Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 18.06.2013, Az. 6 C 21/12

6. Senat | REWIS RS 2013, 4970

© Bundesverwaltungsgericht, Foto: Michael Moser

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Notwendige Beiladung im Revisionsverfahren; Verteilung eines Landeszuschusses für die Jüdische Gemeinschaft


Gründe

I.

1

Der Kläger, der [X.] zu ... e.V., begehrt von dem beklagten [X.] [X.] einen höheren Anteil an den finanziellen Leistungen, die das Land [X.] auf der Grundlage eines [X.] mit der [X.] in [X.] dieser gewährt. Nach Art. 13 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 des [X.] beteiligt sich das Land mit einem Zuschuss an den Ausgaben der [X.], die ihr für in [X.] lebende [X.] Mitbürgerinnen und Mitbürger durch die Erfüllung von religiösen und kulturellen Bedürfnissen entstehen. Dieser Landeszuschuss wird an den beklagten [X.] gezahlt. Er verteilt ihn an die [X.], die nach dem Staatsvertrag anspruchsberechtigt sind. Zu ihnen gehört der Kläger. Nach Absatz 4 des [X.] zu Art. 13 Abs. 1 des [X.] erhalten der beklagte [X.] einen Sockelbetrag von 10 v.H. und die anspruchsberechtigten Gemeinden einen Sockelbetrag von jeweils 5 v.[X.] zur Abdeckung der fixen Kosten. Für die weitere Verteilung ist die Gesamtzahl der Gemeindemitglieder maßgebend, soweit sie ihren Hauptwohnsitz im Land [X.] haben. Der beklagte [X.] ist zur Bekanntgabe der durch den Generalsekretär des [X.] schriftlich bestätigten Mitgliederzahlen an das Land verpflichtet.

2

Nach Aufhebung und Änderung früherer Bescheide setzte der beklagte [X.] den Anteil des [X.] am Landeszuschuss unter Berücksichtigung einer Zahl von 41 Mitgliedern fest. Der Kläger legte hiergegen Widerspruch ein. Er bezog sich auf ein Schreiben des Generalsekretärs des [X.], der ihr eine Zahl von 183 Mitgliedern bestätige. Dieser legte in einem späteren Schreiben dar: Die für das [X.] mitgeteilten Zahlen hätten unter dem Vorbehalt der Vorläufigkeit gestanden. Das Material, das der Kläger vorgelegt habe, sei mit erheblichen Unsicherheiten behaftet gewesen. Mangels einer eigenen Ermittlungsabteilung sei er weder personell in der Lage noch gewillt, die Zuverlässigkeit der Mitgliederlisten des [X.] weiter zu überprüfen. Die mitgeteilten Zahlen seien nunmehr als verbindlich anzusehen, da der Kläger auch keine weiteren Angebote zur Klärung der offenen Fragen unterbreitet habe.

3

Der Kläger hat, nachdem der beklagte [X.] über seinen Widerspruch nicht entschieden hatte, Untätigkeitsklage erhoben. Das Verwaltungsgericht hat unter Abweisung der Klage im Übrigen den beklagten [X.] verpflichtet, den Kläger wegen seines Anspruchs auf den nach der Mitgliederzahl festzusetzenden Anteil am Landeszuschuss unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung des beklagten [X.]es und die Anschlussberufung des [X.] zurückgewiesen. Es hat, soweit hier von Interesse, zur Begründung ausgeführt: Soweit Abs. 4 Satz 6 des [X.] zu Art. 13 Abs. 1 des [X.] bestimme, dass der beklagte [X.] verpflichtet sei, dem Land die Mitgliederzahlen bekannt zu geben, die der Generalsekretär des [X.] schriftlich bestätigt habe, erschöpfe sich dessen Aufgabe nicht in einer internen Mitwirkung bei der Mitteilungspflicht gegenüber dem Land. Zweck der Regelung sei es vielmehr, mit der Bestätigung der Anzahl der Gemeindemitglieder deren Feststellung der Entscheidungsbefugnis des beklagten [X.]es zu entziehen und auf den Generalsekretär des [X.] zu übertragen. Dadurch sollten die innerreligiösen Fragen der Zugehörigkeit zum [X.] und der [X.] in mehreren Gemeinden durch den Generalsekretär als neutrale Prüfinstanz mit Verbindlichkeit für die beteiligten Gemeinden geklärt werden. Diese Bestätigung entfalte Bindungswirkung auch im Verhältnis zu dem beklagten [X.]. Ihm stehe kein eigenes Prüfungsrecht zu. Hierfür sei unerheblich, dass der Generalsekretär nicht Partei des [X.] sei. Die nach dem [X.] notwendige Bestätigung der Mitgliederlisten durch den Generalsekretär liege für das [X.] nicht vor. Die Sache sei deshalb nicht spruchreif. Mit seinem letzten Schreiben hierzu habe der Generalsekretär zum Ausdruck gebracht, dass die Prüfung nicht abgeschlossen sei, sondern abgebrochen werde.

4

Auf die Beschwerde des beklagten [X.]es hat das [X.] die Revision gegen das Urteil des [X.] zur Klärung der Frage zugelassen, ob es mit der Justizgewährungspflicht (Art. 20 Abs. 3 GG in Verbindung mit Art. 92 GG) vereinbar ist, wenn eine staatsvertragliche Regelung über einen Landeszuschuss für [X.] Gemeinden dahin ausgelegt wird, dass für die Verteilung maßgebliche Erfordernisse der ausschließlichen Prüfungskompetenz eines [X.] unterliegen.

5

Während des Revisionsverfahrens haben der Generalsekretär des [X.] und der [X.] ihre Beiladung zum Verfahren beantragt.

II.

6

Die [X.] sind unbegründet. Weder der Generalsekretär des [X.] noch der [X.] können im Revisionsverfahren noch beigeladen werden. Eine Beiladung ist im Revisionsverfahren nur dann zulässig, wenn sie im Sinne des § 65 Abs. 2 VwGO notwendig ist (§ 142 Abs. 1 VwGO). Weder für den Generalsekretär des [X.] noch für den [X.] liegen die Voraussetzungen einer notwendigen Beiladung vor.

7

1. Entgegen der Auffassung des beklagten [X.]es fehlt es bezogen auf den Generalsekretär des [X.] allerdings nicht schon deshalb an den Voraussetzungen einer Beiladung überhaupt und damit auch an den Voraussetzungen einer notwendigen Beiladung, weil er nicht im Sinne des § 61 VwGO fähig ist, am Verfahren beteiligt zu sein.

8

Zwar soll nach dem Sinn des [X.] nicht der seinerzeitige oder der derzeitige Inhaber des Amtes als Person beigeladen werden. Der Beiladungsantrag bezieht sich mithin nicht auf eine konkrete natürliche Person, die als solche Beteiligte des Verfahrens werden soll (§ 61 Nr. 1 VwGO). [X.] werden soll das von der Person des jeweiligen Inhabers losgelöste Amt des Generalsekretärs, das in der Satzung des [X.] vorgesehen und mit bestimmten Funktionen ausgestattet ist. Entweder ergibt sich insoweit die [X.] aus einer analogen Anwendung des § 61 Nr. 3 VwGO, bei der die satzungsgemäß vorgesehenen Funktionsträger der Körperschaft des öffentlichen Rechts "[X.]" als dessen "Behörden" angesehen werden. Oder der [X.] ist nicht neben, sondern an Stelle des Generalsekretärs als Träger dieser Funktion beizuladen, zumal er - wenn überhaupt - allein in dieser Eigenschaft an dem streitigen Rechtsverhältnis beteiligt sein und beigeladen werden könnte.

9

2. Eine Beiladung im Revisionsverfahren scheitert jedoch daran, dass weder der Generalsekretär des [X.] noch der [X.] an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt sind, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann (§ 65 Abs. 2 VwGO).

a) Die Beiladung ist notwendig, wenn die vom Kläger begehrte Sachentscheidung nicht getroffen werden kann, ohne dass dadurch gleichzeitig unmittelbar Rechte des [X.] gestaltet, bestätigt oder festgestellt, verändert oder aufgehoben werden (Urteil vom 19. Januar 1984 - BVerwG 3 C 88.82 - [X.] 310 § 121 VwGO Nr. 49; Beschluss vom 9. Januar 1999 - BVerwG 11 C 8.97 - NVwZ 1999, 296), oder anders gewendet, wenn die Entscheidung unmittelbar Rechte oder Rechtsbeziehungen Dritter gestalten soll, sie aber ohne deren Beteiligung am Verfahren nicht wirksam gestalten kann (Beschluss vom 12. August 1981 - BVerwG 7 [X.] - [X.] 310 § 65 VwGO Nr. 60).

b) Im Rahmen der Verpflichtungsklage liegen diese Voraussetzungen dann vor, wenn der Kläger den Erlass eines Verwaltungsakts begehrt, der gegen einen [X.] gerichtet sein und diesen belasten soll, ferner dann, wenn der erstrebte Verwaltungsakt zugleich den Kläger begünstigt und den [X.] belastet, wenn also die rechtsgestaltende Wirkung des erstrebten Verwaltungsakts einen [X.] unmittelbar in dessen Rechtsposition betrifft, weil er Adressat des angestrebten Verwaltungsakts sein soll. Eine derartige Fallgestaltung liegt hier nicht vor.

c) Bei der Verpflichtungsklage ist die Beiladung eines [X.] ferner dann notwendig, wenn diese auf den Erlass eines mehrstufigen Verwaltungsakts gerichtet ist. Dieser ist dadurch gekennzeichnet, dass er kraft Gesetzes nur mit Zustimmung oder im Einvernehmen eines anderen, insoweit selbständigen Rechtsträgers oder dessen Behörde erlassen werden darf. In diesem Falle ist die Zustimmung oder das Einvernehmen Bestandteil des streitigen Rechtsverhältnisses derart, dass es im Falle seiner Verweigerung durch das verwaltungsgerichtliche Urteil ersetzt wird.

Auch eine solche Fallgestaltung liegt hier nicht vor. Die Festsetzung und Zahlung eines Anteils des [X.] an dem Landeszuschuss hängt nach dem Staatsvertrag nicht von der Zustimmung oder dem Einvernehmen des Generalsekretärs des [X.] ab. Nach der Auslegung des [X.] durch das Oberverwaltungsgericht hat der Generalsekretär lediglich die Stellung einer neutralen Instanz, die vergleichbar einem Schiedsgutachter für die Beteiligten verbindlich prüfen soll, ob eine einzelne Tatbestandsvoraussetzung für den geltend gemachten Anspruch vorliegt oder nicht vorliegt. Die Klärung eines streitanfälligen Sachverhalts soll auf einen neutralen [X.] übertragen und dem beklagten [X.] entzogen werden, weil dieser selbst durch die Verteilung der Mittel betroffen und insoweit Partei ist. Zwar ist nach der Auslegung des [X.] durch das Oberverwaltungsgericht die Beurteilung des Sachverhalts durch den Generalsekretär für die Beteiligten und auch für das Gericht verbindlich. Diese Verbindlichkeit begründet aber bezogen auf die streitige Verteilung des [X.] kein Recht des Generalsekretärs, das im Wege der notwendigen Beiladung prozessual zur Geltung gebracht werden müsste. Als lediglich neutrale Instanz zwischen den Beteiligten sind ihm gerade keine spezifisch ihn berührenden Belange zur eigenverantwortlichen Wahrnehmung anvertraut.

Meta

6 C 21/12

18.06.2013

Bundesverwaltungsgericht 6. Senat

Beschluss

Sachgebiet: C

vorgehend Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt, 20. Juli 2011, Az: 3 L 167/10, Urteil

§ 65 Abs 2 VwGO, § 61 Nr 3 VwGO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 18.06.2013, Az. 6 C 21/12 (REWIS RS 2013, 4970)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 4970

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

6 C 21/12 (Bundesverwaltungsgericht)

Anteil der Synagogengemeinde zu Halle an dem Landeszuschuss für die Jüdische Gemeinschaft in Sachsen-Anhalt; Selbstbestimmungsrecht


6 C 19/12 (Bundesverwaltungsgericht)


6 C 20/12 (Bundesverwaltungsgericht)


2 BvR 2467/17, 2 BvR 2468/17, 2 BvR 2469/17 (Bundesverfassungsgericht)

Nichtannahmebeschluss: Fachgerichtliche Entscheidung über Mitgliedschaft von Personen in jüdischen Gemeinden Sachsen-Anhalts berührt keine "eigene Angelegenheit" …


6 B 6/14 (Bundesverwaltungsgericht)

Festsetzung und Auszahlung eines Anteils an den finanziellen Zuwendungen auf der Grundlage eines mit der …


Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.