Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 22.04.2010, Az. 6 AZR 484/08

6. Senat | REWIS RS 2010, 7366

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Gegenstand

Keine Anrechnung von Zeiten als Ärztin/Arzt im Praktikum (AiP) bei der Stufenzuordnung im TV-Ärzte/TdL


Tenor

1. Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 7. Mai 2008 - 2 Sa 296/07 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob die [X.]eschäftigungszeit als Arzt im Praktikum ([X.]) bei der [X.] nach § 16 des [X.] an Universitätskliniken ([X.]/[X.]) vom 30. Oktober 2006 zu berücksichtigen und der Kläger deshalb in den Monaten Juli 2006 bis Juni 2007 nach der [X.] Ä 1, Stufe 5, [X.]/[X.] zu vergüten war.

2

Der Kläger war im [X.] an seine Tätigkeit als [X.] vom 1. Januar 2002 bis zum 30. Juni 2003 im [X.] des beklagten [X.] vom 1. Juli 2003 bis zum 31. Dezember 2007 als Assistenzarzt beschäftigt. Vom 1. Oktober 2004 bis zum 28. Februar 2005 befand er sich in Elternzeit. Das Arbeitsverhältnis richtete sich aufgrund beiderseitiger Tarifgebundenheit nach dem [X.]/[X.]. § 5 des Tarifvertrags zur Überleitung der Ärztinnen und Ärzte an Universitätskliniken ([X.]/[X.]) vom 30. Oktober 2006 lautet:

        

„[X.] der Ärzte.

        

1 Die Ärzte werden derjenigen Stufe der [X.] (§ 12 TV-Ärzte) zugeordnet, die sie erreicht hätten, wenn die [X.] für Ärztinnen und Ärzte bereits seit [X.]eginn ihrer Zugehörigkeit zu der für sie maßgebenden [X.] gegolten hätte. 2 Für die Stufenfindung bei der Überleitung zählen die [X.]en im jetzigen Arbeitsverhältnis zu demselben Arbeitgeber. 3 Für die [X.]erücksichtigung von Vorzeiten ärztlicher Tätigkeit bei der Stufenfindung gilt § 16 Absatz 2 TV-Ärzte.“

3

In § 16 [X.]/[X.] heißt es:

        

„Stufen der [X.].

        

(1) 1 Die [X.] Ä 1 umfasst fünf Stufen; die [X.]n Ä 2 bis Ä 4 umfassen drei Stufen. 2 Die Ärzte erreichen die jeweils nächste Stufe nach den [X.]en ärztlicher (Ä 1), fachärztlicher (Ä 2), oberärztlicher (Ä 3) Tätigkeit beziehungsweise der Tätigkeit als ständiger Vertreter des leitenden Arztes (Chefarztes), die in den Tabellen (Anlagen A und [X.]) angegeben sind.

        

(2) 1 Für die Anrechnung von Vorzeiten ärztlicher Tätigkeit gilt Folgendes: [X.]ei der [X.] werden [X.]en mit einschlägiger [X.]erufserfahrung als förderliche [X.]en berücksichtigt. 2 [X.]en von [X.]erufserfahrung aus nichtärztlicher Tätigkeit können berücksichtigt werden.

        

...“

4

Der Kläger hat gemeint, die [X.] seiner Tätigkeit als [X.] sei bei der [X.] nach § 5 [X.]/[X.] iVm. § 16 [X.]/[X.] zu berücksichtigen. Er habe bereits während dieser [X.] ärztliche Tätigkeiten ausgeübt und einschlägige [X.]erufserfahrung gesammelt. Mit dem ersatzlosen Wegfall der Regelungen hinsichtlich der Tätigkeit als [X.] im Jahre 2004 habe der Gesetzgeber klargestellt, dass die Tätigkeit als [X.] der Tätigkeit eines vollapprobierten Arztes gleichwertig sei. Eine verfassungskonforme Auslegung des § 16 Abs. 2 Satz 2 [X.]/[X.] gebiete zwingend die [X.]erücksichtigung der [X.] als [X.] bei der [X.]. Da im Geltungsbereich des [X.] an kommunalen Krankenhäusern im [X.]ereich der [X.]([X.]/[X.]) vom 17. August 2006 die [X.]-[X.] bei der [X.] angerechnet werde, würden innerhalb der [X.] zwei Gruppen von Normadressaten unterschiedlich behandelt, wenn die Tätigkeit als [X.] im Geltungsbereich des [X.]/[X.] bei der [X.] nicht berücksichtigt würde.

5

Der Kläger hat zuletzt beantragt

        

festzustellen, dass das beklagte Land verpflichtet ist, dem Kläger vom 1. Juli 2006 bis zum 30. Juni 2007 Entgelt nach der [X.] Ä 1, Stufe 5, des Tarifvertrags für Ärztinnen und Ärzte an Universitätskliniken vom 30. Oktober 2006 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem [X.]asiszinssatz auf die beginnend mit dem 30. November 2006 jeweils monatlich fälligen Differenzbeträge zwischen den Zahlungen gemäß [X.] Ä 1, Stufe 4, und Ä 1, Stufe 5, brutto seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

6

[X.] hat zu seinem Klageabweisungsantrag die Ansicht vertreten, die Tätigkeit als [X.] sei keine ärztliche Tätigkeit im [X.]. Den Tarifvertragsparteien sei dies bei der Regelung der Anrechnung von Vorzeiten ärztlicher Tätigkeit bewusst gewesen. Der Marburger [X.]und habe sich bei den [X.] mit seiner Forderung, die Tätigkeit als [X.] bei der [X.] einer ärztlichen Tätigkeit gleichzustellen, anders als bei den Verhandlungen über den [X.]/[X.] nicht durchsetzen können.

7

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom [X.]arbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Feststellungsantrag weiter. [X.] beantragt, die Revision des [X.] zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision des [X.] ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Recht abgewiesen.

9

I. Die Feststellungsklage ist zulässig. Trotz des Vergangenheitsbezugs der Feststellungsklage liegt das nach § 256 Abs. 2 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse vor. Der verlangte Gegenwartsbezug wird dadurch hergestellt, dass der Kläger die Erfüllung konkreter Vergütungsansprüche aus einem in der Vergangenheit liegenden [X.]raum und damit einen gegenwärtigen rechtlichen Vorteil erstrebt. Das angestrebte [X.] ist geeignet, den Konflikt der Parteien endgültig beizulegen und weitere Prozesse zwischen ihnen zu vermeiden. Es kann vom beklagten Land als Körperschaft des öffentlichen Rechts erwartet werden, dass es einem stattgebenden [X.] nachkommen wird (vgl. Senat 21. Januar 2010 - 6 [X.] - Rn. 14 mwN).

II. Die Klage ist unbegründet. Das beklagte Land ist nicht nach § 5 TVÜ-Ärzte/[X.]. § 16 [X.]/[X.] verpflichtet, dem Kläger für die Monate Juli 2006 bis Juni 2007 Vergütung nach der [X.] Ä 1, Stufe 5 (Arzt ab dem 5. Jahr), [X.]/[X.] zu zahlen. Entgegen der Ansicht des [X.] ist die [X.] seiner Tätigkeit als [X.] weder als [X.] mit einschlägiger Berufserfahrung nach § 16 Abs. 2 Satz 1 [X.]/[X.] noch als [X.] von Berufserfahrung aus nichtärztlicher Tätigkeit gemäß § 16 Abs. 2 Satz 2 [X.]/[X.] bei der [X.] zu berücksichtigen.

1. [X.] [X.] hat in seinem Urteil vom 23. September 2009 (- 4 [X.] - [X.], 142) unter Bezugnahme auf seine bisherige Rechtsprechung zum Begriff der ärztlichen Tätigkeit im [X.] (25. September 1996 - 4 [X.] - [X.] 1975 §§ 22, 23 Nr. 218) eingehend ausgeführt, aus welchen Gründen die [X.] einer Tätigkeit als [X.] keine Vorzeit ärztlicher Tätigkeit iSv. § 16 Abs. 2 Satz 1 [X.]/[X.] ist. Er hat angenommen, die Tarifvertragsparteien des [X.]/[X.] hätten mit dem Begriff der ärztlichen Tätigkeit an das einschlägige Medizinalrecht angeknüpft. Danach sei die [X.] als Arzt Voraussetzung der Ausübung des ärztlichen Berufs. Dem entspreche die frühere Tätigkeit als [X.] nicht. An dieser Rechtsprechung hält der nunmehr nach der Geschäftsverteilung für das [X.] für die Zuordnung zu den Stufen einer Vergütungsgruppe zuständige Sechste Senat fest. Die Revisionsbegründung des [X.] und die rechtlichen Ausführungen seines Prozessbevollmächtigten in der Revisionsverhandlung rechtfertigen nicht die Annahme, die [X.] einer Tätigkeit als [X.] sei nach dem Verständnis der Tarifvertragsparteien ärztliche Tätigkeit.

a) Die Erwägung des [X.], ein [X.] sei approbiert, nur nicht vollapprobiert, trägt nicht. Dies gilt auch für das Argument, nach der Tätigkeit als [X.] habe für die Erteilung der [X.] keine Prüfung mehr mit Erfolg abgelegt werden müssen. Maßgebend ist, dass die Tätigkeit als [X.] als praxis- und patientenbezogene Ausbildung ausgestaltet war und die Ausübung des ärztlichen Berufs die Erteilung der [X.] voraussetzt.

b) Auch der Hinweis des [X.], wonach die [X.] als [X.] bei der Weiterbildung zum Facharzt als Weiterbildungszeit zählt, hilft ihm nicht weiter. Selbst wenn die bis zum 30. September 2004 vor der [X.] verlangte [X.] als [X.] nach Maßgabe bestimmter Vorschriften für die Weiterbildung von Ärzten als Weiterbildungszeit angerechnet werden könnte, wären die Tarifvertragsparteien des [X.]/[X.] an eine solche Entscheidung der für das [X.] zuständigen Normgeber nicht gebunden. Vielmehr oblag es ihrer autonomen [X.] festzulegen, welche [X.]en bei der [X.] zu berücksichtigen sind. Wenn sie in § 16 Abs. 2 Satz 1 [X.]/[X.] bestimmt haben, dass [X.]en mit einschlägiger Berufserfahrung und damit grundsätzlich nur Vorzeiten ärztlicher Tätigkeit anzurechnen sind, haben sie die Grenzen ihrer [X.] nicht überschritten.

2. Entgegen der Ansicht des [X.] kann die [X.] seiner Tätigkeit als [X.] auch nicht als [X.] von Berufserfahrung aus nichtärztlicher Tätigkeit gemäß § 16 Abs. 2 Satz 2 [X.]/[X.] bei der [X.] angerechnet werden. Seine Rüge, wonach das beklagte Land sein Ermessen bei der Berücksichtigung von [X.]en von Berufserfahrung aus nichtärztlicher Tätigkeit nicht ausgeübt habe, geht fehl. Eine Ermessensausübung setzt eine Berufserfahrung aus nichtärztlicher Tätigkeit voraus. Daran fehlt es. Ausbildungszeit ist grundsätzlich keine [X.] der Berufserfahrung ([X.] 23. September 2009 - 4 [X.] - [X.], 142).

3. Der ersatzlose Wegfall der Regelungen zur Tätigkeit als [X.] zum 30. September 2004 gibt entgegen der Auffassung des [X.] kein anderes Auslegungsergebnis vor. Der Umstand, dass die Berufsausbildung zum Arzt geändert wurde und eine Ausbildungszeit als [X.] vor der Erteilung der [X.] nicht mehr vorgesehen ist, zwang die Tarifvertragsparteien des [X.]/[X.] nicht dazu, bei der [X.] die Tätigkeit als [X.] der Tätigkeit einer vollapprobierten Ärztin oder eines vollapprobierten Arztes gleichzustellen oder diese Ausbildungszeit im Wege der Fiktion als [X.] der Berufserfahrung zu bewerten.

4. Soweit der Kläger den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG anzieht und geltend macht, dass im Geltungsbereich des [X.]/[X.] die [X.]-[X.] bei der [X.] angerechnet wird, führt auch dies zu keinem anderen Ergebnis. Es trifft zwar zu, dass die Tarifvertragsparteien des [X.]/[X.] in § 19 Abs. 2 Satz 2 [X.]/[X.] geregelt haben, dass eine Tätigkeit als [X.] als ärztliche Tätigkeit gilt. Wegen der unterschiedlichen Tarifvertragsparteien und der unterschiedlichen Geltungsbereiche der Tarifverträge liegt jedoch darin, dass die Tarifvertragsparteien des [X.]/[X.] für die im Geltungsbereich dieses Tarifvertrags beschäftigten Ärztinnen und Ärzte von einer solchen Fiktion abgesehen und die Ausbildungszeit als [X.] bei der [X.] nicht der Tätigkeit als Ärztin oder Arzt gleichgesetzt haben, kein Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.

III. [X.] folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Fischermeier    

        

    Brühler    

        

    Spelge    

        

        

        

    D. Knauß    

        

    [X.]    

                 

Meta

6 AZR 484/08

22.04.2010

Bundesarbeitsgericht 6. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Rostock, 16. Oktober 2007, Az: 1 Ca 1121/07, Urteil

§ 16 Abs 2 S 1 TV-Ärzte, § 16 Abs 2 S 2 TV-Ärzte, § 1 TVG, TV-Ärzte/VKA, Art 3 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 22.04.2010, Az. 6 AZR 484/08 (REWIS RS 2010, 7366)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 7366

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4 AZR 727/08

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