Bundessozialgericht, Beschluss vom 28.09.2010, Az. B 5 R 202/10 B

5. Senat | REWIS RS 2010, 2969

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Gegenstand

Unzulässige Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensmangel - Amtsermittlungspflicht - Sachaufklärungsrüge - rechtliches Gehör - Gehörsrüge - sozialgerichtliches Verfahren


Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 18. Februar 2010 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.

Gründe

1

Mit Urteil vom [X.] hat das [X.] ([X.]) einen Anspruch des [X.] auf Rente wegen Erwerbsminderung verneint.

2

Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung wurde Beschwerde zum [X.] eingelegt. In der Beschwerdebegründung werden Verfahrensmängel geltend gemacht.

3

Die Nichtzulassungsbeschwerde des [X.] ist unzulässig. Die Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil kein Zulassungsgrund ordnungsgemäß dargetan worden ist (vgl § 160a Abs 2 Satz 3 [X.]).

4

Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

        

-       

die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]),

        

-       

das Urteil von einer Entscheidung des [X.], des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des [X.] oder des [X.]verfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht (aaO [X.]) oder

        

-       

ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (aaO [X.]).

5

Derartige Gründe werden in der Beschwerdebegründung nicht nach Maßgabe der Erfordernisse des § 160a Abs 2 Satz 3 [X.] dargetan. Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 [X.] zu verwerfen.

6

Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 [X.] Halbs 1 [X.]), so müssen bei der Bezeichnung des [X.] (§ 160a Abs 2 Satz 3 [X.]) zunächst die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des [X.] ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht. Gemäß § 160 Abs 2 [X.] Halbs 2 [X.] kann der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 [X.] und auf eine Verletzung des § 103 [X.] nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das [X.] ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

7

Soweit - wie vorliegend - Verstöße gegen die tatrichterliche Sachaufklärungspflicht (§ 103 [X.]) gerügt werden, muss die Beschwerdebegründung hierzu jeweils folgende Punkte enthalten: (1) Bezeichnung eines für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren Beweisantrags, dem das [X.] nicht gefolgt ist, (2) Wiedergabe der Rechtsauffassung des [X.], auf Grund derer bestimmte Tatfragen als klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen, (3) Darlegung der von dem betreffenden Beweisantrag berührten Tatumstände, die zu weiterer Sachaufklärung Anlass gegeben hätten, (4) Angabe des voraussichtlichen Ergebnisses der unterbliebenen Beweisaufnahme und (5) Schilderung, dass und warum die Entscheidung des [X.] auf der angeblich fehlerhaft unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann, das [X.] mithin bei Kenntnis des behaupteten Ergebnisses der unterlassenen Beweisaufnahme von seinem Rechtsstandpunkt aus zu einem anderen, dem Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis hätte gelangen können ([X.] SozR 4-1500 § 160a [X.] RdNr 5 mwN; Fichte in Breitkreuz/Fichte, [X.], 2009, § 160a RdNr 55).

8

Ausweislich des Sitzungsprotokolls vom [X.], auf das die Beschwerdebegründung zulässigerweise Bezug nimmt, ist hilfsweise beantragt worden,

        

"zum Beweis der Tatsache, dass der Kläger wegen bestehender Krankheiten und Behinderungen auf [X.] Fachgebiet, insbesondere wegen eines psychosomatischen [X.]es, auch nicht in absehbarer Zeit im Stande ist, unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein, ein medizinisches Sachverständigengutachten auf [X.] Fachgebiet nach § 106 [X.] einzuholen."

9

Damit hat der Kläger keinen prozessordnungsgemäßen Beweisantrag bezeichnet. Denn im Rahmen eines Rentenverfahrens muss sich der Beweisantrag möglichst präzise mit dem Einfluss dauerhafter Gesundheitsbeeinträchtigungen auf das verbliebene Leistungsvermögen befassen. Je mehr Aussagen von Sachverständigen oder sachverständigen Zeugen zum Beweisthema vorliegen, desto genauer muss der Antragsteller auf mögliche Unterschiede und Differenzierungen eingehen (Fichte, [X.] 2000, 653, 656). Liegen mehrere Gutachten zum Gesundheitszustand und - daraus herleitend - zum verbliebenen Leistungsvermögen vor und hat sich dadurch bereits ein gewisses Leistungsbild manifestiert, bedarf es besonderer Angaben, weshalb die Einholung eines weiteren Gutachtens erforderlich ist (Fichte, aaO). Hierfür muss der Beschwerdeführer gezielt zusätzliche Einschränkungen auf das verbliebene Leistungsvermögen durch weitere - oder bereits festgestellte - dauerhafte Gesundheitsbeeinträchtigungen "behaupten" und möglichst genau bezeichnen ("dartun"). Denn Merkmal eines Beweisantrags ist die Behauptung einer bestimmten entscheidungserheblichen Tatsache und die Angabe des Beweismittels für diese (zum Ganzen [X.] SozR 4-1500 § 160a [X.] RdNr 6 mwN, RdNr 8). Der abstrakte Hinweis auf einen "psychosomatischen [X.]" verdeutlicht nicht ansatzweise, welche Beschwerden (es fehlen zB Angaben zur Art, Häufigkeit, Dauer und Intensität der Beschwerden in bestimmten Körperregionen) welchen Einfluss auf das zeitliche und/oder qualitative Leistungsvermögen haben.

Konkrete und detaillierte Ausführungen zum „psychosomatischen [X.]“ waren aber auch schon deshalb angezeigt, weil das Sozialgericht - wie aus der Beschwerdeschrift (Seite 1) hervorgeht - von Amts wegen "u.a. ein internistisch-psychosomatisches Gutachten des [X.]. H. vom 25.03.2007 eingeholt" hatte. Lag damit bereits ein psychosomatisches Gutachten vor, so war das Berufungsgericht, das über Art und Zahl der einzuholenden Sachverständigengutachten nach pflichtgemäßem Ermessen entscheidet (§ 153 Abs 1, § 118 Abs 1 Satz 1 [X.] iVm § 412 Abs 1 Zivilprozessordnung), zur weiteren Beweiserhebung auf psychosomatischem bzw [X.] Fachgebiet nur verpflichtet, wenn das [X.] grobe Mängel aufgewiesen oder unlösbare Widersprüche im Bereich der Befunderhebung enthalten hätte, von unzutreffenden sachlichen Voraussetzungen ausgegangen wäre oder Zweifel an der Sachkunde des Gutachters hervorgerufen hätte ([X.] SozR 4-1500 § 160a [X.] RdNr 9). Hierzu hat der Kläger nichts vorgetragen. Dass das [X.] den Schlussfolgerungen des Sachverständigen Dr. H. im Rahmen freier richterlicher Beweiswürdigung (§ 128 Abs 1 Satz 1 [X.]) - nicht in allen Teilen gefolgt ist, lässt weder auf grobe Mängel schließen noch an der Sachkunde des Gutachters zweifeln.

Der [X.] (§ 62 [X.], Art 103 Abs 1 GG) kommt demgegenüber keine eigenständige Bedeutung zu. Denn mit ihr macht der Kläger im [X.] ebenfalls mangelhafte Sachaufklärung geltend. Zwar kann der Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt sein, wenn die Nichtberücksichtigung eines Beweisantrags im Prozessrecht keine Stütze mehr findet (vgl [X.] Beschlüsse vom 24.10.2007 - [X.]K 12, 346, 350 f, vom [X.], NVwZ 2008, 669, 670 und Nichtannahmebeschluss vom [X.] - NVwZ 2008, 780, jeweils mwN). Allerdings dürfen auch in diesen Fällen die besonderen gesetzlichen Anforderungen an die Sachaufklärungsrüge durch ein Ausweichen auf die [X.] nicht umgangen werden (Senatsbeschluss vom 22.10.2008 - [X.] KN 1/06 B - Juris Rd[X.]5; [X.] SozR 4-1500 § 160 [X.]8 RdNr 6, 9). Andernfalls liefen die Beschränkungen, die § 103 [X.] für die Sachaufklärungsrüge normiert, im Ergebnis leer ([X.] SozR 4-1500 § 160 [X.]2 RdNr 7). Deshalb hängt die Zulässigkeit der Beschwerde ausschließlich von den Voraussetzungen der Sachaufklärungsrüge ab. Den sich daraus ergebenden Erfordernissen wird die Beschwerdebegründung - wie dargestellt - nicht gerecht.

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 Satz 2 Halbs 2 [X.]).

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 [X.].

Meta

B 5 R 202/10 B

28.09.2010

Bundessozialgericht 5. Senat

Beschluss

Sachgebiet: R

vorgehend SG Nordhausen, 17. Juni 2008, Az: S 3 R 1868/06

§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, § 160a Abs 4 S 1 SGG, § 103 SGG, § 62 SGG, Art 103 Abs 1 GG, § 43 SGB 6

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 28.09.2010, Az. B 5 R 202/10 B (REWIS RS 2010, 2969)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 2969

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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