Bundesgerichtshof, Beschluss vom 18.05.2017, Az. III ZR 525/16

3. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 10714

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STREITGENOSSENSCHAFT STREITVERKÜNDUNG MATERIELLE RECHTSKRAFT

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Gegenstand

Klage auf Feststellung des Fortbestands eines Pachtverhältnisses: Bemessung des Zuständigkeits-, Rechtsmittel- und Gebührenstreitwerts; Rechtskraftwirkung eines Feststellungsurteils unter Streitgenossen


Leitsatz

1. Verlangt der Unterpächter gegenüber dem Unterverpächter und dem Generalverpächter/Grundstückseigentümer - als Streitgenossen - die Feststellung, dass der Unterpachtvertrag mit ihm selbst und der Generalpachtvertrag zwischen den beiden Beklagten ungekündigt fortbestehen, und geht es ihm hierbei ausschließlich darum, sein Besitzrecht an der von ihm genutzten Parzelle gegen Herausgabeansprüche der beiden Beklagten zu verteidigen, so bemessen sich der Zuständigkeits- und Rechtsmittelstreitwert gemäß §§ 8, 9 ZPO nach dem dreieinhalbfachen und der Gebührenstreitwert gemäß § 41 Abs. 1 GKG nach dem einfachen Jahresbetrag des vom Kläger für seine Parzelle zu entrichtenden Pachtzinses.

2. Ein gegen einfache Streitgenossen ergangenes Feststellungsurteil entfaltet im Verhältnis unter diesen keine Rechtskraftwirkung.

Tenor

Der Wert der Beschwer der Beklagten zu 2 wird auf bis zu 1.000 € und der Streitwert für das Beschwerdeverfahren auf bis zu 500 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Beklagte zu 2 ist Eigentümerin verschiedener Grundstücke in B.   -W.       , zu denen auch die so genannten "[X.]       " gehören. 1992 schloss sie mit dem Beklagten zu 1 einen "Generalpachtvertrag für die Kleingartenanlagen in B.   -W.       " mit dem Zweck der "kleingärtnerischen Nutzung gemäß den Vorschriften des Bundeskleingartengesetzes". Mit [X.] wurden die "[X.]      " 1993 in diesen Vertrag mit einbezogen. Der vom Beklagten zu 1 an die Beklagte zu 2 zu zahlende jährliche Pachtzins beträgt 42.963,43 €. 2009 unterverpachtete der Beklagte zu 1 die [X.] 201 der "[X.]        " für ein jährliches Entgelt von [X.] an die Klägerin. Im Juni 2013 kündigte die Beklagte zu 2 den Generalpachtvertrag über die "[X.]      " zum 31. Dezember 2013, hilfsweise zum nächstmöglichen Zeitpunkt. Daraufhin kündigte der Beklagte zu 1 den [X.] mit der Klägerin ebenfalls zum 31. Dezember 2013, ersatzweise zum nächstmöglichen Zeitpunkt. Die Klägerin widersprach der Kündigung und kam der [X.] der Beklagten zu 2 nicht nach.

2

Die [X.]en streiten um den Fortbestand des [X.] zwischen den Beklagten zu 1 und 2 und des [X.]s zwischen dem Beklagten zu 1 und der Klägerin. Die Klägerin hält die Kündigungen beider Verträge für unwirksam. Ihre auf Feststellung des [X.] und des [X.]es gerichtete Klage hat vor dem [X.] teilweise - nämlich hinsichtlich des [X.]s - und vor dem Berufungsgericht in vollem Umfang - also auch hinsichtlich des [X.] - Erfolg gehabt.

3

Mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Berufungsurteil verfolgt die Beklagte zu 2 ihren Klageabweisungsantrag hinsichtlich der Feststellung des [X.] des [X.] weiter.

II.

4

1. Der Wert der mit der beabsichtigten Revision geltend zu machenden Beschwer der Beklagten zu 2 (§ 26 Nr. 8 Satz 1 EGZPO) ist gemäß §§ 8, 9 ZPO lediglich mit bis zu 1.000 € zu bemessen.

5

a) Maßgeblich ist der vom Rechtsmittelkläger darzulegende und gegebenenfalls glaubhaft zu machende Wert des Interesses an der erstrebten Abänderung des Urteils (s. etwa Senatsbeschluss vom 18. August 2016 - [X.]/15, NJW-RR 2016, 1150, 1151 Rn. 4 mwN), hier an der Beseitigung der Feststellung des ungekündigten [X.] des [X.].

6

b) Dieser Wert bemisst sich gemäß §§ 8, 9 ZPO nach dem dreieinhalbfachen Jahresbetrag des für die Parzelle der Klägerin zu entrichtenden Pachtzinses (= 838,35 €).

7

aa) § 8 ZPO findet - neben sonstigen Pachtverhältnissen - auch auf Kleingartenpachtverhältnisse im Sinne des Bundeskleingartengesetzes Anwendung (Senatsurteil vom 17. März 2005 - [X.], NJW-RR 2005, 867, 868; Senatsbeschlüsse vom 2. Oktober 2007 - [X.], [X.], 461, 462 Rn. 6; vom 11. Dezember 2008 - [X.], NJW-RR 2009, 775 Rn. 8; vom 17. Dezember 2009 - [X.], [X.] 2010, 1723 Rn. 9 und vom 26. November 2015 - [X.], NJW-RR 2016, 506 Rn. 6). Ist das Ende des streitigen Miet- oder Pachtverhältnisses - wie hier - weder bestimmt noch sonst näher bestimmbar, so ist im Rahmen der Wertbemessung gemäß § 8 ZPO die in § 9 ZPO festgelegte Höchstgrenze des dreieinhalbfachen Jahresbetrages entsprechend anzuwenden (Senatsurteil vom 17. März 2005 aaO [X.]; Senatsbeschlüsse vom 2. Oktober 2007 aaO Rn. 7; vom 11. Dezember 2008 aaO; vom 17. Dezember 2009 aaO und vom 26. November 2015 aaO). § 8 ZPO erfasst neben Räumungsklagen auch Feststellungsklagen, wobei für diese kein Bewertungsabschlag vorzunehmen ist (s. dazu Senatsbeschlüsse vom 17. Dezember 2009 aaO Rn. 12 und vom 26. November 2015 aaO Rn. 7 sowie [X.], Beschluss vom 29. Oktober 2008 - [X.]/08, NJW-RR 2009, 156 f Rn. 7 ff mwN).

8

bb) Der Rechtsstreit hat den (Fort-)Bestand eines ([X.] zum Gegenstand. Zwar betrifft der von der Nichtzulassungsbeschwerde angefochtene [X.] des Berufungsgerichts unmittelbar nicht den [X.] zwischen der Klägerin und dem Beklagten zu 1, sondern den Generalpachtvertrag zwischen den Beklagten zu 1 und 2. Gleichwohl ist auch insoweit nur auf den nach dem [X.] geschuldeten Pachtzins abzustellen. Denn sowohl das Interesse der Klägerin an der Feststellung des [X.] des [X.] als auch die hiermit verbundene materielle Beschwer der Beklagten zu 2 beziehen und beschränken sich auf das Pachtverhältnis über die Parzelle 201.

9

(1) Mit ihren Feststellungsanträgen bekämpft die Klägerin die Kündigungen des [X.] und des [X.]s mit dem ausdrücklich und wiederholt erklärten Ziel, ihr Besitzrecht an der von ihr genutzten Par-zelle zu verteidigen. Der Rechtsstreit hat hiernach ausschließlich das von der Klägerin geltend gemachte (weiter bestehende) Besitzrecht an der Parzelle 201 zum Gegenstand. Dies gilt nicht nur für den Antrag auf Feststellung des [X.] des [X.]s, sondern auch für den Antrag auf Feststellung des [X.] des [X.] zwischen den Beklagten zu 1 und 2, weil hiervon nach dem Vorbringen der Klägerin abhängt, ob und [X.] mit welchem Vertragspartner das (Unter-)Pachtverhältnis für ihre Parzelle weiterhin aufrechterhalten bleibt. Gemäß dem Klagebegehren umfasst das Interesse der Klägerin nicht den Bestand des [X.] als solchen, sondern lediglich das (Fort-)Bestehen des [X.] an ihrer Parzelle gegenüber beiden Beklagten (als Unterverpächter beziehungsweise als Generalverpächterin und Eigentümerin).

(2) Auch die Beschwer der Beklagten zu 2 erschöpft sich in - für sie belastenden - Feststellungen zum Besitzrecht der Klägerin an der Parzelle 201. Zwar weist der [X.] zum Fortbestand des [X.] keinen ausdrücklichen - einschränkenden - Bezug zum [X.] zwischen der Klägerin und dem Beklagten zu 1 auf. Seine Bedeutung beschränkt sich aber auf die Parzelle der Klägerin; andere Parzellen sind hiervon ebenso wenig betroffen wie der Generalpachtvertrag als solcher. Die titulierte Feststellung entfaltet ihre [X.] nämlich allein im Verhältnis zwischen den einander gegenüberstehenden [X.]en des Rechtsstreits, hier also zwischen der Klägerin einerseits und den Beklagten zu 1 und 2 andererseits. Als einfache Streitgenossen sind die Beklagten zu 1 und 2 hieran im Verhältnis untereinander nicht gebunden; eine [X.] tritt insoweit nicht ein (s. hierzu [X.], NJW-RR 1992, 922, 923; [X.], NJW-RR 1997, 90, 91; [X.], [X.] 2006, 270, 271; Musielak in Musielak/Voit, ZPO, 14. Aufl., § 325 Rn. 5; MüKoZPO/[X.], 5. Aufl., § 325 Rn. 12; [X.]/Vollkommer, ZPO, 31. Aufl., § 325 Rn. 4; HkZPO/[X.], 7. Aufl., § 325 Rn. 3; PG/Völzmann-Stickelbrock, ZPO, 9. Aufl., § 325 Rn. 5). Ebenfalls keine Bindungswirkung kommt dem [X.] im Verhältnis zu anderen Parzellenpächtern zu. Rechtliche Relevanz hat er mithin allein für das (Unter-)Pachtverhältnis über die Parzelle der Klägerin.

2. [X.] des Beschwerdeverfahrens richtet sich gemäß § 41 Abs. 1 GKG nach dem einfachen Betrag des [X.] für die von der Klägerin genutzte Parzelle (= [X.]). Diese Vorschrift ist weit auszulegen und findet Anwendung, wenn das Bestehen eines Pachtverhältnisses im Streit steht, insbesondere auch dann, wenn ein Pachtverhältnis lediglich von einer [X.] geltend gemacht oder wenn über die rechtliche Einordnung eines Nutzungsverhältnisses als (Kleingarten-)Pachtverhältnis gestritten wird (vgl. dazu [X.], Beschluss vom 16. Juni 2016 - [X.], [X.], 892 Rn. 4 ff sowie Senatsbeschluss vom 17. Dezember 2009 aaO S. 1723 f Rn. 13, jeweils mwN). Entgegen der Ansicht beider Vorinstanzen ist die Beklagte zu 2 nicht als außerhalb des streitigen Nutzungsverhältnisses stehende "Dritte" anzusehen (mit der Folge der Anwendung von § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG iVm § 3 ZPO), sondern als Grundstückseigentümerin, die den Generalpachtvertrag gekündigt und von der Klägerin die Herausgabe der Parzelle verlangt hat, in den Streit um das Fortbestehen des pachtvertraglichen [X.] der Klägerin einbezogen. Dies genügt - gerade auch im Hinblick auf den [X.] Schutzzweck dieser Streitwertregelung - für die Anwendung von § 41 GKG.

Herrmann     

      

Tombrink     

      

Remmert

      

Pohl     

      

Arend     

      

Meta

III ZR 525/16

18.05.2017

Bundesgerichtshof 3. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZR

vorgehend KG Berlin, 6. Oktober 2016, Az: 20 U 73/15

§ 8 ZPO, § 9 ZPO, § 41 Abs 1 GKG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 18.05.2017, Az. III ZR 525/16 (REWIS RS 2017, 10714)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 10714


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. III ZR 525/16

Bundesgerichtshof, III ZR 525/16, 18.05.2017.


Az. 20 U 73/15

Oberlandesgericht Düsseldorf, 20 U 73/15, 31.08.2020.


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