Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 29.06.2011, Az. 5 AZR 186/10

5. Senat | REWIS RS 2011, 5364

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Gegenstand

Kleine dynamische Bezugnahmeklausel - Tarifsukzession - ergänzende Vertragsauslegung - Chefarztvergütung


Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 19. Januar 2010 - 19 [X.] 1681/09, 19 [X.] 1742/09 - aufgehoben, soweit es die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Brandenburg an [X.] vom 4. Juni 2009 - 1 [X.] 840/08 - zurückgewiesen hat.

2. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Brandenburg an [X.] vom 4. Juni 2009 - 1 [X.] 840/08 - abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen.

3. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger aufgrund arbeitsvertraglicher Vereinbarung Vergütung nach dem zwischen dem [X.] und der [X.] ([X.]) geschlossenen Tarifvertrag für Ärztinnen und Ärzte an kommunalen Krankenhäusern im Bereich der [X.] vom 17. August 2006 (im Folgenden: [X.]/[X.]) beanspruchen kann.

2

Die nicht tarifgebundene Beklagte betreibt ein Krankenhaus. Der Kläger, Mitglied im [X.], ist seit dem 1. Juni 1994 für die Beklagte bzw. deren Rechtsvorgänger als Chefarzt der Radiologie tätig.

3

Im Arbeitsvertrag von 1994 heißt es ua.:

        

„§ 2   

        

Das Dienstverhältnis richtet sich, soweit nachstehend nichts anderes bestimmt ist, nach den Bestimmungen des [X.] ([X.]) vom 10.12.1990 und der diesen Tarifvertrag ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge sowie den vom Krankenhausträger erlassenen Satzungen, Dienstanweisungen und Hausordnungen in der jeweils gültigen Fassung.

        

…       

        

§ 4     

        

(1) [X.] erhält für seine Tätigkeit im dienstlichen Aufgabenbereich eine Vergütung entsprechend der Vergütungsgruppe [X.] der Anlage 1 a zum [X.], d. h., Grundvergütung nach § 27 [X.], [X.] nach Maßgabe des § 29 [X.] sowie eine Zuwendung und ein Urlaubsgeld entsprechend den tariflichen Regelungen zum [X.] in der jeweils gültigen Fassung.

        

…“    

4

Daneben haben die Parteien ein Liquidationsrecht des Klägers vereinbart sowie eine übertarifliche Garantiezahlung, soweit die Einkünfte aus den [X.] einen monatlichen Fixbetrag nicht erreichen.

5

Nach der Ersetzung des Bundes-Angestelltentarifvertrags (im Folgenden: [X.]) durch den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst vom 13. September 2005 (im Folgenden: [X.]) zum 1. Oktober 2005 vergütete die Beklagte den Kläger weiter nach [X.]. [X.].

6

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ihm stehe eine Vergütung nach [X.] des [X.]/[X.] zu. Eine ergänzende Vertragsauslegung ergebe die Anwendung der Vergütungsregelungen des [X.]/[X.]. Bei letzterem handele es sich um einen seit dem 1. August 2006 geltenden speziellen Ärztetarifvertrag für die an kommunalen Krankenhäusern beschäftigten Ärztinnen und Ärzte.

7

Der Kläger hat - soweit noch von Interesse - sinngemäß beantragt,

        

1.    

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 10.495,32 Euro brutto nebst Zinsen zu zahlen,

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Vergütung gemäß § 4 Abs. 1 des Dienstvertrags ab dem 1. Oktober 2008 nach der jeweiligen [X.] IV des Tarifvertrags für die Ärztinnen und Ärzte an kommunalen Krankenhäusern im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (TV-Ärzte/[X.]) zu zahlen.

8

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Der Vertrag sei nicht lückenhaft, der Kläger sei weiter nach [X.]. I des [X.] zu vergüten. Chefärzte seien vom jeweiligen Geltungsbereich jedes der infrage kommenden Tarifverträge ausgenommen worden. Selbst wenn man von einer Regelungslücke ausgehe, müsse diese nach [X.] 15Ü [X.] geschlossen werden.

9

Das Arbeitsgericht hat der Klage hinsichtlich der geltend gemachten Vergütungsansprüche nach der [X.] [X.]/[X.] stattgegeben und sie abgewiesen, soweit der Kläger weitergehende Vergütungsansprüche geltend gemacht hat. Das [X.] hat die Berufung der Parteien zurückgewiesen. Der Kläger hat die von ihm eingelegte Revision zurückgenommen. Die Beklagte verfolgt mit der Revision das Klageabweisungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist begründet. Das [X.] hat die Berufung der Beklagten gegen das der Klage teilweise stattgebende Urteil des Arbeitsgerichts zu Unrecht zurückgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Vergütung nach [X.]/[X.].

I. Der [X.]/[X.] findet auf das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht mit unmittelbarer und zwingender Wirkung Anwendung (§ 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 [X.]). Unabhängig von der fehlenden beiderseitigen Tarifgebundenheit gilt der [X.]/[X.] nach seinem § 1 Abs. 2 nicht für Chefärzte, deren Arbeitsbedingungen einzelvertraglich vereinbart worden sind. Darüber hinaus sind nach § 16 Buchst. d [X.]/[X.] in [X.] (nur) Leitende Oberärzte, denen die ständige Vertretung des Chefarztes übertragen ist (zu den [X.] des § 16 Buchst. d [X.]/[X.] vgl. [X.] 9. Dezember 2009 - 4 [X.] 836/08 - [X.] § 1 Tarifverträge: Arzt Nr. 5), nicht aber Chefärzte eingruppiert.

II. Ein Anspruch des [X.] auf Vergütung nach [X.]/[X.] ergibt sich nicht aus dem Arbeitsvertrag.

Gemäß § 4 Abs. 1 des Arbeitsvertrags erhält der Kläger für seine Tätigkeit im dienstlichen Aufgabenbereich eine Vergütung entsprechend der [X.]. I [X.] der Anlage 1a zum [X.]. Diese Vereinbarung enthält eine kleine dynamische Bezugnahme.

1. Bei § 4 Abs. 1 des Arbeitsvertrags handelt es sich nach der Rechtsprechung des Senats (1. März 2006 - 5 [X.] 363/05 - Rn. 20 ff., [X.]E 117, 155; vgl. auch [X.] 24. September 2008 - 6 [X.] 76/07 - Rn. 18, [X.]E 128, 73) um eine Allgemeine Geschäftsbedingung (§ 305 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BGB). Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die [X.] des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Ansatzpunkt für die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der [X.]. Von Bedeutung für das Auslegungsergebnis sind ferner der von den Vertragsparteien verfolgte Regelungszweck sowie die der jeweils anderen Seite erkennbare Interessenlage der Beteiligten ([X.] 19. März 2008 - 5 [X.] 429/07 - Rn. 24 [X.], [X.]E 126, 198). Die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist durch das Revisionsgericht uneingeschränkt zu überprüfen ([X.] 26. September 2007 - 5 [X.] 808/06 - Rn. 13, [X.] § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 58 = EzA BGB 2002 § 305c Nr. 13).

2. Danach enthält § 4 Abs. 1 des Arbeitsvertrags eine kleine dynamische Bezugnahme.

In § 4 Abs. 1 knüpfen die vertragsschließenden Parteien die Vergütung, obwohl leitende Ärzte (Chefärzte) nach § 3 Buchst. i [X.] von dessen Geltungsbereich ausgenommen sind und dementsprechend die Vergütungsordnungen zum [X.] keine Eingruppierungsmerkmale für Chefärzte enthalten, pauschal an die [X.]. I der Anlage 1a zum [X.] einschließlich der in § 26 [X.] vorgesehenen Struktur einer Gesamtvergütung bestehend aus der Grundvergütung und dem [X.] an und gestalten sie dynamisch. Das ergibt sich aus dem Wortlaut der Vereinbarung. Die Vergütung soll sich nach der [X.]. I der Anlage 1a zum [X.] in der jeweils gültigen Fassung richten. Damit wollten die Rechtsvorgänger der Beklagten das Vergütungssystem des kommunalen öffentlichen Dienstes für die Vergütung der Chefärzte im dienstlichen Aufgabenbereich anwenden und die dort stattfindende Vergütungsentwicklung nachvollziehen (vgl. [X.] 9. Juni 2010 - 5 [X.] 696/09 - [X.] 2011, 109; 16. Dezember 2009 - 5 [X.] 888/08 - Rn. 14, [X.] § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 73 = EzA [X.] § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 44). Diese Auslegung entspricht der ständigen Rechtsprechung des [X.], wonach Bezugnahmen im Arbeitsvertrag auf anderweite normative Regelungen in der Regel dynamisch zu verstehen sind (13. November 2002 - 4 [X.] 351/01 - zu [X.] 1 b bb der Gründe, [X.]E 103, 338; vgl. auch 9. November 2005 - 5 [X.] 128/05 - Rn. 22, [X.]E 116, 185).

3. Eine Erstreckung auf den [X.]/[X.] trägt der Wortlaut der Bezugnahmeklausel aber nicht. Der [X.]/[X.] ist keine „gültige Fassung“ des [X.]. § 4 Abs. 1 des Arbeitsvertrags ist zeit-, nicht jedoch inhaltsdynamisch ausgestaltet. Ein Zusatz, dass auch die den [X.] ersetzenden Tarifverträge Anwendung finden sollen, wurde nicht in die Vergütungsvereinbarung der Parteien aufgenommen (vgl. [X.] 9. Juni 2010 - 5 [X.] 696/09 - [X.] 2011, 109; 16. Dezember 2009 - 5 [X.] 888/08 - Rn. 15, [X.] § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 73 = EzA [X.] § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 44; 19. Mai 2010 - 4 [X.] 796/08 - Rn. 18 f., [X.] § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 76 = EzA [X.] § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 48).

4. Der [X.]/[X.] ist nicht aufgrund der Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB anwendbar. Die Anwendung der Unklarheitenregel auf arbeitsvertragliche Klauseln, die auf ein Tarifwerk Bezug nehmen, scheitert in der Regel schon daran, dass die Frage der Günstigkeit für den Arbeitnehmer nicht abstrakt und unabhängig von der jeweiligen Fallkonstellation beantwortet werden kann ([X.] 24. September 2008 - 6 [X.] 76/07 - Rn. 27, [X.]E 128, 73). Das gilt nicht nur dann, wenn arbeitsvertraglich auf ein Tarifwerk insgesamt Bezug genommen wird, sondern auch, wenn die Parteien nur für einen Regelungsgegenstand - hier: Vergütung - auf ein Tarifwerk verweisen. Denn es ist nicht zwingend, dass eine Vergütung nach dem einen Tarifvertrag für die gesamte Dauer des Arbeitsverhältnisses günstiger ist als eine nach dem anderen Tarifvertrag. Die Frage, welcher Tarifvertrag in Bezug genommen ist, kann aber nicht jeweils abhängig vom Zeitpunkt der Geltendmachung unterschiedlich bestimmt werden. Ansonsten käme man von Fall zu Fall zu unterschiedlichen Auslegungsergebnissen hinsichtlich ein und derselben vertraglichen Bezugnahmeregelung. Je nachdem, welcher Tarifvertrag gerade eine für den Arbeitnehmer günstigere (also höhere) Vergütung vorsieht, käme es zu unterschiedlichen Auslegungsergebnissen und einem in der Praxis nur schwer handhabbaren „Hin und Her“ der Tarifanwendung ([X.] 9. Juni 2010 - 5 [X.] 122/09 -; [X.] [X.] 2009, 935). Zudem ist die Bezugnahmeklausel in § 4 Abs. 1 des Arbeitsvertrags anders als in dem der Entscheidung des Senats vom 9. November 2005 (- 5 [X.] 128/05 - [X.]E 116, 185) zugrunde liegenden Fall, in dem zweifelhaft war, ob eine statische oder dynamische Verweisung vorlag, selbst nicht unklar, sondern eindeutig. Dass der [X.] nicht mehr fortentwickelt wurde, führt nicht zur Unklarheit der Bezugnahmeklausel.

[X.]. Ein Anspruch des [X.] auf Vergütung nach dem [X.]/[X.] lässt sich nicht auf eine ergänzende Auslegung des Arbeitsvertrags stützen.

1. Es ist nachträglich eine Regelungslücke entstanden.

Im kommunalen Bereich wurde der [X.] zum 1. Oktober 2005 durch den [X.] ersetzt, § 2 Abs. 1 des Tarifvertrags zur Überleitung der Beschäftigten der [X.] in den [X.] und zur Regelung des Übergangsrechts (im Folgenden: TVÜ-[X.]) vom 13. September 2005. Ab diesem Zeitpunkt wurden der [X.] und die [X.] zum [X.] nicht mehr weiterentwickelt. Durch die Tarifsukzession ist die zeitdynamisch angelegte Bezugnahme auf den [X.] im Arbeitsvertrag zur statischen geworden. Der letzte [X.] Nr. 35 zum [X.] datiert vom 31. Januar 2003. Ihn als Grundlage der Vergütung des [X.] zu betrachten, wäre weder mit dem Wortlaut des § 4 Abs. 1 des Arbeitsvertrags noch dem Zweck einer zeitdynamischen Bezugnahme vereinbar. Es träte eine statische Fortgeltung der bereits heute überholten tariflichen Rechtslage des Jahres 2003 ein ([X.] 16. Dezember 2009 - 5 [X.] 888/08 - Rn. 18 ff., [X.] § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 73 = EzA [X.] § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 44). Mithin lässt sich ohne Vervollständigung der arbeitsvertraglichen Vergütungsvereinbarung nach dem ihr zugrunde liegenden Regelungsplan eine angemessene, interessengerechte Lösung nicht erzielen (vgl. [X.] 19. Mai 2010 - 4 [X.] 796/08 - Rn. 23, [X.] § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 76 = EzA [X.] § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 48; 21. April 2009 - 3 [X.] 640/07 - Rn. 33, [X.]E 130, 202).

2. Die bereits zum 1. Oktober 2005 entstandene nachträgliche Regelungslücke ist im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu schließen.

a) Bei [X.] hat die ergänzende Vertragsauslegung nach einem objektiv-generalisierenden Maßstab zu erfolgen, der am Willen und Interesse der typischerweise beteiligten Verkehrskreise (und nicht nur der konkret beteiligten Parteien) ausgerichtet sein muss. Die Vertragsergänzung muss deshalb für den betroffenen Vertragstyp als allgemeine Lösung eines stets wiederkehrenden Interessengegensatzes angemessen sein. Es ist zu fragen, was die Parteien bei einer angemessenen Abwägung ihrer Interessen nach [X.] und Glauben als redliche Vertragsparteien vereinbart hätten, wenn ihnen die Unvollständigkeit ihrer Regelung bekannt gewesen wäre ([X.] 9. Juni 2010 - 5 [X.] 696/09 - [X.] 2011, 109; 25. April 2007 - 5 [X.] 627/06 - Rn. 26, [X.]E 122, 182; 11. Oktober 2006 - 5 [X.] 721/05 - Rn. 34, [X.] § 308 Nr. 6 = EzA BGB 2002 § 308 Nr. 6).

b) Aus der dynamischen Ausgestaltung der Bezugnahme auf eine Vergütung entsprechend der [X.]. I [X.] der Anlage 1a zum [X.] ergibt sich der Wille der Parteien, die Vergütung nicht in einer bestimmten Höhe bis zu einer Vertragsänderung festzuschreiben, sondern sie - dynamisch - an der jeweiligen Höhe der Vergütung eines Angestellten im öffentlichen Dienst, der in die [X.]. I der Vergütungsordnung zum [X.] eingruppiert ist, auszurichten. Deshalb hätten die Parteien [X.] für den Fall einer Tarifsukzession eine Vergütung entsprechend der Vergütungsgruppe vereinbart, die der im Arbeitsvertrag bezeichneten Vergütungsgruppe nachfolgt und ihr entspricht. Ein „Einfrieren“ der Vergütung auf den Zeitpunkt der Tarifsukzession entsprach nicht ihren Interessen.

Die [X.]. I der Vergütungsordnung zum [X.] galt zwar ab dem 1. Oktober 2005 - für neu eingestellte Beschäftigte - nicht fort, die Ausgestaltung entsprechender Arbeitsverhältnisse erfolgt außertariflich, § 17 Abs. 2 TVÜ-[X.]. Zum 30. September 2005 schon Beschäftigte der [X.]. I der Vergütungsordnung zum [X.] wurden aber in die [X.] 15Ü übergeleitet, § 4 Abs. 1 Satz 1 iVm. der Anlage 1 TVÜ-[X.], § 19 Abs. 2 TVÜ-[X.]. Es ist deshalb anzunehmen, dass die Parteien eine Vergütung entsprechend der [X.] 15Ü [X.] vereinbart hätten, wenn sie eine Ersetzung der [X.]. I der Vergütungsordnung zum [X.] bedacht hätten.

3. Mit dem Inkrafttreten des [X.]/[X.] zum 1. August 2006 ist entgegen der Auffassung des [X.] eine (weitere) Regelungslücke nicht entstanden.

a) Der [X.]/[X.] hat zwar, allerdings erst mit Wirkung zum 1. August 2006, den [X.] für die in den Geltungsbereich des [X.]/[X.] fallenden Ärztinnen und Ärzte ersetzt, § 2 Abs. 1 TVÜ-Ärzte/[X.]. § 4 Abs. 1 des Arbeitsvertrags ist dadurch aber nicht - erneut - lückenhaft geworden. Die von den Parteien gewollte Dynamik der Vereinbarung einer Vergütung „entsprechend der Vergütungsgruppe I [X.] der Anlage 1a zum [X.]“ war durch die vorzunehmende Schließung der Lücke zum 1. Oktober 2005 durch die Anwendung der [X.] 15Ü [X.] erhalten geblieben. Diese ist - jedenfalls bislang - keine „statische“ [X.], ihre Tabellenwerte wurden zum 1. Januar 2008, 1. Januar 2009, 1. Januar 2010 sowie 1. Januar und 1. August 2011 erhöht. Zudem gibt es im [X.]/[X.] keine der [X.]. I der Vergütungsordnung zum [X.] entsprechende [X.]. Auch eine Zuordnung der [X.]. I der Vergütungsordnung zum [X.] bzw. der [X.] 15Ü [X.] zu einer der [X.]n des § 16 [X.]/[X.] erfolgte nicht.

b) Selbst wenn man eine Lücke deshalb annehmen würde, weil die Parteien zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht bedenken konnten, das Bezugsobjekt ihrer Vergütungsvereinbarung werde in Zukunft durch zwei die Arbeitsverhältnisse von Ärzten regelnde Tarifwerke (die allerdings beide Chefärzte aus ihrem Geltungsbereich ausgeschlossen haben) ersetzt (so wohl [X.] [X.] 2009, 935), ist nicht anzunehmen, dass die Parteien bei einer angemessenen Abwägung ihrer Interessen nach [X.] und Glauben als redliche Vertragsparteien eine Vergütung nach dem [X.]/[X.] vereinbart hätten.

aa) Als redliche Vertragsparteien hätten die Parteien, wenn sie bei Vertragsschluss bedacht hätten, dass die arbeitsvertraglich in Bezug genommene Vergütungsordnung durch mehrere tarifliche Vergütungssysteme ersetzt werden könnte, eine Anlehnung ihrer Vergütung an das Vergütungssystem gewählt, das der im Arbeitsvertrag benannten „Vergütungsgruppe I [X.] der Anlage 1 a zum [X.]“ entspricht oder am nächsten kommt. Eine „Überleitung“ bzw. „Ersetzung“ der [X.]. I der Vergütungsordnung zum [X.] erfolgte nur durch die [X.] 15Ü [X.]. Dagegen enthält der [X.]/[X.] überhaupt keine der [X.]. I der Vergütungsordnung zum [X.] entsprechende [X.] und hat zudem ein gegenüber dem früheren [X.] vollständig neues Eingruppierungssystem für die von ihm erfassten Ärztinnen und Ärzte (also nicht für Chefärzte) geschaffen, §§ 16 ff. [X.]/[X.]. Einer derartigen diskontinuierlichen Ersetzung ihrer Vergütungsabrede hätten redliche Vertragsparteien nicht den Vorzug gegenüber der mit einer Vergütung entsprechend [X.] 15Ü [X.] kontinuierlichen Entwicklung gegeben (ähnlich [X.] 2009, 2, 5). Es wäre keine angemessene Lösung, im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung die Vergütungsvereinbarung und die Vergütung der Parteien auf ein „neues System“ umzustellen, wenn ein die Kontinuität der bisherigen Vergütungsabrede wahrendes Vergütungssystem zur Verfügung steht. Dass über die von den Parteien gewollte Dynamisierung der Vergütung hinaus der Kläger auch an strukturellen Änderungen der tariflichen Vergütungsregelungen oder an neuen tariflichen Entgeltsystemen für Ärzte, die nicht Chefärzte sind, teilhaben soll, lässt sich dem Regelungsplan des § 4 Abs. 1 des Arbeitsvertrags nicht entnehmen. Dafür hat der Kläger auch keine durchgreifenden Anhaltspunkte vorgebracht.

bb) Ein anderes Auslegungsergebnis lässt sich nicht damit begründen, der [X.]/[X.] sei der „speziellere“ Tarifvertrag. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob dem tatsächlich so ist (verneinend etwa [X.] [X.] 2009, 935: „tarifrechtlich (…) gleichwertig“). Jedenfalls für Chefärzte ist der [X.]/[X.] schon deshalb nicht „spezieller“, weil er für sie ebenso wie der [X.] nicht gilt, § 1 Abs. 2 [X.]/[X.], und keine Regelungen für die Berufsgruppe der Chefärzte enthält. Zudem handelt es sich bei dem Prinzip der Sachnähe oder Spezialität um eine tarifrechtliche Kollisionsregel, die dazu dient, eine Tarifkonkurrenz aufzulösen (vgl. dazu [X.]/[X.] 11. Aufl. § 4 [X.] Rn. 65 ff. [X.]; [X.] 9. Dezember 2009 - 4 [X.] 190/08 - Rn. 49, [X.] § 3 Nr. 48 = EzA [X.] § 3 Nr. 34). Eine Tarifkonkurrenz kann aber bei der arbeitsvertraglichen Bezugnahme auf einen Tarifvertrag nicht entstehen ([X.] 29. August 2007 - 4 [X.] 767/06 - Rn. 20, [X.]E 124, 34; 27. Januar 2010 - 4 [X.] 549/08 (A) - Rn. 99, [X.] § 3 Nr. 46 = EzA [X.] § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 23). Für die ergänzende Vertragsauslegung ist deshalb das tarifrechtliche Prinzip der Spezialität ohne Belang, sofern sich nicht aus dem Regelungsplan des Vertrags Gegenteiliges ergibt.

cc) Eine Vergütung entsprechend dem [X.]/[X.] hätten die Parteien nach [X.] und Glauben als redliche Vertragsparteien auch nicht deshalb vereinbaren müssen, weil Chefärzte stets mehr verdienen müssten als ihr in [X.]/[X.] eingruppierter ständiger Vertreter.

Einen allgemeinen Grundsatz, ein Vorgesetzter sei stets höher zu vergüten als seine ihm unterstellten Mitarbeiter, gibt es im Arbeitsrecht ebenso wenig wie ein „Abstandsgebot“ ([X.] 9. Juni 2010 - 5 [X.] 696/09 - [X.] 2011, 109; vgl. für tarifliche Vergütungsregelungen 17. Dezember 2009 - 6 [X.] 665/08 - [X.] § 4 Nr. 1). Überdies erzielt ein Chefarzt aufgrund der Einräumung des [X.] als variablen weiteren Vergütungsbestandteil neben der Festvergütung in der Regel ein höheres Einkommen als die ihm unterstellten Ärzte.

dd) Eine Vergütung entsprechend der [X.]/[X.] im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung käme selbst dann nicht in Betracht, wenn die Beklagte allen Ärzten, die nicht Chefärzte sind und die sie vor dem 1. Oktober 2005 nach der Vergütungsordnung zum [X.] vergütete, ab 1. August 2006 Vergütung nach dem [X.]/[X.] gewähren würde, was allerdings im Streitfall vom [X.] noch nicht einmal festgestellt worden ist. Aus einer zum Zeitpunkt des Abschlusses des Arbeitsvertrags erfolgten, der damaligen Tarifeinheit im öffentlichen Dienst folgenden einheitlichen Anwendung eines tariflichen Vergütungssystems auf alle bei ihr beschäftigten Ärzte einschließlich der Chefärzte ließe sich ein hypothetischer Wille der Beklagten, daran bei späterer [X.], die nicht Chefärzte sind, festhalten zu wollen, nicht herleiten. Dafür bietet der Regelungsplan des § 4 Abs. 1 des Arbeitsvertrags keine Anhaltspunkte.

Auch der allgemeine arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz - so er im Bereich der Vergütung trotz des Vorrangs der Vertragsfreiheit überhaupt Anwendung findet (vgl. dazu [X.] 15. Juli 2009 - 5 [X.] 486/08 - [X.] § 242 Gleichbehandlung Nr. 209 = EzA BGB 2002 § 242 Gleichbehandlung Nr. 20; 17. März 2010 - 5 [X.] 168/09 - [X.] § 242 Gleichbehandlung Nr. 211 = EzA BGB 2002 § 242 Gleichbehandlung Nr. 22) - könnte in diesem Falle die Beklagte nicht zur „Überleitung“ der Chefärzte in den [X.]/[X.] verpflichten, weil eine Differenzierung zwischen der Gruppe der Chefärzte und der Gruppe der „sonstigen Ärzte“ schon aufgrund von § 1 Abs. 2 [X.]/[X.] sachlich gerechtfertigt wäre.

IV. [X.] beruht auf § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Laux    

        

    Schlewing    

        

    Spelge    

        

        

        

    Hromadka    

        

    Reinders    

                 

Meta

5 AZR 186/10

29.06.2011

Bundesarbeitsgericht 5. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Brandenburg, 4. Juni 2009, Az: 1 Ca 840/08, Urteil

§ 133 BGB, § 157 BGB, § 242 BGB, § 2 Abs 1 TVÜ-VKA, § 4 Abs 1 TVÜ-VKA, § 17 Abs 2 TVÜ-VKA, § 19 Abs 2 TVÜ-VKA, § 1 Abs 2 TV-Ärzte/VKA, § 16 TV-Ärzte/VKA, § 305c Abs 2 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 29.06.2011, Az. 5 AZR 186/10 (REWIS RS 2011, 5364)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 5364

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9 Sa 30/13

9 Sa 1585/12

9 Sa 511/11

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