Bundesfinanzhof, Urteil vom 16.05.2013, Az. IV R 23/11

4. Senat | REWIS RS 2013, 5720

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Gegenstand

Einkommensteuer als sonstige Masseverbindlichkeit bei Veräußerung von mit Absonderungsrechten belasteten Wirtschaftsgütern des Betriebsvermögens durch den Insolvenzverwalter


Leitsatz

1. Die Einkommensteuerschuld, die aus der Verwertung der zur Insolvenzmasse (und zum Betriebsvermögen) gehörenden Wirtschaftsgüter resultiert, ist als sonstige Masseverbindlichkeit i.S. des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO zu qualifizieren .

2. Diese Einkommensteuerschuld ist auch dann in voller Höhe Masseverbindlichkeit, wenn das verwertete Wirtschaftsgut mit Absonderungsrechten belastet war und --nach Vorwegbefriedigung der absonderungsberechtigten Gläubiger aus dem Verwertungserlös-- der (tatsächlich) zur Masse gelangte Erlös nicht ausreicht, um die aus der Verwertungshandlung resultierende Einkommensteuerforderung zu befriedigen (Aufgabe der anderslautenden Rechtsprechung im BFH-Urteil vom 29. März 1984 IV R 271/83, BFHE 141, 2, BStBl II 1984, 602, unter 3.) .

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Insolvenzverwalter über das Vermögen des A (Insolvenzschuldner). Das Regelinsolvenzverfahren wurde am 16. März 2006 eröffnet.

2

Zur Insolvenzmasse gehört u.a. das Grundstück [[X.].], auf dem der Insolvenzschuldner ein landwirtschaftliches Unternehmen betrieben hatte.

3

Dieses zum Betriebsvermögen gehörende Grundstück [[X.].] war mit Grundpfandrechten zugunsten von Kreditinstituten belastet.

4

Im Einverständnis mit den Grundpfandgläubigern veräußerte der Kläger das Grundstück [[X.].] --während des [X.] freihändig durch notariell beurkundeten [X.] 2006. Der Veräußerungserlös betrug 155.000 €. Nach Befriedigung der absonderungsberechtigten (Grundpfand-) Gläubiger flossen der Insolvenzmasse aus diesem Verkauf am 15. Januar 2007 insgesamt 5.394 € zu.

5

Wegen Nichtabgabe der Steuererklärung 2006 schätzte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --[X.]--) die Besteuerungsgrundlagen. Im Einzelnen ging er von einem Veräußerungsgewinn aus dem Verkauf des Grundstücks [[X.].] (154.923 €) sowie aus dem Verkauf von beweglichen Wirtschaftsgütern (10.000 €) in Höhe von insgesamt 164.923 € aus und setzte die Einkommensteuer 2006 (Streitjahr) mit [X.] vom 7. September 2009 auf 19.020 € fest. Dieser wurde dem Kläger in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter bekanntgegeben.

6

Nach erfolglosem Einspruchsverfahren gab das Finanzgericht (FG) der Klage aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte ([X.]) 2011, 1920 veröffentlichten Gründen statt und hob den Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr sowie die Einspruchsentscheidung auf.

7

Dabei stützte es sich maßgeblich auf das unter Geltung der Konkursordnung (KO) ergangene Urteil des [X.] ([X.]) vom 29. März 1984 IV R 271/83 ([X.]E 141, 2, [X.] 1984, 602), wonach die aus der Veräußerung eines zur Konkursmasse gehörenden und mit Grundpfandrechten belasteten Grundstücks resultierende Einkommensteuer nur insoweit zu [X.] führe, als der Veräußerungserlös zur Masse gelange. An dieser Rechtsprechung sei auch unter Geltung der Insolvenzordnung ([X.]) festzuhalten. Da insgesamt nur 5.394 € zur Insolvenzmasse gelangt seien, und dies auch erst im Veranlagungszeitraum 2007, sei der Einkommensteuerbescheid 2006 aufzuheben gewesen.

8

Mit der Revision rügt das [X.] die Verletzung materiellen Rechts (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 [X.]).

9

Es trägt im Wesentlichen vor, dass es sich bei der aus der Veräußerungsmaßnahme resultierenden Einkommensteuerschuld um eine sonstige Masseverbindlichkeit i.S. des § 55 Abs. 1 Nr. 1 [X.] handle, weil die Verwertung des Grundstücks [[X.].] nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch den Insolvenzverwalter erfolgt sei.

Entgegen der dem [X.] zu Grunde liegenden und zur KO ergangenen Rechtsprechung des [X.] sei die gesamte aus der Verwertung des mit [X.] belasteten Grundstücks [[X.].] resultierende Einkommensteuer als sonstige Masseverbindlichkeit zu qualifizieren und nicht nur insoweit, als der Veräußerungserlös zur Insolvenzmasse gelange. Eine solche einschränkende Auslegung sei unzulässig. Zudem komme es nach der jüngeren Rechtsprechung bei der Qualifizierung einer Forderung nicht darauf an, ob und in welchem Umfang die Masse bereichert sei ([X.]-Urteil vom 18. Mai 2010 [[X.].] R 60/08, [X.]E 229, 62, [X.] 2011, 429).

Auch stehe dieser Auffassung nicht entgegen, dass eine sachgerechte Verwertung des belasteten Wirtschaftsguts wegen der entstehenden Steuerbelastung scheitere. In einem solchen Fall dürfe der Insolvenzverwalter nicht verwerten, sondern müsse das belastete Wirtschaftsgut entweder freigeben oder durch die absonderungsberechtigten Gläubiger verwerten lassen.

Das [X.] beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Es handle sich bei der aus der Verwertungshandlung resultierenden Einkommensteuer --entgegen der bisherigen Spruchpraxis des [X.]-- nicht um eine sonstige Masseverbindlichkeit, sondern um eine Insolvenzforderung. Sollte der Senat gleichwohl (weiterhin) von sonstigen Masseverbindlichkeiten ausgehen, sei aber an der bisherigen Rechtsprechung ([X.]-Urteil in [X.]E 141, 2, [X.] 1984, 602, unter 3. der Gründe) festzuhalten, wonach die Einkommensteuer nur insoweit als Masseverbindlichkeit zu qualifizieren sei, als sie auf dem zur Masse gelangten Veräußerungsgewinn laste. Einerseits habe sich die Situation gegenüber der KO nicht geändert. Andererseits sei es aus rechtlichen wie auch aus sachlichen Gründen folgerichtig, nur die Einkommensteuer auf den zur Masse gelangten Veräußerungserlös als Masseverbindlichkeit zu qualifizieren. Andernfalls sei zu befürchten, dass eine sachgerechte Verwertung der mit [X.] belasteten Vermögensgegenstände wegen der damit verbundenen Steuerbelastung durch den Insolvenzverwalter nicht erfolgen könnte. Eine Verwertung nach Freigabe des belasteten Wirtschaftsguts oder eine Verwertung durch die absonderungsberechtigten Gläubiger nach dem Gesetz über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung --wie vom [X.] vorgeschlagen-- würde dazu führen, dass eine daraus resultierende Einkommensteuerforderung als Forderung gegen das insolvenzfreie Vermögen einzuordnen wäre. Eine solche Forderung nähme an einem eventuellen Restschuldbefreiungsverfahren (§§ 286 ff. [X.]) nicht teil, weshalb der Insolvenzschuldner hinsichtlich einer solchen Forderung allenfalls Restschuldbefreiung in einem weiteren (zweiten) Insolvenzverfahren erlangen könne. Einer solchen ("zweiten") Restschuldbefreiung stünde dann aber der Versagungsgrund nach § 290 Abs. 1 Nr. 3 [X.] entgegen. Danach sei die Restschuldbefreiung zu versagen, wenn sie in den letzten zehn Jahren bereits einmal erteilt oder versagt worden sei. Eine Änderung der Rechtsprechung des erkennenden Senats würde dem in § 1 Satz 2 [X.] niedergelegten Ziel der Restschuldbefreiung zuwiderlaufen.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--).

Das [X.] hat zutreffend entschieden, dass die Einkommensteuerschuld, die aus der Verwertung der zur Insolvenzmasse (und zum Betriebsvermögen) gehörenden Wirtschaftsgüter resultiert, als sonstige Masseverbindlichkeit gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 [X.] zu qualifizieren ist, die gemäß § 53 [X.] vorweg aus der Insolvenzmasse zu berichtigen ist (dazu unter 1.). Anders als das [X.] meint, durfte das [X.] diese Masseverbindlichkeit in voller Höhe durch Einkommensteuerbescheid gegenüber dem Kläger als [X.] geltend machen, und zwar auch insoweit, als die Steuerfestsetzung auf der Veräußerung des mit Grundpfandrechten belasteten [X.] beruht (dazu unter 2.).

1. Die im angefochtenen Einkommensteuerbescheid festgesetzte Steuer ist Masseverbindlichkeit gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 [X.].

a) Sonstige Masseverbindlichkeiten i.S. des § 55 Abs. 1 Nr. 1 [X.] sind u.a. Verbindlichkeiten, die durch Handlungen des Insolvenzverwalters oder in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet werden, ohne zu den Kosten des Insolvenzverfahrens zu gehören. Insbesondere wegen der Art und Weise ihrer Geltendmachung und ihrer Anspruchsbefriedigung sind diese von den Insolvenzforderungen (§§ 35 Abs. 1, 38, 87, 174 ff., 187 ff. [X.]) abzugrenzen. Insolvenzforderungen sind nach § 38 [X.] solche Forderungen, die zur [X.] der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet waren. Die Abgrenzung zwischen Insolvenzforderungen und (sonstigen) Masseverbindlichkeiten richtet sich ausschließlich nach dem [X.]punkt der insolvenzrechtlichen Begründung. Auf die steuerliche Entstehung der Forderung (z.B. § 38 der Abgabenordnung i.V.m. § 36 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes --EStG--) und deren Fälligkeit kommt es dagegen nicht an (ständige Rechtsprechung, BFH-Urteile vom 16. November 2004 VII R 75/03, [X.], 296, [X.], 193, unter II.2. der Gründe; in [X.], 62, [X.] 2011, 429, unter [X.]).

Entscheidend ist, wann der Rechtsgrund für den Anspruch gelegt wurde ([X.] vom 1. April 2008 [X.], [X.], 925, unter [X.] der Gründe, m.w.N.). Der Rechtsgrund für einen (abstrakten) Steueranspruch ist gelegt, [X.]n der gesetzliche [X.] verwirklicht wird (BFH-Urteil in [X.], 2, [X.] 1984, 602, unter 2.b). Ob und wann ein [X.] nach seiner Art und Höhe tatbestandlich verwirklicht und damit insolvenzrechtlich begründet ist, richtet sich auch im [X.] an die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausschließlich nach steuerrechtlichen Grundsätzen (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteile in [X.], 296, [X.], 193, unter II.2. der Gründe; vom 29. August 2007 IX R 4/07, [X.], 435, [X.] 2010, 145, unter [X.] dd (1), m.w.N.; vom 29. Januar 2009 V R 64/07, [X.], 24, [X.] 2009, 682, unter [X.]). Bezogen auf die Einkommensteuer kommt es für die insolvenzrechtliche Begründung der Steuerforderung folglich darauf an, ob der einzelne (unselbständige) [X.] --insbesondere die Einkünfte nach § 2 Abs. 1 EStG-- vor oder nach Insolvenzeröffnung verwirklicht wurde (so auch Urteil des Thüringer [X.] vom 30. November 2011  3 K 581/09, E[X.] 2013, 317, unter I[X.]b, Revision anhängig unter [X.]. X R 12/12).

b) Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist die aus der Veräußerung der beweglichen Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens resultierende Einkommensteuer vom [X.] zu Recht als Masseverbindlichkeit qualifiziert worden. Dies ist zwischen den Beteiligten zu Recht weder dem Grund noch der Höhe nach streitig, weshalb der [X.] insoweit von weiteren Ausführungen absieht.

Dasselbe gilt für die aus der Veräußerung des [X.] resultierende Einkommensteuer. Auch diese wurde als Vermögensanspruch erst nach Insolvenzeröffnung begründet.

aa) Die aus der Veräußerung des [X.] resultierende Einkommensteuer beruht auf der freihändigen Verwertungshandlung des [X.]. Der [X.] wurde durch diese Handlung nach Insolvenzeröffnung vollständig verwirklicht und damit insolvenzrechtlich begründet, weshalb die aus der Gewinnrealisierung resultierende Einkommensteuer als sonstige Masseverbindlichkeit i.S. des § 55 Abs. 1 Nr. 1 [X.] zu qualifizieren ist (ständige Rechtsprechung; unter Geltung der KO wurde die daraus resultierende Einkommensteuer als Massekosten i.S. des § 58 Nr. 2 KO angesehen: Urteil des [X.] vom 22. Juni 1938 VI 687/37, [X.] 44, 162, [X.] 1938, 669; BFH-Urteile vom 7. November 1963 IV 210/62 S, [X.], 172, [X.]I 1964, 70, unter [X.] und [X.] der Gründe; in [X.], 2, [X.] 1984, 602, unter 2.b der Gründe; vom 9. November 1994 I R 5/94, [X.], 248, [X.] 1995, 255, unter [X.] der Gründe; vom 11. November 1993 XI R 73/92, [X.] 1994, 477, unter [X.] der Gründe; vom 5. März 2008 [X.], [X.], 299, [X.] 2008, 787, unter [X.] der Gründe; unter Geltung der [X.] wurde dies bereits bestätigt: BFH-Urteil in [X.], 62, [X.] 2011, 429, unter [X.] der Gründe; Gerichtsbescheid des [X.] Düsseldorf vom 19. August 2011  11 K 4201/10 E, E[X.] 2012, 544, unter [X.]a, Revision anhängig unter [X.]. IX R 17/12; Urteil des Niedersächsischen [X.] vom 19. Januar 2012  14 K 47/10, juris, unter 1.a, Revision anhängig unter [X.]. III R 16/12). Der erkennende [X.] sieht keinen Grund, von dieser ständigen Rechtsprechung abzuweichen.

Dabei braucht der [X.] nicht zu entscheiden, ob die Einkommensteuer aufgrund einer "Handlung" des Insolvenzverwalters (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 Alternative 1 [X.]) oder aber "in anderer Weise" (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 Alternative 2 [X.]) begründet wurde. Es ist jedenfalls eine der beiden Alternativen erfüllt, [X.]n man mit der vorgenannten Rechtsprechung für das insolvenzrechtliche "Begründetsein" darauf abstellt, wann und durch [X.] der steuerauslösende (unselbständige) [X.] i.S. des § 2 Abs. 1 EStG (vollständig) verwirklicht wurde. Dies ist der maßgebliche [X.]punkt für die Abgrenzung. Die Anknüpfung der Besteuerung an die "Realisationshandlung" gilt uneingeschränkt auch dann, [X.]n sie nicht der Steuerpflichtige selbst, sondern der Insolvenzverwalter im Rahmen seiner Verwaltungsbefugnis nach § 80 Abs. 1 [X.] vorgenommen hat.

bb) Die vorgenannten Grundsätze sind auch dann anzu[X.]den, [X.]n durch die Veräußerung nach Insolvenzeröffnung stille Reserven aufgedeckt werden, die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden sind. Im insolvenzrechtlichen Schrifttum wird demgegenüber überwiegend vertreten, dass die aus der Aufdeckung stiller Reserven resultierende Einkommensteuer nur insoweit als sonstige Masseverbindlichkeit zu qualifizieren sei, als die stillen Reserven nach Insolvenzeröffnung entstanden seien; im Übrigen handle es sich um eine Insolvenzforderung (u.a. [X.], Besteuerung bei Insolvenz, 7. Aufl., S. 139 ff.; [X.]/[X.], Insolvenzrechts-Handbuch, 3. Aufl., § 121 Rz 26 ff., Rz 29 f.; [X.]/[X.], Steuern in der Insolvenz, 2. Aufl., Rz 521 ff., m.w.N.; Uhländer in [X.]/Uhländer/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, 9. Aufl., Rz 1466 ff., Rz 1472; Boochs/[X.], Steuerrecht in der Insolvenz, 3. Aufl., Rz 139; [X.], Insolvenzordnung, 13. Aufl., § 38 Rz 73; MünchKomm[X.]/Ehricke, Bd. 1, 2. Aufl., § 38 Rz 81, m.w.N.; MünchKomm[X.]/Kling/Schüppen/Ruh, Bd. 3, 2. Aufl., Insolvenzsteuerrecht, Rz 53 ff., m.w.N.; Häsemeyer, Insolvenzrecht, 4. Aufl., Rz 23.49; [X.], Insolvenz Steuerrecht, S. 332 ff.; [X.], [X.]schrift für das gesamte Insolvenzrecht --Z[X.]-- 2003, 677, 680 f.; Sämisch/[X.], Z[X.] 2010, 934, 937; [X.], [X.] 2013, 441).

Der [X.] hält auch nach erneuter Würdigung der von dem insolvenzrechtlichen Schrifttum vorgebrachten Argumente an seiner bisherigen Rechtsprechung fest (vgl. u.a. BFH-Urteil in [X.], 2, [X.] 1984, 602). Ergänzend weist der erkennende [X.] darauf hin, dass die vorgenannte, zunächst zu den Regelungen der KO vertretene Auffassung nicht mit §§ 38, 55 Abs. 1 [X.] vereinbar ist. Diese Auffassung stellte für die Beurteilung des insolvenzrechtlichen "Begründetseins" nicht darauf ab, wann der [X.] und damit der Rechtsgrund verwirklicht wird, sondern ausschließlich auf die für die Steuerverwirklichung unmaßgebliche Entstehung des [X.]. Der Wertzuwachs unterliegt aber erst dann der Besteuerung, [X.]n es durch einen steuerauslösenden Tatbestand zur Gewinnrealisation kommt. Letzteres steht im Einklang mit den allgemeinen Maßstäben zur Abgrenzung zwischen Insolvenzforderung und (sonstiger) Masseverbindlichkeit. Danach kommt es stets auf die Verwirklichung des anspruchsbegründenden Tatbestands an (z.B. [X.][X.], Insolvenzordnung, 5. Aufl., § 38 Rz 4; [X.], a.a.[X.], § 38 Rz 26). Trennlinie zwischen sonstigen Masseverbindlichkeiten und Insolvenzforderungen ist, ob der Rechtsgrund der Entstehung der Forderung im Augenblick vor Verfahrenseröffnung bereits gelegt war. Das ist dann der Fall, [X.]n der anspruchsbegründende Tatbestand vor der Verfahrenseröffnung materiell-rechtlich abgeschlossen war (MünchKomm[X.]/Ehricke, Bd. 1, 2. Aufl., § 38 Rz 16, m.w.N.). Für Zwecke der Besteuerung können keine anderen Kriterien gelten.

cc) Der hier vertretenen Auffassung steht auch nicht der Beschluss des [X.] ([X.]) vom 14. Oktober 2010 IX ZB 224/08 (Z[X.] 2010, 2188) entgegen. In dieser Entscheidung hat sich der [X.] --entgegen der Ansicht des [X.]-- nicht mit Abgrenzungskriterien zum insolvenzrechtlichen "Begründetsein" auseinandergesetzt. Vielmehr hat er sich mit der [X.] bei angezeigter Masseunzulänglichkeit beschäftigt und betont, dass die Umsatzsteuer aus [X.] nach Masseunzulänglichkeit nicht zu den erstrangig zu befriedigenden Verfahrenskosten (§ 209 Abs. 1 Nr. 1 [X.]), sondern zu den zweitrangigen Neumasseverbindlichkeiten gehört.

2. Anders als das [X.] meint, durfte das [X.] die sonstige Masseverbindlichkeit auch in voller Höhe durch Einkommensteuerbescheid gegenüber dem Kläger als [X.] geltend machen.

a) Die als sonstige Masseverbindlichkeit zu qualifizierende (Einkommensteuer-)Forderung hat das [X.] zu Recht durch ([X.] festgesetzt und diesen dem Kläger als [X.] bekanntgegeben (BFH-Urteil in [X.], 62, [X.] 2011, 429, unter II.2. der Gründe; unter Geltung der KO: BFH-Urteil in [X.], 299, [X.] 2008, 787, unter [X.] der Gründe, m.w.N.).

b) Das [X.] ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Einkommensteuer auf den Veräußerungsgewinn in voller Höhe eine sonstige Masseverbindlichkeit darstellt. Die Einkommensteuer auf den Veräußerungsgewinn ist auch dann in voller Höhe Masseverbindlichkeit, [X.]n das verwertete Wirtschaftsgut mit [X.] belastet war und --nach Vorwegbefriedigung der absonderungsberechtigten Gläubiger aus dem [X.] der (tatsächlich) zur Masse gelangte Erlös nicht ausreicht, um die aus der Verwertungshandlung resultierende Einkommensteuerforderung zu befriedigen. An der anderslautenden Rechtsprechung (BFH-Urteil in [X.], 2, [X.] 1984, 602, unter 3.), die noch zu den Regelungen der KO ergangen ist und auf die das [X.] im Rahmen seiner rechtlichen Würdigung abgestellt hat, hält der erkennende [X.] unter Geltung der [X.] nicht mehr fest (so auch Gerichtsbescheid des [X.] Düsseldorf in E[X.] 2012, 544, unter [X.]b; Urteil des Niedersächsischen [X.] vom 19. Januar 2012  14 K 47/10, juris, unter 1.b).

aa) Ausgehend von dem BFH-Urteil in [X.], 2, [X.] 1984, 602 müsste die Einkommensteuer, soweit sie den zur Masse gelangten Betrag übersteigt (Restforderung), als Forderung gegen das insolvenzfreie Vermögen qualifiziert werden (so auch [X.]/[X.], a.a.[X.], § 42 Rz 176). Die Rechtsmacht des Verwalters, mit Wirkung für und gegen den Schuldner zu handeln, ist gegenständlich jedoch nach § 80 Abs. 1 [X.] auf die Insolvenzmasse beschränkt. Er kann ausschließlich Masseverbindlichkeiten begründen, nicht hingegen den Schuldner persönlich mit seinem insolvenzfreien Vermögen verpflichten (so auch [X.]-Teilurteil vom 24. September 2009 IX ZR 234/07, Z[X.] 2009, 2198, unter [X.], m.w.N.). Ist die Einkommensteuer daher bereits aus insolvenzrechtlichen Gründen insgesamt als sonstige Masseverbindlichkeit zu qualifizieren, kann es nicht darauf ankommen, in welchem Umfang der Veräußerungserlös zur Masse gelangt ist. Eine solche Einschränkung der Masseverbindlichkeit ist auch dem Wortlaut des § 55 Abs. 1 [X.] nicht zu entnehmen.

bb) Weder die Interessenlage der Beteiligten noch systematische Erwägungen rechtfertigen es, dem Verwalter über den Wortlaut des § 80 Abs. 1 [X.] hinaus die Befugnis einzuräumen, den Schuldner persönlich mit seinem insolvenzfreien Vermögen zu verpflichten und nur den (tatsächlich) zur Masse gelangten Betrag der Besteuerung zu unterwerfen.

(1) Das Argument, Steuerobjekt der Einkommensteuer sei das "Einkommen", weshalb die Einkommensteuer auch nur insoweit die Qualität eines Masseanspruchs erlangen könne, als das Steuerobjekt zur Masse gelange, negiert das Schicksal der [X.]. Der gleiche Einwand müsste nämlich auch für das insolvenzfreie Vermögen des Schuldners gelten, denn auch dieses wurde nach der Vorwegbefriedigung der absonderungsberechtigten Gläubiger nicht bereichert.

(2) Auch greift der Hinweis des [X.] nicht durch, dass die Aufgabe der Rechtsprechung dem Ziel der Restschuldbefreiung nach § 1 Satz 2 [X.] zuwiderliefe. Unabhängig davon, dass das BFH-Urteil in [X.], 2, [X.] 1984, 602 zur KO ergangen ist, die keine Restschuldbefreiung vorsah, stand allenfalls die bisherige Rechtsauffassung ab Geltung der [X.] diesem Verfahrensziel der Restschuldbefreiung entgegen.

Nach seiner bisherigen Rechtsprechung hatte der [X.] die Masseverpflichtung auf den zur Konkursmasse gelangten Betrag reduziert. Die restliche Steuerforderung wäre jedoch unter Geltung der [X.], wie unter [X.] aa dargelegt, als Forderung gegen das insolvenzfreie Vermögen zu qualifizieren. Eine solche Forderung würde aber am [X.] (§ 286 ff. [X.]) nicht teilnehmen können, weil sie nicht gegenüber einem Insolvenzgläubiger besteht (ebenso [X.], a.a.[X.], § 286 Rz 20). Auch könnte der Schuldner von dieser Forderung gegen das insolvenzfreie Vermögen nicht durch ein zweites Insolvenz- und anschließendes [X.] befreit werden. Zwar wäre die Forderung in einem zweiten Insolvenzverfahren als Insolvenzforderung zu qualifizieren, die zur Teilnahme am [X.] grundsätzlich berechtigen könnte. Nach der gefestigten Rechtsprechung des [X.] ist die Eröffnung eines zweiten Insolvenzverfahrens jedoch unzulässig, weil --ohne Freigabe von [X.] wegen §§ 35 Abs. 1, 36 [X.] kein weiteres insolvenzrechtlich verwertbares Vermögen vorhanden wäre ([X.]-Beschlüsse vom 18. Mai 2004 IX ZB 189/03, Z[X.] 2004, 739; vom 3. Juli 2008 IX ZB 182/07, Z[X.] 2008, 924; vom 9. Juni 2011 IX ZB 175/10, Z[X.] 2011, 1349, unter [X.]). Folglich hätte der Insolvenzschuldner keine Möglichkeit, sich von der durch den Verwalter (mit Hilfe der Rechtsprechung) begründeten Steuerforderung zu befreien, was dem Ziel der Restschuldbefreiung zuwiderläuft.

Nach der nunmehr vertretenen Rechtsauffassung handelt es sich bei der Steuerforderung insgesamt um sonstige Masseverbindlichkeiten, so dass insoweit ein Zielkonflikt mit der Restschuldbefreiung nicht auftreten kann.

(3) Der [X.] verkennt nicht, dass die Verwertung der mit [X.] belasteten Gegenstände im allseitigen Interesse liegt und die Änderung der bisherigen Rechtsprechung die praktische Folge nach sich ziehen könnte, dass der Verwalter künftig von der Möglichkeit der Freigabe des belasteten Gegenstands Gebrauch machen wird, um die Masse nicht mit aus [X.] resultierenden Masseverbindlichkeiten zu belasten. Die Richtigkeit einer solchen Annahme unterstellt, kann dieser rein tatsächliche Gesichtspunkt gleichwohl nicht darüber hinweg helfen, dass dem Verwalter die rechtliche Befugnis zur Belastung des insolvenzfreien Vermögens mit Verbindlichkeiten fehlt.

Sollte es wegen der geänderten Rechtsprechung vermehrt zur Freigabe der mit [X.] belasteten Gegenstände kommen und sollte die aus ihrer Verwertung durch die absonderungsberechtigten Gläubiger resultierende Einkommensteuer als Forderung gegen das insolvenzfreie Vermögen einzuordnen sein, läge der Grund für einen daraus resultierenden Zielkonflikt mit der Restschuldbefreiung aber [X.] als der Kläger meint-- zumindest nicht in der geänderten Rechtsprechung. Anders als unter der bisherigen Rechtsprechung (s. oben, [X.] bb (2)) wäre wegen der Freigabe des Gegenstands verwertbare Masse vorhanden, die grundsätzlich ein zweites Insolvenzverfahren rechtfertigen könnte. Einer Restschuldbefreiung könnte dann zwar der Versagungsgrund nach § 290 Abs. 1 Nr. 3 [X.] entgegenstehen. Darüber ist jedoch vorliegend nicht zu entscheiden.

3. Die Sache ist spruchreif. Zwischen den Beteiligten ist weder die Höhe des Veräußerungsgewinns noch der [X.]punkt der Gewinnrealisierung streitig. Auch der [X.] geht unter Beachtung der einschlägigen Regelungen in § 4a Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 i.V.m. §§ 14, 16 EStG davon aus, dass die hier streitigen Veräußerungsgewinne dem Gewinn des [X.] hinzuzurechnen und deshalb zutreffend im angefochtenen Einkommensteuerbescheid erfasst worden sind. Angesichts dessen sieht der [X.] von weiteren Ausführungen ab.

Meta

IV R 23/11

16.05.2013

Bundesfinanzhof 4. Senat

Urteil

vorgehend FG Düsseldorf, 2. Februar 2011, Az: 7 K 3953/10 E, Urteil

§ 1 S 2 InsO, § 53 InsO, § 55 Abs 1 Nr 1 InsO, § 80 Abs 1 InsO, § 290 Abs 1 Nr 3 InsO, § 4a Abs 2 Nr 1 S 2 EStG 2002, § 14 EStG 2002, § 16 EStG 2002, § 2 Abs 1 EStG 2002

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 16.05.2013, Az. IV R 23/11 (REWIS RS 2013, 5720)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 5720

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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