Bundesgerichtshof, Beschluss vom 23.05.2012, Az. 5 StR 12/12

5. Strafsenat | REWIS RS 2012, 6167

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Gegenstand

Bandenmäßiges Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge: Anforderungen an eine Zusammenfassung mehrerer Einzelverkäufe zu einer einheitlichen Tat


Tenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Land-gerichts [X.] vom 11. Oktober 2011 mit den Feststellungen gemäß § 349 Abs. 4 StPO aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugendkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Jugendstrafe von drei Jahren verurteilt und gegen ihn den Verfall von Wertersatz in Höhe eines Betrages von 22.980 € angeordnet. Die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat Erfolg.

2

Nach den Feststellungen des [X.]s schlossen sich der Angeklagte, die gesondert verfolgten [X.]    , [X.], [X.]     , [X.]E.     und [X.]sowie weitere Personen zusammen, „um in einer Vielzahl von Fällen Heroin- und Kokaingemische zu erwerben und organisiert in wechselseitigem Zusammenwirken an Endabnehmer und weitere Zwischenhändler zu veräußern, wobei die Gewinne aufgeteilt wurden“ ([X.]). Der Angeklagte verkaufte als sogenannter Läufer von Anfang Januar 2011 bis zu seiner Festnahme am 5. Mai 2011 aus „einem einheitlichen Vorrat“ ([X.]) dreimal wöchentlich je Verkaufstag durchschnittlich 50 Szenekugeln Heroin und Kokain zu je 10 €. Die Verkaufserlöse in Höhe von insgesamt 24.000 € leitete er jeweils an den gesondert verfolgten [X.]weiter und erhielt als Lohn hierfür von einem anderen Mitglied der Gruppierung jeweils 50 bis 60 €. Die insgesamt im Tatzeitraum vorgenommenen Drogengeschäfte des Angeklagten wertete die [X.] als eine Tat. Ausgehend von einem Verkaufserlös von 24.000 € hat das [X.] einen Abzug „des bereits einbehaltenen Geldes von 650 und 370 €“ ([X.]) vorgenommen und den tenorierten Betrag von 22.980 € errechnet.

3

1. [X.] hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

4

a) Die Feststellungen der [X.] rechtfertigen nicht die Zusammenfassung der einzelnen Verkäufe des Angeklagten zu einer einheitlichen Tat. Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] bilden mehrere Fälle des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln nur dann eine einheitliche Tat, wenn sie ein und denselben Güterumsatz betreffen ([X.], Urteil vom 26. Februar 1997 – 3 [X.], [X.]R BtMG § 29 Bewertungseinheit 12; [X.], Beschlüsse vom 7. Januar 1981 – 2 [X.], [X.]St 30, 28, und vom 11. Januar 2012 – 5 [X.], [X.], 121). Vorliegend bleibt jedoch offen, inwieweit die den einzelnen Verkäufen jeweils zugrunde liegenden Betäubungsmittel aus einem einheitlichen, zuvor erworbenen, Vorrat herrühren. Die im Urteil floskelhaft gewählte Formulierung, die Betäubungsmittel stammten „aus einem einheitlichen Vorrat“ ([X.]) wird vom [X.] weder im Einzelnen näher konkretisiert noch von Tatsachen gestützt.

5

Eine eingehende Erörterung hätte sich für die [X.] bereits deshalb aufdrängen müssen, weil nicht nur die Anklage und der Eröffnungsbeschluss von mehreren Heroinlieferungen an die Gruppierung ausgingen, sondern auch die [X.] an anderer Stelle festgestellt hat, dass anlässlich der Festnahmen des Angeklagten und der weiteren Bandenmitglieder an mehreren Stellen Rauschgift sichergestellt wurde. Zudem bestanden ausweislich der Urteilsgründe deutliche Unterschiede in den Wirkstoffmengen zwischen dem am 14. März 2011 und dem am 5. Mai 2011 sichergestellten Heroin und Kokain sowie zwischen den weiteren sichergestellten Heroinkugeln (UA S. 5).

6

Nicht einmal der Zweifelsgrundsatz gebietet es, eine einheitliche Tat im Sinne der Bewertungseinheit anzunehmen, wenn sich keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass mehrere Fälle des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln ein und dieselbe Rauschgiftmenge betreffen ([X.], Urteil vom 23. März 1995 – 4 [X.], NJW 1995, 2300; [X.], Beschluss vom 7. August 1996 – 3 [X.]; [X.], Urteile vom 26. Februar 1997 – 3 [X.], [X.], 137 und 344, und vom 16. November 2005 – 2 [X.], [X.], 55). Die mit der Zusammenfassung der einzelnen Taten verbundene Addition der [X.] kann den Angeklagten gerade durch das Erreichen der nicht geringen Menge in den Verbrechenstatbeständen des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG und – sofern eine bandenmäßige Tatbegehung vorliegt – des § 30a Abs. 1 BtMG beschweren (vgl. [X.] in [X.], 12. Aufl., Vor § 52 Rn. 44).

7

Das neue Tatgericht wird bei der Prüfung, ob die einzelnen Drogengeschäfte zu einer oder mehreren Bewertungseinheiten zusammenzufassen sind, zu prüfen haben, inwieweit die Betäubungsmittel aus einer oder mehreren Erwerbsmengen stammen. Dabei wird es zu beachten haben, dass auch die Wirkstoffmengen der umgesetzten Drogen neu zu bestimmen sind und ob – sollte es mehrere Taten feststellen können – jeweils die nicht geringe Menge der verfahrensgegenständlichen Drogen überschritten und deshalb der Tatbestand des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG und – sofern eine bandenmäßige Tatbegehung vorliegt – des § 30a Abs. 1 BtMG anzuwenden ist. Auch sind die bisherigen Angaben zum Mengenverhältnis der von dem Angeklagten verkauften Heroin- und Kokainkugeln in den Urteilsgründen widersprüchlich. Während die [X.] in der Beweiswürdigung, ausgehend von beschlagnahmten 80 Kugeln Heroin und 17 Kugel Kokain, das Verhältnis dieser Drogen mit 4:1 zueinander bestimmt (entspräche angesichts der umgesetzten Gesamtmenge von 2.400 Kugeln: 1.920 Kugeln Heroin und 480 Kugeln Kokain), legt sie den Feststellungen ein Verhältnis von 7:1 (2.100 Kugeln Heroin und 300 Kugeln Kokain) zugrunde.

8

b) Ebenso können die Feststellungen zur bandenmäßigen Begehungsweise nicht bestehen bleiben, denn sie erschöpfen sich in einer formelhaften Wiedergabe der Bandenvereinbarung und werden nicht näher mit konkreten Tatsachen belegt. Angesichts des Umstandes, dass der Angeklagte als weisungsgebundener „Läufer“ von dem anderweitig verfolgten [X.]die Drogen in kleinen Mengen erhielt und an diesen auch den Erlös abzugeben hatte, dafür von einem anderen Mitglied einen Tageslohn erhielt, erschließt sich nicht, inwieweit der Angeklagte verbindlich in die Bande eingegliedert und am Gewinn beteiligt werden sollte. Feststellungen hierzu wären vom neuen Tatgericht nachzuholen.

9

2. [X.] kann ebenfalls keinen Bestand haben.

Die Anordnung des Verfalls begegnet angesichts der vollständigen Weiterleitung der Verkaufserlöse an ein Mitglied der Gruppierung sogar ohne Nachweis eines Anteils des Angeklagten am [X.] durchgreifenden Bedenken (vgl. [X.], Beschluss vom 27. Oktober 2009 – 5 [X.], [X.]R StGB § 73 Erlangtes 9; [X.], Urteil vom 27. Oktober 2011 – 5 StR 14/11, [X.], 92). Das [X.] hätte zudem prüfen müssen, ob eine Verfallsanordnung in dieser Höhe für den Angeklagten eine unbillige Härte im Sinne des § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB bedeuten würde oder ob ge-mäß § 73c Abs. 1 Satz 2, 1. Alt. StGB von einem Verfall wenigstens teilweise abgesehen werden soll ([X.], Beschluss vom 10. Januar 2008 – 5 [X.], [X.], 565, 566).

Basdorf                                [X.]                                Schneider

                       [X.]

Meta

5 StR 12/12

23.05.2012

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Berlin, 11. Oktober 2011, Az: 273 Js 9/11 (524) KLs (56/11)

§ 29a Abs 1 Nr 2 BtMG, § 52 StGB, § 53 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 23.05.2012, Az. 5 StR 12/12 (REWIS RS 2012, 6167)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 6167

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