Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.11.2010, Az. VI ZB 75/09

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 1587

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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS [X.] ZB 75/09 vom 9. November 2010 in dem Rechtsstreit - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat am 9. November 2010 durch den Vorsitzenden [X.], [X.] und [X.], die Richterin [X.] und [X.] beschlossen: Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 1. Zivilsenats des [X.] vom 8. Oktober 2009 wird auf Kosten der Beklagten als unzulässig verworfen. [X.]: 4.408,99 • Gründe: [X.] Die Klägerin nimmt die Beklagten auf Schadensersatz aus einem [X.] vom 18. August 2007 in Anspruch, in dessen Folge ihr Ehemann verstarb. Mit Urteil vom 26. Juni 2009, dem Prozessbevollmächtigten der [X.] zugestellt am 13. Juli 2009, hat das Amtsgericht der Klage ganz über-wiegend stattgegeben. Gegen dieses Urteil haben die Beklagten mit einem an das [X.] gerichteten anwaltlichen Schriftsatz vom 10. August 2009, dort eingegangen am 11. August 2009, Berufung eingelegt. Mit Beschluss vom 28. August 2009 hat das [X.] die Berufung als unzulässig verworfen, weil aufgrund des allgemeinen Gerichtsstands des Beklagten zu 2 in [X.] gemäß § 119 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b GVG a.F. für die Verhandlung und Entscheidung über die Berufung das [X.] zuständig sei. Unter 1 - 3 - dem 14. September 2009 hat der Prozessbevollmächtigte der Beklagten vor dem [X.] einen Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist gestellt und am 15. September 2009 den die Berufung verwerfenden Beschluss des [X.]s zugestellt erhalten. Am 21. September 2009 haben die Beklagten Berufung zum Oberlan-desgericht eingelegt, diese begründet und zugleich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist und Berufungsbegrün-dungsfrist beantragt. Zur Glaubhaftmachung haben sie eidesstattliche Versiche-rungen vorgelegt, wonach ihr Prozessbevollmächtigter am 10. August 2009 ei-ne an das [X.] gerichtete Rechtsmittelschrift diktiert habe, die wegen urlaubsbedingter Abwesenheit der Büroleiterin [X.] von der [X.] bearbeitet worden sei. Diese habe beim Schreiben nicht genau auf den Adressaten geachtet und - da das anzufechtende Urteil vom Amtsgericht stammte - die im Computer vorgespeicherte Adresse des [X.]s aufgerufen. Dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten sei die irrtümliche Adressierung an das [X.] aufgefallen, nachdem er die Beru-fungsschrift bereits auf der zweiten Seite unterzeichnet gehabt habe. Er habe die Mitarbeiterin [X.] daraufhin auf den Fehler aufmerksam gemacht und sie mündlich angewiesen, vor der Fristenkontrolle und dem Postauslauf das Adressfeld dahingehend zu korrigieren, dass der Schriftsatz an das Oberlan-desgericht zu richten sei, die erste Seite also nochmals ausgefertigt und ausge-druckt werden müsse. Dies habe die Fachangestellte [X.], die sich in der Vergan-genheit als äußerst zuverlässig und ordentlich erwiesen habe, aber vergessen, so dass der Schriftsatz in unveränderter Form in den Postausgang gelangt sei. Das Versehen sei erst am 14. September 2009 im Zusammenhang mit der [X.] des Fristverlängerungsantrags von der Büroleiterin [X.] entdeckt worden. 2 - 4 - 3 Mit dem angefochtenen Beschluss hat das [X.] die [X.] Wiedereinsetzung versagt und die Berufung der Beklagten als unzuläs-sig verworfen, weil die Versäumung der Berufungseinlegungs- und Berufungs-begründungsfrist auf einem Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten [X.]. Zwar habe der Prozessbevollmächtigte der Beklagten unter normalen Be-dingungen grundsätzlich darauf vertrauen dürfen, dass eine von ihm erteilte [X.] von einer seit 2002 bei ihm stets zuverlässig arbeitenden Rechtsanwaltsfachangestellten ordnungsgemäß ausgeführt werden würde. Im zu entscheidenden Fall hätten jedoch besondere Umstände vorgelegen, nach-dem die Rechtsanwaltsfachangestellte [X.] für den Beklagtenvertreter erkennbar bei der Umsetzung des Diktats die erforderliche Sorgfalt habe vermissen [X.], er aber gleichwohl die unrichtig adressierte Rechtsmittelschrift [X.] habe. Unter diesen Umständen sowie aufgrund der Mehrbelastung der Kanzleiangestellten [X.] durch Vertretung der urlaubsabwesenden Büroleiterin [X.] sei die alleinige Erteilung einer mündlichen [X.] gegenüber der Mitarbeiterin [X.] nicht mehr sorgfaltsgerecht gewesen; vielmehr hätte der Pro-zessbevollmächtigte der Beklagten zusätzlich das Adressfeld des Schriftsatzes handschriftlich korrigieren müssen. I[X.] Die Rechtsbeschwerde ist gemäß §§ 522 Abs. 1 Satz 4, 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthaft, aber unzulässig. Der von den Beklagten geltend gemachte [X.] der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) liegt nicht vor. Der angefochtene Beschluss verletzt die Beklagten nicht in ihrem verfassungsrechtlich gewährleisteten Anspruch auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip). 4 - 5 - 5 1. Die zur Begründung ihres Wiedereinsetzungsantrags von den [X.] gegebene Schilderung der Abläufe in der Kanzlei ihres [X.] ist bereits in sich unschlüssig. Aus welchem Grunde der [X.] am 14. September 2009, nachdem er an diesem Tag die Fehladres-sierung der Berufungsschrift entdeckt haben will, gleichwohl einen Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist vor dem bekanntermaßen unzu-ständigen [X.] stellte, gegenüber dem zuständigen [X.] aber erst nach Erhalt des die Berufung als unzulässig verwerfenden Beschlus-ses des [X.]s tätig wurde, ist nicht nachvollziehbar und wird von den Beklagten auch nicht näher erläutert. 2. Letztlich kann dies jedoch dahinstehen, weil der [X.] der Beklagten selbst unter Zugrundelegung dieser Darstellung bei [X.] Verhalten jedenfalls die am 14. September 2009 ablaufende Beru-fungsbegründungsfrist hätte wahren können. 6 Die Versäumung der Begründungsfrist beruht auf einem Verschulden des damaligen Prozessbevollmächtigten der Beklagten, das diese sich nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen müssen. Dass der Lauf der Berufungsbe-gründungsfrist durch ein Wiedereinsetzungsverfahren oder durch einen Be-schluss auf Verwerfung der Berufung nicht berührt wird, entspricht der ständi-gen Rechtsprechung des [X.] (Beschlüsse vom 20. Oktober 1976 - [X.], [X.], 137, 138; vom 16. März 1977 - [X.], [X.], 573; vom 30. Juni 1981 - [X.] ZB 13/81, [X.], 1032 f.; vom 22. April 1986 - [X.] ZB 3/86, [X.], 892, 893 und vom 9. Januar 1989 - [X.], [X.], 529). 7 Nach Entdecken des Versehens am letzten Tag der Berufungsbegrün-dungsfrist wäre es dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten ohne weiteres möglich und zumutbar gewesen, am selben Tag einen Antrag auf Verlängerung 8 - 6 - der Berufungsbegründungsfrist, ggf. verbunden mit einem Wiedereinsetzungs-antrag hinsichtlich der versäumten Berufungsfrist, beim zuständigen Oberlan-desgericht zu stellen. Einem solchen Antrag, begründet wie der an das [X.] gerichtete Fristverlängerungsantrag vom 14. September 2009, wäre vor-aussichtlich stattgegeben worden, so dass der Prozessbevollmächtigte die [X.] unschwer hätte einhalten können. Dieser Möglichkeit hat er sich durch sein Zuwarten bis zum 21. September 2009 ohne nachvoll-ziehbaren Grund begeben, wobei den Beklagten das Verschulden ihres Pro-zessbevollmächtigten zugerechnet wird (§ 85 Abs. 2 ZPO). Unter diesen Um-ständen hat das Berufungsgericht die Voraussetzungen des § 233 ZPO im Er-gebnis zu Recht verneint; eine sachlich nicht mehr zu rechtfertigende Erschwe-rung des Zugangs zu dem von der Zivilprozessordnung eingeräumten [X.] liegt hierin entgegen der Auffassung der Beklagten nicht. 3. Da die Wiedereinsetzung mithin jedenfalls im Hinblick auf die Versäu-mung der Berufungsbegründungsfrist zu versagen ist und sich die Verwerfung der Berufung als unzulässig bereits aufgrund der Versäumung dieser Frist als richtig erweist (§ 522 Abs. 1 ZPO), kann das Begehren der Beklagten auf [X.] gegen die Versäumung der Berufungsfrist nicht mehr zum Erfolg ihres Rechtsmittels führen und ist daher gegenstandslos. 9 - 7 - 10 4. [X.] folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. [X.] [X.]

[X.] [X.]
Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 26.06.2009 - 2 C 57/08 - [X.], Entscheidung vom [X.] - 1 U 182/09 -

Meta

VI ZB 75/09

09.11.2010

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.11.2010, Az. VI ZB 75/09 (REWIS RS 2010, 1587)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 1587

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