Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.06.2013, Az. XII ZB 47/10

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 5309

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 47/10
vom
5. Juni 2013
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
ZPO § 233 ([X.], [X.])
Zur nicht beachteten Einzelweisung eines Rechtsanwalts an seine Angestellte, die Adressierung einer [X.] an das Rechtsmittelgericht zu korri-gieren.

[X.], Beschluss vom 5. Juni 2013 -
XII ZB 47/10 -
OLG Hamm

[X.]

-
2
-

Der XII. Zivilsenat des [X.] hat am 5.
Juni 2013 durch [X.] und die Richter
Weber-Monecke, Dr.
Klinkhammer, Schilling und Dr.
Ne[X.]en-Boeger

beschlossen:

[X.] gegen den Beschluss des 7.
Zivilsenats des [X.] vom 15.
Dezember 2009 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
[X.]: 16.215

Gründe:

I.
Die Klägerin hat den Beklagten auf Zahlung rückständiger Miete in [X.] genommen; der
Beklagte hat widerklagend Rückzahlung einer Kaution sowie erbrachter Mietzahlungen begehrt. Das die Klage abweisende und der Widerklage im Wesentlichen stattgebende Urteil des [X.] ist der Kläge-rin zu Händen ihres erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten am [X.] 2009 zugestellt
worden. Die an das [X.] gerichtete Berufung der Klägerin ist dort per Fax am 14.
Oktober 2009 eingegangen. Nach Weiterleitung durch das [X.] ist die Berufung am 22.
Oktober 2010 bei dem [X.] eingegangen.

1
-
3
-

Mit Schriftsatz vom 10.
November 2009 hat der erstinstanzliche Pro-zessbevollmächtigte der Klägerin die Niederlegung des Mandats mitgeteilt. Am Montag, dem 16.
November 2009,
hat er beantragt, die Berufungsbegründungs-frist zu verlängern. Mit Schriftsatz vom 23.
November 2009 haben sich andere Rechtsanwälte für die Klägerin
bestellt. Am 27.
November 2009 hat der erstin-stanzliche Prozessbevollmächtigte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ge-gen die Versäumung der Berufungsfrist
beantragt. Zur Begründung hat er [X.],
die Berufungsschrift sei entgegen seiner Bestimmung unzutreffend adressiert worden.
Bei Unterzeichnung der Berufungsschrift habe er bemerkt, dass das [X.] als Adressat der Berufung eingefügt worden sei. [X.] habe er die seit Jahren als zuverlässig bekannte Büroleiterin damit [X.], die Anschrift zu korrigieren. Diese Korrektur sei irrtümlich unterblieben. Zur
Glaubhaftmachung sind die Angaben anwaltlich versichert worden.
Das [X.] hat den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vori-gen Stand zurückgewiesen und die Berufung verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Klägerin.

II.
[X.] ist unzulässig.
1. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt: Die Berufung sei nicht innerhalb der einmonatigen Berufungsfrist des §
517 ZPO bei dem [X.] eingegangen. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist sei unbegründet. Dabei könne dahinstehen, ob der erstinstanzli-che Prozessbevollmächtigte nach der Anzeige der Mandatsniederlegung und 2
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-
4
-

der Bestellung der neuen Prozessbevollmächtigten überhaupt noch als hand-lungsbefugt für die Klägerin habe gelten können. Denn der Begründung des Antrags lasse sich nicht entnehmen, dass die Klägerin ohne ein ihr zuzurech-nendes Verschulden des erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten an der Wahrung der Berufungsfrist gehindert gewesen sei. Zwar sei er der Verpflich-tung nachgekommen, sich bei Unterzeichnung der Berufungsschrift davon zu überzeugen, dass der Schriftsatz richtig adressiert sei. Nach Feststellung des Fehlers habe er seiner Mitarbeiterin die Anweisung erteilt, die Bezeichnung des Berufungsgerichts zu korrigieren. Bei einer
nur mündlich erteilten Anweisung, die einen wichtigen Vorgang betreffe, müssten aber ausreichende Vorkehrun-gen dagegen getroffen werden, dass sie nicht in Vergessenheit gerate und un-terbleibe. Vor dem Hintergrund, dass entgegen der Anweisung eine unzutref-fende Adressierung vorgenommen worden sei, habe hierzu in besonderem Maß Anlass bestanden. Deshalb treffe den Prozessbevollmächtigten ein Verschul-den, das die Klägerin
sich nach §
85 Abs.
2 ZPO zurechnen lassen müsse.
2. [X.] ist zwar nach §§
574 Abs.
1 Satz
1 Nr.
1, 238 Abs.
2 Satz
1, 522 Abs.
1 Satz
4 ZPO statthaft. Es fehlt indessen an den be-sonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen nach §
574 Abs.
2 ZPO, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entschei-dung des [X.] erfordern.
Die Entscheidung des [X.] hält sich im Rahmen der gefestigten Rechtsprechung des [X.] und verletzt die Klägerin auch nicht in ihren Verfahrensgrund-rechten.
a) Rechtsfehlerfrei ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die Klägerin die Frist zur Einlegung der Berufung versäumt hat. Die Berufung ist 6
7
-
5
-

aufgrund der falschen Adressierung erst nach Ablauf der Berufungsfrist von einem Monat (§
517 ZPO) bei dem [X.] eingegangen.
b) Das Berufungsgericht hat auch das Wiedereinsetzungsgesuch zu Recht zurückgewiesen.
aa) Die Prüfung der notwendigen Formalien für die Zulässigkeit eines Rechtsmittels ist Aufgabe des Rechtsmittelführers. Ihm obliegt es deswegen auch,dafür Sorge zu tragen, dass das Rechtsmittel innerhalb der Rechtsmittel-frist bei dem zuständigen Gericht eingeht (vgl. Senatsbeschlüsse
vom 8.
Februar 2012 -
XII
ZB 165/11
-
FamRZ 2012, 623 Rn.
28;
vom 15.
Juni 2011 -
XII
ZB 468/10

FamRZ 2011, 1389
Rn.
8 und [X.] Beschluss vom 4.
Dezember 1991 -
VIII
ZB 34/91
-
VersR 1992, 1023
f.). Entgegen diesen
An-forderungen hat der Klägervertreter das Rechtsmittel nicht an das zuständige [X.], sondern an das [X.] gesandt, weshalb
es verspätet bei dem
zuständigen [X.] eingegangen ist.
bb) Ein Rechtsanwalt darf allerdings grundsätzlich darauf vertrauen, dass seine Büroangestellte, die sich bisher als zuverlässig erwiesen hat, eine [X.] befolgt. Deshalb ist er im Allgemeinen nicht verpflichtet, sich anschließend über die Ausführung seiner Weisung zu vergewissern (Se-natsbeschlüsse vom 8.
Februar 2012 -
XII ZB 165/11

FamRZ 2012, 623 Rn.
29; vom 21.
April 2010 -
XII [X.]/09
-
FamRZ 2010, 1067 Rn.
11 und vom 9.
Dezember 2009 -
XII ZB 154/09
-
VersR 2011, 89 Rn.
16; [X.] Beschluss vom 2.
November 1995 -
VII
ZB 13/95
-
VersR 1996, 779).
Die Anfertigung einer [X.] gehört aber zu den Aufgaben, die der Rechtsanwalt seinem angestellten Büropersonal nicht übertragen darf, ohne das Arbeitsergebnis selbst sorgfältig zu überprüfen (Senatsbeschluss vom 8.
Februar 2012 -
XII
ZB 165/11
-
FamRZ 2012, 623 Rn.
30; [X.] Beschlüsse 8
9
10
11
-
6
-

vom 25.
Juni 1986 -
IVa [X.]/86
-
VersR 1986, 1209 und vom 29.
April 1982
-
I
ZB 2/82
-
VersR 1982, 769
f.). Die Aufgabe darf in einem so gewichtigen Teil wie der Bezeichnung des Rechtsmittelgerichts
auch gut geschultem und erfah-renem Büropersonal eines Rechtsanwalts nicht eigenverantwortlich überlassen werden. Der Prozessbevollmächtigte einer [X.] muss die [X.] deswegen vor der Unterzeichnung auf die Vollständigkeit, darunter auch auf die richtige Bezeichnung des Rechtsmittelgerichts, überprüfen (Senatsbeschlüsse
vom 8.
Februar 2012 -
XII
ZB 165/11
-
FamRZ 2012, 623 Rn.
30 und vom 1.
Februar 2012 -
XII
ZB
298/11
-
FamRZ 2012, 621 Rn.
11; [X.] Beschluss vom 8.
Dezember 1992 -
VI
ZB 33/92
-
VersR 1993, 1381
f.).
Auch bei einem so wichtigen Vorgang wie der Anfertigung einer Rechts-mittelschrift darf der Rechtsanwalt aber einer zuverlässigen Büroangestellten eine konkrete Einzelanweisung erteilen, deren Ausführung er grundsätzlich nicht mehr persönlich überprüfen muss ([X.] Beschluss vom 30.
Oktober 2008 -
III ZB 54/08
-
FamRZ 2009, 109 Rn.
9
f.). Wird die Anweisung nur mündlich erteilt, müssen allerdings ausreichende Vorkehrungen dagegen getroffen wer-den, dass die Erledigung in Vergessenheit gerät (Senatsbeschlüsse vom 8.
Februar 2012 -
XII
ZB 165/11
-
FamRZ 2012, 623 Rn.
31; vom 25.
März 2009 -
XII ZB 150/08
-
FamRZ 2009, 1132, Rn.
19; vom 19.
November 2008 -
XII
ZB 102/08
-
FamRZ 2009, 217 Rn.
14 und vom 2.
April 2008 -
XII
ZB 190/07
-
FuR 2008, 344 Rn.
12 ff.). Auch in diesem Fall genügt die klare und präzise Anwei-sung, die Erledigung sofort
vorzunehmen, insbesondere wenn zudem eine wei-tere allgemeine Büroanweisung bestand, einen solchen Auftrag stets vor allen anderen auszuführen. Die Gefahr, dass eine solche sofort auszuführende Wei-sung sogleich vergessen oder
aus sonstigen Gründen nicht befolgt wird, macht eine nachträgliche Kontrolle ihrer Ausführung dann nicht erforderlich (Senats-beschlüsse vom 25.
März 2009 -
XII
ZB 150/08
-
FamRZ 2009, 1132 Rn.
20 12
-
7
-

und vom 2.
April 2008 -
XII
ZB 189/07
-
FamRZ 2008, 1338 Rn.
14
f. [X.]; [X.] Beschluss vom 26.
Januar 2009 -
II
ZB 6/08
-
NJW 2009, 1083 Rn.16).
cc) Solche zusätzlichen Sicherheitsvorkehrungen hat die Klägerin mit ih-rem Wiedereinsetzungsgesuch weder dargelegt noch glaubhaft gemacht. Ihre Ausführungen beschränken sich darauf, dass die Büroleiterin mit der Korrektur der fehlerhaften Adressierung beauftragt worden sei. Nach diesem Sachvortrag kann aber nicht ausgeschlossen werden, dass die Weisung nur mündlich erteilt worden
war und die Absicherung ihrer Ausführung zusätzlicher Vorkehrungen bedurfte. Die vorgenannten [X.] galten im vorliegenden Fall erst recht, weil die zunächst erteilte Anweisung, die Berufungsschrift an das
[X.] zu adressieren, bereits nicht befolgt worden war.
[X.]) Die mit Schriftsatz vom 14.
Dezember 2009 gegenüber dem [X.] nachgeholten und mit einer eidesstattlichen Versicherung der Bü-roleiterin versehenen neuen Angaben der Klägerin sind nicht zu [X.]. Nach §
236 Abs.
2 Satz
1 ZPO muss der Antrag auf Wiedereinsetzung die Angabe der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen enthalten; diese sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den
Antrag glaubhaft zu machen. Wird -
wie im vorliegenden Fall
-
geltend gemacht, dass die Fristver-säumnis auf dem Versehen eines Büroangestellten
beruht,
so hat die [X.] alle Umstände darzulegen und glaubhaft zu machen, die ein Organisations-
oder sonstiges Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten ausschließen. Dabei können allerdings erkennbar unklare oder ungenaue Angaben, deren Aufklä-rung nach §
139 ZPO geboten ist, auch über die Frist nach §§
234 Abs.
1, 236 Abs.
2 ZPO hinaus erläutert oder vervollständigt werden (Senatsbeschluss vom 25.
März 2009 -
XII
ZB 150/08
-
FamRZ 2009, 1132 Rn.
24;
[X.] Beschlüsse vom 4.
März 2004 -
IX
ZB 71/03
-
FamRZ 2004, 1552 und vom 29.
Januar 2002 -
VI
ZB 28/01
-
[X.]-Report 2002, 434).
13
14
-
8
-

Ein solcher Fall liegt hier indessen nicht vor. Die Angaben im [X.] sind -
abgesehen von dem genauen Inhalt der erteilten Anwei-sung
-
vollständig und klar. Dass darin zusätzliche Sicherungsvorkehrungen nicht angegeben worden sind, lässt für sich genommen noch keine Ergän-zungs-
oder Erläuterungsbedürftigkeit des Vorbringens erkennen. Wenn der geschilderte Ablauf innerhalb der Kanzleiorganisation der [X.] der Klägerin die zu stellenden [X.] nicht vollständig erfüllte, ergibt sich daraus noch nicht, dass dem Berufungsgericht das Vorbrin-gen der Klägerin ergänzungsbedürftig erscheinen musste. Eine Erläuterungs-
oder Ergänzungsbedürftigkeit wäre
etwa dann erkennbar gewesen, wenn [X.] durch Anweisung festgelegte Arbeitsroutinen beschrieben wären, aus denen sich
sowohl eine sorgfaltsgemäße als auch eine sorgfaltswidrige Ausfüh-rung ergeben kann. In diesen Fällen darf das Gericht nicht ohne weiteres davon ausgehen, dass die sorgfaltswidrige Alternative nicht entkräftet worden sei, und muss auf eine Aufklärung hinwirken (vgl. [X.] Beschlüsse vom 4.
März 2004
-
IX ZB 71/03
-
FamRZ 2004, 1552 [X.] und vom 29.
Januar 2002 -
VI
ZB 28/01
-
[X.]-Report 2002, 434
und Senatsbeschluss vom 25.
März 2009
-XII
ZB 150/08
-
FamRZ 2009, 1132 Rn.
25). Es würde aber die Hinweispflicht
überspannen, wenn das Berufungsgericht den Antragsteller eines [X.]s über Lücken in den von ihm dargelegten Sicherungsvorkeh-rungen aufzuklären hätte. Das Berufungsgericht kann vielmehr im Zweifel [X.]
-
9
-

von ausgehen, dass der Antragsteller
seiner aus §
236 Abs.
2 Satz
1 ZPO er-gebenden Verpflichtung zur vollständigen Angabe der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen auch nachgekommen ist.
Dose

Weber-Monecke

Klinkhammer

Schilling

Ne[X.]en-Boeger
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 25.08.2009 -
3 O 24/09 -

OLG Hamm, Entscheidung vom 15.12.2009 -
I-7 [X.] -

Meta

XII ZB 47/10

05.06.2013

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.06.2013, Az. XII ZB 47/10 (REWIS RS 2013, 5309)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 5309

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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