Bundessozialgericht, Urteil vom 17.03.2016, Az. B 11 AL 3/15 R

11. Senat | REWIS RS 2016, 14288

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Förderung der ganzjährigen Beschäftigung - kein Anspruch auf Mehraufwands-Wintergeld für Arbeitnehmer bei Einsatz auf Arbeitsplätzen im Ausland - keine Aufbringung der Mittel durch eine Umlage - verfassungs- und europarechtskonforme Auslegung


Leitsatz

Ein Anspruch auf Winterbeschäftigungsförderung in Form von Mehraufwands-Wintergeld besteht nur für tatsächlich geleistete Arbeitsstunden gewerblicher Arbeitnehmer, die in der Förderungszeit auf einem Arbeitsplatz im Inland eingesetzt werden.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 7. Mai 2015 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Revisionsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

[X.] steht die Gewährung von [X.] an die Beschäftigten der Klägerin für die [X.] vom 15.12.2009 bis 28.2.2010.

2

Die Klägerin ist eine Gesellschaft türkischen Rechts (Limited) mit Hauptniederlassung in [X.]. Sie betreibt seit 17.9.2007 eine Zweigniederlassung in [X.], deren Unternehmensgegenstand das Maurer- und Betonbauerhandwerk ist. Auf die Arbeitsverhältnisse findet der allgemeinverbindliche Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe (BRTV Bau) Anwendung. Die Klägerin ist verpflichtet, für ihre Arbeitnehmer fortlaufend [X.] zu zahlen; sie hat diese auch gezahlt (Prüfbericht der [X.] vom 3.5.2010).

3

Die Klägerin führte durch ihre Arbeitnehmer von Oktober 2009 bis Mai 2012 Bauarbeiten auf einer Baustelle in E. Niederlande - durch. Die dort eingesetzten Arbeitnehmer behielten ihren Wohnsitz in [X.] bei. Die Klägerin zahlte von Dezember 2009 bis Februar 2010 an ihre Arbeitnehmer Vorschüsse auf das [X.] aus. Am [X.] beantragte sie bei der [X.] die "Erstattung" von [X.] für diese Monate und bezifferte die beantragten Leistungen für Dezember 2009 auf 849,50 Euro, für Januar 2010 auf 2710 Euro sowie für Februar 2010 auf 5811,50 Euro. Sie legte der [X.] Abrechnungslisten sowie Aufzeichnungen über Wetterbedingungen vor.

4

Die Beklagte lehnte die Gewährung von [X.] ab (Bescheid vom [X.]). [X.] Arbeitsausfälle auf Baustellen im Ausland begründeten keinen Anspruch auf [X.] oder ergänzende Leistungen (§ 175a [X.] in der bis 31.3.2012 geltenden Fassung des Art 1 Nr 12 des [X.] vom [X.], [X.] 926; im Folgenden § 175a [X.] aF). Der Widerspruch der Klägerin, die einen Verstoß gegen die Arbeitnehmerfreizügigkeit rügte, blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 31.5.2010).

5

Das von der Klägerin angerufene [X.] hat die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin für ihre Arbeitnehmer [X.] in dem streitigen [X.]raum zu zahlen (Urteil vom 20.6.2013). Die Arbeitnehmer seien in der fraglichen [X.] den gesetzlichen Anforderungen entsprechend beschäftigt worden. Die Klägerin habe auch die Mittel für die Förderung durch [X.] durch Zahlung der Umlage aufgebracht. Die Möglichkeit der Erstattung der [X.] für Arbeitnehmer, die im Ausland eingesetzt seien, stehe dem nicht entgegen.

6

Die Beklagte hat dagegen Berufung zum [X.] eingelegt. Sie hat die Auffassung vertreten, dass das [X.] nicht für Beschäftigte vorgesehen sei, die auf Baustellen im Ausland arbeiteten. Das [X.] hat das Urteil des [X.] aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 7.5.2015). Die Vorschrift des § 175a Abs 1 und 3 [X.] aF sei zwar anwendbar, weil die Beschäftigten ihren Wohnsitz in [X.] hätten. Entgegen der Auffassung des [X.] lägen die tatbestandlichen Voraussetzungen des Anspruchs aber nicht vor. Anspruch auf [X.] bestehe nur, soweit die Mittel für ergänzende Leistungen durch die [X.] aufgebracht würden. Dies sei für die betroffenen Arbeitnehmer im streitgegenständlichen [X.]raum, in dem sie auf einer Baustelle in den Niederlanden eingesetzt gewesen seien, nicht der Fall. Zwar ordne § 354 [X.] an, dass die Mittel für ergänzende Leistungen - auch im Betrieb der Klägerin - durch die [X.] aufzubringen seien. Allerdings sei die Regelung des § 5 Abs 4 [X.] ([X.]) zu berücksichtigen. Danach seien den Arbeitgebern Umlagebeträge, die sie für [X.]en der Beschäftigung von gewerblichen Arbeitnehmern auf Baustellen außerhalb des Geltungsbereichs des Gesetzes entrichtet hätten, auf Antrag zu erstatten. Aufgrund der Regelung habe die Klägerin die Mittel für die ergänzenden Leistungen nicht iS des § 175a Abs 1 [X.] aF "aufgebracht". Dies folge auch aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift, die aus den Bestimmungen über die ehemalige Winterbauförderung hervorgegangen sei. Der Gesetzgeber sei auch nach der Systematik der §§ 209 ff [X.] in der ab 1.1.1998 geltenden Fassung des [X.] vom [X.] ([X.] 594) davon ausgegangen, dass ein Anspruch auf [X.] für Arbeitnehmer, die im Ausland beschäftigt seien, nicht bestehe. Dies sei mit höherrangigem Recht vereinbar.

7

Die Klägerin hat die vom [X.] zugelassene Revision eingelegt. Sie macht insbesondere geltend, das Urteil des [X.] verletze europäisches Recht, weil es nicht den Grundsätzen der Arbeitnehmerfreizügigkeit (Art 45 Abs 2 AEUV) Rechnung trage. Die Auslegung des § 5 Abs 4 der [X.] verletze auch Bundesrecht. Arbeitnehmer hätten gegenüber dem Arbeitgeber tarifvertragliche Ansprüche, die territorial nicht begrenzt seien. Der von den Arbeitnehmern mitfinanzierten Umlage stehe keine entsprechende Leistung gegenüber, wenn der Einsatz auf [X.] nicht gefördert werde. Wenn nach verfassungsrechtlichen Maßstäben das [X.] zu leisten sei, verliere die in der Versagung der Leistung liegende Rechtsverletzung nicht dadurch ihre Eigenschaft als Rechtsverletzung, dass eine Erstattung der Beiträge für die - rechtswidrig verweigerten - Leistungen vorgesehen sei.

8

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des [X.] vom 7. Mai 2015 aufzuheben und die Berufung der [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 20. Juni 2013 zurückzuweisen.

9

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil des [X.] für zutreffend.

Entscheidungsgründe

Die Revision der [X.]lägerin ist zulässig, in der Sache aber nicht begründet und daher zurückzuweisen (§ 170 [X.] 1 S 1 SGG).

1. Die [X.]lägerin ist als Arbeitgeberin berechtigt, die Rechte ihrer Arbeitnehmer - hier die Inanspruchnahme von das [X.] ergänzenden Leistungen - im Wege der gesetzlichen Verfahrens- und Prozessstandschaft geltend zu machen ([X.] vom [X.] - [X.]a/11 [X.] 15/04 R - [X.] 4-4300 § 323 [X.] 1; [X.] vom [X.] - [X.] [X.] 21/09 R - [X.] 4-4300 § 173 [X.] 1 mwN; zum früheren [X.]: [X.] vom 29.1.2008 - [X.]/7a [X.] 20/06 R - [X.] 4-4300 § 175 [X.] 1 Rd[X.] 10). Dies gilt nicht nur für das [X.] nach §§ 169 f [X.], sondern auch für die Inanspruchnahme von [X.] (§ 175 [X.] 8 iVm § 173 [X.] aF, jetzt § 101 [X.] 8 iVm § 99 [X.]) und dessen "ergänzende Leistungen" (§ 175a [X.], jetzt § 102 [X.]; dazu [X.]ühl in Brand, [X.], 7. Aufl 2015, § 102 Rd[X.] 2; Bieback in Gagel, [X.]/[X.], § 102 [X.] Rd[X.] 47, Stand April 2012). Auch insoweit finden die §§ 169 f [X.] entsprechende Anwendung, da nichts Abweichendes geregelt ist.

Eine Beiladung der Arbeitnehmer zu diesem Rechtsstreit ist nicht notwendig (§ 75 [X.] 2 SGG; BSG Urteil vom [X.] - [X.]a/11 [X.] 15/04 R - [X.] 4-4300 § 323 [X.] 1 Rd[X.] 11; [X.] vom 29.1.2008 - [X.]/7a [X.] 20/06 R - [X.] 4-4300 § 175 [X.] 1 Rd[X.] 10).

2. Das [X.] hat zutreffend entschieden, dass die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage der [X.]lägerin unbegründet ist. Der Bescheid der Beklagten vom [X.] in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3[X.], mit dem die Beklagte die Gewährung von [X.] für die in [X.] beschäftigten Arbeitnehmer abgelehnt hat, ist rechtmäßig und verletzt die Arbeitnehmer der [X.]lägerin nicht in ihren Rechten.

Nach § 175a [X.] 1 und 3 [X.] (jetzt § 102 [X.] 1 und 3 [X.]) haben Arbeitnehmer Anspruch auf [X.] als Zuschuss-[X.] und [X.] und Arbeitgeber haben Anspruch auf Erstattung der von ihnen zu tragenden Beiträge zur Sozialversicherung, soweit für diese Zwecke Mittel durch eine Umlage aufgebracht werden. [X.] wird nach [X.] 3 der Vorschrift in Höhe von 1 Euro für jede in der [X.] vom 15.12. bis zum letzten [X.]alendertag des Monats Februar geleistete berücksichtigungsfähige Arbeitsstunde an Arbeitnehmer gewährt, die auf einem witterungsabhängigen Arbeitsplatz beschäftigt sind. [X.] sind im Dezember bis zu 90, im Januar und Februar jeweils bis zu 180 Arbeitsstunden. Die Leistung soll im Wege eines pauschalierten Aufwendungsersatzes die witterungsbedingten Mehraufwendungen in der [X.] ausgleichen ([X.] in [X.]/[X.]/[X.] [X.], 5. Aufl 2013, § 102 Rd[X.] 16).

Die [X.]lägerin kann für ihre auf einer Auslandsbaustelle eingesetzten Arbeitnehmer [X.] nicht beanspruchen. Das ergibt sich - wie das [X.] überzeugend dargelegt hat - aus der Entstehungsgeschichte des § 175a [X.]; dies hat das BSG bereits zum früheren Recht der Winterbauförderung ausführlich dargelegt (a). Diese Auslegung der Vorschrift verletzt weder Grundrechte der Arbeitnehmer der [X.]lägerin (b) noch verstößt sie gegen Europarecht (c).

a) Aus der historischen Auslegung des § 175a [X.] 1 und 3 [X.] ergibt sich, dass die dem Verbleib in Beschäftigung während der witterungsungünstigen Jahreszeit dienenden ergänzenden Leistungen nicht für auf [X.] eingesetzte Arbeitnehmer zu erbringen sind.

Das BSG hatte bereits zum Recht der (früheren) Winterbauförderung entschieden, eine Förderung komme nur für Arbeiten in Betracht, die innerhalb der Grenzen der (damaligen) [X.] und des [X.] verrichtet werden (zu § 80 [X.]: [X.] vom [X.] [X.]/75 - [X.], 255 = [X.] 4100 § 80 [X.] 1 - juris Rd[X.] 37 f; zu §§ 83 f [X.]: [X.] vom 25.7.1985 - 7 [X.] - [X.] 4100 § 83 [X.] 2 juris Rd[X.] 11 f).

Der Gesetzgeber ging bei der Übernahme des Rechts der Winterbauförderung in das [X.] (§§ 209 ff [X.] idF ab 1.1.1998 geltenden Fassung des [X.] vom [X.], [X.]) davon aus, dass die Voraussetzungen für das [X.] bei einer Beschäftigung auf Baustellen im Ausland grundsätzlich nicht erfüllt sind. Dies wird durch die Fassung der Regelung des § 216 [X.] 1 [X.] idF ab 1.1.1998 deutlich, die das zuständige [X.] ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des [X.] - abweichend von der geltenden Rechtslage - zu bestimmen, dass [X.] auch für Arbeitsstunden zu zahlen ist, die entsandte Arbeitnehmer (§ 4 [X.] 1 SGB IV) außerhalb des Geltungsbereichs des Gesetzes in Gebieten leisten, in denen die Bauarbeiten während der Förderungszeit in gleicher Weise witterungsbedingten Erschwernissen ausgesetzt sind. Der Einsatz von Arbeitnehmern im Ausland hatte, auch wenn er im Wege der Entsendung erfolgte, also grundsätzlich zur Folge, dass kein Anspruch auf [X.] bestand.

Dem Gesetz zur Intensivierung der Bekämpfung der Schwarzarbeit und damit zusammenhängender Steuerhinterziehung vom 23.7.2004 ([X.] 1842), mit dem § 216 [X.] 1 [X.] zum 1.8.2004 aufgehoben wurde, lag das gesetzgeberische Ziel zugrunde, dass Arbeitnehmer durch die Streichung der Verordnungsermächtigung für die Dauer einer Auslandsbeschäftigung vom [X.]-Bezug ausgeschlossen bleiben sollten (vgl [X.], [X.] zu [X.] 2). Dies erfolgte mit dem Ziel, Arbeitgeber, die im Ausland tätig werden wollen, zu entlasten und "vor [X.] schützen". Zugleich wurde die damalige [X.] geändert und in deren § 3 [X.] 1a - eine dem späteren § 5 [X.] 4 [X.] entsprechende Regelung - eingefügt. Damit sollte sichergestellt werden, "dass die Bauarbeitgeber zukünftig keine [X.] mehr für gewerbliche Arbeitnehmer, die auf [X.] beschäftigt sind, … abführen müssen" ([X.], [X.]).

§ 175a [X.] ist zum 1.4.2006 in das [X.] eingefügt worden, ohne dass der Gesetzgeber den [X.]reis der [X.] gegenüber der zuvor geltenden Rechtslage erweitern wollte (BT-Drucks 16/429, [X.]).

Zwar besteht nach §§ 354, 355 [X.] iVm § 3 [X.] 1 [X.] 1, § 2, § 1 [X.] 1 [X.] 1 [X.] grundsätzlich eine Umlagepflicht auf die [X.] aller im Betrieb der [X.]lägerin beschäftigten gewerblichen Arbeitnehmer. Andererseits sieht § 5 [X.] 4 [X.] vor, dass Umlagebeträge, die auf [X.]en einer Beschäftigung von gewerblichen Arbeitnehmern auf Baustellen im Ausland entfallen, auf Antrag erstattet werden. Im wirtschaftlichen Ergebnis werden die Umlagepflichtigen für die [X.] eines Einsatzes der Arbeitnehmer im Ausland von der Zahlung der Umlage entlastet. Diese Regelung erklärt sich vor dem Hintergrund, dass keine Umlagebeträge erhoben werden dürfen, wenn und solange Arbeitnehmer keinen Anspruch auf ergänzende Leistungen haben.

Aus der Regelung über die Ausstrahlung (§ 4 SGB IV) ergibt sich nichts anderes. § 4 [X.] 1 SGB IV ordnet schon tatbestandlich nicht die Fortgeltung einer Regelung über umlagefinanzierte (ergänzende) Leistungen - wie sie § 175a [X.] beinhaltet - an. Selbst wenn eine Entsendung der Arbeitnehmer in die [X.] vorgelegen hätte, könnte § 4 [X.] 1 SGB IV nur zur Folge haben, dass auf die entsandten Arbeitnehmer die Vorschriften über Versicherungspflicht und -berechtigung weiter Anwendung finden. Der Anspruch auf ergänzende Leistungen (§ 175a [X.]; jetzt: § 102 [X.]) beruht aber nicht auf dem Bestehen einer Versicherungspflicht oder -berechtigung, sondern knüpft an das Bestehen der Umlagepflicht nach § 354 [X.] an.

b) Diese Auslegung und Anwendung des § 175a [X.] 1 und 3 [X.] verletzt nicht die Grundrechte der Arbeitnehmer der [X.]lägerin.

Der Senat kann dahingestellt lassen, ob die Grundrechte der durch die Norm begünstigten, aber am Rechtsstreit nicht beteiligten Arbeitnehmer in diesem Verfahren einen Maßstab bieten, an dem das anzuwendende Recht zu prüfen ist. Dies unterstellt, verletzt § 175a [X.] iVm §§ 354 ff [X.] nicht die verfassungsgemäßen Rechte der Arbeitnehmer.

aa) Das Grundrecht auf Gewährleistung des Eigentums (Art 14 [X.] 1 GG) ist nicht berührt. Selbst wenn die von den Arbeitgebern der förderungsfähigen Wirtschaftszweige aufgebrachten Umlageteile den [X.] zuzurechnen sind, die von den Arbeitnehmern aufgebracht werden mit der Folge, dass diese durch die Zahlung der Umlage eine auf nicht unerheblicher Eigenleistung beruhende Rechtsposition erwerben ([X.] Beschluss vom [X.] - 1 BvL 9/00, 11/00 ua - [X.]E 116, 96 <121>), berührt der Ausschluss der Leistungen im Ausland den möglichen Eigentumsschutz nicht.

Die ergänzenden Leistungen nach § 175a [X.] sind - anders als zB beitragsfinanzierte Leistungen der Arbeitsförderung - akzessorisch in dem Sinne ausgestaltet, dass ein Anspruch auf sie nur entsteht, wenn in dem jeweiligen Wirtschaftszweig die für die Leistungen erforderlichen Mittel durch die Umlage nach §§ 354 ff [X.] bereitzustellen sind ([X.] in [X.], [X.] nF, § 102 Rd[X.] 6; [X.] in [X.]//[X.]/[X.], [X.], 5. Aufl 2013, § 102 Rd[X.] 20; [X.] in [X.]/[X.], [X.], [X.] § 102 Rd[X.] 8, Stand V/2012; zurückhaltender [X.] in LP[X.]-[X.], 2. Aufl 2015, § 102 Rd[X.] 4). Da aber Mittel für eine Förderung der Winterbeschäftigung im Ausland im Ergebnis nicht aufzubringen sind (§ 5 [X.] 4 [X.]), erwerben die Arbeitnehmer von vornherein keine Rechtsposition, die eine Förderung mit [X.] bei Arbeitseinsätzen im Ausland umfasst.

bb) Der Schutzbereich des Art 12 [X.] 1 S 1 GG ist zwar möglicherweise berührt (vgl [X.] Urteil vom 24.11.2010 - 1 [X.] - [X.]E 128, 1 <82>), denn die §§ 354 ff iVm § 175a [X.] sind Regelungen mit berufsregelnder Tendenz, weil sie an der Ausübung einer Beschäftigung gegen Entgelt in bestimmten Wirtschaftszweigen anknüpfen. Das Grundrecht auf Berufsfreiheit ist aber jedenfalls nicht verletzt (vgl Art 12 [X.] 1 S 2 GG), weil die zu prüfenden gesetzlichen Regelungen durch vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls gerechtfertigt sind (vgl [X.] Urteil vom [X.] - 1 BvR 706/08, 1 BvR 814/08 ua - [X.]E 123, 186 <238>). Der Gesetzgeber ließ sich von vernünftigen Erwägungen leiten, als er in den witterungsanfälligen Wirtschaftszweigen eine gemessen an den gesamtem Lohnkosten geringfügig belastende Umlagepflicht von [X.] der umlagepflichtigen [X.] bezogen auf die "gewerblichen Arbeitnehmern" eingeführt hat. Andererseits hat sich der Gesetzgeber von vernünftigen Erwägungen leiten lassen, als er entschied, die Winterbeschäftigung zur Wahrung der Wettbewerbsfähigkeit der betroffenen Wirtschaftszweige und zur Sicherstellung einer noch angemessenen Umlagepflicht auf den Geltungsbereich des Gesetzes zu begrenzen.

c) Dies verletzt auch nicht das [X.] Recht, insbesondere die Gewährleistung der Arbeitnehmerfreizügigkeit.

Die [X.] findet keine Anwendung, weil sie nach Art 97 S 2 EGV 987/2009 (sog Durchführungsverordnung) erst am [X.] in [X.] getreten ist. Sie findet keine Anwendung auf Sachverhalte, die - wie hier - bereits vor ihrem Inkrafttreten beendet waren ([X.] vom 10.7.2012 - B 13 R 17/11 R - [X.], 184 = [X.] 4-5075 § 1 [X.] 9, Rd[X.] 26 f; [X.] vom 16.6.2015 - B 13 R 36/13 R - juris Rd[X.] 16).

Die [X.] 1408/71 findet ebenfalls keine Anwendung. Ihr Anwendungsbereich ist nicht eröffnet, weil es sich bei dem streitgegenständlichen [X.] nicht um eine Leistung bei Arbeitslosigkeit iS von Art 4 [X.] 1 Buchst g [X.] 1408/71 handelt. Leistungen bei Arbeitslosigkeit in diesem Sinne liegen nur vor, wenn sie den aufgrund von Arbeitslosigkeit verlorenen Arbeitslohn ersetzen sollen, also für den (Lebens-)Unterhalt des arbeitslosen Arbeitnehmers bestimmt sind ([X.] Urteil vom [X.] - [X.]/91 - [X.] 3-6050 Art 71 [X.] 3 - juris Rd[X.] 44; [X.] Urteil vom 27.11.1997 - [X.]/96 - juris Rd[X.] 27) oder die sich an Personen richten, die von Arbeitslosigkeit bedroht sind ([X.] Urteil vom [X.] - [X.] 6050 Art 67 [X.] 3 - juris Rd[X.] 12). Beide Fallgestaltungen liegen nicht vor. Das [X.] wird an Arbeitnehmer bezahlt, die in den Monaten Dezember bis Februar auf einem witterungsabhängigen Arbeitsplatz tatsächlich eingesetzt werden. Die Anspruchsberechtigten sind weder arbeitslos noch sind sie von Arbeitslosigkeit bedroht, vielmehr erhalten sie ggf Leistungen zur Förderung des Verbleibs in Beschäftigung (zum alten Recht: [X.] vom [X.] [X.]/75 - [X.], 255 = [X.] 4100 § 80 [X.] 1 - juris Rd[X.] 58; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 5. Aufl 2013, § 102 Rd[X.] 16).

Auch das Gebot der Gleichbehandlung bei Ausübung der Arbeitnehmerfreizügigkeit nach Art 45 [X.] 2 A[X.]V sowie das Gleichbehandlungsgebot aus Art 7 [X.] 2 [X.] 1612/68 (jetzt Art 7 der Verordnung der [X.] [X.] 492/2011 des [X.]n Parlaments und des Rates vom 5.4.2011 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der [X.]) sind nicht verletzt. Nach Art 45 [X.] 1 A[X.]V ist innerhalb der [X.] die Freizügigkeit der Arbeitnehmer gewährleistet. Das Recht auf Freizügigkeit umfasst nach Art 45 [X.] 2 A[X.]V die [X.]chaffung jeder auf der Staatsangehörigkeit beruhenden unterschiedlichen Behandlung der Arbeitnehmer der Mitgliedsstaaten in Bezug auf Beschäftigung, Entlohnung, und sonstige Arbeitsbedingungen. Seine Gewährleistung ist darauf gerichtet, den Arbeitnehmern, die in einem anderen Mitgliedsstaat beschäftigt sind, dieselben rechtlichen Bedingungen zu verschaffen wie den Beschäftigten des [X.]. Auch der Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art 7 [X.] 2 [X.] 1612/68 verbiete nicht nur offene Diskriminierungen aufgrund der Staatsangehörigkeit, sondern auch alle versteckten Formen der Diskriminierung, die durch die Anwendung anderer Unterscheidungsmerkmale tatsächlich zu dem gleichen Ergebnis führen ([X.] vom 28.6.2012 - C-172/11 - Rd[X.] 39 mwN).

Aus den Rechten auf Arbeitnehmerfreizügigkeit und Gleichbehandlung kann nicht das Recht abgeleitet werden, bei Ausübung der Beschäftigung in einem anderen Mitgliedsstaat zu den Arbeitsbedingungen des Herkunftsstaates ([X.] zu werden. Vielmehr sind die genannten Rechte auf Gleichbehandlung mit den Arbeitnehmern des [X.] gerichtet, hier also auf Gleichbehandlung mit den in [X.] beschäftigten Personen (dazu [X.]/[X.], [X.]V/A[X.]V, 2. Aufl 2012, Art 45 A[X.]V Rd[X.] 35).

Die Regelungen des § 175a iVm §§ 354 ff [X.] sind auch nicht zu beanstanden, soweit sie am Maßstab des Art 45 [X.] 2 A[X.]V im Sinne eines Beschränkungsverbots geprüft werden (dazu [X.]/[X.], [X.]V/A[X.]V, 2. Aufl 2012, Art 45 A[X.]V Rd[X.] 86; [X.] Urteil vom 11.1.2007 - [X.]/05 - = [X.] 4-6050 Art 39 [X.] 2 - juris Rd[X.] 31 f). Selbst wenn die hier angeordnete Beschränkung des Anspruchs auf [X.] auf geleistete Arbeitsstunden im Inland eine Beschränkung der Freizügigkeit darstellen könnte, handelt es sich jedenfalls nicht um eine Zugangsbeschränkung zum anderen Mitgliedsstaat, sondern allenfalls um eine "Ausübungsmodalität" des Rechts auf Freizügigkeit ([X.]/[X.], [X.]V/A[X.]V, 2. Aufl 2012, Art 45 A[X.]V Rd[X.] 90 mwN). Eine solche Ausübungsmodalität kann durch sachliche Gründe des nationalen Gesetzgebers gerechtfertigt sein. Dies ist hier der Fall.

Der nationale Gesetzgeber ist bei der Ausgestaltung von Sozialleistungen europarechtlich grundsätzlich nicht auf ein bestimmtes sozialpolitisches [X.]onzept festgelegt (vgl [X.] Urteil vom 14.12.1995 - [X.]/93 - Slg 1995, [X.] ff, Rd[X.] 33 = [X.] 3-6083 Art 4 [X.] 11; [X.] Urteil vom [X.]/97 - Slg 1999, [X.]; [X.] Urteil vom 11.9.2003 - [X.]/02 - Slg 2003, [X.]). Er ist befugt, den Geltungsbereich und die Anwendungsvoraussetzungen der nationalen Rechtsvorschriften im Hinblick darauf zu bestimmen, welche Personen ihnen unterliegen und in welchem Gebiet sie ihre Wirkung entfalten sollen (stRspr; grundlegend [X.] Urteil vom 12.6.1986 - 302/84 - [X.] 6050 Art 13 [X.] 8). Nach diesen Maßstäben war er vorliegend berechtigt, ein System zur Förderung des Verbleibs in Beschäftigung während der [X.] nur im Inland einzuführen. Dabei ist auch zu vermeiden, dass Umlagebeträge zu entrichten sind, denen kein Anspruch auf Gegenleistung gegenübersteht. Dies wird durch § 5 [X.] 4 [X.] ausgeschlossen.

3. Die [X.]ostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG ([X.] vom 11.12.2014 - [X.] [X.] 3/14 R - [X.] 4-4300 § 170 [X.] 3; zuvor schon [X.] vom 21.7.2009 - [X.] [X.] 3/08 R - [X.], 83 = [X.] 4-4300 § 170 [X.] 2 - juris Rd[X.] 22). § 197a [X.] 1 S 1 SGG findet keine Anwendung. Die Vorschrift wäre (nur) anzuwenden, wenn in einem Rechtszug weder der [X.]läger noch der Beklagte zu den in § 183 SGG genannten Personen gehören. Die [X.]lägerin gehört aber zu dem durch § 183 SGG privilegierten Personenkreis, für den Gerichtskostenfreiheit besteht, weil sie im Wege der Verfahrens- und Prozessstandschaft "ergänzende Leistungen" geltend macht, die als Leistungen der aktiven Arbeitsförderung (§ 3 [X.] 2, [X.] 3 [X.] 6 [X.]) materiell den Arbeitnehmern als Leistungsempfängern zustehen.

Meta

B 11 AL 3/15 R

17.03.2016

Bundessozialgericht 11. Senat

Urteil

Sachgebiet: AL

vorgehend SG Dortmund, 20. Juni 2013, Az: S 22 AL 716/10, Urteil

§ 175a Abs 1 SGB 3, § 175a Abs 3 SGB 3, § 354 SGB 3, § 4 Abs 1 SGB 4, § 5 Abs 4 S 1 WinterbeschV, § 1 Abs 1 Nr 1 WinterbeschV, § 3 Abs 1 Nr 1 WinterbeschV, Art 12 Abs 1 GG, Art 14 Abs 1 GG, Art 45 Abs 2 AEUV, Art 4 Abs 1 Buchst g EWGV 1408/71, EGV 883/2004

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 17.03.2016, Az. B 11 AL 3/15 R (REWIS RS 2016, 14288)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 14288

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