Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.10.2011, Az. VII ZB 19/10

VII. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 2413

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VII ZB 18/10
VII [X.]/10
vom

13. Oktober 2011

in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
ZPO §
85 Abs. 2, §
233
Fc
Werden einem Anwalt die Akten im sachlichen oder zeitlichen Zusammenhang mit einer fristgebundenen Prozesshandlung vorgelegt und gibt er zur [X.] des von ihm zu fertigenden fristwahrenden Schriftsatzes noch Anweisun-gen an sein Personal, die es erfordern, dass die Akte noch einmal in den Kanz-leibetrieb geht, kann er sich in aller Regel darauf verlassen, dass ihm die Akten rechtzeitig vor Ablauf der im [X.] eingetragenen Frist wieder vorgelegt werden. Besonderer Anweisungen, um die erneute Aktenvorlage sicherzustel-len, bedarf es im Allgemeinen nicht ([X.] an [X.], Beschluss vom 12.
August 1997 -
VI
ZB
13/97, NJW 1997, 3243).
[X.], Beschluss vom 13. Oktober 2011 -
VII ZB 18/10 -
OLG [X.]

[X.]

-
2
-
Der VII.
Zivilsenat des [X.] hat am 13.
Oktober 2011
durch den Vorsitzenden [X.] Prof. Dr.
[X.],
den
[X.]
Bauner, die [X.]in [X.], den [X.] Dr.
Eick und den [X.] Prof.
Leupertz
beschlossen:
Die Verfahren VII
ZB
18/10 und 19/10 werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden; VII
ZB
18/10 führt.
Auf die Rechtsbeschwerde der
Nebenintervenientin der Klägerin werden
die
Beschlüsse
des 21.
Zivilsenats des Oberlandesge-richts [X.] vom 11.
Februar
2010
aufgehoben.
[X.]
wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist
ge-währt.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das [X.] zurückverwiesen.
[X.]: 18.679,40

-
3
-
Gründe:
I.
Die Nebenintervenientin der Klägerin
hat gegen das am
16.
Novem-ber
2009 zugestellte Urteil des [X.], mit dem
die Klage
abgewiesen worden ist, am 16.
Dezember
2009
Berufung eingelegt
und gleichzeitig ihren Beitritt als Nebenintervenientin erklärt. Eine Berufungsbegründung ist innerhalb der am 18.
Januar
2010 endenden Berufungsbegründungsfrist nicht eingegan-gen.
Auf
die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist
ist die Nebeninter-venientin
mit gerichtlicher Verfügung vom 21.
Januar
2010 hingewiesen
wor-den. Mit Schriftsatz vom 29.
Januar
2010 hat die [X.], ihr Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beru-fungsbegründungsfrist zu gewähren.
Sie hat dazu vorgetragen, dass die mit [X.] beauftragte, langjährige, zuverlässige [X.] der Pro-zessbevollmächtigten
der Nebenintervenientin versehentlich weder die Beru-fungsbegründungsfrist noch deren Vorfrist eingetragen habe, obwohl sie die Fristen und ihre Eintragung in den [X.] handschriftlich auf der Handakte und dem [X.]urteil vermerkt
habe.
Rechtsanwalt [X.], der Prozessbevollmächtigte der Nebenintervenientin, habe die Handakte zusam-men mit den Gerichtsakten am 11.
Januar
2010 zur Vorbereitung einer Bespre-chung mit der Mandantin vorgelegt bekommen und am 12.
Januar
2010 die Fertigung von
Kopien aus der Gerichtsakte und die anschließende Wiedervor-lage der Handakte verfügt. Wegen des umfangreichen [X.] seien die Kopien erst am 20.
Januar
2010 gefertigt und die Gerichtsakte zu-rückgesandt worden. Anschließend sei die Handakte Rechtsanwalt [X.] vorgelegt worden, der die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist festgestellt habe.
1
2
-
4
-
Hierzu hat die Nebenintervenientin eine eidesstattliche Versicherung der Büro-vorsteherin der Kanzlei vorgelegt.

Der Wiedereinsetzungsantrag und die Berufungsbegründung sind
am 1.
Februar
2010
beim Berufungsgericht eingegangen.
Das Berufungsgericht hat mit Beschlüssen
vom 11.
Februar
2010
die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand versagt und die Berufung
als unzulässig verworfen. Dagegen wendet sich die Nebenintervenientin
mit der Rechtsbeschwerde.

II.
1. Die gemäß §
238 Abs.
2 Satz
1, §
522 Abs.
1 Satz
4, §
574 Abs.
1 Satz
1 Nr.
1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist zulässig, weil zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des [X.] erforderlich ist (§
574 Abs.
2 Nr.
2 ZPO). Indem das Berufungsge-richt der Nebenintervenientin
zu Unrecht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist verweigert hat, hat es
deren
Verfahrensgrundrecht auf Gewährung wirkungsvollen Rechts-schutzes
(Art.
2 Abs.
1 GG i.V.m.
dem Rechtsstaatsprinzip) verletzt.
2. Die Rechtsbeschwerde ist begründet.
a) Das Berufungsgericht hat eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
mit der Begründung verweigert, den Prozessbevollmächtigten der Nebeninter-venientin,
Rechtsanwalt [X.],
treffe ein eigenes Verschulden an der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist, das sich diese nach §
85 Abs.
2 ZPO zurech-nen lassen müsse.
3
4
5
6
7
-
5
-
Rechtsanwalt [X.] habe bei Übernahme des Mandats die Handakten und bei der ersten Vorlage der Gerichtsakten an ihn diese auf laufende [X.] eigenverantwortlich prüfen müssen. Er
habe
den ermittelten Zustel-lungszeitpunkt festhalten und die rechtzeitige Wiedervorlage sicherstellen
müs-sen. Insbesondere habe er prüfen müssen, ob die Frist vom Büropersonal im Kalender vorgemerkt worden sei.
Rechtsanwalt [X.] habe nicht sichergestellt, dass ihm die Akte rechtzeitig zur Berufungsbegründung oder zur eventuellen Beantragung der Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist vorgelegt werde. Nach der Besprechung mit
der Nebenintervenientin am 12.
Januar
2010 habe er lediglich verfügt, Kopien aus der Gerichtsakte zu fertigen. Obwohl er aus der Handakte den zeitnahen Ablauf der Berufungsbegründungsfrist habe erkennen können, habe er keine [X.] verfügt. Dies sei zu diesem Zeitpunkt jedoch erforderlich gewesen, um die Akte wegen der noch zu fertigenden Kopien rechtzeitig zur Fertigung der Berufungsbegründung wieder vorliegen zu
haben.
b) Das hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand. Das Berufungsge-richt hat der Nebenintervenientin der Klägerin
zu Unrecht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist ver-sagt.
aa) Nach der gefestigten Rechtsprechung des [X.] ist der Anwalt zwar zur eigenständigen Fristenkontrolle, nicht aber zur [X.] der Eintragung dieser Fristen in
den [X.] verpflichtet. Diese Aufgabe kann er durch eindeutige Anweisungen seinem gut ausgebildeten und sorgfältig überwachten
Büropersonal übertragen, wenn er durch geeignete or-ganisatorische Maßnahmen dafür sorgt, dass [X.] möglichst vermieden werden
([X.], Beschlüsse vom 5.
Februar
2003 -
VIII
ZB
115/02, 8
9
10
11
-
6
-
NJW 2003, 1815; vom
29.
April
1998 -
XII
ZB
140/95, NJW-RR 1998, 1526 [X.] m.w.N.). Diesen Anforderungen genügt die durch eidesstattliche Versiche-rung der [X.] glaubhaft gemachte Büroorganisation der [X.]. Rechtsanwalt
[X.] war danach nicht ge-halten, selbst die korrekte Eintragung der Berufungsbegründungsfrist in den [X.] zu überprüfen. Er durfte auf die in der Handakte ausgewiesene Erledigung durch die bisher zuverlässig arbeitende [X.] vertrauen (vgl. [X.],
Beschluss vom 9.
Dezember
2009 -
XII
ZB
154/09, [X.], 400).
bb) Das Verhalten von Rechtsanwalt [X.] am 12.
Januar
2010 im [X.] mit der Anweisung der Fertigung von Kopien aus der Gerichtsakte begründet keinen [X.]. Ausweislich der eidesstattlichen Versi-cherung der [X.] hatte Rechtsanwalt [X.] die Fertigung von einzelnen Kopien aus der Gerichtsakte verfügt und sie angewiesen, ihm die Handakte nach Erledigung umgehend wieder vorzulegen. Trotz des aus den Akten un-schwer erkennbaren Fristablaufs
der Berufungsbegründung am 18.
Januar
2010 durfte sich der Anwalt auf die rechtzeitige Wiedervorlage der Akte zur Fertigung der Berufungsbegründung oder zumindest zur rechtzeitigen erstmaligen Beantragung der Verlängerung der Frist zur Berufungsbegründung verlassen, ohne hierzu weitergehende konkrete Einzelanweisungen zur Wie-dervorlage zu machen. Nach ständiger Rechtsprechung kann sich ein Rechts-anwalt grundsätzlich darauf verlassen, dass das von ihm ausreichend geschul-te und überwachte Personal die Einhaltung der im [X.] notierten Fristen beachtet und die Akten rechtzeitig vorlegt ([X.], Urteile vom 27.
September 1967 -
Ib
ZR 69/66, NJW 1967, 2311, 2312; vom 25.
September 1968 -
VIII
ZR 45/68,
NJW 1968, 2244; Beschluss vom 22.
März 1995 -
VIII
ZB 2/95, NJW 1995, 1682). Auch wenn dem Anwalt die Akte im sachlichen oder zeitlichen Zusammenhang mit einer fristgebundenen Prozesshandlung vorgelegt wird und er zur Vorbereitung des von ihm zu [X.]
-
7
-
genden fristwahrenden Schriftsatzes noch Anweisungen an sein Personal gibt, die es erfordern, dass die Akte (z.B. zur Fertigung von Kopien) noch einmal in den [X.] geht, muss er keine Einzelanweisungen oder sonstige [X.] treffen, dass ihm die Akte nach Erledigung sofort und rechtzeitig vor Ablauf der Frist wieder vorgelegt wird. Der Anwalt darf sich auch in diesem Fall auf das Funktionieren seiner Maßnahmen zur Büroorganisation und damit auf die rechtzeitige erneute Vorlage aufgrund der im [X.] notierten Frist verlassen, ohne dass er hierzu konkrete Einzelanweisungen zur sofortigen Wiedervorlage nach Erledigung treffen müsste, falls keine Anhaltspunkte für die
Annahme bestehen, die zur Fristenwahrung getroffenen Maßnahmen könnten versagen ([X.], Beschluss vom
12.
August 1997 -
VI
ZB 13/97, NJW 1997, 3243; Urteil vom 27.
September 1967 -
Ib
ZR 69/66, NJW 1967, 2311, 2312).
cc) Die Fristversäumung ist mithin allein auf das Verschulden der Büro-vorsteherin der Prozessbevollmächtigten der Nebenintervenientin zurückzufüh-ren und deshalb für diese als unverschuldet im Sinne des §
233 ZPO anzuse-hen.
13
-
8
-
3. [X.] der Klägerin war somit unter Aufhebung des Beschlusses des Berufungsgerichts vom 11.
Februar
2010
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Begründung der Beru-fung zu gewähren. Damit ist die Verwerfung der Berufung als unzulässig ge-genstandslos.
[X.] Bauner [X.]

Eick Leupertz
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 16.11.2009 -
3 O 136/09 -

OLG [X.], Entscheidung vom 11.02.2010 -
I-21 [X.]/09 -

14

Meta

VII ZB 19/10

13.10.2011

Bundesgerichtshof VII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.10.2011, Az. VII ZB 19/10 (REWIS RS 2011, 2413)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 2413

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