Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.06.2006, Az. IV ZB 36/05

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2006, 3113

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[X.] [X.] 36/05 vom 14. Juni 2006 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]Z: nein [X.]R: nein _____________________

ZPO § 233 [X.] Zu den Anforderungen an eine mündliche Weisung des Rechtsanwalts an sein Büro, einen Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist vorzubereiten.

[X.], Beschluss vom 14. Juni 2006 - [X.] 36/05 - OLG [X.]

LG [X.] - 2 -

[X.] hat durch den [X.], [X.], [X.], die Richterin Dr. [X.] und [X.] [X.] am 14. Juni 2006 beschlossen: Die Rechtsbeschwerde der Kläger gegen den Beschluss des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts [X.] vom 27. Juli 2005 wird verworfen. Die Kläger tragen die Kosten des Rechtsbeschwerdever-fahrens einschließlich der Kosten des Streithelfers. Streitwert: 235.000 •

Gründe: [X.] Die Kläger, deren auf § 2287 BGB gestützte Klage auf Heraus-gabe von Grundstücken durch Urteil des [X.] vom 11. März 2005 abgewiesen worden war, haben die Frist zur Berufungsbegründung versäumt. Das landgerichtliche Urteil wurde ihrem Prozessbevollmächtig-ten am 31. März 2005 zugestellt. Am 19. April 2005 wurde rechtzeitig Berufung eingelegt. Die Frist zur Begründung der Berufung lief am 31. Mai 2005 ab. Erst am 1. Juni 2005 ging ein Schreiben des [X.] - 3 -

bevollmächtigten der Kläger von diesem Tage beim Berufungsgericht ein, mit dem eine Verlängerung der [X.] wegen [X.] und Arbeitsüberlastung des alleinigen Sachbearbeiters um einen Monat beantragt wurde. Nach einem Hinweis auf den Fristablauf wurde am 24. Juni 2005 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt; am 29. Juni 2005 ging die Berufungsbegründung ein. Zur Begründung des [X.] wurde vorgetragen, eine sonst stets zuverlässige Rechtsanwalts-fachangestellte habe den Ablauf der Berufungsfrist (am Montag, dem 2. Mai 2005,) und die Frist zur Berufungsbegründung nebst zugehörigen [X.] zwar in der Handakte zutreffend berechnet und als erledigt no-tiert; bei der Eintragung im [X.] habe sie das Ende der Beru-fungsbegründungsfrist aber nicht auf den 31. Mai 2005 vermerkt, son-dern auf den 2. Juni 2005. Der sachbearbeitende Rechtsanwalt war vom 19.-30. Mai 2005 berufs- und urlaubsbedingt ortsabwesend. Im Hinblick darauf habe er zuvor "in der Kanzlei" verfügt, dass in dieser Sache eine Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist um einen Monat beantragt werden solle. Entgegen der Weisung sei dieser Antrag aber weder dem sachbearbeitenden Rechtsanwalt noch vor dem 19. Mai 2005 vorgelegt worden noch seinem Vertreter in der Kanzlei in der [X.] seiner Abwesen-heit, sondern wegen des unrichtig im Kalender eingetragenen Fristab-laufs erst am 1. Juni 2005. 2 Das Berufungsgericht hat durch den angefochtenen Beschluss den Antrag auf Wiedereinsetzung zurückgewiesen und die Berufung der Klä-ger als unzulässig verworfen. Zwar habe sich der Anwalt darauf verlas-sen dürfen, dass die in der Handakte zutreffend berechnete und mit ei-3 - 4 -

[X.] versehene Frist von seinem Büro beachtet werde; zur Einsicht auch in den [X.] sei er nicht verpflichtet. Da der Klägervertreter aber nicht dargelegt habe, dass er die Vorlage ei-nes [X.] schriftlich verfügt habe, sei davon auszuge-hen, dass diese Verfügung nur mündlich erfolgte. Wenn ein so wichtiger Vorgang wie die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist nur durch mündliche Anweisung veranlasst werde, seien zusätzliche organisatori-sche Vorkehrungen erforderlich, damit die Anweisung sofort erledigt und nicht etwa wegen anderer Arbeiten zurückgestellt werde oder in [X.] gerate. Das Fehlen solcher Vorkehrungen zeige sich hier daran, dass der Verlängerungsantrag dem sachbearbeitenden Anwalt erst am 1. Juni 2005 und nicht - wie es seiner Anweisung entsprochen hätte - noch vor seiner Abwesenheit vorgelegt und auch nicht einem Kollegen während seiner Abwesenheit zur Unterschrift gegeben worden sei.

I[X.] Die gemäß §§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4, 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthafte und rechtzeitig erhobene [X.] war als unzulässig zu verwerfen, da die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind. Sie wäre auch unbegründet. 4 1. Nach Ansicht der Beschwerde kommt der Frage, ob bei einer mündlich erteilten Anweisung besondere organisatorische Vorkehrungen gegen ein Vergessen zu treffen sind, grundsätzliche Bedeutung zu. Das Berufungsgericht stütze sich insoweit auf Entscheidungen, in denen der Rechtsanwalt ein Empfangsbekenntnis über die Urteilszustellung [X.] und zurückgegeben, seine Bürokraft aber lediglich mündlich [X.] hatte, das (für die Berechnung der Rechtsmittelfristen erforderli-5 - 5 -

che) Zustellungsdatum in den Handakten zu vermerken ([X.], [X.] vom 5. November 2002 - [X.]/01 - NJW 2003, 435 unter II 1 a; vom 17. September 2002 - [X.]/01 - NJW 2002, 3782 unter II 1 a; vom 4. November 2003 - [X.]/03 - NJW 2004, 688 unter [X.]; [X.] NJW 2003, 1269, 1270). Diese ausdrücklich von dem Grundsatz abweichenden Entscheidungen, dass sich ein Rechtsanwalt auf die Be-folgung seiner Anweisungen verlassen dürfe, auch wenn sie mündlich er-teilt werden, könnten nicht auf Fälle wie den vorliegenden übertragen werden, in denen es um eine - noch dazu erste - Verlängerung der Beru-fungsbegründungsfrist gehe. Eine solche Verlängerung könne noch am letzten Tag der zu verlängernden Frist beantragt werden, mithin an dem Tag, an dem die Handakte wegen des Fristablaufs ohnehin vorgelegt werde. Auch in einem Beschluss des [X.] vom 11. Februar 1998 ([X.] 184/97 - NJW-RR 1998, 787 unter [X.] und c) sei eine mündliche [X.], die sich auf den Weg der Beförderung eines derartigen [X.] an das zuständige Gericht bezog, als ausreichend angesehen worden. Zumindest müsse die Beschwerde zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung [X.] werden.
2. Der vorliegende Fall bietet indessen unter keinem der nach § 574 Abs. 2 ZPO maßgebenden Gesichtspunkte Anlass zu einer Zulas-sung der Beschwerde. Vielmehr ist der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen des den Klägern nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzu-rechnenden Verschuldens ihres Anwalts mit Recht zurückgewiesen [X.]. 6 - 6 -

a) Die Rechtsprechung zur Notwendigkeit zusätzlicher organisato-rischer Vorkehrungen gegen ein Vergessen nur mündlich erteilter Anwei-sungen ist nicht auf Fälle der Eintragung des Ablaufs einer Rechtsmittel-frist beschränkt. Zwar gilt sie nur für besonders wichtige Vorgänge; dazu ist aber auch die Absendung eines Schriftsatzes gerechnet worden, durch den die Berufungsbegründungsfrist gewahrt werden sollte ([X.], Beschluss vom 22. Juni 2004 - [X.]/04 - NJW-RR 2004, 1361 unter 2). Hier sollte diese Frist zwar noch nicht endgültig durch Vorlage der Berufungsbegründung eingehalten, sondern zunächst gemäß § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO verlängert werden. Voraussetzung dafür ist der [X.] vor Fristablauf; ohne diesen kann die abgelaufene Frist nicht mehr verlängert werden ([X.]Z 83, 217, 221 f.; 116, 377, 378 f.; [X.], Beschluss vom 10. Juni 2003 - [X.]/02 - NJW 2003, 3418 unter [X.].E.). Damit ist der rechtzeitige Eingang des [X.] bei Gericht nicht weniger wichtig als die richtige Berechnung des [X.]. 7 b) Ungeachtet der vom Berufungsgericht vermissten organisatori-schen Vorkehrungen gegen ein Vergessen der mündlich erteilten [X.] war die hier vorgetragene mündliche Verfügung des Anwalts schon aus sich heraus nicht hinreichend präzis. Aus dem [X.] er-gibt sich nicht, ob die Anweisung einer bestimmten Bürokraft persönlich erteilt worden ist und ob dies etwa die Angestellte war, die das Ende der Berufungsbegründungsfrist falsch in den Kalender eingetragen und den Verlängerungsantrag erst am 1. Juni 2005 zur Unterschrift vorgelegt hat. Ihrer eidesstattlichen Versicherung ist über die vorgetragene mündliche Verfügung des Anwalts nichts zu entnehmen. Unklar bleibt weiter, [X.] Anforderungen der Anwalt hinsichtlich des [X.]punkts der Vorlage 8 - 7 -

des [X.] gestellt hat. Wenn er gesagt haben sollte, der Antrag solle entweder noch ihm selbst vor seiner am 19. Mai 2005 be-ginnenden Ortsabwesenheit zur Unterschrift vorgelegt werden oder aber seinem Vertreter in der [X.] seiner Abwesenheit vom 19.-30. Mai 2005, wäre durch die Einräumung eines so langen Spielraums für die [X.] die Gefahr eines Vergessens gegenüber zahlreichen anderen Verpflichtungen der betreffenden Bürokraft stark erhöht worden. Eine solche Einzelweisung bietet keine hinreichende Gewähr dafür, dass eine Fristversäumung zuverlässig verhindert wird (vgl. [X.], Beschluss vom 27. Oktober 1998 - [X.] - NJW 1999, 429 unter [X.]).
c) Nach dem [X.] ist nicht ausgeschlossen, dass der Anwalt überhaupt nicht mehr verlangt hat als eine zeitlich von ihm nicht näher eingegrenzte Vorbereitung des [X.]. Wenn der Bürokraft nicht vorgegeben war, wann der Antrag zur Unterschrift vorge-legt werden sollte, hat der Anwalt die von ihm im Hinblick auf den [X.] als einer fristgebundenen Prozesshandlung eigenver-antwortlich wahrzunehmenden Pflichten versäumt, den [X.]punkt des Fristablaufs zu überprüfen und die Einhaltung der Frist zu sichern (vgl. [X.], Beschlüsse vom 17. März 2004 - [X.] 41/03 - NJW-RR 2004, 1150 unter II; vom 19. Februar 1991 - [X.] - NJW-RR 1991, 827 unter [X.] [X.]). Vielmehr blieb es der Bürokraft überlassen, wann sie den Verlängerungsantrag zur Unterschrift vorlegen würde. Diese wird sich auf die (fehlerhafte) Eintragung des Fristablaufs im Kalender verlas-sen haben. Für die Annahme, dass der Anwalt hier den Ablauf der Beru-fungsbegründungsfrist selbst nicht kontrolliert hat, spricht der Umstand, dass er den Verlängerungsantrag noch am 1. Juni 2005 unterschrieben hat, also einen Tag nach Ablauf der Frist, und erst auf den Hinweis des 9 - 8 -

Berufungsgerichts, dass die Frist versäumt sei, Wiedereinsetzung [X.] hat. Er hat gegenüber dem Berufungsgericht die unzutreffende An-sicht vertreten, ein Anwalt müsse bei Unterzeichnung eines solchen [X.]s die Einhaltung der Berufungsbegründungsfrist nicht selbst überprüfen (Schriftsatz vom 11. Juli 2005 auf Seite 2).
Terno [X.] [X.] Dr. [X.] Dr. [X.] Vorinstanzen: LG [X.], Entscheidung vom 11.03.2005 - 5 O 86/99 - OLG [X.], Entscheidung vom 27.07.2005 - 3 U 20/05 -

Meta

IV ZB 36/05

14.06.2006

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.06.2006, Az. IV ZB 36/05 (REWIS RS 2006, 3113)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2006, 3113

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