Bundesgerichtshof, Beschluss vom 29.02.2012, Az. 2 StR 639/11

2. Strafsenat | REWIS RS 2012, 8646

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Gegenstand

Anordnung des Drittverfalls: Vorliegen einer unbilligen Härte


Tenor

Auf die Revision der [X.]n [X.] wird das Urteil des [X.] vom 7. Juli 2011 - auch soweit es den [X.]n [X.] betrifft - mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit festgestellt ist, dass gegen die [X.] [X.] wegen eines Geldbetrages in Höhe von 200.890,23 € und gegen den [X.]n [X.] wegen eines Geldbetrages in Höhe von 25.000 € lediglich deshalb nicht auf Verfall erkannt wurde, weil Ansprüche Verletzter entgegenstehen.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

Das [X.] hat gegen die Verurteilten [X.] und [X.] unter anderem wegen eines Verstoßes gegen das Urheberrechtsgesetz in 961 Fällen Gesamtfreiheitsstrafen von drei Jahren und sechs bzw. zehn Monaten verhängt. Zudem hat es festgestellt, dass "die Anordnung des Verfalls von Wertersatz" gegen die Verurteilten sowie gegen die [X.]n [X.] und [X.] deswegen nicht "dem Verfall des Wertersatzes unterliegen", weil diesem Ersatzansprüche von Geschädigten entgegenstehen. Den Wert des [X.] hat es für die Verurteilten mit 1.105.133,33 €, für die [X.] [X.] mit 200.820,23 € und für den nicht revidierenden [X.]n [X.] mit 25.000 € festgestellt. Die dagegen gerichtete und auf die Sachrüge gestützte Revision der [X.]n [X.] hat Erfolg; die Aufhebung erstreckt sich auf den nicht revidierenden [X.]n [X.]

2

1. Nach den Feststellungen des [X.]s wandten die Verurteilten den beiden [X.]n "primär im eigenen Interesse" und unentgeltlich [X.] zu. Der [X.]n [X.] übertrugen sie zwei Wohnungen sowie Geldbeträge. Außerdem bestand zu ihren Gunsten eine Forderung gegen eine Bausparkasse. Dem nicht revidierenden [X.]n [X.] übertrugen sie "hauptsächlich Firmenfahrzeuge", unter anderem einen [X.] mit einem Wert von 30.000 € ([X.], 62).

3

2. Die Feststellung gemäß § 111i Abs. 2 [X.] gegen die [X.] [X.] begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Sowohl die Urteilsfeststellungen als auch die Beweiswürdigung der [X.] sind lückenhaft.

4

a) Die außerordentlich knappen Feststellungen erlauben es nicht, revisionsgerichtlich zu überprüfen, ob - wie von § 111i Abs. 2 [X.] unterstellt - die Voraussetzungen der Anordnung eines [X.] in Höhe von 200.890,33 € gegen die [X.] vorliegen.

5

Gemäß § 73 Abs. 3 StGB kann der Verfall des Wertersatzes nach § 73a StGB zwar auch gegen einen [X.] angeordnet werden, wenn der Täter oder Teilnehmer für einen anderen gehandelt und dadurch dieser etwas erlangt hat. Voraussetzung dafür ist aber dann, wenn der Täter nicht als Vertreter des [X.] handelte, dass er dem [X.] die [X.] unentgeltlich oder aufgrund eines jedenfalls bemakelten Rechtsgeschäfts zukommen ließ, "um sie dem Zugriff der Geschädigten zu entziehen oder um die Taten zu verschleiern", mithin ein so genannter "Verschiebungsfall" vorliegt (vgl. [X.]St 45, 235, 246; [X.], 406). Zur Frage, mit welcher Intention die Verurteilten vorliegend handelten, verhalten sich die Urteilsgründe indes nicht. Der Hinweis, die Übertragung der Vermögenswerte sei "primär im eigenen Interesse" der Verurteilten erfolgt, formuliert lediglich eine Schlussfolgerung und lässt für sich genommen nicht zwingend den Schluss zu, dass es den Verurteilten um eine Verschiebung der [X.] ging.

6

Die Kammer hat es zudem versäumt, in einer die revisionsgerichtliche Überprüfung ermöglichenden Weise darzulegen, welche konkreten Vermögenswerte der [X.]n unmittelbar aus der Verwirklichung der Taten zugeflossen sind und wie sich der Wert der erlangten Immobilien, Geldbeträge und Forderungen berechnet, von denen lediglich der Gesamtwert in Höhe von 200.890,33 € mitgeteilt wird.

7

b) Auch die den Feststellungen zugrunde liegende Beweiswürdigung der Kammer hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Die Kammer stützt ihre Feststellungen zu den von den [X.]n erlangten Vermögenswerten allein auf die im Rahmen einer Verständigung erfolgten "nachvollziehbaren und glaubhaften Aussagen" der Angeklagten ([X.]). Sie ist damit ihrer Pflicht, in den Urteilsgründen ihre Überzeugungsbildung darzulegen, nicht ausreichend nachgekommen. Hierzu bestand vor allem deshalb Anlass, weil die Angeklagten ein nahe liegendes Interesse daran haben konnten, zu Unrecht anzugeben, erlangte [X.] an Dritte weitergegeben zu haben, um insbesondere Regressforderungen der Geschädigten bzw. staatlichen Maßnahmen nach § 111b ff. [X.] und § 111i Abs. 5 [X.] zu entgehen. Dies gilt auch vor dem Hintergrund der regelmäßig gesamtschuldnerischen Haftung mehrerer Beteiligter für staatliche Ansprüche aufgrund einer ([X.] oder eines Auffangrechtserwerbs nach § 111i Abs. 5 [X.]. Vor diesem Hintergrund hätte auch die Glaubhaftigkeit der Einlassungen der Verurteilten in einer für das Revisionsgericht nachprüfbaren Weise gewürdigt werden müssen. Im Rahmen dessen hätte sich die Kammer insbesondere damit auseinandersetzen müssen, ob und wie sich die [X.]n geäußert haben und inwieweit die Angaben der Verurteilten durch die übrige Beweisaufnahme Bestätigung gefunden haben.

8

3. Nach § 357 [X.] ist die Aufhebung des Urteils auf den nicht Revision führenden [X.]n [X.] zu erstrecken, denn auch bei ihm beruht die Entscheidung nach § 111i Abs. 2 [X.] auf dem oben aufgezeigten sachlich-rechtlichen Mangel (vgl. [X.], NStZ 1981, 295, [X.]], Beschluss vom 22. Mai 1979 - 1 [X.], vgl. auch [X.]St 21, 66, 68f.; 56, 39, 51).

9

4. Die Anordnung des Verfalls bedarf daher insgesamt erneuter Verhandlung und Entscheidung. Der neue Tatrichter wird, falls er die Voraussetzungen des Verfalls gemäß §§ 73 Abs. 3, 73a StGB für gegeben erachtet, im Rahmen der nach § 111i Abs. 2 [X.] zu treffenden Entscheidung auch die Regelung des § 73c Abs. 1 StGB zu beachten haben ([X.]St 56, 39, 51; [X.] NStZ-RR 2007, 109). Hierzu bedarf es Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnis-sen der [X.]n sowie dazu, ob sie beim Vermögenserwerb gutgläubig waren und inwieweit der Wert des jeweils [X.] noch in deren Vermögen vorhanden ist. Zur Formulierung einer Feststellung nach § 111i Abs. 2 [X.] im [X.] wird auf [X.]St 56, 39, 51 Bezug genommen.

Fischer                                           Berger                                           Krehl

                        Eschelbach                                         Ott

Meta

2 StR 639/11

29.02.2012

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Mühlhausen, 7. Juli 2011, Az: 530 Js 62175/08 - 6 KLs

§ 73 Abs 3 StGB, § 73a StGB, § 73c StGB, § 111i Abs 2 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 29.02.2012, Az. 2 StR 639/11 (REWIS RS 2012, 8646)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 8646

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Referenzen
Wird zitiert von

2 StR 101/18

1 StR 450/18

4 StR 403/15

4 StR 498/13

2 StR 639/11

3 StR 364/19

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