Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 22.04.2010, Az. 6 AZR 620/08

6. Senat | REWIS RS 2010, 7315

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Gegenstand

Keine Anrechnung von Zeiten als Ärztin/Arzt im Praktikum (AiP) bei der Stufenzuordnung im TV-Ärzte/TdL


Tenor

1. Auf die Revision des beklagten [X.] wird das Urteil des [X.]arbeitsgerichts Sachsen-Anhalt vom 24. April 2008 - 9 [X.]/07 [X.] - aufgehoben.

2. Auf die Berufung des beklagten [X.] wird das Urteil des [X.] vom 9. August 2007 - 6 [X.]/07 [X.] - abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

3. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob die [X.]eschäftigungszeit als Arzt im Praktikum([X.]) bei der [X.] nach § 16 des Tarifvertrags für Ärztinnen und Ärzte an [X.]skliniken ([X.]/[X.]) vom 30. Oktober 2006 zu berücksichtigen und der Kläger deshalb in den Monaten Juli 2006 bis Mai 2007 nach der [X.] Ä 1, Stufe 5, [X.]/[X.] zu vergüten war.

2

Der Kläger war vom 1. Dezember 2001 bis 31. Mai 2003 als [X.] für das beklagte Land tätig. Er war dabei am [X.] der [X.] eingesetzt. Seit dem 1. Juni 2003 ist er bei dem beklagten Land als Assistenzarzt beschäftigt.

3

Mit Wirkung zum 1. Januar 2006 errichtete das beklagte Land das [X.] der [X.] als rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts, die an die Stelle des bisherigen [X.]s getreten ist. Entsprechend den Vorschriften des Hochschulmedizingesetzes des [X.]([X.]) vom 12. August 2005 (GV[X.]l. LSA S. 508) verblieb der Kläger aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Medizinischen Fakultät der [X.] im Arbeitsverhältnis mit dem beklagten Land. Soweit zu seinen Aufgaben auch Tätigkeiten in der Krankenversorgung gehören, ist er gemäß § 6 Abs. 4 HMG LSA verpflichtet, seine Dienste beim [X.] zu erbringen. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass diese Zuordnung des [X.] zutreffend ist.

4

Das Arbeitsverhältnis richtet sich aufgrund beiderseitiger Tarifgebundenheit seit dem 1. November 2006 nach dem [X.]/[X.]. Das beklagte Land wendet entsprechend einem [X.]eschluss der Mitgliederversammlung der [X.] vom 8. Juni 2006 die neue [X.] bereits seit dem 1. Juli 2006 an. § 5 des Tarifvertrags zur Überleitung der Ärztinnen und Ärzte an [X.]skliniken ([X.]/[X.]) vom 30. Oktober 2006 lautet:

        

[X.] der Ärzte.

        

1Die Ärzte werden derjenigen Stufe der [X.] (§ 12 TV-Ärzte) zugeordnet, die sie erreicht hätten, wenn die [X.] für Ärztinnen und Ärzte bereits seit [X.]eginn ihrer Zugehörigkeit zu der für sie maßgebenden [X.] gegolten hätte. 2Für die Stufenfindung bei der Überleitung zählen die [X.]en im jetzigen Arbeitsverhältnis zu demselben Arbeitgeber. 3Für die [X.]erücksichtigung von Vorzeiten ärztlicher Tätigkeit bei der Stufenfindung gilt § 16 Absatz 2 TV-Ärzte.“

5

In § 16 [X.]/[X.] heißt es:

        

Stufen der [X.]

        

(1) 1Die [X.] Ä 1 umfasst fünf Stufen; die [X.]n Ä 2 bis Ä 4 umfassen drei Stufen. 2Die Ärzte erreichen die jeweils nächste Stufe nach den [X.]en ärztlicher (Ä 1), fachärztlicher (Ä 2), oberärztlicher (Ä 3) Tätigkeit beziehungsweise der Tätigkeit als ständiger Vertreter des leitenden Arztes (Chefarztes), die in den Tabellen (Anlagen A und [X.]) angegeben sind.

        

(2) 1Für die Anrechnung von Vorzeiten ärztlicher Tätigkeit gilt Folgendes: [X.]ei der [X.] werden [X.]en mit einschlägiger [X.]erufserfahrung als förderliche [X.]en berücksichtigt. 2[X.]en von [X.]erufserfahrung aus nichtärztlicher Tätigkeit können berücksichtigt werden.

        

…“   

6

Das beklagte Land ordnete den Kläger ab dem 1. Juli 2006 der Stufe 4 der [X.] Ä 1 zu. Die [X.] als [X.] erkannte es nicht als [X.] einschlägiger [X.]erufserfahrung an.

7

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, der [X.] sei nach seinen Rechten und Pflichten einem vollapprobierten Arzt gleichgestellt gewesen. Die [X.]egriffe „ärztliche Tätigkeit“ und „einschlägige [X.]erufserfahrung“ könnten nicht gleichgesetzt werden. Die Rechtsprechung zum [X.]AT könne auf den [X.]/[X.] angesichts der veränderten gesetzlichen [X.]edeutungszusammenhänge und der veränderten tariflichen [X.]egrifflichkeiten nicht übertragen werden. Die Tarifvertragsparteien seien bereits unmittelbar nach der Vereinbarung des [X.] am 16. Juni 2006 uneinig über die Anerkennung von [X.]-[X.]en als [X.]en einschlägiger [X.]erufserfahrung gewesen.

8

Der Kläger hat außerdem die Auffassung vertreten, er werde im Vergleich zu den Ärzten, die nach Abschaffung des [X.] ab dem 1. Oktober 2004 sofort nach [X.]eendigung des Studiums approbiert hätten werden können und die deshalb unmittelbar nach [X.]eendigung des Studiums [X.]en einschlägiger [X.]erufserfahrung hätten erwerben können, ungleich behandelt. Zudem liege eine Ungleichbehandlung mit den im [X.] Magdeburg Anstalt öffentlichen Rechts beschäftigten Ärzten vor. Für diese Ärzte gilt der Vergütungstarifvertrag für Ärzte des [X.]s Magdeburg AöR([X.]). § 2 Ziff. 6 [X.] sieht die Anrechnung der [X.]en ärztlicher Tätigkeit für Ärzte ohne Facharztanerkennung bei der [X.] vor. Eine Tätigkeit als [X.] gilt danach ausdrücklich als ärztliche Tätigkeit. Der Kläger hat darauf abgestellt, dass er mit den Ärzten des [X.] in Hand zusammenarbeite. Schließlich hat es der Kläger für treuwidrig gehalten, dass die zuständigen Ministerien, die im Aufsichtsrat des [X.]s vertreten seien, dem VTV-Ä UK MD zugestimmt hätten, als Rechtsaufsicht der Medizinischen Fakultät jedoch dem Kläger die Anerkennung der [X.]-[X.]en versagten.

9

Der Kläger hat zuletzt beantragt

        

festzustellen, dass der Kläger ab 1. Juli 2006 nach der Vergütungsgruppe Ä 1, Stufe 5, des TV-Ärzte/[X.] zu vergüten ist.

Dabei ergibt sich aus einem zwischen den Parteien am 9. August 2007 vor dem Arbeitsgericht geschlossenen Teilvergleich, dass die Feststellung nur für die [X.] bis 31. Mai 2007 begehrt wird.

Das beklagte Land hat seinen Klageabweisungsantrag damit begründet, dass die Tarifvertragsparteien seit jeher die [X.]ezeichnung „ärztliche Tätigkeiten“ für Tätigkeiten eines Arztes im Sinne des inländischen Medizinalrechts verwendet hätten. Ein [X.] sei jedoch nicht vollapprobiert, übe nicht den [X.]eruf des Arztes aus und könne deshalb keine einschlägige [X.]erufserfahrung sammeln. Er sei vielmehr Auszubildender zum Arztberuf. Ein abweichender Wille der Tarifvertragsparteien habe keinen Niederschlag im Tarifvertrag gefunden.

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit seiner vom [X.] zugelassenen Revision verfolgt das beklagte Land sein [X.]egehren auf Klageabweisung weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Die [X.]en der Tätigkeit des [X.] als [X.] sind bei der [X.] nicht gemäß § 16 Abs. 2 [X.]/[X.] zu berücksichtigen.

I. Die Feststellungsklage ist zulässig. Trotz des Vergangenheitsbezugs der Feststellungsklage liegt das nach § 256 Abs. 2 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse vor. Der verlangte Gegenwartsbezug wird dadurch hergestellt, dass der Kläger die Erfüllung konkreter Vergütungsansprüche aus einem in der Vergangenheit liegenden [X.]raum und damit einen gegenwärtigen rechtlichen Vorteil erstrebt. Das angestrebte [X.] ist geeignet, den Konflikt der Parteien endgültig beizulegen und weitere Prozesse zwischen ihnen zu vermeiden. Es kann vom beklagten Land als Körperschaft des öffentlichen Rechts erwartet werden, dass es einem stattgebenden [X.] nachkommen wird(vgl. Senat 21. Januar 2010 - 6 [X.] - Rn. 14 mwN).

II. Die Klage ist unbegründet. Das beklagte Land ist nicht nach § 5 TVÜ-Ärzte/[X.] iVm. § 16 [X.]/[X.] verpflichtet, dem Kläger für die Monate Juli 2006 bis Mai 2007 Vergütung nach der [X.] Ä 1, Stufe 5(Arzt ab dem 5. Jahr), [X.]/[X.] zu zahlen. Entgegen der Ansicht des [X.] ist die [X.] seiner Tätigkeit als [X.] nicht als [X.] mit einschlägiger Berufserfahrung nach § 16 Abs. 2 Satz 1 [X.]/[X.] bei der [X.] zu berücksichtigen.

1. [X.] [X.] hat in seinem Urteil vom 23. September 2009(- 4 [X.] - [X.], 142) unter Bezugnahme auf seine bisherige Rechtsprechung zum Begriff der ärztlichen Tätigkeit im [X.] (25. September 1996 - 4 [X.] - [X.] 1975 §§ 22, 23 Nr. 218) eingehend ausgeführt, aus welchen Gründen die [X.] einer Tätigkeit als [X.] keine Vorzeit ärztlicher Tätigkeit iSv. § 16 Abs. 2 Satz 1 [X.]/[X.] ist. Er hat angenommen, die Tarifvertragsparteien des [X.]/[X.] hätten mit dem Begriff der ärztlichen Tätigkeit an das einschlägige Medizinalrecht angeknüpft. Danach sei die [X.] als Arzt Voraussetzung der Ausübung des ärztlichen Berufes. Dem entspreche die frühere Tätigkeit als [X.] nicht. An dieser Rechtsprechung hält der nunmehr nach der Geschäftsverteilung für das [X.] für die Zuordnung zu den Stufen einer Vergütungsgruppe zuständige Sechste Senat fest. Das Vorbringen des [X.] und die rechtlichen Ausführungen seines Prozessbevollmächtigten in der Revisionsverhandlung rechtfertigen nicht die Annahme, die [X.] einer Tätigkeit als [X.] sei nach dem Verständnis der Tarifvertragsparteien ärztliche Tätigkeit.

a) Die Argumente des [X.], der [X.] sei nach seinen Rechten und Pflichten einem vollapprobierten Arzt gleichgestellt gewesen und der Kläger sei mit der Erledigung ärztlicher Aufgaben betraut gewesen, bei denen er wie die Assistenzärzte oberärztlicher Anleitung und Aufsicht unterstanden habe, verhelfen der Klage nicht zum Erfolg. Der Kläger übersieht dabei, dass nach § 34b der [X.]sordnung für Ärzte([X.]) idF vom 21. Dezember 1989 ([X.]) der [X.] nach Beendigung der Tätigkeit als Arzt im Praktikum in der Lage sein sollte, den ärztlichen Beruf eigenverantwortlich und selbständig auszuüben. Art und Umfang der Aufsicht sollten dem entsprechen. Die [X.] als [X.] war also als praxis- und patientenbezogene Ausbildung für den Beruf des Arztes ausgestaltet, ohne bereits eine Ausübung dieses Berufes, die die [X.] voraussetzt, darzustellen.

b) Der ersatzlose Wegfall der Regelungen zur Tätigkeit als [X.] zum 30. September 2004 gibt entgegen der Auffassung des [X.] kein anderes Auslegungsergebnis vor. Der Umstand, dass die Berufsausbildung zum Arzt geändert wurde und eine Ausbildungszeit als [X.] vor der Erteilung der [X.] nicht mehr vorgesehen ist, zwang die Tarifvertragsparteien des [X.]/[X.] nicht dazu, bei der [X.] die Tätigkeit als [X.] der Tätigkeit einer vollapprobierten Ärztin oder eines vollapprobierten Arztes gleichzustellen oder diese Ausbildungszeit im Wege der Fiktion als [X.] der Berufserfahrung zu bewerten.

III. Entgegen der Auffassung des [X.] wird er auch nicht gegenüber anderen Ärzten ungleich behandelt.

1. Der Kläger wird gegenüber den Ärzten, die nach Abschaffung des [X.] unmittelbar nach Beendigung ihres Studiums seit dem 1. Oktober 2004 approbiert werden konnten und damit [X.]en einschlägiger Berufserfahrung erwerben konnten, nicht ohne sachlichen Grund ungleich behandelt. Die Ausbildungsordnung für den ärztlichen Beruf wurde ohne Übergangsregelung geändert. Die Tarifvertragsparteien durften an diesen Stichtag anknüpfen. Die damit unvermeidlich einhergehenden Härten sind hinzunehmen.

2. Der Kläger wird auch nicht gegenüber den Ärzten, die im [X.] AöR beschäftigt sind und bei denen aufgrund der Regelung in § 2 Ziff. 6 Satz 2 [X.] die Anrechnung der [X.]en als [X.] bei der [X.] erfolgt, rechtswidrig benachteiligt. Der [X.]/[X.] und der [X.] sind von unterschiedlichen Tarifvertragsparteien geschlossen. Zudem handelt es sich bei dem [X.]/[X.] um einen Flächentarifvertrag, der eine Vielzahl von Universitätskliniken erfasst, während der [X.] ein auf die Besonderheiten des Universitätsklinikums zugeschnittener Haustarifvertrag ist. Der Umstand, dass im [X.]/[X.] anders als im [X.] die [X.] als [X.] nicht im Wege der Fiktion auf die Stufenlaufzeit angerechnet wird, begründet deshalb keinen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG(vgl. [X.] 16. Dezember 2003 - 3 [X.] - [X.]E 109, 129, 135).

3. Das beklagte Land handelt auch nicht treuwidrig, wenn es die [X.] als [X.] auf die Stufenlaufzeit des [X.] nicht anrechnet. Es hat als öffentlicher Arbeitgeber das geltende Recht zu vollziehen. Dass einzelne Minister des beklagten [X.] im Aufsichtsrat des [X.] AöR den [X.] genehmigt haben, ändert daran nichts.

IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

        

    Fischermeier    

        

    Brühler    

        

    Spelge    

        

        

        

    D. Knauß    

        

    [X.]    

                 

Meta

6 AZR 620/08

22.04.2010

Bundesarbeitsgericht 6. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Magdeburg, 9. August 2007, Az: 6 Ca 944/07 E, Urteil

§ 16 Abs 2 S 1 TV-Ärzte, § 16 Abs 2 S 2 TV-Ärzte, § 1 TVG, TV-Ärzte/VKA, Art 3 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 22.04.2010, Az. 6 AZR 620/08 (REWIS RS 2010, 7315)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 7315

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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