Bundespatentgericht, Beschluss vom 20.07.2011, Az. 29 W (pat) 95/10

29. Senat | REWIS RS 2011, 4600

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – Löschungsverfahren - "PitLANE24 (Wort-Bild-Marke)" – keine bösgläubige Anmeldung der Marke – keine Kostenauferlegung  


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 307 21 524.5

(Löschungsverfahren [X.])

hat der 29. Senat ([X.]) des [X.] am 20. Juli 2011 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin [X.] und der Richterinnen [X.] und Dorn

beschlossen:

Der Beschluss der Markenabteilung 3.4 des [X.] vom 6. August 2009 wird aufgehoben.

Gründe

1

Der Antragsteller und Beschwerdegegner begehrt gemäß § 50 Abs. 1 i. V. m. § 8 Abs. 2 Nr. 10 [X.] die Löschung der am 2. April 2007 angemeldeten Wort-/Bildmarke 307 21 524

Abbildung

2

Diese wurde am 29. September 2007 eingetragen für die Waren und Dienstleistungen der

3

Klasse 35: Durchführung von Ausschreibungen, Auktionen und Versteigerungen im [X.], auch in Form von holländischen Auktionen sowie von Reverse-/Rückwärtsauktionen; Waren- und Dienstleistungspräsentation; Vermittlung von Verträgen für Dritte über die Erbringung von Dienstleistungen; Vermittlung von Handels- und Wirtschaftskontakten, auch über das [X.]; Durchführung von Preisvergleichen; Werbung im [X.] für Dritte;

4

Klasse 38: Telekommunikation über Computernetze, insbesondere das [X.], durch Entgegennahme und Weiterleitung fremder Nachrichten oder deren direkter Übertragung an den oder die Empfänger, soweit in Klasse 38 enthalten; Bereitstellung des Zugriffs auf Informationen redaktionellen Inhalts (z. B. Testberichte) sowie kommerzieller Art (z. B. Kleinanzeigen, Inserate, Auftragsausschreibungen) in elektronischen Kommunikationsmedien, insbesondere über [X.]plattform, E-Mail-Newsletter oder Mobilfunknachrichten; Sammlung, Bereitstellung und Übermittlung von Informationen redaktionellen Inhalts (z. B. Testberichte) sowie kommerzieller Art (z. B. Kleinanzeigen, Inserate, Auftragsausschreibungen) in elektronischen Kommunikationsmedien, insbesondere über [X.]plattform, E-Mail-Newsletter oder Mobilfunknachrichten im Rahmen der Dienstleistungen von Presseagenturen; elektronische Übertragung von Daten, Bildern und Dokumenten über Computer-, Netzwerk- oder Mobilfunkeinrichtungen; Bereitstellung von Portalen, elektronischen Marktplätzen und Bereitstellen des Zugriffs auf Waren-, Adress- und Branchenverzeichnisse im [X.];

5

Klasse 41: Veröffentlichung fremder Nachrichten, nämlich Veröffentlichung von Texten (ausgenommen Werbetexte) im [X.];

6

Klasse 42: Entwurf und Entwicklung von Software zum Betrieb von Portalen, elektronischen Marktplätzen und Waren-, Adress- und Branchenverzeichnissen im [X.] sowie von Suchmaschinen für das [X.]; Vermietung von Speicherplatz im [X.].

I.

7

Der Antragsteller und Beschwerdegegner entwickelte für eine bereits im Jahr 2005 von ihm konzipierte Geschäftsidee bezüglich der Vermittlung von Kfz-Teilen und entsprechenden Dienstleistungen über das [X.] das Zeichen "[X.]". Am 23. August 2006 ließ er die [X.]-Domains "[X.].com" und "[X.]" registrieren, am 16. Februar 2007 erfolgte die Registrierung von acht weiteren [X.] [X.]-Domains mit der gleichen [X.] ("[X.]") auf seinen Namen.

8

Zur Realisierung der o. g. Geschäftsidee wurde mit Gesellschaftsvertrag vom 1. März 2007 die [X.]. gegründet, und zwar von dem Antragsteller, [X.], [X.], [X.], [X.] und drei weiteren Gesellschaftern. Die [X.]. wurde dabei bewusst ohne finanzielle Mittel ausgestattet. Als 100%-ige Tochtergesellschaft wurde am 22. März 2007 die [X.].de Ltd. gegründet, deren Mitgeschäftsführer u. a. Herr [X.] wurde. Die in der Gründungs- und Anlaufphase der neuen Gesellschaften auflaufenden Kosten sollten nach dem Willen der Gesellschafter zunächst von den handelnden Personen verauslagt und gestundet werden, um in den Folgejahren bei erfolgreicher Geschäftstätigkeit wieder über Service- und Lizenzgebühren zurückgeführt zu werden. Das zugrundeliegende Konzept ergibt sich aus dem im August 2006 vom Antragsteller erstellten Businessplan (vgl. Anlage 5 zum Schriftsatz der Antragsgegnervertreter vom 22. August 2008, [X.]. 11 - 15 VA).

9

Die Herren [X.] und [X.] sind zugleich Gesellschafter und Geschäftsführer der [X.] (Markeninhaberin), Herr [X.] ist ebenfalls Gesellschafter dieser GmbH.

In der Gründungsphase der [X.]. bestand Einigkeit darüber, dass die Gesellschafter [X.]; [X.] und [X.] für den technischen Bereich der Entwicklung und Programmierung der für den Geschäftszweck erforderlichen [X.]-Plattform verantwortlich waren. Zur Erfüllung dieser Aufgabe bedienten sie sich absprachegemäß ihrer Firma [X.] (Markeninhaberin) als Softwarehaus, die parallel zu den [X.] begann, eine Softwarelösung für eine [X.]-Handelsplattform zu entwickeln. Eine erste Version hiervon wurde Anfang April 2007 zu Testzwecken ins [X.] gestellt.

Die Markeninhaberin und Beschwerdeführerin beantragt sinngemäß,

den angefochtenen Beschluss aufzuheben und dem Beschwerdegegner die Kosten des Antrags- und Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen.

Der Antragsteller und Beschwerdegegner beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er beruft sich wiederum auf die angebliche Absprache zwischen ihm und den beiden anderen [X.] der [X.], wonach die Veranlassung des europaweiten Schutzes der Markenrechte allein in seinen Verantwortungsbereich gefallen sei. Zum Beweis für diese Behauptung hat er die Einvernahme der Zeugin [X.] angeboten. Eine Information darüber, dass der Mitgesellschafter [X.] im Zusammenhang mit der Aufnahme des [X.]betriebes Anfang April 2007 beabsichtige, die Marke "[X.]" für sein Unternehmen, die Markeninhaberin, schützen zu wollen, sei niemals erfolgt. Er, der Antragsteller, und die Mitgesellschafterin [X.] hätten erstmals in dem Gespräch vom 8. Januar 2008 von der Markenanmeldung erfahren. Auch lasse sich keine "nachvollziehbare" Berechtigung der Markeninhaberin zur Anmeldung der Marke "[X.]" auf ihren Namen herleiten, da Mitgesellschafter(in) der Firmengruppe [X.] nicht die Markeninhaberin, sondern Herr [X.] als natürliche Person gewesen sei. Die durchgeführten Arbeiten der Markeninhaberin im Rahmen der Entwicklung einer [X.]-Plattform für die [X.]. seien gesellschaftsintern daher ausschließlich dem Mitgesellschafter [X.] zuzurechnen, so wie es von Anfang an unter den [X.] vereinbart worden sei. Die Anmeldung der angegriffenen Marke durch Herrn [X.] auf den Namen seiner Firma [X.] - der Markeninhaberin - und das Verschweigen dieser Anmeldung gegenüber den anderen Mitgesellschaftern der [X.] … stelle für sich alleine schon eine Verletzung der gesellschaftsrechtlichen Treueverpflichtung dar und begründe die Bösgläubigkeit. Diese habe sich in dem späteren Verhalten noch bestätigt, zum einen in Form des [X.], mit dem sich die Markeninhaberin in unrechtmäßiger Weise habe bereichern wollen, zum anderen durch die erfolgte Sperrung des Zugangs zu der [X.]-Plattform im Januar 2008. All dies belege, dass die Markeninhaberin vor nichts zurückgeschreckt habe, um den ursprünglich gemeinsam beschlossenen Geschäftszweck der [X.] zu torpedieren.Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie der Amts- und Gerichtsakten Bezug genommen.

II.

Die gemäß § 66 Abs. 1 und 2 [X.] zulässige Beschwerde ist begründet, da ein Löschungsgrund nach §§ 50 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 10 [X.] nicht vorliegt.

1. a)

Für sämtliche absoluten Löschungsgründe nach § 50 Abs 1 [X.] gilt, dass eine Löschung nur erfolgen kann, wenn das Vorliegen von Eintragungshindernissen in den maßgeblichen Zeitpunkten zweifelsfrei feststeht. Mithin muss im Falle der beantragten Löschung wegen Bösgläubigkeit des Anmelders i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 10 [X.] diese für den insoweit allein maßgeblichen Zeitpunkt der Anmeldung mit der gebotenen Sicherheit festgestellt werden können. Ist dies nach der erforderlichen gründlichen Prüfung sämtlicher eingereichter und ggf. vom Senat ermittelter Unterlagen nicht möglich, z. B. weil der Sachverhalt nicht (mehr) weiter aufgeklärt werden kann oder hinreichend sichere Rückschlüsse auf die subjektiven Absichten des Anmelders zum damaligen Zeitpunkt nicht mehr möglich sind, so muss es aufgrund der Feststellungslast des Antragstellers für die Umstände einer [X.]en Anmeldung ([X.] 1965, 146, 151 - [X.]; 2009, 669 Rdnr. 32 - [X.]; [X.], 833, 835 - digital; BPatG 26 W (pat) 188/09 - [X.] Verbund System shuttle) bei der Eintragung der angegriffenen Marke sein Bewenden haben, selbst wenn deren Anmeldung als rechtlich nicht unbedenklich erscheint (vgl. [X.] (pat) 13/04 - [X.]). So verhält es sich hier. Über die Frage, ob den Beteiligten des vorliegenden [X.] sonstige zivilrechtliche Ansprüche zustehen, ist nicht zu entscheiden.

b)

Gemäß § 50 Abs. 1 i. V. m. § 8 Abs. 2 Nr. 10 [X.] in der ab 1. Juni 2004 geltenden Fassung wird die Eintragung einer Marke gelöscht, die [X.] angemeldet worden ist. Zur Auslegung des Begriffs der Bösgläubigkeit knüpft die Rechtsprechung an ihre zum außerkennzeichenrechtlichen Löschungsanspruch nach § 1 UWG und § 826 BGB entwickelten Grundsätze an. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ist eine Markenanmeldung [X.] i. S. von § 8 Abs. 2 Nr. 10 [X.], wenn der Anmelder das angemeldete Zeichen nicht als Marke, d. h. als Herkunftshinweis, benutzen, sondern die formale Rechtsstellung als Inhaber eines Kennzeichenrechts lediglich zum Zwecke der rechtsmissbräuchlichen oder sittenwidrigen Behinderung Dritter einsetzen will ([X.], 278 Rdnr. 41 - [X.]; [X.] 2005, 581, 582 - [X.]; [X.] 2009, 312, 313 - Ivadal).

Bei der Beurteilung der Frage, ob ein Anmelder [X.] ist, sind alle erheblichen Faktoren zu berücksichtigen, die dem zu entscheidenden Fall eigen sind und zum Zeitpunkt der Einreichung der Anmeldung eines Zeichens vorliegen, insbesondere

- die Tatsache, dass der Anmelder weiß oder wissen muss, dass ein Dritter ein gleiches oder verwechselbar ähnliches Zeichen für gleiche oder ähnliche Waren bzw. Dienstleistungen verwendet,

- die Absicht des Anmelders, diesen [X.] an der weiteren Verwendung eines solchen Zeichens zu hindern, sowie

- der Grad des rechtlichen Schutzes, den das Zeichen des [X.] und das angemeldete Zeichen genießen ([X.] GRUR 2009, 763, 765, Rdnr. 38 – [X.]/Franz Hauswirth).

Wie sich dabei aus der Verwendung des Wortes "insbesondere" ergibt, handelt es sich bei den vom [X.] genannten Faktoren um keine abschließende Aufzählung der Fallumstände, die in die rechtliche Prüfung und Würdigung einzubeziehen sind. Ein [X.]er Markenerwerb kann nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] insbesondere darin liegen, dass

- der Anmelder in Kenntnis eines im Inland bestehenden schutzwürdigen Besitzstandes eines Vorbenutzers

- ohne rechtfertigenden Grund

- die gleiche oder eine verwechselbar ähnliche Marke

- für gleiche oder ähnliche Waren und/oder Dienstleistungen

- mit dem Ziel der Störung des Besitzstandes des Vorbenutzers

- oder in der Absicht, für diesen den weiteren Gebrauch der Marke zu sperren,

anmeldet ([X.] 1998, 1034 – [X.]; [X.], 1032, 1034 – [X.] 2000; [X.], 621, 623, Rdnr. 21 – [X.]; a. a. [X.]; [X.]. 2010, 31 ff. - Käse in [X.]ütenform III). Darüber hinaus kann der Erwerb eines formalen Markenrechts, unabhängig vom Bestehen eines schutzwürdigen inländischen Besitzstandes eines [X.], aber auch dann [X.] i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 10 [X.] sein, wenn sich die Anmeldung der Marke unter anderen Gesichtspunkten als wettbewerbs- oder sittenwidrig darstellt. Das wettbewerblich Verwerfliche kann insoweit insbesondere darin gesehen werden, dass ein [X.] die mit der Eintragung der Marke verbundene - an sich unbedenkliche – Sperrwirkung zweckfremd als Mittel des [X.] einsetzt (BGH a. a. O. – [X.]; a. a. O – [X.]). Dabei ist die maßgebliche Grenze zur Bösgläubigkeit dann überschritten, wenn das Verhalten des [X.]s bei objektiver Würdigung aller Umstände in erster Linie auf die Beeinträchtigung der wettbewerblichen Entfaltung eines Mitbewerbers und nicht auf die Förderung des eigenen [X.] gerichtet ist (BGH a. a. O. - [X.]). Daher wird die Annahme einer Bösgläubigkeit nicht schon durch die Behauptung oder den Nachweis eines eigenen Benutzungswillens ausgeschlossen. Vielmehr ist eine Gesamtabwägung aller Umstände des Einzelfalls erforderlich, wobei sich im Einzelfall bereits die Markenanmeldung als erster Teilakt eines zweckwidrigen Einsatzes darstellen, sich ein markenrechtlich zweckfremder Einsatz aber auch erst aus der späteren Ausübung des Monopolrechts ergeben kann ([X.] 2001, 242, 243 f. - Classe E; [X.], 510 ff. – S. 100; [X.], 744, 746 f. - S. 100).

2.

a)

Es kann nicht festgestellt werden, dass die Markeninhaberin einen schutzwürdigen Besitzstand eines Vorbenutzers ohne sachlichen Grund mit Störungs- oder Behinderungsabsicht verletzt hat.

aa)

Es fehlt schon an einem Eingriff in einen im Inland bestehenden schutzwürdigen Besitzstand eines Vorbenutzers.

Der Besitzstand muss, um als tatsächlich ausreichend angesehen zu werden, durch eine hinreichende Marktpräsenz und daraus folgende Bekanntheit der Kennzeichnung im Inland belegt sein ([X.]/[X.], [X.], 3. Aufl. 2010, § 8 Rdnr. 308 [X.]). Diese Voraussetzungen lagen hinsichtlich des vom Antragsteller entwickelten Wortzeichens "[X.]" zum Anmeldezeitpunkt am 2. April 2007 unzweifelhaft (noch) nicht vor. Zwar wurden bereits am 1. März 2007 die [X.]. und am 22. März 2007 deren Tochtergesellschaft, die [X.]., gegründet. Die Aufnahme des Geschäftsbetriebs dieser Unternehmen erfolgte jedoch unstreitig erst Anfang April 2007 mit der Einstellung der [X.]-Handelsplattform ins [X.], also frühestens am 1. April 2007. Unter diesen Umständen konnte mangels geschäftlicher Betätigung über einen nennenswerten Zeitraum noch kein schutzwürdiger Besitzstand an der fraglichen Kennzeichnung im Inland bis zur Markenanmeldung entstehen ([X.] 2005, 581 - Elegance). Entsprechendes gilt für die im Jahr 2006 erfolgte Registrierung der [X.]-Domain-Adresse "[X.]" durch den Antragsteller, da diese unstreitig erst seit der Freischaltung der [X.]-Plattform Anfang April 2007 genutzt wurde, also ebenfalls erst seit der Anmeldung der Marke.

Sonstige Anhaltspunkte für einen im Inland bestehenden schutzwürdigen Besitzstand eines Vorbenutzers sind weder ersichtlich noch vorgetragen.

bb)

Die strengen Voraussetzungen für die Annahme einer Bösgläubigkeit unter dem Gesichtspunkt des zweckfremden Einsatzes der Marke als Mittel im [X.]kampf (s. o. unter Ziff. 1b) liegen ebenfalls nicht vor.

Die Annahme einer Bösgläubigkeit unter dem Gesichtspunkt des zweckwidrigen Markeneinsatzes hängt zwar nicht von einem schutzwürdigen inländischen Besitzstand ab, setzt aber die Feststellung einer Behinderungsabsicht des [X.]s voraus. So kann unabhängig von einem bestehenden Besitzstand eine Markenanmeldung als [X.] zu bewerten sein, die in Kenntnis der Tatsache, dass ein Dritter die Benutzung der angemeldeten Marke beabsichtigt, mit dem

Vorliegend kann nicht zweifelsfrei festgestellt werden, dass die Verhinderung oder auch nur Erschwerung der geplanten Benutzung des Kennzeichens "[X.]" durch einen [X.] - hier die [X.] bzw. den Antragsteller - zumindest ein wesentliches Motiv der gegenständlichen Anmeldung war.

Zwar verstieß der Geschäftsführer der Markeninhaberin dadurch, dass er die Marke auf deren Namen und ohne vorherige Absprache mit den Mitgesellschaftern der [X.] angemeldet hat, objektiv gegen das Interesse dieser Unternehmen bzw. Mitgesellschafter, die die Bezeichnung "[X.]" unstreitig für ihre bevorstehende Geschäftstätigkeit – die Vermittlung von Aufträgen über das [X.] - nutzen wollten. Hieraus allein lässt sich jedoch noch nicht der sichere Schluss ziehen, dass es dem Geschäftsführer der Markeninhaberin zum Anmeldezeitpunkt in subjektiver Hinsicht ausschließlich oder vorwiegend um die rechtsmissbräuchliche Behinderung oder Störung der [X.] und/oder der Mitgesellschafter ging. Im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtwürdigung der Umstände muss vielmehr auch Berücksichtigung finden, dass aufgrund der bevorstehenden [X.]präsenz von "[X.].de" Anfang April 2007 ein tatsächliches und dringendes Bedürfnis für die Markenanmeldung in [X.] bestand und dass die [X.] mangels finanzieller Ausstattung diese nicht selbst vornehmen konnten. Dabei kann der Vortrag des Antragstellers, wonach er aufgrund einer Absprache unter den [X.] für die Veranlassung des europaweiten Markenschutzes verantwortlich gewesen sei, als richtig unterstellt werden. Denn es geht hier nicht um die Anmeldung der Gemeinschaftsmarke, die der Antragsteller den behaupteten Vereinbarungen entsprechend am 10. April 2007 auf seinen Namen vorgenommen hat, sondern um den Markenschutz in [X.], um den er sich offensichtlich gerade nicht gekümmert hat. Eine Beweisaufnahme zu der behaupteten Absprache unter den [X.] der [X.] hinsichtlich des Aufgabenbereichs des Antragstellers ist daher nicht veranlasst. Ferner muss berücksichtigt werden, dass die Markeninhaberin bereits vor der Markenanmeldung vereinbarungsgemäß Investitionen in beträchtlicher Höhe in Form der Entwicklung und Programmierung der [X.]-Handelsplattform für den Betrieb von "[X.]" getätigt hatte. Dies spricht für ein damals noch vorhandenes gemeinsames Interesse der Parteien bzw. Mitgesellschafter an der Verwirklichung der vom Antragsteller entwickelten Geschäftsidee. Hinzu kommt, dass das Zeichen durch die Aufnahme des Betriebs der [X.]. als Plattform im [X.] Anfang April 2007 bereits tatsächlich und mit Billigung der Markeninhaberin genutzt wurde, was auf die Absicht einer wirtschaftlich sinnvollen Verwendung der Marke (durch Dritte) schließen lässt.

Gegen eine Behinderungsabsicht zum Zeitpunkt der Markenanmeldung spricht des Weiteren, dass zwischen den pitLANE-Unternehmen und der Markeninhaberin damals keine ersichtliche [X.]situation bestand, vielmehr waren die Unternehmen über die gemeinsamen Mitgesellschafter [X.] und [X.] personell miteinander verflochten.

In diesem Zusammenhang kann dahingestellt bleiben, ob der Geschäftsführer der Markeninhaberin den Antragsteller bzw. die übrigen Mitgesellschafter der [X.] … über die gegenständliche Markenanmeldung informiert hat. Zwar mag gesellschaftsrechtlich eine Verpflichtung zu einer entsprechenden Information bestanden haben, die Verletzung dieser Verpflichtung rechtfertigt jedoch aus o. g. Gründen noch nicht die Annahme einer Bösgläubigkeit bei Markenanmeldung.

cc)

Das spätere Verhalten der Markeninhaberin bzw. ihres Geschäftsführers erlaubt ebenfalls keine sicheren Rückschlüsse auf eine Behinderungsabsicht bei Anmeldung der Marke.

Die vom Antragsteller in diesem Zusammenhang angeführte Sperrung der [X.]plattform durch die Markeninhaberin am 9. Januar 2008 ist vor dem Hintergrund der negativen geschäftlichen Entwicklung der [X.], des Scheiterns einer Einigung unter den Mitgesellschaftern über notwendige Finanzierungsmaßnahmen und der offenbar erst hieraus resultierenden Entscheidung der Mitgesellschafter [X.] und [X.], aus den [X.] … auszusteigen und die Plattform selber bzw. über die Markeninhaberin zu betreiben, zu sehen. Diese "überholenden" Ereignisse waren zum Zeitpunkt der Markenanmeldung Anfang April 2007 noch gar nicht absehbar, so dass das o.g. Verhalten des Geschäftsführers der Markeninhaberin im Januar 2008 wiederum keine sicheren Rückschlüsse auf seine Beweggründe bei Markenanmeldung zulässt.

dd)

Das im Juli 2008 ausgesprochene Angebot der Markeninhaberin bzw. ihres Geschäftsführers gegenüber dem Antragsteller zum Kauf der Rechte an der angegriffenen Marke (samt den international registrierten Marken) zu einem Preis von € … netto hat für den Senat in diesem Zusammenhang ebenfalls keinen Beweiswert. Denn dieses Angebot ist ebenfalls vor dem Hintergrund der - zum Zeitpunkt der Markenanmeldung noch nicht vorhersehbaren - oben geschilderten Ereignisse im Laufe des Jahres 2007 und der anschließenden Trennungsauseinandersetzungen unter den Mitgesellschaftern in der ersten Jahreshälfte 2008 zu sehen, lässt daher ebenfalls keine sicheren Rückschlüsse auf die Absichten und Beweggründe des Geschäftsführers der Markeninhaberin bei Markenanmeldung zu. Der von der Markeninhaberin geforderte Kaufpreis entsprach im Übrigen den -nicht substantiiert bestrittenen - tatsächlich angefallenen Kosten (Anmeldegebühren, [X.], [X.]) für die Anmeldung der Marke in [X.] und die Registrierung in 14 weiteren [X.]. Sonstige konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Markeninhaberin bereits zum Zeitpunkt der Anmeldung der angegriffenen Marke die Absicht gehabt hätte, diese später zu verkaufen, wurden nicht vorgetragen und sind auch sonst nicht ersichtlich. Die oben unter bb) dargestellten Umstände – ursprünglich gemeinsames Interesse der Parteien an der Verwirklichung der vom Antragsteller entwickelten Geschäftsidee, tatsächliche Benutzung der Marke durch die [X.]. ab April 2007 mit Billigung der Markeninhaberin – sprechen vielmehr gegen eine solche Absicht.

3.

Eine Kostenauferlegung zu Lasten des Antragstellers gemäß § 71 Abs. 1 [X.] ist nicht veranlasst. Zwar entspricht es regelmäßig der Billigkeit, im Falle einer rechtsmissbräuchlichen Markenanmeldung dem Markeninhaber und Gegner des [X.] die Verfahrenskosten aufzuerlegen. [X.]eibt dagegen ein Löschungsantrag – wie hier – ohne Erfolg, besagt das für sich gesehen nichts für eine rechtlich zu missbilligende Antragstellung. Diese Beurteilung muss gerade in einem Fall wie dem vorliegenden gelten, in welchem sich die Markenanmeldung als objektiv rechtlich fragwürdig darstellt.

Meta

29 W (pat) 95/10

20.07.2011

Bundespatentgericht 29. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 20.07.2011, Az. 29 W (pat) 95/10 (REWIS RS 2011, 4600)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 4600

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Referenzen
Wird zitiert von

29 W (pat) 99/11

Zitiert

26 W (pat) 188/09

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