.] verbleiben.

4

Am 27. [X.]uni 2011 zeigte die Beklagte der zuständigen [X.] die beabsichtigte Entlassung von 15 Arbeitnehmern an. Mit Schreiben vom 28. [X.]uni 2011, das der Klägerin am selben Tag zuging, kündigte sie das Arbeitsverhältnis der Parteien ordentlich zum 31. [X.]anuar 2012. Daneben kündigte sie - bis auf zwei Ausnahmen - die Arbeitsverhältnisse der übrigen in [X.] eingesetzten gewerblichen Arbeitnehmer. Die beiden nicht gekündigten Produktionsmitarbeiter beschäftigte sie bis zum 30. [X.]uni 2012 weiter.

5

Die Klägerin hat fristgerecht Kündigungsschutzklage erhoben. Sie hat geltend gemacht, die Kündigung sei nicht durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt und deshalb sozial ungerechtfertigt. [X.]eiterbeschäftigungsmöglichkeiten hätten durchaus - jedenfalls in [X.] - bestanden. Die [X.] Auswahl sei fehlerhaft. Spätestens nach einer Einarbeitungszeit von sechs [X.]ochen sei sie in der Lage gewesen, die im gewerblichen Bereich noch anfallenden Arbeiten zu erledigen. Zudem fehle es an einer wirksamen Massenentlassungsanzeige.

6

Die Klägerin hat beantragt

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 28. [X.]uni 2011 nicht aufgelöst worden ist;

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, sie zu den bisherigen Bedingungen des Arbeitsvertrags als Vorarbeiterin bis zum rechtskräftigen Abschluss dieses Verfahrens weiterzubeschäftigen.

7

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei wirksam. Sie sei durch die Entscheidung zur Stilllegung der Produktion am Standort [X.] bedingt. Die organisatorische Maßnahme habe sich im Kündigungszeitpunkt bereits greifbar abgezeichnet und sei termingerecht umgesetzt worden. Damit seien die bisherigen Beschäftigungsmöglichkeiten für die Klägerin weggefallen. Eine Verpflichtung, diese in der Betriebsstätte [X.] weiterzubeschäftigen, habe nicht bestanden. Abgesehen von der Unzumutbarkeit eines entsprechenden Änderungsangebots ergebe sich aus dem [X.] keine Verpflichtung des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer auf einem anderen - freien - Arbeitsplatz in einem ausländischen Betrieb oder Betriebsteil weiterzubeschäftigen. Die [X.] Auswahl sei nicht zu beanstanden. Die Massenentlassungsanzeige sei ordnungsgemäß erfolgt.

8

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren unverändert weiter.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision ist unbegründet. Das [X.] hat die Klage zu Recht abgewiesen. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die ordentliche Kündigung vom 28. [X.]uni 2011 mit Ablauf des 31. [X.]anuar 2012 aufgelöst worden.

I. Die Kündigung ist nicht nach § 17 Abs. 2, Abs. 3 [X.] iVm. § 134 BGB unwirksam. Das [X.] hat - unter Bezugnahme auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts - angenommen, die Beklagte habe vor Zugang der Kündigung eine wirksame Massenentlassungsanzeige erstattet. Diese [X.]ürdigung, die von der Revision nicht angegriffen wird, lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Ihrem unstreitigen Vorbringen zufolge hat die Beklagte am 27. [X.]uni 2011 gegenüber der zuständigen [X.] unter Verwendung des dafür vorgesehenen Formblatts schriftlich die Entlassung von 15 Arbeitnehmern angezeigt. Die Anzeige enthält die nach § 17 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 [X.] erforderlichen Pflichtangaben. Der Beifügung einer Stellungnahme iSv. § 17 Abs. 3 Satz 2 [X.] bedurfte es nicht. Ein Betriebsrat war bei der Beklagten nicht gebildet.

II. Die Kündigung ist nicht gemäß § 1 Abs. 1 [X.] unwirksam. Sie ist iSv. § 1 Abs. 2, Abs. 3 [X.] sozial gerechtfertigt.

1. Die Kündigung ist gemäß § 1 Abs. 2 [X.] durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt.

a) Dringende betriebliche Erfordernisse, die eine Kündigung bedingen, können sich daraus ergeben, dass der Arbeitgeber sich zu einer organisatorischen Maßnahme entschließt, deren Umsetzung das Bedürfnis für die [X.]eiterbeschäftigung eines oder mehrerer Arbeitnehmer im Betrieb dauerhaft entfallen lässt. Eine solche unternehmerische Entscheidung ist gerichtlich nicht auf ihre sachliche Rechtfertigung oder ihre Zweckmäßigkeit hin zu überprüfen, sondern nur darauf, ob sie offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist ([X.] 20. Dezember 2012 - 2 [X.] - Rn. 33; 24. Mai 2012 - 2 [X.] - Rn. 21). Ohne Einschränkung nachzuprüfen ist hingegen, ob die fragliche Entscheidung tatsächlich umgesetzt wurde und dadurch das Beschäftigungsbedürfnis für einzelne Arbeitnehmer entfallen ist ([X.] 24. Mai 2012 - 2 [X.] - aaO).

b) [X.]ird die Kündigung auf eine zu erwartende künftige Entwicklung der betrieblichen Verhältnisse gestützt, braucht diese bei [X.] noch nicht tatsächlich eingetreten zu sein. Es genügt, dass sie sich konkret und greifbar abzeichnet (vgl. [X.] 23. Februar 2012 - 2 [X.] - Rn. 19; 9. September 2010 - 2 [X.] - Rn. 22). Das ist der Fall, wenn im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung die auf objektive Tatsachen gestützte, vernünftige betriebswirtschaftliche Prognose gerechtfertigt ist, mit Ablauf der Kündigungsfrist werde mit einiger Sicherheit ein die Entlassung erforderlich machender betrieblicher Grund vorliegen ([X.] 23. Februar 2012 - 2 [X.] - aaO; 23. Februar 2010 - 2 [X.]/08 - Rn. 18, [X.]E 133, 240). Allerdings muss eine der entsprechenden Prognose zugrunde liegende eigene unternehmerische Entscheidung des Arbeitgebers bereits im Kündigungszeitpunkt endgültig getroffen worden sein. Andernfalls kann eine zum [X.]egfall der Beschäftigungsmöglichkeiten führende Entscheidung nicht sicher prognostiziert werden ([X.] 23. Februar 2012 - 2 [X.] - aaO).

c) Daran gemessen lagen im Kündigungszeitpunkt Gründe iSd. § 1 Abs. 2 [X.] vor.

aa) Das [X.] hat angenommen, die Beklagte habe im [X.]uni 2011 den Entschluss gefasst, ihre Produktionstätigkeit am Standort [X.] Ende [X.]anuar 2012 auf Dauer einzustellen und die „Endfertigung“ ihrer Verbandstoffe künftig in ihrer [X.] Betriebsstätte durchführen zu lassen. Ihre Entscheidung habe sie den Planungen entsprechend auch umgesetzt. Diese Feststellungen greift die Revision nicht an.

[X.]) Im Kündigungszeitpunkt war danach die Prognose gerechtfertigt, im Umfang entsprechender personeller Überkapazitäten werde das Beschäftigungsbedürfnis für Mitarbeiter im Produktionsbereich am Standort [X.] mit Ablauf der jeweiligen Kündigungsfrist entfallen (zur Produktionsverlagerung ins Ausland: vgl. [X.] 18. September 19972 [X.] - Rn. 12 ff.; zur Schließung von Dienststellen/Standorten bei gleichzeitiger Konzentration von Aufgaben an einem anderen Standort: siehe [X.] 12. August 2010 - 2 [X.] - Rn. 17; 12. August 2010 - 2 [X.] 945/08 - Rn. 31). Zum wesentlichen Inhalt der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit gehört die Freiheit zur Gestaltung der betrieblichen Organisation. Sie umfasst auch die Festlegung, an welchem Standort welche arbeitstechnischen Ziele verfolgt werden. Es ist nicht Sache der Arbeitsgerichte, dem Arbeitgeber insoweit eine „bessere“ oder „richtigere“ Betriebs- oder Unternehmensstruktur vorzuschreiben (vgl. [X.] 22. November 2012 - 2 [X.] 673/11 - Rn. 21; 26. September 2002 - 2 [X.] 636/01 - zu II 1 b der Gründe, [X.]E 103, 31).

[X.]) Für eine getroffene und - wie im Streitfall - durchgeführte [X.] spricht die Vermutung, dass sie aus sachlichen Gründen erfolgt ist und nicht auf Rechtsmissbrauch beruht. Es oblag deshalb der Klägerin, die Umstände darzulegen und ggf. zu beweisen, aus denen sich ergeben soll, dass die Entscheidung der Beklagten offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist (vgl. [X.] 25. Oktober 2012 - 2 [X.] 552/11 - Rn. 26 mwN). Dies ist ihr nicht gelungen. Die Klägerin hat gemeint, die Beklagte habe vor der Produktionsverlagerung mit den in [X.] beschäftigten Arbeitnehmern über eine Absenkung der Vergütung verhandeln müssen. Das ist kein beachtlicher Einwand. Das Unterlassen entsprechender Bemühungen führt nicht dazu, dass die Entscheidung der Beklagten rechtsmissbräuchlich wäre, zumal es ihr nicht nur um eine Einsparung von Lohnkosten ging, sondern auch um eine Reduzierung von Transportkosten.

dd) Der Umstand, dass die Beklagte ihre unternehmerische Tätigkeit im Bereich der „Endfertigung“ nicht vollständig aufgegeben hat, steht der [X.] Rechtfertigung der Kündigung nicht entgegen.

(1) Die Verlagerung der mit der „Endfertigung“ zusammenhängenden Tätigkeiten nach [X.] ändert - unbeschadet der Frage, wie der Begriff des „Betriebes“ in § 1 Abs. 2 Satz 1 [X.] zu verstehen ist - nichts daran, dass der bisherige Arbeitsplatz der Klägerin als solcher ersatzlos weggefallen ist. Für diese Bewertung spricht die erhebliche räumliche Entfernung zwischen den fraglichen Standorten, die - ausgehend von der in den Vorinstanzen mitgeteilten Anschrift der [X.] Betriebsstätte der Beklagten - mehr als 800 Kilometer beträgt. Hinzu kommt, dass nach dem unwidersprochenen Vorbringen der Beklagten die alte Betriebsgemeinschaft im betreffenden Arbeitsbereich tatsächlich aufgelöst worden ist (zur [X.] als Betriebsstilllegung: vgl. [X.] 12. Februar 1987 - 2 [X.] 247/86 - zu II 1 a der Gründe). Die Einstellung der Produktion in [X.] bewirkte überdies, dass der Beklagten nach dem 31. [X.]anuar 2012 eine [X.]eiterbeschäftigung der Klägerin auf der bisherigen Vertragsgrundlage nicht mehr möglich war. Zwar haben die Parteien im Arbeitsvertrag einen bestimmten Arbeitsort nicht ausdrücklich vereinbart. Daraus folgt aber nicht, dass die Beklagte der Klägerin einseitig eine Tätigkeit in ihrer [X.] Betriebsstätte hätte zuweisen können. Ist der Arbeitsort nicht näher bestimmt, kann der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer auf der Grundlage seines Direktionsrechts (§ 106 [X.]) allenfalls innerhalb der Grenzen des Gebiets der Bundesrepublik [X.] versetzen (zum [X.]: vgl. [X.]/Preis 13. Aufl. § 106 [X.] Rn. 16). Soweit die Klägerin nach dem Arbeitsvertrag verpflichtet sein sollte, „auch eine andere Tätigkeit in der Firma auszuüben“, kann daraus - unabhängig davon, ob es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen oder um atypische Erklärungen handelt - nicht abgeleitet werden, die Beklagte habe sich eine länderübergreifende Versetzung der Klägerin vorbehalten wollen. Für ein solches Verständnis fehlt es an Anhaltspunkten, zumal im Arbeitsvertrag als „Firma“ die Beklagte unter ihrer Anschrift in [X.] bezeichnet ist. Die Parteien verstehen ihre Vereinbarungen selbst nicht anders.

(2) Die Kündigung ist nicht unter dem Gesichtspunkt des Vorrangs der Änderungskündigung unwirksam. Insoweit kann zugunsten der Klägerin unterstellt werden, dass zumindest ein Teil der im Bereich der „Endfertigung“ erledigten Tätigkeiten in der [X.] Betriebsstätte der Beklagten weiterhin anfällt und dort ein entsprechender zusätzlicher Arbeitskräftebedarf entstanden ist. Bei den fraglichen Stellen handelt es sich nicht um „freie“ Arbeitsplätze iSv. § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Buch[X.]b, Satz 3 [X.].

(a) Eine Kündigung ist nur dann iSd. § 1 Abs. 2 [X.] durch „dringende“ betriebliche Erfordernisse bedingt, wenn es dem Arbeitgeber nicht möglich ist, dem bei Ausspruch der Kündigung absehbaren [X.]egfall des [X.] durch andere Maßnahmen - sei es technischer, organisatorischer oder wirtschaftlicher Art - als durch eine Beendigungskündigung zu entsprechen. Das Merkmal der „Dringlichkeit” der betrieblichen Erfordernisse ist Ausdruck des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit (ultima-ratio-Prinzip), aus dem sich ergibt, dass der Arbeitgeber vor jeder ordentlichen Beendigungskündigung von sich aus dem Arbeitnehmer eine sowohl diesem als auch ihm selbst objektiv mögliche anderweitige Beschäftigung auf einem freien Arbeitsplatz, ggf. zu geänderten Bedingungen, anbieten muss ([X.] 25. Oktober 2012 - 2 [X.] 552/11 - Rn. 29; 23. November 2004 - 2 [X.] 38/04 - zu [X.] 2 a der Gründe, [X.]E 112, 361). Diese in § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Buch[X.]b, Satz 3 [X.] konkretisierte [X.] gilt unabhängig davon, ob in dem Betrieb ein Betriebsrat besteht und ob dieser der Kündigung widersprochen hat ([X.] 2. Februar 2006 - 2 [X.] 38/05 - Rn. 20 mwN).

(b) Erfüllt der Arbeitnehmer das Anforderungsprofil der fraglichen Stelle, bedarf es grundsätzlich keiner weiter gehenden Prüfung, ob dem Arbeitnehmer die Tätigkeit zumutbar ist. Das gilt auch dann, wenn deren Zuweisung eine Vertragsänderung erforderlich macht. Eine ggf. erforderliche Änderungskündigung darf nur in „Extremfällen“ unterbleiben, zB bei einer völlig unterwertigen Beschäftigung. Der Arbeitnehmer soll grundsätzlich selbst entscheiden können, ob er eine [X.]eiterbeschäftigung unter veränderten, möglicherweise sogar erheblich verschlechterten Arbeitsbedingungen für zumutbar erachtet oder nicht ([X.] 23. Februar 2010 - 2 [X.] 656/08 - Rn. 57, [X.]E 133, 226; 5. [X.]uni 2008 - 2 [X.] 107/07 - Rn. 15).

(c) Für das Fehlen einer anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeit ist gemäß § 1 Abs. 2 Satz 4 [X.] der Arbeitgeber darlegungs- und beweispflichtig. Dabei gilt eine abgestufte Darlegungslast. Bestreitet der Arbeitnehmer lediglich den [X.]egfall seines bisherigen Arbeitsplatzes, genügt der Vortrag des Arbeitgebers, wegen der betrieblichen Notwendigkeiten sei eine [X.]eiterbeschäftigung zu den gleichen Bedingungen nicht möglich. [X.]ill der Arbeitnehmer vorbringen, es sei eine Beschäftigung an anderer Stelle möglich, obliegt es ihm darzulegen, wie er sich diese Beschäftigung vorstellt. Erst daraufhin muss der Arbeitgeber eingehend erläutern, aus welchen Gründen eine Umsetzung nicht in Betracht kam ([X.] 25. Oktober 2012 - 2 [X.] 552/11 - Rn. 30; 1. März 2007 - 2 [X.] 650/05 - Rn. 21).

(d) Danach hat sich die Klägerin nicht auf eine geeignete anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit berufen, soweit sie die Auffassung vertreten hat, die Arbeitsplätze in [X.] hätten bei Entwicklung eines Sanierungskonzepts erhalten werden können. Der Arbeitgeber ist in den Grenzen der [X.]illkür frei in seiner Entscheidung, an welchem Standort er seine unternehmerische Tätigkeit entfaltet. [X.]eiterbeschäftigungsmöglichkeiten können deshalb nur im Rahmen der von ihm vorgegebenen Arbeitsorganisation Berücksichtigung finden (vgl. [X.] 27. September 2001 - 2 [X.] 246/00 - zu I 1 c [X.] der Gründe).

(e) Die Beklagte musste der Klägerin zur Vermeidung einer Beendigungskündigung nicht eine [X.]eiterbeschäftigung in [X.] anbieten.

Der Berücksichtigung der fraglichen Stellen steht zwar nicht deren Anforderungsprofil entgegen, wie die Beklagte gemeint hat. Diese hat sich hierfür lediglich auf sprachliche Barrieren berufen. Ihr pauschaler Vortrag lässt nicht erkennen, welche Anforderungen der Arbeitsplatz an die Sprachkenntnisse der Klägerin objektiv stellt und weshalb mögliche Hindernisse nicht innerhalb einer zumutbaren Einarbeitungszeit hätten überwunden werden können.

Die Beklagte brauchte der Klägerin ein entsprechendes Änderungsangebot aber deshalb nicht zu unterbreiten, weil sich die Verpflichtung des Arbeitgebers aus § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Buch[X.]b, Satz 3 [X.], den Arbeitnehmer an einem anderen - freien - Arbeitsplatz im selben oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens zu beschäftigen, grundsätzlich nicht auf Arbeitsplätze in einem im Ausland gelegenen Betrieb oder Betriebsteil des Unternehmens erstreckt. Ob dies auch dann gilt, wenn der Arbeitgeber ganze Betriebe oder doch Betriebsteile ins Ausland verlagert, bedarf im Streitfall keiner Entscheidung. Es fehlt an Anhaltspunkten dafür, dass es sich bei dem Bereich „Endfertigung“ um einen organisatorisch abgegrenzten Betriebsteil handelte.

(aa) Das [X.] hat sich mit der hier aufgeworfenen Rechtsfrage noch nicht näher befasst. Sie war entweder deshalb, weil sich der Arbeitnehmer nicht auf eine [X.]eiterbeschäftigung im Ausland berufen hatte (vgl. [X.] 18. September 1997 - 2 [X.] -), oder aus anderen Gründen (vgl. [X.] 13. Dezember 2012 - 6 [X.] 608/11 - Rn. 89) nicht entscheidungserheblich.

([X.]) Das [X.] geht davon aus, etwaige [X.]eiterbeschäftigungsmöglichkeiten im Ausland seien im Rahmen von § 1 Abs. 2 [X.] nicht zu berücksichtigen. Als „Betrieb“ iSv. § 1 [X.] seien nur die in der Bundesrepublik [X.] gelegenen organisatorischen Einheiten bzw. Teile eines Unternehmens anzusehen (im Ergebnis ebenso [X.] 5. Mai 2011 - 5 [X.]/11 - und - 5 [X.]/11 -; [X.] 11. Mai 2011 - 5 [X.]/11 -; [X.]/Bram/Bram § 1 [X.] Rn. 305; [X.]/Zaumseil [X.] 2012, 1624; [X.] 2010, 43, 44; aA [X.] 22. März 2011 - 1 [X.]/11 -; [X.]/Schwarze § 1 Rn. 315; [X.] 41/2012 [X.]. 4; Deinert [X.]bArbR Bd. 50 S. 77, 96; mit Einschränkungen auch H[X.]K/Quecke 5. Aufl. § 1 [X.] Rn. 277; [X.]isskirchen [X.] 2007, 340, 345 f.).

([X.]) Dies ist jedenfalls für die hier vorliegende Konstellation zutreffend.

([X.]) Nach ständiger Rechtsprechung des [X.]s findet der Erste Abschnitt des [X.]es - sofern eine verfassungskonforme Auslegung des Gesetzes kein anderes Ergebnis gebietet - nur auf in [X.] gelegene Betriebe Anwendung ([X.] 26. März 2009 - 2 [X.] 883/07 - Rn. 13; 17. [X.]anuar 2008 - 2 [X.] 902/06 - Rn. 18, [X.]E 125, 274). Das ergibt die am [X.]ortlaut, an der Systematik und der Entstehungsgeschichte sowie an Sinn und Zweck des § 23 [X.] orientierte Auslegung (im Einzelnen [X.] 17. [X.]anuar 2008 - 2 [X.] 902/06 - Rn. 23 ff., aaO). Das [X.] hat dieses Verständnis des kündigungsschutzrechtlichen [X.]s von Verfassungs wegen nicht beanstandet (vgl. [X.] 12. März 2009 - 1 BvR 1250/08 -).

([X.]b) Die sich daraus ergebenden Beschränkungen des durch das [X.] gewährleisteten Bestandsschutzes sind auch im Rahmen von § 1 Abs. 2 Satz 2, Satz 3 [X.] zu berücksichtigen. Die Regelung knüpft, soweit sie die Verpflichtung des Arbeitgebers zur [X.]eiterbeschäftigung des Arbeitnehmers auf das Unternehmen ausdehnt, an die Beschäftigung in „Betrieben“ an. Der „[X.]“ der [X.]eiterbeschäftigungspflicht besteht nur mittelbar, dh. vermittelt über den [X.]. Der Begriff des „Betriebes“ in § 1 [X.] ist grundsätzlich nicht anders zu verstehen als in § 23 [X.] ([X.]Rspr., vgl. [X.] 17. [X.]anuar 2008 - 2 [X.] 902/06 - Rn. 16, [X.]E 125, 274; 3. [X.]uni 2004 - 2 [X.] 386/03 - Rn. 28).

([X.]c) Für die Beschränkung der [X.]eiterbeschäftigungspflicht des Arbeitgebers auf organisatorische Einheiten, die in [X.] gelegen sind, spricht insbesondere der - bereits für die Auslegung des [X.]s in § 23 Abs. 1 [X.] maßgebende - Gesichtspunkt, dass die Frage nach der [X.] der Kündigung nahezu immer eine Einbeziehung der betrieblichen Gegebenheiten erfordert. Das betrifft - neben der gesetzlich vorgeschriebenen [X.] - in besonderem Maße die in Rede stehende Verpflichtung des Arbeitgebers, dem Arbeitnehmer ggf. eine anderweitige Beschäftigung im selben oder in einem anderen Betrieb seines Unternehmens anzubieten. Schon die Beurteilung, ob freie Beschäftigungskapazitäten in einem ausländischen Betrieb zur Verfügung stehen, kann in der Regel nicht losgelöst von den Rechtsverhältnissen der dort tätigen Arbeitnehmer beurteilt werden. Auch kann es sein, dass mehrere zur Entlassung anstehende Arbeitnehmer betriebsübergreifend um eine geringere Zahl freier Arbeitsplätze konkurrieren. Bei der Prüfung, welcher Arbeitnehmer in einer solchen Situation bei der Stellenbesetzung Vorrang genießt, ist vorausgesetzt, dass gegenüber allen betroffenen Beschäftigten und dem Arbeitgeber dasselbe - [X.] - Arbeitsrecht und Kündigungsschutzrecht angewendet und durchgesetzt werden kann. Diese Voraussetzung sicherzustellen ist das Anliegen der Anknüpfung an den Begriff des „Betriebes“ in § 23 Abs. 1 [X.] (vgl. [X.] 26. März 2009 - 2 [X.] 883/07 - Rn. 16). Im Rahmen von § 1 [X.] gilt nichts anderes. Die Norm legt fest, unter welchen Voraussetzungen eine Kündigung sozial ungerechtfertigt ist. Anders als in einem kohärenten System kann der vom Gesetzgeber mit den Regelungen des [X.]es angestrebte Ausgleich gegenläufiger Interessen des Arbeitnehmers und des Arbeitgebers, ggf. aber auch der Arbeitnehmer untereinander, nicht gelingen.

Überdies könnte sonst die Freiheit des Arbeitgebers bei der Auswahl ggf. neu einzustellender Arbeitnehmer eingeschränkt sein, ohne dass dies dem im ausländischen Betrieb geltenden Recht entsprechen müsste. Auch könnte die Verpflichtung des Arbeitgebers, freie Arbeitsplätze in einem im Ausland gelegenen Betrieb in die Verhältnismäßigkeitsprüfung nach § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Buch[X.]b, Satz 3 [X.] einzubeziehen, zulasten der Beschäftigungschancen Dritter gehen, obwohl diese uU nicht die Möglichkeit hatten, einen [X.]n Arbeitnehmern vergleichbaren Bestandsschutz zu erwerben (vgl. [X.] 5. Mai 2011 - 5 [X.]/11 - zu I 2.1.2 der Gründe). Dafür, dass der [X.] Gesetzgeber solch weitreichende Auswirkungen des Kündigungsschutzes beabsichtigt hat, fehlt es an Anhaltspunkten.

(ddd) Die Beschränkung der Verpflichtungen aus § 1 Abs. 2 Satz 2 und Satz 3 [X.] auf in [X.] gelegene „Betriebe“ führt nicht zu einer ungerechtfertigten Ungleichbehandlung der jeweiligen Belegschaft. Es stellt einen maßgebenden Unterschied dar, ob ein Betrieb im Inland oder Ausland angesiedelt ist. Die Entscheidung des Gesetzgebers, die Feststellung der [X.] einer Kündigung an die Voraussetzung zu knüpfen, dass die fragliche betriebliche Organisation in der Bundesrepublik [X.] liegt, ist nicht willkürlich (vgl. [X.] 17. [X.]anuar 2008 - 2 [X.] 902/06 - Rn. 32, [X.]E 125, 274).

([X.]) Im Streitfall kann dahinstehen, ob „freie“ Arbeitsplätze im Ausland dann zu berücksichtigen sind, wenn die Arbeitsverhältnisse der im ausländischen Betrieb tätigen Arbeitnehmer - etwa aufgrund einer Rechtswahl - [X.]m ([X.] unterliegen (die Berücksichtigung solcher Vertragsverhältnisse jedenfalls bei der Feststellung der Betriebsgröße iSd. § 23 Abs. 1 [X.] erwägend: [X.] 26. März 2009 - 2 [X.] 883/07 - Rn. 20). Ebenso kann offen bleiben, ob sich ein Arbeitnehmer dann auf eine [X.]eiterbeschäftigungsmöglichkeit im Ausland berufen kann, wenn im Arbeitsvertrag eine [X.] vereinbart ist, die dem Arbeitgeber die Zuweisung einer entsprechenden Tätigkeit ermöglicht (befürwortend [X.] 2010, 43, 47). So liegt der Streitfall nicht. Der Arbeitsvertrag der Parteien enthält keine entsprechende Abrede. Dem Vorbringen der Parteien sind auch keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass auf die Arbeitsverhältnisse der in [X.] tätigen Arbeitnehmer [X.]s Recht zur Anwendung gelangte. Darauf, ob das individuelle Arbeitsverhältnis der Parteien im Falle seiner Fortführung im Ausland weiterhin [X.]m Recht unterläge oder ob ein Statutenwechsel einträte, kommt es nicht an (zur Problematik vgl. [X.] 25. April 2013 - 6 [X.] 49/12 - Rn. 166; Deinert [X.]bArbR Bd. 50 S. 77, 83; [X.]unker NZA-Beil. 2012, 8, 9, 14; [X.] [X.] ins Ausland und [X.]egzugsfreiheit des Unternehmers S. 27 ff.). Ein möglicher [X.]echsel des [X.] könnte zwar im Rahmen der Prüfung, ob ein Änderungsangebot ausnahmsweise entbehrlich ist, Bedeutung gewinnen. Er ist aber für sich genommen kein geeigneter Maßstab für die Beurteilung, ob das [X.] dem Arbeitgeber ggf. die Verpflichtung auferlegt, dem Arbeitnehmer im [X.]ege der Änderungskündigung ein Angebot zur [X.]eiterbeschäftigung auf einem freien Arbeitsplatz in einem im Ausland gelegenen Betrieb zu unterbreiten (vgl. [X.]/Zaumseil [X.] 2012, 1624, 1625).

(fff) Das Ergebnis widerspricht nicht der Rechtsprechung des [X.] des [X.]s, nach der von einem - den Tatbestand der Betriebs(teil)stilllegung ausschließenden - Betriebs(teil)übergang iSv. § 613a BGB auch bei einem grenzüberschreitenden Sachverhalt auszugehen sein kann ([X.] 26. Mai 2011 - 8 [X.] 37/10 - Rn. 36, 45). Im entschiedenen Fall ging es um die - identitätswahrende - Verlagerung eines organisatorisch abgegrenzten Betriebsteils ins (grenznahe und überdies [X.]) Ausland bei gleichzeitigem [X.]echsel des Betriebsinhabers. Ein vergleichbarer Sachverhalt liegt hier nicht vor. [X.]eder den Feststellungen des [X.]s noch dem beiderseitigen Parteivorbringen ist zu entnehmen, dass es sich bei dem Aufgabenbereich der „Endfertigung“ um einen organisatorisch abgegrenzten Betriebsteil gehandelt hätte, der identitätswahrend als Ganzer nach [X.] verlagert worden wäre.

(ggg) Die verfassungskonforme Auslegung des [X.]s mag - je nach den Umständen des [X.] ein anderes Ergebnis gebieten, wenn ein Arbeitgeber unweit einer Ländergrenze im In- und Ausland mehrere einheitlich gelenkte Betriebsstätten unterhält und Aufgaben im „kleinem Grenzverkehr“ von der einen in die andere Einheit verlagert (dazu [X.] 8/2012 [X.]. 1). Auch so liegt der Streitfall nicht.

2. Die Kündigung ist nicht gemäß § 1 Abs. 3 [X.] sozial ungerechtfertigt. Das [X.] hat - unter Bezugnahme auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts - angenommen, die Klägerin sei mit Arbeitnehmern, die über den 31. [X.]anuar 2012 hinaus in [X.] weiterbeschäftigt worden seien, nicht vergleichbar. Die [X.]ürdigung, die von der Revision nicht angegriffen wird, lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Auf eine [X.] mit Arbeitnehmern, die in der Betriebsstätte [X.] beschäftigt sind, hat sich die Klägerin in den Vorinstanzen nicht berufen. Im Übrigen wären in die [X.] wegen ihrer Betriebsbezogenheit jedenfalls solche Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, die im Kündigungszeitpunkt im Ausland beschäftigt waren und deren Arbeitsverhältnis nicht [X.]m Recht unterlag.

III. Der Antrag auf vorläufige [X.]eiterbeschäftigung ist dem Senat nicht zur Entscheidung angefallen.

IV. Die Klägerin hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Berger    

        

    Rinck    

        

    Rachor    

        

        

        

    Torsten Falke    

        

    [X.]olf    

                 

Meta

2 AZR 809/12

29.08.2013

Bundesarbeitsgericht 2. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Solingen, 27. Februar 2012, Az: 4 Ca 993/11, Urteil

§ 1 Abs 2 S 2 Nr 1 Buchst b KSchG, § 1 Abs 2 S 3 KSchG, § 1 Abs 3 KSchG, § 23 Abs 1 KSchG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 29.08.2013, Az. 2 AZR 809/12 (REWIS RS 2013, 3135)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 3135


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 2 AZR 809/12

Bundesarbeitsgericht, 2 AZR 809/12, 29.08.2013.


Az. 4 Ca 993/11

Arbeitsgericht Solingen, 4 Ca 993/11, 27.02.2012.


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