Bundesfinanzhof, Beschluss vom 04.11.2021, Az. VI R 48/18

6. Senat | REWIS RS 2021, 1338

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Gegenstand

Verfassungsmäßigkeit der zumutbaren Belastung und des Abzugsverbots für Diätverpflegung


Leitsatz

1. NV: Der Ansatz der zumutbaren Belastung nach § 33 Abs. 3 EStG bei Krankheitskosten begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Dies gilt auch bei Krankheitskosten, die aufgrund eines vereinbarten Selbstbehalts von der privaten Krankenversicherung nicht erstattet werden.

2. NV: Das Abzugsverbot für Aufwendungen für Diätverpflegung nach § 33 Abs. 2 Satz 3 EStG ist verfassungsgemäß.

Tenor

Die Revision der Kläger gegen das Urteil des [X.] vom 13.09.2018 - 15 K 1347/16 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens haben die Kläger zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Streitig ist die Abziehbarkeit von Krankheitskosten und Aufwendungen für glutenfreie Diätverpflegung als außergewöhnliche Belastungen nach § 33 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

2

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind verheiratet und wurden für das Streitjahr (2014) zur Einkommensteuer zusammen veranlagt. Sie haben drei gemeinsame Kinder. Der Kläger sowie die Kinder waren ganzjährig privat krankenversichert, die Klägerin nur teilweise. Bei der [X.] geborenen Tochter der Kläger war bereits vor dem Streitjahr [X.] diagnostiziert worden. Sie benötigt daher dauerhaft und ununterbrochen eine vollständig glutenfreie Ernährung.

3

Für den Kläger und die Kinder entstanden im Streitjahr Krankheitskosten, die von der Krankenkasse nicht vollständig übernommen wurden. Die Kläger beantragten in ihrer Einkommensteuererklärung daher den Abzug von selbst getragenen Arzt- und Arzneimittelkosten als außergewöhnliche Belastungen.

4

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) brachte gemäß § 33 Abs. 3 EStG die zumutbare Belastung zum Abzug, so dass sich die geltend gemachten Aufwendungen nicht steuermindernd auswirkten.

5

Gegen den Einkommensteuerbescheid legten die Kläger Einspruch ein. Am 14.12.2015 erließ das [X.] einen Änderungsbescheid, in welchem es einen Vorläufigkeitsvermerk (§ 165 der Abgabenordnung) hinsichtlich der Kürzung der Beiträge zur Basiskrankenversicherung gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a EStG um Bonuszahlungen für gesundheitsbewusstes Verhalten (§ 65a des [X.]) beifügte. Hinsichtlich der außergewöhnlichen Belastungen wies das [X.] den Einspruch als unbegründet zurück.

6

Mit der Klage begehrten die Kläger die Berücksichtigung von Krankheitskosten sowie zusätzlich von Aufwendungen für die Diätverpflegung der Tochter als außergewöhnliche Belastung ohne Ansatz einer zumutbaren Belastung.

7

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2019, 350 veröffentlichen Gründen ab. Es vertrat die Auffassung, die Aufwendungen für die glutenfreie Ernährung der Tochter seien nicht als außergewöhnliche Belastungen anzuerkennen. Zudem habe das [X.] zu Recht die zumutbare Belastung nach § 33 Abs. 3 EStG von den als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigten Krankheitskosten abgezogen.

8

Hiergegen wenden sich die Kläger mit der Revision.

9

Sie beantragen sinngemäß,
das Urteil des [X.] vom 13.09.2018 - 15 K 1347/16 sowie die Einspruchsentscheidung vom 21.04.2016 aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid 2014 vom [X.] in der geänderten Fassung vom 14.12.2015 dahingehend zu ändern, dass außergewöhnliche Belastungen in Höhe von 3.294 € (2.356 € Krankheitskosten und 938 € Diätverpflegung) ohne Abzug einer zumutbaren Belastung berücksichtigt werden.

Das [X.] beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Entscheidung ergeht gemäß § 126a der Finanzgerichtsordnung ([X.]O). Der [X.] hält einstimmig die Revision für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die [X.]eteiligten sind davon unterrichtet worden und hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.

Das [X.] hat § 33 EStG zutreffend angewandt und die Krankheitskosten zu Recht um die zumutbare [X.]elastung (§ 33 Abs. 3 EStG) gemindert. Es hat ferner zu Recht entschieden, dass die geltend gemachten Mehraufwendungen für die Ernährung der an [X.] erkrankten Tochter der Kläger gemäß § 33 Abs. 2 Satz 3 EStG nicht als außergewöhnliche [X.]elastungen abziehbar sind. Eine steuermindernde [X.]erücksichtigung der streitigen Aufwendungen ist auch von [X.] wegen nicht geboten.

1. Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche [X.]elastung), so wird nach § 33 Abs. 1 EStG auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare [X.]elastung (Abs. 3) übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird.

Zwangsläufig erwachsen dem Steuerpflichtigen Aufwendungen dann, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen [X.]etrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG). Ziel des § 33 EStG ist es, zwangsläufige Mehraufwendungen für den existenznotwendigen Grundbedarf zu berücksichtigen, die sich wegen ihrer Außergewöhnlichkeit einer pauschalen Erfassung in allgemeinen Freibeträgen entziehen. Dementsprechend geht der [X.] ([X.]) in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass Krankheitskosten --ohne Rücksicht auf die Art und die Ursache der [X.] dem Steuerpflichtigen aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig erwachsen. [X.]ei den typischen und unmittelbaren Krankheitskosten wird die Außergewöhnlichkeit letztlich unwiderleglich vermutet und die Zwangsläufigkeit dieser Aufwendungen weder dem Grunde nach (stets aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig) noch der Höhe nach (Angemessenheit und Notwendigkeit im Einzelfall) geprüft ([X.]surteile vom 14.04.2015 - VI R 89/13, [X.]E 249, 483, [X.], 703, und vom 02.09.2015 - VI R 32/13, [X.]E 251, 196, [X.], 151).

Nach § 33 Abs. 3 EStG beträgt die zumutbare [X.]elastung in Abhängigkeit vom Gesamtbetrag der Einkünfte der Steuerpflichtigen und in Abhängigkeit davon, ob bei den Steuerpflichtigen der Grundtarif oder das Splittingverfahren zur Anwendung kommt sowie ob ein oder zwei bzw. drei oder mehr Kinder zu berücksichtigen sind, zwischen 1 % und 7 % des Gesamtbetrags der Einkünfte.

2. Nach diesen Grundsätzen ist es zwischen den [X.]eteiligten zu Recht nicht streitig, dass die streitbefangenen Aufwendungen für Arztbesuche und Arzneimittel Krankheitskosten darstellen und daher grundsätzlich als außergewöhnliche [X.]elastungen abziehbar sind. Die Aufwendungen sind allerdings nur insoweit als außergewöhnliche [X.]elastungen abziehbar, als sie den [X.]etrag der nach § 33 Abs. 3 EStG ermittelten zumutbaren [X.]elastung überschreiten. Denn § 33 Abs. 3 EStG differenziert bei der Ermittlung der zumutbaren [X.]elastung nicht zwischen Krankheitskosten und anderen Aufwendungen, die als außergewöhnliche [X.]elastungen abziehbar sind; der Wortlaut ist insoweit eindeutig ([X.]surteil in [X.]E 251, 196, [X.], 151; [X.]sbeschluss vom 21.02.2018 - VI R 11/16, [X.]E 260, 507, [X.] 2018, 469; [X.]-Urteile vom 01.06.2016 - [X.], [X.]E 254, 536, [X.], 55; vom 25.04.2017 - VIII R 52/13, [X.]E 258, 53, [X.], 949, und [X.]-[X.]eschluss vom 29.09.2016 - III R 62/13, [X.]E 255, 252, [X.], 259).

3. Der Ansatz der zumutbaren [X.]elastung bei Krankheitskosten, die wegen eines vereinbarten Selbstbehalts durch die private Krankenversicherung nicht erstattet werden, ist auch von [X.] wegen hinzunehmen. Die [X.]emessung des einkommensteuerrechtlich maßgeblichen Existenzminimums richtet sich grundsätzlich nach dem im Sozialhilferecht niedergelegten Leistungsniveau ([X.]surteil in [X.]E 251, 196, [X.], 151; [X.]sbeschluss in [X.]E 260, 507, [X.] 2018, 469, und [X.]-Urteil in [X.]E 254, 536, [X.], 55).

a) Nach mittlerweile ständiger Rechtsprechung des [X.] ([X.]) ist Ausgangspunkt der verfassungsrechtlichen [X.]eurteilung, ob eine einkommensteuerrechtliche Regelung Aufwendungen des Steuerpflichtigen aus dem [X.]ereich der privaten Lebensführung hinreichend berücksichtigt, das Prinzip der Steuerfreiheit des Existenzminimums, das aus Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) abzuleiten ist. Danach hat der Staat das Einkommen des [X.]ürgers insoweit steuerfrei zu stellen, als dieser es zur Schaffung der Mindestvoraussetzungen eines menschenwürdigen Daseins für sich und seine Familie benötigt. Dem Grundgedanken der Subsidiarität, wonach Eigenversorgung Vorrang vor staatlicher Fürsorge hat, entspricht es, dass sich die [X.]emessung des einkommensteuerrechtlich maßgeblichen Existenzminimums nach dem im Sozialhilferecht niedergelegten Leistungsniveau richtet. Was der Staat dem Einzelnen voraussetzungslos aus allgemeinen Haushaltsmitteln zur Verfügung zu stellen hat, das darf er ihm nicht durch [X.]esteuerung seines Einkommens entziehen ([X.]-[X.]eschlüsse vom 13.02.2008 - 2 [X.]vL 1/06, [X.]E 120, 125, und vom 29.05.1990 - 1 [X.]vL 20/84, 1 [X.]vL 26/84, 1 [X.]vL 4/86, [X.]E 82, 60, [X.] 1990, 653; [X.]surteil in [X.]E 251, 196, [X.], 151, und [X.]-Urteil in [X.]E 254, 536, [X.], 55).

b) Zu diesem einkommensteuerrechtlich zu verschonendem Existenzminimum gehören grundsätzlich auch die Aufwendungen des Steuerpflichtigen für die Kranken- und Pflegeversorgung. Denn das Prinzip der Steuerfreiheit des Existenzminimums schützt nicht nur das sogenannte sächliche Existenzminimum für Nahrung, Kleidung, Hygiene, Hausrat, Wohnung und Heizung, sondern auch die Kranken- und Pflegeversorgung. Daher können dem Grunde nach nicht nur die [X.]eiträge zur Krankenversicherung, sondern auch der eigentliche Sachaufwand für eine Krankenversorgung vom einkommensteuerrechtlich zu verschonenden Existenzminimum umfasst sein (vgl. [X.]-[X.]eschluss in [X.]E 120, 125, unter [X.]; [X.]surteil in [X.]E 251, 196, [X.], 151, und [X.]-Urteil in [X.]E 254, 536, [X.], 55).

c) Allerdings ist auch für die [X.]emessung des existenznotwendigen Aufwands hinsichtlich der Aufwendungen für eine Kranken- und Pflegeversorgung der Höhe nach auf das sozialhilferechtlich gewährleistete Leistungsniveau als eine das Existenzminimum quantifizierende Vergleichsebene abzustellen (so [X.]-[X.]eschlüsse in [X.]E 120, 125, und vom [X.], 8, 14/91, [X.]E 87, 153, [X.] 1993, 413; [X.]surteil in [X.]E 251, 196, [X.], 151, und [X.]-Urteil in [X.]E 254, 536, [X.], 55).

Da auch Empfänger von Sozialleistungen die Aufwendungen für einen von ihnen vertraglich mit der Krankenkasse vereinbarten Selbstbehalt selbst zu tragen haben (ausführlich hierzu [X.]-Urteil in [X.]E 254, 536, [X.], 55; s.a. Urteile des [X.] --[X.]SG-- vom 22.04.2008 - [X.] 1 [X.] 10/07 R, [X.], 221, und vom 29.04.2015 - [X.] 14 AS 8/14 R, [X.]SGE 119, 7; [X.]eschluss des Landessozialgerichts --[X.]-- [X.]aden-Württemberg vom 30.06.2009 - L 2 [X.] 2529/09 ER-[X.], Fürsorgerechtliche Entscheidungen der Verwaltungs- und Sozialgerichte 61, 183, und Urteil des [X.] für das [X.] vom 27.06.2013 - L 9 [X.] 619/11), gehören diese Aufwendungen indes nicht zum einkommensteuerrechtlichen Existenzminimum ([X.]-[X.]eschluss in [X.]E 255, 252, [X.], 259; [X.]-Urteil in [X.]E 254, 536, [X.], 55).

Hiergegen kann insbesondere nicht eingewandt werden, dass das einkommensteuerrechtliche Existenzminimum für alle Steuerpflichtigen unabhängig von ihrem individuellen Grenzsteuersatz in voller Höhe von der Einkommensteuer freizustellen ist. Dies gilt nämlich nur für Aufwendungen, die tatsächlich von [X.] wegen auch dem einkommensteuerrechtlichen Existenzminimum zuzuordnen sind, weil die Aufwendungen dem im Sozialhilferecht niedergelegten Leistungsniveau entsprechen. Das sozialhilferechtliche Versorgungsniveau umfasst aber gerade nicht die im Rahmen vertraglich vereinbarter Selbstbehalte anfallenden Aufwendungen ([X.]-[X.]eschluss in [X.]E 255, 252, [X.], 259; [X.]-Urteil in [X.]E 254, 536, [X.], 55).

[X.] allenfalls dann nicht mehr zumutbar sein, falls dadurch in das verfassungsrechtlich gesicherte Existenzminimum eingegriffen werden sollte ([X.]SG-Urteil in [X.], 221). Solange allerdings der tatsächliche Umfang der von dem Steuerpflichtigen erbrachten Aufwendungen im Rahmen dieser Selbstbehalte --wie im [X.] der Höhe nach nicht geeignet ist, dieses Existenzminimum zu tangieren, hält der erkennende [X.] eine Einschränkung der zumutbaren [X.]elastung von [X.] wegen nicht für geboten.

d) Selbst wenn der Kläger Aufwendungen für medizinisch notwendige Leistungen getragen hat, die einem Sozialhilfeempfänger im Rahmen der Sozialhilfe kostenlos zur Verfügung gestellt worden wären (§ 2 S[X.]V V), führte dies nicht zu Zweifeln des [X.]s an der [X.]mäßigkeit des Ansatzes der zumutbaren [X.]elastung im Streitfall. Denn insoweit beruhen die Kostentragung und die wirtschaftliche [X.]elastung als Folge des Abzuges einer zumutbaren [X.]elastung maßgeblich auf der Vereinbarung eines Selbstbehalts mit der Krankenkasse (s.a. [X.]-Urteil in [X.]E 258, 53, [X.], 949).

4. Zutreffend hat das [X.] auch die geltend gemachten zöliakiebedingten Aufwendungen für die Ernährung der Tochter der Kläger nach § 33 Abs. 2 Satz 3 EStG nicht als außergewöhnliche [X.]elastungen berücksichtigt.

a) Nach § 33 Abs. 2 Satz 3 EStG können Aufwendungen, die durch Diätverpflegung entstehen, nicht als außergewöhnliche [X.]elastung berücksichtigt werden. Nach dem eindeutigen Wortlaut der Norm gilt dies ausnahmslos und auch für Sonderdiäten, die --wie z.[X.]. bei der [X.] (Glutenunverträglichkeit)-- eine medikamentöse [X.]ehandlung ersetzen ([X.]-Urteile vom 06.04.1990 - III R 60/88, [X.]E 161, 432, [X.] 1990, 958; vom 27.09.1991 - III R 15/91, [X.]E 165, 531, [X.] 1992, 110, und vom 21.06.2007 - III R 48/04, [X.]E 218, 270, [X.] 2007, 880, [X.]beschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, [X.]-[X.]eschluss vom 06.07.2010 - 2 [X.]vR 2164/07; [X.]surteil vom 14.04.2015 - VI R 89/13, [X.]E 249, 483, [X.], 703).

Die Diätverpflegung tritt in diesen Fällen nicht nur an die Stelle einer medikamentösen [X.]ehandlung, sondern auch an die Stelle üblicher Nahrungsmittel. Auf deren Verzehr und [X.]eschaffung sind aber alle Steuerpflichtigen angewiesen; die entsprechenden Aufwendungen sind deshalb nicht außergewöhnlich i.S. des § 33 Abs. 1 EStG ([X.]-Urteile in [X.]E 165, 531, [X.] 1992, 110; in [X.]E 218, 270, [X.] 2007, 880, und [X.]surteil in [X.]E 249, 483, [X.], 703).

b) Gegen das gesetzliche Verbot der [X.]erücksichtigung von Diätverpflegungskosten in § 33 Abs. 2 Satz 3 EStG bestehen auch keine verfassungsrechtlichen [X.]edenken ([X.]-Urteile in [X.]E 165, 531, [X.] 1992, 110, und in [X.]E 218, 270, [X.] 2007, 880). Die Vorschrift ist selbst dann nicht verfassungswidrig, wenn --wie im [X.] die Diät an Stelle der medikamentösen [X.]ehandlung tritt ([X.]-Urteil in [X.]E 218, 270, [X.] 2007, 880; [X.]-[X.]eschluss vom 09.10.2003 - III [X.] 139/02, [X.]/NV 2004, 187). Das [X.] hat die [X.]beschwerde gegen diesen [X.]eschluss nicht zur Entscheidung angenommen (s. [X.]-[X.]eschluss vom 21.04.2005 - 2 [X.]vR 2100/03).

aa) Das [X.] (Kammerbeschluss vom 29.10.1987 - 1 [X.]vR 672/87, [X.] --[X.]-- 1989, 152) hat den Wegfall der [X.] für Diätverpflegung durch das [X.] verfassungsrechtlich nicht beanstandet.

bb) Das ausnahmslose Abzugsverbot gemäß § 33 Abs. 2 Satz 3 EStG verstößt auch nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, da die Ungleichbehandlung zwischen Diätaufwendungen und unmittelbaren Krankheitskosten sachlich gerechtfertigt ist und nicht gegen den Grundsatz der Leistungsfähigkeit verstößt ([X.]-Urteil in [X.]E 218, 270, [X.] 2007, 880). Die unterschiedliche steuerrechtliche [X.]ehandlung von Kranken, die durch eine Diät und Kranken, die durch Arznei- und Hilfsmittel therapiert werden, ist sachlich gerechtfertigt.

Im Gesetzentwurf sind sachliche Gründe für die unterschiedliche [X.]ehandlung typischer und unmittelbarer Krankheitskosten und Diätaufwendungen aufgeführt ([X.]TDrucks 7/1470, S. 281): häufige ungerechtfertigte Inanspruchnahme nach den Erfahrungen mit den Diätpauschalen (Missbrauchsabwehr, vgl. Kanzler in [X.]/[X.]/[X.], § 33 EStG Rz 208), mögliche Einsparungen durch die Diät wegen moderner Lebens- und Essgewohnheiten und schließlich Inkaufnahme gewisser Mehrbelastungen in Sonderfällen, da zwangsläufige unterschiedliche Lebenshaltungskosten anderer Art, z.[X.]. Wohnungsmiete, Kleidung, Heizung, die u.U. viel schwerwiegender sein können, ebenfalls nicht ausgeglichen werden können. Auch aus Praktikabilitätsgesichtspunkten ist die unterschiedliche steuerliche [X.]ehandlung von typischen und unmittelbaren Krankheitskosten und Diätaufwendungen gerechtfertigt ([X.]-Urteil in [X.]E 218, 270, [X.] 2007, 880).

cc) Es ist von [X.] wegen auch nicht geboten, die krankheitsbedingten (Mehr-)Aufwendungen für die Diät bei der Ermittlung des Existenzminimums zusätzlich zu berücksichtigen. Individueller Sonderbedarf ist grundsätzlich nicht bei der Ermittlung des von der Steuer freizustellenden Existenzminimums zu berücksichtigen, da bei allen Steuerpflichtigen gleichermaßen die existenznotwendigen Mindestaufwendungen typisierend anzusetzen sind (vgl. [X.]-[X.]eschluss vom 10.11.1998 - 2 [X.]vL 42/93, [X.]E 99, 246, [X.] 1999, 174; [X.]-Urteil in [X.]E 218, 270, [X.] 2007, 880).

Zwar wird im Rahmen der Sozialhilfe krankheits- oder behinderungsbedingter Aufwand für eine kostenaufwendige Ernährung in angemessener Höhe berücksichtigt (§ 30 Abs. 5 des Zwölften [X.]uches Sozialgesetzbuch --SG[X.] XII--). Dies bedeutet aber nicht, dass bei der Ermittlung des steuerrechtlichen Existenzminimums jede sozialrechtliche Leistung mitberücksichtigt werden muss (vgl. [X.]SG-Urteil vom 13.05.1998 - [X.] 14 [X.] 3/97 R, [X.] 3-7833 § 6 Nr. 16; [X.]-Urteil in [X.]E 218, 270, [X.] 2007, 880). Zwar mögen Zahlungen nach § 30 Abs. 5 SG[X.] XII das Existenzminimum des Anspruchsberechtigten sicherstellen. Hieraus folgt indes nicht, dass bei den Einkommensverhältnissen der Kläger durch das Ersetzen glutenhaltiger Nahrungsmittel durch glutenfreie Lebensmittel ihr Existenzminimum berührt wäre. Vielmehr ist davon auszugehen, dass bei Steuerpflichtigen, deren Lebensstandard --wie bei den Klägern mit einem Gesamtbetrag der Einkünfte in Höhe von 186.322 €-- deutlich über dem eines Leistungsberechtigten nach SG[X.] XII liegt, durch das Ersetzen glutenhaltiger Lebensmittel durch glutenfreie keine das Existenzminimum berührenden (Mehr-)Aufwendungen entstehen. Solche haben die Kläger im Streitfall im Übrigen auch nicht nachgewiesen.

dd) [X.]rechtliche [X.]edenken gegen den [X.] in § 33 Abs. 2 Satz 3 EStG ergeben sich schließlich nicht mit Rücksicht auf das dem Art. 3 Abs. 1 GG zu entnehmende Gebot der Steuergerechtigkeit, wonach die [X.]esteuerung grundsätzlich an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit auszurichten ist (vgl. [X.]-[X.]eschluss vom 28.11.1984 - 1 [X.]vR 1157/82, [X.]E 68, 287, [X.] 1985, 181, 186; [X.]-Urteil in [X.]E 218, 270, [X.] 2007, 880).

Zwar hat das [X.] in seinem Kammerbeschluss in [X.] 1989, 152 ausdrücklich offengelassen, ob tatsächlich entstandener, unvermeidbarer Mehraufwand für Diätverpflegungen nach dem Leistungsfähigkeitsprinzip steuerlich jedenfalls nicht vollständig unberücksichtigt bleiben darf. Ein nicht unerheblicher Eigenbehalt bleibt aber in jedem Fall möglich, der mit den im Streitfall geltend gemachten Mehraufwendungen nicht überschritten wird.

ee) Der [X.] verkennt nicht, dass die Entscheidung für die zwingend auf eine Sonderdiät angewiesenen Steuerpflichtigen eine gewisse Härte bedeutet. Diese hat der Gesetzgeber jedoch in Kauf genommen. Die gesetzgeberische Entscheidung muss vor dem Hintergrund gesehen werden, dass aus den abziehbaren außergewöhnlichen [X.]elastungen von vornherein Kosten auszuscheiden sind, die typischerweise die Lebensführung mit sich bringt oder die im Hinblick auf die allgemeine Lebensführung nicht ungewöhnlich sind. Zu den üblichen Aufwendungen für die Lebensführung rechnen indes auch die Kosten für die Verpflegung, gleichgültig, in welcher Höhe sie tatsächlich anfallen. Unterschiede der Lebenshaltungskosten sind dabei grundsätzlich unbeachtlich ([X.]-Urteil vom [X.] - III R 24/01, [X.]E 199, 296, [X.] 2002, 567). Davon geht auch der Gesetzgeber aus, indem er zutreffend auf zwangsläufige, auch größere Unterschiede in den Lebenshaltungskosten hinweist (s. [X.]TDrucks 7/1470, S. 281). Es gehören nicht nur Kosten für den Erwerb "normaler" glutenfreier Nahrung zu den Lebenshaltungskosten, sondern auch Substitute ([X.]-Urteil in [X.]E 218, 270, [X.] 2007, 880).

5. Hinsichtlich der Abziehbarkeit von Krankheitskosten als außergewöhnliche [X.]elastungen ergibt sich schließlich aus dem von den Klägern angesprochenen Verfahren, welches unter dem Aktenzeichen VI R 18/19, [X.]/NV 2022, 13-15, anhängig war, nichts anderes. Denn dort hat der [X.] mit [X.]eschluss vom [X.] entschieden, dass der Ansatz der zumutbaren [X.]elastung nach § 33 EStG bei sogenannten beihilfefähigen Krankheitskosten Steuerpflichtige ohne [X.]eihilfeanspruch nicht in verfassungswidriger Weise gegenüber beihilfeberechtigten [X.]eschäftigten im öffentlichen Dienst benachteiligt.

6. Soweit die Kläger Verfahrensrügen erhoben haben, wurden diese durch den [X.] geprüft und als nicht durchgreifend erachtet.

7. Der [X.] konnte durch [X.]eschluss nach § 126a [X.]O entscheiden.

Das Verfahren nach § 126a [X.]O ist nicht auf bestimmte Fallgestaltungen beschränkt; vielmehr ist ein [X.]eschluss nach § 126a [X.]O insbesondere auch zulässig, wenn über verfassungsrechtliche Fragen (s. [X.]-[X.]eschluss vom 14.12.2004 - VIII R 106/03, [X.]E 208, 220, [X.] 2008, 762) oder sonstige ungeklärte Rechtsfragen (s. [X.]-[X.]eschluss vom 08.02.2007 - I R 51/04) zu entscheiden ist.

Die Anhörungsmitteilung nach § 126a Satz 2 [X.]O bedarf keiner besonderen [X.]egründung dazu, weshalb der [X.] die Revision einstimmig für unbegründet und mehrheitlich eine mündliche Verhandlung für nicht erforderlich hält ([X.]-[X.]eschluss vom 08.01.2014 - VII S 45/13). Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Entscheidung --wie im [X.] nicht maßgeblich auf einen im bisherigen [X.] nicht angesprochenen tatsächlichen oder rechtlichen Gesichtspunkt gestützt wird.

8. [X.] folgt aus § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

VI R 48/18

04.11.2021

Bundesfinanzhof 6. Senat

Beschluss

vorgehend FG Köln, 13. September 2018, Az: 15 K 1347/16, Urteil

§ 33 Abs 2 S 3 EStG 2009, § 33 Abs 3 EStG 2009, Art 1 Abs 1 GG, Art 20 Abs 1 GG, Art 3 Abs 1 GG, Art 6 Abs 1 GG, EStG VZ 2014

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 04.11.2021, Az. VI R 48/18 (REWIS RS 2021, 1338)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 1338


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. VI R 48/18

Bundesfinanzhof, VI R 48/18, 04.11.2021.


Az. VI K 1/21

Bundesfinanzhof, VI K 1/21, 15.06.2023.


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