Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 09.06.2010, Az. 5 AZR 696/09

5. Senat | REWIS RS 2010, 6048

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Gegenstand

Kleine dynamische Bezugnahmeklausel - Tarifsukzession - Tarifpluralität - ergänzende Vertragsauslegung - Chefarztvergütung


Tenor

1. Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 13. August 2009 - 13 [X.]/09 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger aufgrund arbeitsvertraglicher Vereinbarung Vergütung nach dem zwischen dem [X.] und der [X.] ([X.]) geschlossenen Tarifvertrag für Ärztinnen und Ärzte an kommunalen Krankenhäusern im Bereich der [X.] vom 17. August 2006 (im Folgenden: [X.]/[X.]) zuzüglich eines Aufschlags von 12,20301 % beanspruchen kann.

2

Die Beklagte betreibt ein Krankenhaus. Der 1948 geborene Kläger ist bei ihr seit 1. September 1996 als leitender Arzt (Chefarzt) der Klinik für Unfallchirurgie beschäftigt.

3

Im Arbeitsvertrag vom 9. Februar 1996 vereinbarten die Parteien ua.:

        

„§ 1        

        

Dienstverhältnis           

        

...     

        

Das Dienstverhältnis ist bürgerlich-rechtlicher Natur. Neben den Regelungen dieses Vertrages finden auf das Dienstverhältnis die Paragraphen 7-10, 13, 14, 37 Abs. 1, 38, 48, 52, 66 und 70 des [X.] ([X.]) vom [X.] sowie die vom Krankenhaus erlassenen Satzungen, Dienstanweisungen und Hausordnungen in der jeweils gültigen Fassung Anwendung.

        

...     

        

§ 8      

        

Vergütung im dienstlichen Aufgabenbereich und Einräumung des [X.]           

        

1.    

[X.] erhält für seine Tätigkeit im dienstlichen Aufgabenbereich eine Vergütung entsprechend der Vergütungsgruppe I [X.] der Anlage 1 a zum [X.] ([X.]), d. h. Grundvergütung nach § 27 [X.], [X.] nach Maßgabe des § 29 [X.] sowie Zulage nach dem Zulagentarifvertrag für Angestellte, eine Zuwendung und ein Urlaubsgeld entsprechend der tariflichen Regelungen zum [X.] in der jeweils gültigen Fassung, zahlbar jeweils am Letzten eines Monats für den abgelaufenen Monat auf ein von dem Arzt eingerichtetes Bankkonto.

        

2.    

[X.] erhält ferner:

                 

a)    

das [X.] für die gesondert berechenbaren wahlärztlichen Leistungen bei denjenigen Kranken, die diese Leistungen gewählt, mit dem Krankenhaus vereinbart und in Anspruch genommen haben;

                 

b)    

das [X.] für das Gutachterhonorar bei Aufnahme zur Begutachtung, sowie die gesonderte Berechnung eines Gutachterhonorars neben dem Pflegesatz nach dem [X.] des Krankenhauses in der jeweils gültigen Fassung.

        

...“   

                 

4

Seit der Ersetzung des [X.] (im Folgenden: [X.]) durch den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst vom 13. September 2005 (im Folgenden: [X.]) zum 1. Oktober 2005 vergütet die Beklagte den Kläger nach Maßgabe dieses Tarifvertrags. Der Kläger erhält Vergütung entsprechend der [X.] 15 Ü der Anlage 1 zum Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten der kommunalen Arbeitgeber in den [X.] und zur Regelung des Übergangsrechts (im Folgenden: TVÜ-[X.]) vom 13. September 2005 und bezog im Zeitraum August 2006 bis Mai 2008 eine Grundvergütung von 5.743,27 Euro brutto.

5

Mit Schreiben vom 28. Dezember 2007 machte der Kläger rückwirkend ab August 2006 Vergütung nach [X.] IV [X.]/[X.] geltend.

6

Mit seiner Klage hat der Kläger für den Zeitraum August 2006 bis Mai 2008 die Differenz zwischen den [X.]n IV [X.]/[X.] zuzüglich eines Aufschlags von 12,20301 % iHv. 7.293,20 Euro brutto bzw. 7.699,26 Euro brutto ab 1. April 2008 und der von der Beklagten gezahlten Vergütung iHv. 5.743,27 Euro brutto sowie die Feststellung begehrt, dass sich seine Vergütung mit Wirkung vom 1. Juni 2008 nach der [X.] IV Stufe 1 der [X.] für das Tarifgebiet West des [X.]/[X.] in der jeweiligen Fassung zuzüglich 12,20301 % bemisst. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, seit 1. August 2006 richte sich seine Vergütung nach dem [X.]/[X.]. § 8 Abs. 1 des Arbeitsvertrags enthalte eine dynamische Verweisung. Mangels Fortführung des [X.] sei eine Regelungslücke entstanden, die durch ergänzende Vertragsauslegung zu schließen sei. In Betracht kämen der [X.] und der [X.]/[X.]. Dieses Konkurrenzverhältnis sei unter adäquater Bewertung der Interessenlage der Parteien zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses zu Gunsten des [X.]/[X.] zu lösen. Die Vergütung habe sich an dessen [X.] IV zu orientieren und aufgrund des zu den Oberärzten einzuhaltenden Abstands einen Aufschlag von 12,20301 % zu enthalten.

7

Der Kläger hat, soweit für die Revision noch von Interesse, beantragt,

        

1.    

festzustellen, dass sich seine Vergütung als Chefarzt und Leiter der Unfallchirurgie des [X.] mit Wirkung vom 1. Juni 2008 nach der [X.] IV Stufe 1 der [X.] für das Tarifgebiet West des TV-Ärzte/[X.] in der jeweiligen Fassung zuzüglich 12,20301 % bemisst;

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 17.824,88 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 756,73 Euro seit dem 1. Juli 2007 und 1. August 2007 sowie aus weiteren jeweils 1.549,93 Euro seit dem 1. September 2007, 1. Oktober 2007, 1. November 2007, 1. Dezember 2007, 1. Januar 2008, 1. Februar 2008, 1. März 2008, 1. April 2008 und aus jeweils weiteren 1.955,99 Euro seit dem 1. Mai 2008 und dem 1. Juni 2008 zu zahlen.

8

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, der Kläger habe aufgrund der arbeitsvertraglichen Vereinbarung nur einen Anspruch auf Vergütung nach dem [X.]. Eine ergänzende Vertragsauslegung sei mangels einer Regelungslücke nicht möglich. Zudem sei der [X.]/[X.] nicht der sachnähere Tarifvertrag.

9

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das [X.] hat auf die Berufung der Beklagten die Klage abgewiesen. Mit der vom [X.] zugelassenen Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

Die Revision des [X.] ist unbegründet. Das [X.] hat auf die Berufung der Beklagten die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen [X.]nspruch auf Vergütung nach [X.]/[X.] zuzüglich eines [X.]ufschlags von 12,20301 %.

I. Der [X.]/[X.] findet auf das [X.]rbeitsverhältnis der Parteien nicht mit unmittelbarer und zwingender Wirkung [X.]nwendung (§ 3 [X.]bs. 1, § 4 [X.]bs. 1 [X.]). Unabhängig von der fehlenden beiderseitigen Tarifgebundenheit gilt der [X.]/[X.] nach seinem § 1 [X.]bs. 2 nicht für Chefärzte, deren [X.]rbeitsbedingungen einzelvertraglich vereinbart worden sind. Darüber hinaus sind nach § 16 Buchst. d [X.]/[X.] in [X.] (nur) Leitende Oberärzte, denen die ständige Vertretung des Chefarztes übertragen ist (zu den [X.] des § 16 Buchst. d [X.]/[X.] vgl. [X.] 9. Dezember 2009 - 4 [X.] 836/08 - [X.] 2010, 294), nicht aber Chefärzte eingruppiert.

II. Ein [X.]nspruch des [X.] auf Vergütung nach [X.]/[X.] ergibt sich nicht aus dem [X.]rbeitsvertrag.

Gemäß § 8 Ziff. 1 [X.]rbeitsvertrag erhält der Kläger für seine Tätigkeit im dienstlichen [X.]ufgabenbereich eine Vergütung entsprechend der Vergütungsgruppe [X.] der [X.]nlage 1a zum [X.] in der jeweils gültigen Fassung. Diese Vereinbarung enthält eine kleine dynamische Bezugnahme.

1. Bei § 8 Ziff. 1 des [X.]rbeitsvertrags handelt es sich nach der vom [X.] in [X.]bereinstimmung mit der Rechtsprechung des Senats (1. März 2006 - 5 [X.] 363/05 - Rn. 20 ff., [X.]E 117, 155; vgl. auch [X.] 24. September 2008 - 6 [X.] 76/07 - Rn. 18, [X.]E 128, 73) vorgenommenen rechtlichen Wertung um eine [X.]llgemeine Geschäftsbedingung (§ 305 [X.]bs. 1 Satz 1 und 2 BGB), die von der Beklagten für eine Vielzahl von Verträgen gleichlautend verwendet und dem Kläger bei Vertragsschluss gestellt wurde. [X.]llgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter [X.]bwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die [X.] des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. [X.]nsatzpunkt für die [X.]uslegung [X.]llgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der [X.]. Von Bedeutung für das [X.]uslegungsergebnis sind ferner der von den Vertragsparteien verfolgte Regelungszweck sowie die der jeweils anderen Seite erkennbare Interessenlage der Beteiligten ([X.] 19. März 2008 - 5 [X.] 429/07 - Rn. 24 [X.], [X.]E 126, 198). Die [X.]uslegung [X.]llgemeiner Geschäftsbedingungen ist durch das Revisionsgericht uneingeschränkt zu überprüfen ([X.] 26. September 2007 - 5 [X.] 808/06 - Rn. 13, [X.] § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 58 = Ez[X.] BGB 2002 § 305c Nr. 13).

2. Danach enthält § 8 Ziff. 1 des [X.]rbeitsvertrags eine kleine dynamische Bezugnahme.

In § 8 Ziff. 1 knüpfen die Parteien die Vergütung, obwohl leitende Ärzte (Chefärzte) nach § 3 Buchst. i [X.] von dessen Geltungsbereich ausgenommen sind und dementsprechend die Vergütungsordnungen zum [X.] keine Eingruppierungsmerkmale für Chefärzte enthalten, pauschal an die Vergütungsgruppe I der [X.]nlage 1a zum [X.] einschließlich der in § 26 [X.] vorgesehenen Struktur einer Gesamtvergütung bestehend aus der Grundvergütung und dem [X.] an und gestalten sie dynamisch. Das ergibt sich aus dem Wortlaut der Vereinbarung. Die Vergütung soll sich nach der [X.] der [X.]nlage 1a zum [X.] ([X.]) in der jeweils gültigen Fassung richten. Damit wollte die nicht tarifgebundene Beklagte in ihrem Krankenhaus das Vergütungssystem des kommunalen öffentlichen Dienstes für die Vergütung der Chefärzte im dienstlichen [X.]ufgabenbereich anwenden und die dort stattfindende Vergütungsentwicklung nachvollziehen (vgl. [X.] 16. Dezember 2009 - 5 [X.] 888/08 - Rn. 14, [X.] § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 44). Diese [X.]uslegung entspricht der ständigen Rechtsprechung des [X.], wonach Bezugnahmen im [X.]rbeitsvertrag auf anderweite normative Regelungen in der Regel dynamisch zu verstehen sind (13. November 2002 - 4 [X.] 351/01 - zu [X.] der Gründe, [X.]E 103, 338; vgl. auch 9. November 2005 - 5 [X.] 128/05 - Rn. 22, [X.]E 116, 185).

3. Eine Erstreckung auf den [X.]/[X.] trägt der Wortlaut der Bezugnahmeklausel aber nicht. Der [X.]/[X.] ist keine „gültige Fassung“ des [X.]. § 8 Ziff. 1 des [X.]rbeitsvertrags ist zeit-, nicht jedoch inhaltsdynamisch ausgestaltet. Ein Zusatz, dass auch die den [X.] ersetzenden Tarifverträge [X.]nwendung finden sollen, wurde nicht in die Vergütungsvereinbarung der Parteien aufgenommen (vgl. [X.] 16. Dezember 2009 - 5 [X.] 888/08 - Rn. 15, [X.] § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 44; 19. Mai 2010 - 4 [X.] 796/08 - Rn. 18 f.).

III. Ein [X.]nspruch des [X.] auf Vergütung nach dem [X.]/[X.] seit 1. [X.]ugust 2006 lässt sich nicht auf eine ergänzende [X.]uslegung des [X.]rbeitsvertrags stützen.

1. Es ist nachträglich eine Regelungslücke entstanden.

Im kommunalen Bereich wurde der [X.] zum 1. Oktober 2005 durch den [X.] ersetzt, § 2 [X.]bs. 1 TV[X.]-[X.]. [X.]b diesem Zeitpunkt wurden der [X.] und die [X.] zum [X.] nicht mehr weiterentwickelt. Durch die Tarifsukzession ist die zeitdynamisch angelegte Bezugnahme auf den [X.] im [X.]rbeitsvertrag zur statischen geworden. Der letzte [X.] Nr. 35 zum [X.] datiert vom 31. Januar 2003. Ihn als Grundlage der Vergütung des [X.] zu betrachten, wäre weder mit dem Wortlaut des § 8 Ziff. 1 [X.]rbeitsvertrag noch dem Zweck einer zeitdynamischen Bezugnahme vereinbar. Es träte eine statische Fortgeltung der bereits heute überholten tariflichen Rechtslage des Jahres 2003 ein ([X.] 16. Dezember 2009 - 5 [X.] 888/08 - Rn. 18 ff., [X.] § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 44). Mithin lässt sich ohne Vervollständigung der arbeitsvertraglichen Vergütungsvereinbarung nach dem ihr zugrunde liegenden Regelungsplan eine angemessene, interessengerechte Lösung nicht erzielen (vgl. [X.] 19. Mai 2010 - 4 [X.] 796/08 - Rn. 23; 21. [X.]pril 2009 - 3 [X.] 640/07 - Rn. 33, [X.] Betr[X.]VG § 2 Nr. 60).

2. Die zum 1. Oktober 2005 entstandene nachträgliche Regelungslücke ist zu diesem Zeitpunkt im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu schließen.

a) Bei [X.] hat die ergänzende Vertragsauslegung nach einem objektiv-generalisierenden Maßstab zu erfolgen, der am Willen und Interesse der typischerweise beteiligten Verkehrskreise (und nicht nur der konkret beteiligten Parteien) ausgerichtet sein muss. Die Vertragsergänzung muss deshalb für den betroffenen Vertragstyp als allgemeine Lösung eines stets wiederkehrenden Interessengegensatzes angemessen sein. Es ist zu fragen, was die Parteien bei einer angemessenen [X.]bwägung ihrer Interessen nach [X.] und Glauben als redliche Vertragsparteien vereinbart hätten, wenn ihnen die Unvollständigkeit ihrer Regelung bekannt gewesen wäre ([X.] 25. [X.]pril 2007 - 5 [X.] 627/06 - Rn. 26, [X.]E 122, 182; 11. Oktober 2006 - 5 [X.] 721/05 - Rn. 34, [X.] BGB § 308 Nr. 6 = Ez[X.] BGB 2002 § 308 Nr. 6).

b) [X.]us der dynamischen [X.]usgestaltung der Bezugnahme auf eine Vergütung entsprechend der Vergütungsgruppe [X.] der [X.]nlage 1a zum [X.] ergibt sich der Wille der Parteien, die Vergütung nicht in einer bestimmten Höhe bis zu einer Vertragsänderung festzuschreiben, sondern sie - dynamisch - an der jeweiligen Höhe der Vergütung eines [X.]ngestellten im öffentlichen Dienst, der in die [X.] der Vergütungsordnung zum [X.] eingruppiert ist, auszurichten. Deshalb hätten die Parteien [X.] für den Fall einer Tarifsukzession eine Vergütung entsprechend der Vergütungsgruppe vereinbart, die der im [X.]rbeitsvertrag bezeichneten Vergütungsgruppe nachfolgt und ihr entspricht. Ein „Einfrieren“ der Vergütung auf den Zeitpunkt der Tarifsukzession entsprach nicht ihren Interessen.

Die Vergütungsgruppe I der Vergütungsordnung zum [X.] galt zwar ab dem 1. Oktober 2005 - für neu eingestellte Beschäftigte - nicht fort, die [X.]usgestaltung entsprechender [X.]rbeitsverhältnisse erfolgt außertariflich, § 17 [X.]bs. 2 TV[X.]-[X.]. Zum 30. September 2005 schon Beschäftigte der [X.] der Vergütungsordnung zum [X.] wurden aber in die [X.] übergeleitet, § 4 [X.]bs. 1 Satz 1 iVm. der [X.]nlage 1 TV[X.]-[X.], § 19 [X.]bs. 2 TV[X.]-[X.]. Es ist deshalb anzunehmen, dass die Parteien eine Vergütung entsprechend der [X.] [X.] vereinbart hätten, wenn sie eine Ersetzung der Vergütungsgruppe I der Vergütungsordnung zum [X.] bedacht hätten. Damit erhält der Kläger genau die Vergütung, die er arbeitsvertraglich vereinbart hat.

3. Mit dem Inkrafttreten des [X.]/[X.] zum 1. [X.]ugust 2006 ist entgegen der [X.]uffassung des [X.] eine (weitere) Regelungslücke nicht entstanden.

a) Der [X.]/[X.] hat zwar, allerdings erst mit Wirkung zum 1. [X.]ugust 2006, den [X.] für die in den Geltungsbereich des [X.]/[X.] fallenden Ärztinnen und Ärzte ersetzt, § 2 [X.]bs. 1 TV[X.]-Ärzte/[X.]. § 8 Ziff. 1 des [X.]rbeitsvertrags ist dadurch aber nicht - erneut - lückenhaft geworden. Die von den Parteien gewollte Dynamik der Vereinbarung einer Vergütung „entsprechend der Vergütungsgruppe [X.] der [X.]nlage 1a zum [X.] ([X.])“ war durch die Schließung der Lücke zum 1. Oktober 2005 durch die [X.]nwendung der [X.] [X.] erhalten geblieben. Diese ist - jedenfalls bislang - keine „statische“ [X.], ihre Tabellenwerte wurden zum 1. Januar 2008, 1. Januar 2009, 1. Januar 2010 sowie 1. Januar und 1. [X.]ugust 2011 erhöht, § 19 [X.]bs. 2 TV[X.]-[X.] idF des [X.] Nr. 2 vom 31. März 2008 und des [X.] Nr. 5 vom 27. Februar 2010. Zudem gibt es im [X.]/[X.] keine der [X.] der Vergütungsordnung zum [X.] entsprechende [X.]. [X.]uch eine Zuordnung der [X.] der Vergütungsordnung zum [X.] bzw. der [X.] [X.] zu einer der [X.]n des § 16 [X.]/[X.] erfolgte nicht.

b) Selbst wenn man eine Lücke deshalb annehmen würde, weil die Parteien zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht bedenken konnten, das Bezugsobjekt ihrer Vergütungsvereinbarung werde in Zukunft durch zwei die [X.]rbeitsverhältnisse von Ärzten regelnde Tarifwerke (die allerdings beide Chefärzte aus ihrem Geltungsbereich ausgeschlossen haben) ersetzt (so wohl [X.], 935), ist nicht anzunehmen, dass die Parteien bei einer angemessenen [X.]bwägung ihre Interessen nach [X.] und Glauben als redliche Vertragsparteien eine Vergütung nach dem [X.]/[X.] vereinbart hätten.

aa) [X.]ls redliche Vertragsparteien hätten die Parteien, wenn sie bei Vertragsschluss bedacht hätten, dass die arbeitsvertraglich in Bezug genommene Vergütungsordnung durch mehrere tarifliche Vergütungssysteme ersetzt werden könnte, eine [X.]nlehnung ihrer Vergütung an das Vergütungssystem gewählt, das der im [X.]rbeitsvertrag benannten „Vergütungsgruppe [X.] der [X.]nlage 1 a zum [X.] ([X.])“ entspricht oder am nächsten kommt. Eine „[X.]berleitung“ bzw. „Ersetzung“ der Vergütungsgruppe I der Vergütungsordnung zum [X.] erfolgte nur durch die [X.] [X.]. Dagegen enthält der [X.]/[X.] überhaupt keine der [X.] der Vergütungsordnung zum [X.] entsprechende [X.] und hat zudem ein gegenüber dem früheren [X.] vollständig neues Eingruppierungssystem für die von ihm erfassten Ärztinnen und Ärzte (also nicht für Chefärzte) geschaffen, §§ 16 ff. [X.]/[X.]. Einer derartigen diskontinuierlichen Ersetzung ihrer Vergütungsabrede hätten redliche Vertragsparteien nicht den Vorzug gegenüber der mit einer Vergütung entsprechend [X.] 15 [X.] [X.] kontinuierlichen Entwicklung gegeben (ähnlich [X.]nton [X.] 2009, 2, 5). Es wäre keine angemessene Lösung, im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung die Vergütungsvereinbarung und die Vergütung der Parteien auf ein „neues System“ umzustellen, wenn ein die Kontinuität der bisherigen Vergütungsabrede wahrendes Vergütungssystem zur Verfügung steht. Dass über die von den Parteien gewollte Dynamisierung der Vergütung hinaus der Kläger auch an strukturellen Änderungen der tariflichen Vergütungsregelungen oder an neuen tariflichen Entgeltsystemen für Ärzte, die nicht Chefärzte sind, teilhaben soll, lässt sich dem Regelungsplan des § 8 Ziff. 1 [X.]rbeitsvertrag nicht entnehmen. Dafür hat der Kläger auch keine durchgreifenden [X.]nhaltspunkte vorgebracht.

bb) Ein anderes [X.]uslegungsergebnis lässt sich nicht damit begründen, der [X.]/[X.] sei der „speziellere“ Tarifvertrag. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob dem tatsächlich so ist (verneinend etwa [X.], 935: „tarifrechtlich (…) gleichwertig“). Jedenfalls für Chefärzte ist der [X.]/[X.] schon deshalb nicht „spezieller“, weil er für sie ebenso wie der [X.] nicht gilt, § 1 [X.]bs. 2 [X.]/[X.], und keine Regelungen für die Berufsgruppe der Chefärzte enthält. Zudem handelt es sich bei dem Prinzip der Sachnähe oder Spezialität um eine tarifrechtliche Kollisionsregel, die dazu dient, eine Tarifkonkurrenz aufzulösen (vgl. dazu [X.]/[X.] 10. [X.]ufl. § 4 [X.] Rn. 65 ff. [X.]; [X.] 9. Dezember 2009 - 4 [X.] 190/08 - Rn. 49, [X.], 712). Eine Tarifkonkurrenz kann aber bei der arbeitsvertraglichen Bezugnahme auf einen Tarifvertrag nicht entstehen ([X.] 29. [X.]ugust 2007 - 4 [X.] 767/06 - Rn. 20, [X.]E 124, 34; 27. Januar 2010 - 4 [X.] 549/08 ([X.]) - Rn. 99, [X.], 645). Für die ergänzende Vertragsauslegung ist deshalb das tarifrechtliche Prinzip der Spezialität ohne Belang, sofern sich nicht aus dem Regelungsplan des Vertrags Gegenteiliges ergibt.

cc) Eine Vergütung entsprechend dem [X.]/[X.] hätten die Parteien nach [X.] und Glauben als redliche Vertragsparteien auch nicht deshalb vereinbaren müssen, weil Chefärzte stets mehr verdienen müssten, als ihr in [X.] IV [X.]/[X.] eingruppierter ständiger Vertreter.

Einen allgemeinen Grundsatz, ein Vorgesetzter sei stets höher zu vergüten als seine ihm unterstellten Mitarbeiter, gibt es im [X.]rbeitsrecht ebenso wenig wie ein „[X.]bstandsgebot“ (vgl. für tarifliche Vergütungsregelungen [X.] 17. Dezember 2009 - 6 [X.] 665/08 - [X.] 2010, 190). [X.]berdies erzielt ein Chefarzt aufgrund der Einräumung des [X.] als variablen weiteren Vergütungsbestandteil neben der Festvergütung in der Regel ein höheres Einkommen als die ihm unterstellten Ärzte.

dd) Eine Vergütung entsprechend der [X.]/[X.] im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung käme selbst dann nicht in Betracht, wenn die Beklagte allen Ärzten, die nicht Chefärzte sind und die sie vor dem 1. Oktober 2005 nach der Vergütungsordnung zum [X.] vergütete, ab 1. [X.]ugust 2006 Vergütung nach dem [X.]/[X.] gewähren würde. [X.]us einer zum Zeitpunkt des [X.]bschlusses des [X.]rbeitsvertrags erfolgten, der damaligen Tarifeinheit im öffentlichen Dienst folgenden einheitlichen [X.]nwendung eines tariflichen Vergütungssystems auf alle bei ihr beschäftigten Ärzte einschließlich der Chefärzte ließe sich ein hypothetischer Wille der Beklagten, daran bei späterer [X.], die nicht Chefärzte sind, festhalten zu wollen, nicht herleiten. Dafür bietet der Regelungsplan des § 8 Ziff. 1 [X.]rbeitsvertrag keine [X.]nhaltspunkte.

[X.]uch der allgemeine arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz - so er im Bereich der Vergütung trotz des Vorrangs der Vertragsfreiheit überhaupt [X.]nwendung findet (vgl. dazu [X.] 15. Juli 2009 - 5 [X.] 486/08 - [X.] BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 209 = Ez[X.] BGB 2002 § 242 Gleichbehandlung Nr. 20; 17. März 2010 - 5 [X.] 168/09 - NZ[X.] 2010, 696) - könnte in diesem Falle die Beklagte nicht zur „[X.]berleitung“ der Chefärzte in den [X.]/[X.] verpflichten, weil eine Differenzierung zwischen der Gruppe der Chefärzte und der Gruppe der „sonstigen Ärzte“ schon aufgrund von § 1 [X.]bs. 2 [X.]/[X.] sachlich gerechtfertigt wäre.

IV. Das [X.] hat festgestellt, dass die Beklagte den Kläger seit 1. Oktober 2005 nach der [X.] 15 [X.] vergütet und er in dem der Leistungsklage zugrunde liegenden Zeitraum eine monatliche Grundvergütung von 5.723,27 Euro brutto erhielt. Die Tabellenwerte zu der [X.] [X.] sind rückwirkend zum 1. Januar 2008 erhöht worden (§ 19 [X.]bs. 2 TV[X.]-[X.] idF des [X.] Nr. 2 vom 31. März 2008). Dass seine Vergütung nicht bzw. nicht mehr der [X.] 15 [X.] [X.] entsprechen würde, hat der Kläger aber nicht geltend gemacht.

V. Der Kläger hat gemäß § 97 [X.]bs. 1 ZPO die Kosten der Revision zu tragen.

        

    Laux    

        

    Biebl    

        

    Spelge    

        

        

        

    Zoller    

        

    Haas    

        

        

Meta

5 AZR 696/09

09.06.2010

Bundesarbeitsgericht 5. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Oberhausen, 18. Dezember 2008, Az: 2 Ca 314/08, Urteil

§ 611 Abs 1 BGB, § 133 BGB, § 157 BGB, § 242 BGB, § 305 Abs 1 S 1 BGB, § 1 Abs 1 TVG, Art 3 Abs 1 GG, § 2 Abs 1 S 1 TVÜ-VKA, § 4 Abs 1 S 1 TVÜ-VKA, § 17 Abs 2 TVÜ-VKA, § 19 Abs 2 TVÜ-VKA, Anl 1 Entgeltgr 15Ü TVÜ-VKA, § 16 Buchst d TV-Ärzte/VKA, § 1 Abs 2 TV-Ärzte/VKA, § 51 Abs 1 S 1 TVöD BT-K, § 51 Abs 3 TVöD BT-K, Anl 1a Teil I VergGr I BAT, § 3 Buchst i BAT, § 2 Abs 1 S 1 TVÜ-Ärzte/VKA

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 09.06.2010, Az. 5 AZR 696/09 (REWIS RS 2010, 6048)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 6048

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