Bundesgerichtshof, Beschluss vom 07.07.2015, Az. 3 StR 223/15

3. Strafsenat | REWIS RS 2015, 8617

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Gegenstand

Unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmittels in nicht geringer Menge: Notwendige Feststellungen zu Wirkstoffgehalt und Wirkstoffmenge im auf Verständigung beruhendem Urteil


Tenor

1. Der Angeklagten wird nach Versäumung der Frist zur Begründung der Revision gegen das Urteil des [X.] vom 27. Januar 2015 auf ihren Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.

Die Kosten der Wiedereinsetzung trägt die Angeklagte.

2. Auf die Revision der Angeklagten wird das vorbezeichnete Urteil, soweit es sie betrifft,

a) im Schuldspruch in den Fällen [X.] 1. bis 72. der Urteilsgründe dahin neu gefasst, dass die Angeklagte insoweit des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 72 Fällen schuldig ist;

b) mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,

aa) soweit sie in den Fällen [X.] 83. und 84. der Urteilsgründe wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt worden ist,

bb) im Ausspruch über die Einzelstrafen in den Fällen [X.] 73. bis 82. der [X.],

cc) im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe und

dd) hinsichtlich der Anordnung des Verfalls von Wertersatz.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat die Angeklagte wegen "gewerbsmäßigen" unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 72 Fällen und wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 12 Fällen zur Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und zwei Monaten verurteilt sowie [X.]verfall in Höhe von 400.000 € angeordnet. Hiergegen wendet sich die Angeklagte mit der allgemeinen Sachbeschwerde. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 [X.].

2

1. Das [X.] hat es in allen Einzelfällen verabsäumt, zu den jeweils gehandelten Drogen den Wirkstoffgehalt und die Wirkstoffmenge konkret festzustellen. Solcher Feststellungen bedarf es bei einer Betäubungsmittelstraftat aber regelmäßig, da dadurch das Unrecht der Tat und die Schuld des [X.] maßgeblich bestimmt werden. Hierauf kann auch dann nicht verzichtet werden, wenn - wie hier - das Urteil auf einer Verständigung beruht (vgl. [X.], Beschluss vom 6. August 2013 - 3 [X.], [X.], 703 mwN).

3

a) Dieser Rechtsfehler führt zur Aufhebung des Urteils in den Fällen [X.] 83. und 84. der Urteilsgründe, da in diesen Fällen deshalb nicht belegt ist, dass die Angeklagte eine nicht geringe Menge Marihuana im Sinne des § 29a BtMG zum Zwecke des Handeltreibens gekauft hat; entgegen der Ansicht des [X.] kann der [X.] den Einkauf einer jeweils nicht geringen Menge aus den Urteilsfeststellungen zum Gewicht des erworbenen Marihuanas und zum Gesamtkaufpreis auch mit Blick auf den Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe nicht hinreichend sicher entnehmen.

4

b) In den Fällen [X.] 73. bis 82. der Urteilsgründe kann zwar der Schuldspruch bestehen bleiben, da sich insoweit aus den von der Angeklagten gekauften Drogenmengen zwischen 50 Gramm Heroin (Fall 73.) sowie ein (Fälle 74. bis 81.) bzw. mehr als zwei Kilogramm Heroin (Fall 82.) zweifelsfrei ergibt, dass sie mit nicht geringen [X.]n im Sinne von § 29a BtMG gehandelt hat. Indes können die für diese Fälle verhängten Einzelstrafen zwischen einem Jahr und drei Monaten sowie zwei Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe nicht bestehen bleiben, weil der Schuldgehalt dieser Taten mangels Feststellungen zum Wirkstoffgehalt und zur Wirkstoffmenge der gehandelten [X.]n nicht belegt ist. Zwar hat das [X.] in den Fällen 81. und 82. der Urteilsgründe die - durch labortechnische Untersuchungen des [X.] belegten - Wirkstoffgehalte von mehreren Teilmengen mitgeteilt, die in der Wohnung der Angeklagten aufgefunden worden waren. Das [X.] hat indes keine Schlüsse aus diesen Ergebnissen gezogen, etwa auf den jeweiligen Mindestwirkstoffgehalt des in diesen beiden Fällen oder auch in den anderen Einzelfällen von der Angeklagten insgesamt eingekauften [X.]. Der [X.] kann wegen der sehr stark unterschiedlichen Qualitäten der untersuchten Herointeilmengen diese Feststellungslücken auch mit Blick auf den Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe nicht selbst ausfüllen, sodass er im Ergebnis nicht ausschließen kann, dass das [X.] bei konkreten Feststellungen zu Wirkstoffgehalt und Wirkstoffmenge der Drogen niedrigere Einzelstrafen zugemessen hätte.

5

c) Der dargestellte Rechtsfehler gefährdet den Bestand des Urteils allein in den Fällen [X.] 1. bis 72. der Urteilsgründe nicht, in denen die - vielfach und auch mehrfach einschlägig vorbestrafte - Angeklagte jeweils 2,5 Gramm Heroin für 40 € gewinnbringend weiterverkauft hat und deshalb wegen gewerbsmäßig begangenen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 72 Fällen zu jeweils einem Jahr Freiheitsstrafe verurteilt worden ist. In diesen Fällen vermag der [X.] aufgrund der Gesamtumstände auszuschließen, dass das [X.] bei Feststellung der Wirkstoffmengen von der Regelwirkung des § 29 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 abgesehen und eine geringere als die in § 29 Abs. 3 Satz 1 BtMG angedrohte Mindeststrafe verhängt hätte. Indes wird die Verwirklichung des [X.] gewerbsmäßigen Handelns gemäß § 29 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BtMG nicht in die Urteilsformel aufgenommen [X.], BtMG, 4. Aufl., § 29 Rn. 2031; [X.]/[X.], [X.], 58. Aufl., § 260 Rn. 25, jeweils mwN). Aus diesem Grund hat der [X.] den Schuldspruch in den genannten Fällen entsprechend neu gefasst.

6

d) Die teilweise Aufhebung des Urteils führt zum Wegfall des Ausspruchs über die Gesamtfreiheitsstrafe.

7

2. Die Anordnung über den Verfall von [X.] kann ebenfalls nicht bestehen bleiben. Hierzu hat der [X.] in seiner Antragsschrift ausgeführt:

"Keinen Bestand haben kann jedoch die Anordnung über den Verfall von [X.] in Höhe von 400.000 Euro. Das [X.] ist bei der Prüfung der Härtevorschrift des § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB von einem unzutreffenden rechtlichen Maßstab ausgegangen. Danach kann nach Ermessen des Gerichts die Anordnung unterbleiben, soweit der Wert des [X.] in dem Vermögen des Betroffenen nicht mehr vorhanden ist. Eine unbillige Härte, wie im Fall des § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB, ist nicht erforderlich. Die Entscheidung [X.] NStZ 2005, 232 steht nicht entgegen. Zwar konnte in der Hauptverhandlung nicht geklärt werden, wo sich Geldbeträge aus dem Drogenhandel der Angeklagten befinden. Den Urteilsgründen lässt sich jedoch nicht entnehmen, dass sich die geständige Angeklagte hierzu nicht geäußert hat. Überdies hätte die [X.], die nach den Urteilsgründen davon ausging, dass von den Verkaufserlösen nur noch ein Teil im Vermögen der Angeklagten vorhanden ist ([X.]), nach der Feststellung, dass die [X.] Angeklagte vom Einkommen ihres Ehemanns lebt ([X.]), auf Grund des sehr hohen [X.] nähere Erörterungen in Hinsicht auf das von § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB auch verfolgte Anliegen, die Resozialisierung des [X.] nicht zu gefährden ([X.]St 48, 40 f; [X.] NStZ 2001, 42), anstellen müssen. Auch die Feststellung der Höhe des [X.] ist nicht frei von [X.]. Das [X.] legt den gerundeten Bruttowert der in den Fällen [X.] 73. bis 82. aufgewandten Kaufpreise zu Grunde, berücksichtigt dabei aber nicht, dass bei der Tat [X.] 82. die über zwei Kilogramm Heroin beschlagnahmt wurden ([X.], 11) und im Fall [X.] 81. knapp ein Viertel der [X.] ([X.]). Selbst unter Berücksichtigung der Verkaufspreise in den Fällen [X.] 1. bis 72. sowie der Kaufpreise in den Fällen [X.] 74. bis 84. wird unter Abzug der beschlagnahmten Mengen die Summe von 400.000 Euro nicht erreicht."

8

Dem schließt sich der [X.] an.

Hubert     

Ri[X.] [X.] befindet sich
im Urlaub und ist daher
gehindert zu unterschreiben.

Hubert

Becker

Mayer     

     Gericke     

Meta

3 StR 223/15

07.07.2015

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Hannover, 27. Januar 2015, Az: 58 KLs 4/14

§ 29 Abs 1 Nr 2 BtMG, § 257c StPO, § 267 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 07.07.2015, Az. 3 StR 223/15 (REWIS RS 2015, 8617)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 8617

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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