Bundesgerichtshof, Beschluss vom 14.01.2020, Az. 1 StR 531/19

1. Strafsenat | REWIS RS 2020, 1372

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Gegenstand

Anordnung des Verfalls: Bestimmung des Werts des noch vorhandenen Vermögens; Feststellungen zur Werthaltigkeit einer Forderung gegen eine insolvente GmbH


Tenor

1. Auf die Revision der Verfallsbeteiligten wird das Urteil des [X.] vom 25. Juli 2019 aufgehoben, soweit der Verfall von Wertersatz in ihr Vermögen von mehr als 797.090,59 € angeordnet worden ist; der weitergehende Verfall nebst der Anordnung der gesamtschuldnerischen Haftung entfällt.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

3. Die Beschwerdeführerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen. Jedoch wird die Gebühr für das Revisionsverfahren um die Hälfte ermäßigt; die Hälfte der insoweit entstandenen Auslagen sowie der notwendigen Auslagen der Beschwerdeführerin hat die Staatskasse zu tragen.

Gründe

1

Das [X.] hatte im ersten Rechtsgang den Verfall von Wertersatz in das Vermögen der [X.]n in Höhe von 6.749.612,49 € angeordnet und festgestellt, dass wegen eines weiteren Geldbetrages in Höhe von 638.926,56 €, den die [X.] aus den Taten erlangt hat, von der Anordnung von [X.] nur deswegen abgesehen wird, weil Ansprüche einer Verletzten entgegenstehen. Auf die hiergegen gerichtete Revision der [X.]n hatte der Senat mit Beschluss vom 13. Februar 2014 – 1 StR 336/13 diese Aussprüche aufgehoben, jedoch die Feststellungen zu den zugrundeliegenden fünf Bestechungstaten und den Geldflüssen zwischen der Beschwerdeführerin und der nicht revidierenden [X.]n [X.]GmbH aufrechterhalten.

2

Nunmehr hat das [X.] im zweiten Rechtsgang den Verfall von Wertersatz in das Vermögen der Beschwerdeführerin in Höhe von 1.397.090,59 € angeordnet, und zwar in Höhe von 600.000 € gesamtschuldnerisch mit der [X.]GmbH. Die hiergegen gerichtete Revision der [X.]n, mit welcher sie die Verletzung materiellen Rechts beanstandet, hat den aus der [X.] ersichtlichen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist ihr Rechtsmittel unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

I.

3

1. Nach den bindenden Feststellungen des [X.]s vereinnahmte die [X.] aus der Erfüllung von vier Lieferaufträgen über Wasserwerfer u.a., die ihr Gründungsgesellschafter und Geschäftsführer, der rechtskräftig verurteilte [X.].       , durch Bestechung von hochrangigen Amtsträgern der [X.]      einwerben konnte, im Zeitraum vom 1. Juni 2004 bis Ende April 2008 Buchgelder in Höhe von 7.588.939,05 €. Den auf ein Bankkonto bei einer S.     er Bank am 11. November 2009 eingegangenen Kaufpreis in Höhe von 991.551,36 € aus dem [X.] über die Lieferung von [X.] und Ersatzteilen vereinnahmte die nicht revidierende [X.], die [X.].        auf anwaltlichen Rat in B.    gegründet hatte, um den Zugriff der [X.] Strafverfolgungsbehörden auf diese Gelder zu vereiteln. [X.].        ließ insgesamt 855.229 €, welche verdeckt in die Kaufpreisgelder eingerechnet waren und damit die von der [X.]      geschuldeten Gegenleistungen rechtswidrig überhöhten, den [X.] Amtsträgern zukommen. Am 8. Februar 2010 überwies [X.].        von einem Bankkonto der [X.]n einen Betrag in Höhe von 600.000 €, welcher aus den ersten vier Verträgen stammte, auf das S.     er Bankkonto der nicht revidierenden [X.]n, um auch diese Buchgelder dem Zugriff der [X.] Ermittlungsbehörden zu entziehen; damit ein Rechtsgrund für diese Überweisung nachzuweisen war, schloss [X.].        als Geschäftsführer beider Gesellschaften in deren Namen einen Darlehensvertrag ab.

4

Nach den ergänzenden Feststellungen des angefochtenen Urteils erzielte die [X.] keine weiteren nennenswerten Einkünfte. Am 1. Juni 2010 wurde das Insolvenzverfahren über ihr Vermögen eröffnet. Sämtliche Insolvenzgläubiger mit Ausnahme der Staatskasse wegen der Verfahrenskosten sind befriedigt. Zur verbliebenen Insolvenzmasse zählen auf der Aktivseite zwei Bankguthaben in Höhe von 8.185,95 € und 588.904,64 €, zudem die Darlehensrückzahlungsforderung gegenüber der [X.]GmbH, die sich ebenfalls im [X.]nkursverfahren befindet, in Höhe von 600.000 € sowie eine durch eine Grundschuld gesicherte Forderung gegen [X.].        in Höhe von 200.000 €, mithin insgesamt nominell 1.397.090,59 €. Der Geschäftsbetrieb der [X.]n ist eingestellt.

5

2. Das [X.] hat erneut den Wert des [X.] gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1, § 73a Satz 1 StGB aF, Art. 316h Satz 2 [X.] nach den gesamten vereinnahmten Verkaufspreisen bestimmt, nicht nach dem Wert der erlangten Aufträge. Es hat sein nach § 73c Abs. 1 Satz 2 Alternative 1 StGB aF eröffnetes Ermessen dahin ausgeübt, nur die – nach Begleichen der vorrangigen Insolvenzschulden – noch vorhandenen vier Vermögenswerte abzuschöpfen. Da etwaige Schadensersatzansprüche der [X.]      (§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 Abs. 1 StGB; § 826 BGB) nach Ablauf von über zehn Jahren (§ 199 Abs. 3, 4 BGB) verjährt seien, drohe keine doppelte Inanspruchnahme der [X.]n durch den Staat auf der einen und den geschädigten Vertragspartner auf der anderen Seite (§ 73 Abs. 1 Satz 2 StGB aF).

II.

6

Die Revision ist teilweise begründet.

7

1. Die Verfallsentscheidung hält der sachlichrechtlichen Prüfung teilweise nicht stand. Die nach § 73c Abs. 1 Satz 2 Alternative 1 StGB aF ergangene Ermessensentscheidung weist einen Rechtsfehler zum Nachteil der [X.]n auf, weil auf der Tatbestandsseite der Wert des noch vorhandenen Vermögens in Bezug auf die [X.] gegen die [X.] in Höhe von 600.000 € nicht zutreffend bestimmt ist.

8

a) Dass die Forderung auf Rückzahlung eines Betrages in Höhe von 600.000 € werthaltig ist, ist durch die Feststellungen nicht belegt. Insoweit wäre – wie bei der [X.]n – festzustellen gewesen, wie sich die Eröffnung des [X.]nkursverfahrens über das Vermögen der [X.] Kapitalgesellschaft auswirkt und welche Gläubiger vorrangig zu befriedigen sind. Auch insoweit ist für eine ermessensfehlerfreie Abschöpfung die Prüfung nach § 73c Abs. 1 Satz 2 Alternative 1 StGB aF erforderlich, ob die Insolvenzmasse zur Befriedigung vorrangiger Forderungen ausreicht und ob danach noch verwertbares Vermögen vorhanden ist ([X.], Urteil vom 30. Mai 2008 – 1 [X.], [X.]St 52, 227 Rn. 114; Beschluss vom 13. Februar 2014 – 1 StR 336/13 Rn. 18).

9

b) Der Betrag in Höhe von 600.000 € ist abzuziehen (§ 354 Abs. 1 StPO analog). Denn auf diesen Vermögenszufluss hat das [X.] – neben der Gutschrift in Höhe von 991.551,36 € – seine Verfallsentscheidung zu Lasten der nicht revidierenden [X.]n nach § 73 Abs. 3 StGB aF ([X.]) gestützt und in Höhe zweier verbliebener Bankguthaben von insgesamt 1.152.069,12 € den Verfall von Wertersatz angeordnet. Weil diese Verfallsanordnung rechtskräftig geworden ist, ist nunmehr zu berücksichtigen, dass dieser Betrag wenn nicht von anderen vorrangigen Insolvenzgläubigern, so jedenfalls vom [X.] abgeschöpft wird, mithin nach erfolgreicher Abschöpfung die nicht revidierende [X.] gänzlich [X.] ist. Damit erweist sich die [X.] der Beschwerdeführerin nunmehr als wertlos.

2. Im Übrigen hat die Verfallsanordnung Bestand.

a) Dabei kann der Senat offenlassen, ob sich das Erlangte nach dem gesamten vereinnahmten Kaufpreis (vgl. insbesondere [X.], Urteil vom 30. Mai 2008 – 1 [X.], [X.]St 52, 227 Rn. 103 ff.) oder (nur) nach dem Wert der Auftragsvergabe bestimmt (insbesondere [X.], Urteile vom 2. Dezember 2005 – 5 [X.] Rn. 47 ff., [X.]St 50, 299, 309 ff. und vom 27. November 2013 – 3 StR 5/13, [X.]St 59, 80, 93 f. Rn. 31; Beschluss vom 29. Juni 2006 – 5 [X.] Rn. 17). Denn der nach dem Abzug von 600.000 € verbleibende Abschöpfungsumfang (797.090,59 €) ist durch die wieder abgeflossenen Bestechungsgelder in Höhe von 855.229 € gedeckt. Nach den rechtskräftigen Feststellungen waren diese Bestechungsgelder Teil des rechtswidrigen [X.] (vgl. dazu [X.], Urteile vom 2. Dezember 2005 – 5 [X.] Rn. 66, [X.]St 50, 299, 314 f.; vom 23. Oktober 2018 – 1 [X.] Rn. 39 und vom 10. Juli 2013 – 1 StR 532/12 Rn. 40; Beschlüsse vom 25. April 2014 – 1 StR 13/13 Rn. 48, [X.]St 59, 205 und vom 11. November 2004 – 5 [X.], [X.]St 49, 317, 332 f.). Die [X.] verfügte jeweils erst nach [X.] der Kaufpreise über ausreichend Liquidität, um die Bestechungsgelder zu bezahlen; diese waren mithin Teil des kalkulierten Überschusses und in diesem Sinne des verteilungsfähigen Gewinns.

b) Wie das [X.] rechtlich zutreffend gewürdigt hat, ist nunmehr die Abschöpfung ohne Rücksicht auf etwaige Schadensersatzansprüche der [X.]      (§ 73 Abs. 1 Satz 2 StGB aF) anzuordnen. Nach Art. 40 Abs. 1 EGBGB unterliegen Ansprüche aus unerlaubter Handlung dem Recht des Staates, in dem der Ersatzpflichtige gehandelt hat (vgl. [X.], Beschluss vom 13. Februar 2014 – 1 StR 336/13 Rn. 79). Die geschädigte [X.]      hatte Kenntnis vom Strafverfahren durch Ladung ihres Botschafters (vgl. § 166 Abs. 1 BGB). Damit greift die Verjährungsvorschrift des § 199 BGB ein. Etwaige Rückzahlungsansprüche sind nunmehr nach Ablauf von über zehn Jahren nach Bezahlung der letzten [X.] Ende April 2008 verjährt (§ 199 Abs. 3, 4 BGB). Nach Verjährung besteht die Gefahr einer doppelten Inanspruchnahme nicht mehr ([X.], Urteil vom 11. Mai 2006 – 3 StR 41/06 Rn. 8; Beschlüsse vom 27. Juli 2017 – 1 [X.] Rn. 70 und vom 9. Dezember 2014 – 3 [X.] Rn. 3).

Raum     

      

Jäger     

      

Hohoff

      

Leplow     

      

Pernice     

      

Meta

1 StR 531/19

14.01.2020

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Mannheim, 25. Juli 2019, Az: 618 Js 4248/10 - 17 KLs

§ 73c Abs 1 S 2 Alt 1 StGB vom 13.11.1998

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 14.01.2020, Az. 1 StR 531/19 (REWIS RS 2020, 1372)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 1372

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