Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.09.2008, Az. VI ZB 8/08

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2008, 2086

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.] vom 9. September 2008 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja ZPO § 233 Fb Befindet sich in den Handakten des Rechtsanwalts ein Schreiben des erstin-stanzlichen Prozessbevollmächtigten mit einer unzutreffenden Angabe des [X.], darf der zweitinstanzliche Prozessbevollmächtigte die Berechnung der Berufungsfrist seinem Büropersonal nicht ohne einen deutli-chen Hinweis auf die falsche Fristberechnung zur selbständigen Erledigung überlassen. [X.], Beschluss vom 9. September 2008 - [X.]/08 - [X.] a.M.

[X.] - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat am 9. September 2008 durch die Vizepräsidentin Dr. [X.], die Richterin [X.] und [X.], [X.] und Zoll beschlossen: Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 14. Zivilsenats in [X.] des [X.] vom 4. Januar 2008 wird auf Kosten der Kläger als unzulässig verwor-fen. Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren beträgt 13.743,84 •. Gründe: [X.] Die Kläger nehmen die Beklagten aufgrund eines Verkehrsunfalls auf [X.] materiellen und immateriellen Schadens in Anspruch. Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Das Urteil ist den Prozessbevollmächtigten der Kläger am 31. Oktober 2007 zugestellt worden. Am 3. Dezember 2007 haben die Klä-ger Berufung eingelegt. Auf Hinweis des Gerichts vom 12. Dezember 2007, dass die Berufung verspätet eingelegt worden sei, haben die Kläger am 18. De-zember 2007 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist beantragt. Zur Begründung haben sie vorgetragen, die erst-1 - 3 - instanzlichen Prozessbevollmächtigten hätten den Klägern unter dem 1. No-vember 2007 mitgeteilt, dass gegen das landgerichtliche Urteil bis zum [X.] Berufung eingelegt werden könne. Ein entsprechendes Schreiben habe sich in den Handakten befunden, die den zweitinstanzlichen [X.] am 16. November 2007 zugegangen seien. Nach deren Eingang habe Rechtsanwalt [X.] die Akte der [X.] der Kanzlei, Frau [X.], mit dem Vermerk "Fr. [X.], Zustellung 31. Oktober 2007 [X.] notieren!" überge-ben. Frau [X.] habe das in dem Schreiben der erstinstanzlichen Rechtsanwälte genannte Datum für zutreffend gehalten und demgemäß im Fristenkalender die Berufungsfrist auf den 3. Dezember 2007 notiert. An diesem Tag sei die Akte Rechtsanwalt [X.] erstmals wieder vorgelegt worden. Mit dem angefochtenen Beschluss hat das [X.] die [X.] Wiedereinsetzung versagt und die Berufung als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Versäumung der Berufungsfrist sei nicht unverschuldet erfolgt. Die Kläger müssten sich das Verschulden ihrer Prozess-bevollmächtigten zurechnen lassen. Der den erstinstanzlichen Prozessbevoll-mächtigten unterlaufene Fehler sei von den zweitinstanzlichen Prozessbevoll-mächtigten nicht korrigiert worden, obwohl für sie die falsche Berechnung der Berufungsfrist aus der Handakte ersichtlich gewesen sei. Die Akte hätte nicht - wie geschehen - allein mit dem Vermerk des [X.] zur Notierung der Berufungsfrist übergeben werden dürfen. Zwar dürfe ein Rechtsanwalt grundsätzlich darauf vertrauen, dass eine erfahrene Bü-roangestellte, die sich bisher als zuverlässig erwiesen habe, eine Frist korrekt berechne. Hier habe aber die Besonderheit bestanden, dass das unrichtige Da-tum des Fristablaufs - auch für die Büroangestellte erkennbar - in dem bei der Akte befindlichen Schreiben eines Rechtsanwalts genannt gewesen sei. Unter diesen besonderen Umständen hätte Rechtsanwalt [X.] entweder Frau [X.] auf die 2 - 4 - fehlerhafte Fristberechnung hinweisen oder aber die Berufungsfrist selbst [X.] müssen. 3 Hiergegen wenden sich die Kläger mit der Rechtsbeschwerde, die sie zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung und wegen grundsätzlicher Be-deutung für zulässig erachten (§ 574 Abs. 2 ZPO). I[X.] Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§§ 574 Abs. 1 i.V.m. §§ 522 Abs. 1 Satz 4, 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Sie ist jedoch unzulässig, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundes-gerichtshofs nicht erfordern (§ 574 Abs. 2 ZPO). 4 1. Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag der Kläger zu Recht zurückgewiesen. Die Kläger waren nicht ohne ihr Verschulden verhindert, die Frist zur Einlegung der Berufung einzuhalten (vgl. § 233 ZPO). Die Fristver-säumung beruht auf einem Verschulden ihrer Prozessbevollmächtigten, das sie sich gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen müssen. Angesichts der er-kennbar unzutreffenden Berechnung der Berufungsfrist durch die erstinstanzli-chen Prozessbevollmächtigten der Kläger genügte es nicht, der [X.] die Akte mit dem Vermerk "Fr. [X.], Zustellung 31. Oktober 2007 [X.] notie-ren!" zu übergeben. Vielmehr musste unter diesen besonderen Umständen Vorsorge dagegen getroffen werden, dass sich der aus den übersandten Akten ergebende Fehler der erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten fortsetzte. Die zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten hätten deshalb entweder die Büro-vorsteherin auf die falsche Berechnung aufmerksam machen oder aber das 5 - 5 - richtige Datum des Fristablaufs (30. November 2007) selbst ermitteln und notie-ren müssen. 6 Darin liegt entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde keine Über-spannung der Anforderungen an die Sorgfaltspflichten der zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten. Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] darf ein Rechtsanwalt zwar die Berechnung der üblichen Fristen in Rechtsangelegenheiten, die in seiner Praxis häufig vorkommen, seinem gut ausgebildeten und sorgfältig überwachten Büropersonal überlassen, wenn die Berechnung der Fristen keine rechtlichen Schwierigkeiten macht ([X.] 43, 148; Senatsbeschluss vom 27. März 2001 - [X.] ZB 7/01 - VersR 2001, 1133, 1134 m.w.N.). Andererseits muss der Rechtsanwalt durch geeignete Anweisun-gen sicherstellen, dass ihm die Feststellung des Beginns und des Endes der Fristen in den Fällen vorbehalten bleibt, die in seiner Praxis ungewöhnlich sind oder bei deren Berechnung Schwierigkeiten auftreten können ([X.] 43, 148, 153; [X.], Beschluss vom 2. April 2003 - [X.]II ZB 117/02 - NJW-RR 2003, 1211), denn die eigene Sorgfaltspflicht des Anwalts erhöht sich bei Vorliegen besonderer Umstände, die eine erhöhte Gefahr für den reibungslosen Ablauf des Kanzleibetriebs darstellen (vgl. [X.]/[X.], ZPO, 26. Aufl., § 233, Rn. 23, Stichwort: "Büropersonal und -organisation"). Ein solcher Fall war vorliegend gegeben, weil aufgrund der in den Handakten dokumentierten falschen Fristbe-rechnung der erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten das Risiko bestand, dass die [X.] der zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten das unrichtige Datum des Fristablaufs ohne eigene Prüfung übernehmen könnte. Dem hätte Rechtsanwalt [X.] durch eine eigene Fristberechnung oder aber durch eine klare Einzelanweisung gegenüber Frau [X.] in Verbindung mit einem deutli-chen Hinweis auf die falsche Fristberechnung erfolgreich entgegenwirken [X.] und müssen. - 6 - 2. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde wirft die Sache auch keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung auf. Die Frage, ob ein Rechtsanwalt sich bei erstmaliger Vorlage der Akten darüber vergewissern muss, ob der erstinstanzliche Prozessbevollmächtigte die Rechtsmittelfrist in den Handakten dokumentiert und richtig berechnet hat, bedarf keiner weiteren Klärung. Ein Rechtsanwalt hat die ihm übersandten Akten unverzüglich selbst auf laufende Fristen zu überprüfen (vgl. [X.], 1432, 1433; [X.], Beschluss vom 27. Februar 1997 - [X.] - [X.], 767, 768). Auf An-gaben des erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten darf er sich jedenfalls dann nicht verlassen, wenn er anhand der Akten die Frist selbst nachprüfen kann ([X.]/[X.], aaO, Stichwort: "Fristenbehandlung"). 7 3. [X.] beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. 8 [X.] [X.] [X.] [X.]

Zoll Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom [X.]/06 - [X.] in [X.], Entscheidung vom 04.01.2008 - 14 U 244/07 -

Meta

VI ZB 8/08

09.09.2008

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.09.2008, Az. VI ZB 8/08 (REWIS RS 2008, 2086)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2008, 2086

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

8 U 96/15 (Oberlandesgericht Hamm)


VI ZB 46/07 (Bundesgerichtshof)


VII ZB 19/10 (Bundesgerichtshof)


VII ZB 18/10 (Bundesgerichtshof)


VI ZB 4/11 (Bundesgerichtshof)

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand: Umfang der anwaltlichen Pflicht zur Fristenkontrolle im Hinblick auf die …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.