Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 29.06.2011, Az. 5 AZR 135/09

5. Senat | REWIS RS 2011, 5366

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Gegenstand

Kleine dynamische Bezugnahmeklausel - Tarifsukzession - ergänzende Vertragsauslegung - Chefarztvergütung


Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 12. Dezember 2008 - 16 [X.] 901/08 E - aufgehoben.

2. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 6. Mai 2008 - 5 [X.]/08 E - abgeändert.

3. Die Klage wird abgewiesen.

4. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger aufgrund arbeitsvertraglicher Vereinbarung Vergütung nach dem zwischen dem [X.] und der [X.] ([X.]) geschlossenen Tarifvertrag für Ärztinnen und Ärzte an kommunalen Krankenhäusern im Bereich der [X.] vom 17. August 2006 (im Folgenden: [X.]/[X.]) beanspruchen kann.

2

Die Beklagte ist Mitglied im [X.] und betreibt ein Krankenhaus. Der 1943 geborene Kläger war vom 1. August 1990 bis 30. Mai 2008 als leitender Abteilungsarzt (Chefarzt) der Medizinischen Klinik beschäftigt. Im Arbeitsvertrag vom 16./22. Juni 1990 vereinbarten die Parteien ua.:

        

„§ 1   

        

Dienstverhältnis

        

…       

        
        

(2)     

Das Dienstverhältnis ist bürgerlich-rechtlicher Natur. Neben den Regelungen dieses Vertrages finden auf das Dienstverhältnis die §§ 6 - 10, 13, 14, 18 Abs. 3, 36, 37 Abs. 1, 38, 48, 52, 66 und 70 des [X.] ([X.]) vom 23.02.1961, die vom Krankenhausträger erlassenen Satzungen, Dienstanweisungen und die Hausordnung Anwendung; es gilt die jeweils gültige Fassung.

        

…       

        
        

§ 8     

        

Vergütung im dienstlichen Aufgabenbereich und Einräumung des [X.]s

        

(1)     

Der Arzt erhält für seine Tätigkeit im dienstlichen Aufgabenbereich folgende Vergütung:

                 

a)    

Vergütung entsprechend der Vergütungsgruppe I [X.] der Anlage 1 a zum [X.] ([X.]), d.h. Grundvergütung nach § 27 [X.], [X.] nach Maßgabe des § 29 [X.] sowie eine Zuwendung und ein Urlaubsgeld entsprechend der tariflichen Regelung in der jeweils gültigen Fassung.

                          

Wird der [X.] oder der maßgebende Vergütungstarif im Bereich der [X.] durch einen anderen Tarifvertrag ersetzt, so tritt an die Stelle der vereinbarten [X.]-Vergütungsgruppe die entsprechende Vergütungsgruppe des neuen Tarifvertrages unter Berücksichtigung etwaiger Überleitungsbestimmungen;

        

…       

                 
        

(2)     

Der Chefarzt erhält

                 

a)    

das [X.] für die gesondert berechenbaren wahlärztlichen Leistungen bei denjenigen Kranken, die diese Leistungen gewählt, mit dem Krankenhaus vereinbart und in Anspruch genommen haben;

                 

b)    

das [X.] für das Gutachterhonorar bei Aufnahmen zur Begutachtung, soweit die gesonderte Berechnung eines Gutachterhonorars neben dem Pflegesatz nach dem [X.] des Krankenhauses in der jeweils gültigen Fassung zulässig ist;

                 

…“    

        

3

Nach der Ersetzung des [X.] (im Folgenden: [X.]) durch den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst vom 13. September 2005 (im Folgenden: [X.]) zum 1. Oktober 2005 vergütete die Beklagte den Kläger nach Maßgabe dieses Tarifvertrags. Der Kläger erhielt zuletzt eine monatliche Vergütung entsprechend der [X.] 15Ü der Anlage 1 zum Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten der kommunalen Arbeitgeber in den [X.] und zur Regelung des Übergangsrechts (im Folgenden: TVÜ-[X.]) vom 13. September 2005.

4

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, seit dem 1. August 2006 stehe ihm eine Vergütung nach [X.] IV des [X.]/[X.] zu. Eine ergänzende Vertragsauslegung ergebe die Anwendung der Vergütungsregelungen des [X.]/[X.]. Bei letzterem handele es sich um einen seit dem 1. August 2006 geltenden speziellen und sachnäheren Ärztetarifvertrag für die an kommunalen Krankenhäusern beschäftigten Ärztinnen und Ärzte. Der [X.] sei dagegen ein allgemeiner, berufsgruppenübergreifender Tarifvertrag für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes. Hinzu komme, dass alle bei der [X.] beschäftigten Ärzte mit Ausnahme der Chefärzte nach dem [X.]/[X.] bezahlt würden.

5

Der Kläger hat beantragt

        

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger ab 1. August 2006 eine Dienstvergütung entsprechend der [X.] IV des TV-Ärzte/[X.] zu zahlen.

6

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, der Kläger sei aufgrund der arbeitsvertraglichen Vereinbarung zum 1. Oktober 2005 in die [X.] 15Ü [X.] übergeleitet worden. Mit dem rückwirkenden Inkrafttreten des [X.]/[X.] sei der [X.] nicht ersetzt worden. Ein Wille der Arbeitsvertragsparteien, von zwei Tarifwerken dasjenige zu wählen, welches die höchste Vergütungsgruppe enthalte, lasse sich weder dem Vertrag noch den sonstigen Umständen als hypothetischer Parteiwille entnehmen. Zudem gelte der [X.]/[X.] nicht für Chefärzte.

7

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das [X.] hat die Berufung der [X.] zurückgewiesen. Mit der vom [X.] zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Abweisung der Klage.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision der [X.] ist begründet. Das [X.] hat die Berufung der [X.] gegen das der Klage stattgebende Urteil des Arbeitsgerichts zu Unrecht zurückgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Vergütung nach [X.]/[X.].

9

I. Der [X.]/[X.] findet auf das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht mit unmittelbarer und zwingender Wirkung Anwendung ( § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 [X.] ). Unabhängig von der fehlenden beiderseitigen Tarifgebundenheit gilt der [X.]/[X.] nicht für Chefärzte, § 1 Abs. 2 [X.]/[X.]. Chefärzte werden nach ausdrücklicher Regelung vom persönlichen Geltungsbereich dieses Tarifvertrags nicht erfasst. Darüber hinaus sind nach § 16 Buchst. d [X.]/[X.] in [X.] (nur) Leitende Oberärzte, denen die ständige Vertretung des Chefarztes übertragen ist (zu den [X.] des § 16 Buchst. d [X.]/[X.] vgl. [X.] 9. Dezember 2009 - 4 [X.] 836/08  - [X.] § 1 Tarifverträge: Arzt Nr. 5), nicht aber Chefärzte eingruppiert.

II. Ein Anspruch des [X.] auf Vergütung nach [X.]/[X.] ergibt sich nicht aus dem Arbeitsvertrag.

1. Gemäß § 8 Abs. 1a des Arbeitsvertrags erhält der Kläger für seine Tätigkeit im dienstlichen Aufgabenbereich als feste Vergütung Grundvergütung und [X.] entsprechend [X.]. I der Anlage 1a zum [X.] in der für Mitglieder der [X.] jeweils gültigen Fassung. Bei Ersetzung des [X.] oder des maßgeblichen Vergütungstarifvertrags tritt an die Stelle der [X.]. I [X.] die entsprechende Vergütungsgruppe des neuen Tarifvertrags unter Berücksichtigung etwaiger Überleitungsbestimmungen. Diese Vereinbarung enthält eine kleine dynamische Bezugnahme.

a) Bei § 8 Abs. 1a des Arbeitsvertrags handelt es sich um eine Klausel, wie sie vielfach, auch in Verträgen anderer Chefärzte der [X.], verwendet wird und damit um eine Allgemeine Geschäftsbedingung ( § 305 Abs. 1 Satz 1 und Satz  2 BGB ), zumindest unstreitig um typische Erklärungen. Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die [X.] des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Ansatzpunkt für die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der [X.]. Von Bedeutung für das Auslegungsergebnis sind ferner der von den Vertragsparteien verfolgte Regelungszweck sowie die der jeweils anderen Seite erkennbare Interessenlage der Beteiligten ( [X.] 19. März 2008 - 5 [X.] 429/07  - Rn. 24 [X.], [X.]E 126, 198 ). Die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist durch das Revisionsgericht uneingeschränkt zu überprüfen ( [X.] 26. September 2007 - 5 [X.] 808/06  - Rn. 13, [X.] § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 58 = EzA BGB 2002 § 305c Nr. 13). Das gilt auch für die Auslegung typischer Erklärungen.

b) Danach enthält § 8 Abs. 1a des Arbeitsvertrags eine kleine dynamische Bezugnahme.

In § 8 Abs. 1a knüpfen die Parteien die Vergütung, obwohl Leitende Ärzte (Chefärzte) nach § 3 Buchst. i [X.] von dessen Geltungsbereich ausgenommen sind und dementsprechend die Vergütungsordnungen zum [X.] keine Eingruppierungsmerkmale für Chefärzte enthalten, pauschal an die [X.]. I der für den Bereich [X.] geltenden Vergütungsordnung einschließlich der in § 26 [X.] vorgesehenen Struktur einer Gesamtvergütung bestehend aus der Grundvergütung und dem [X.] an und gestalten sie dynamisch. Das ergibt sich aus dem Wortlaut der Vereinbarung. Die Vergütung soll sich nach der [X.]. I des [X.] in der jeweils gültigen Fassung richten. Damit wollte die Beklagte das in ihrem Krankenhaus geltende Vergütungssystem des öffentlichen Dienstes auch für die Vergütung der Chefärzte im dienstlichen Aufgabenbereich anwenden und die dort stattfindende Vergütungsentwicklung nachvollziehen (vgl. [X.] 9. Juni 2010 - 5 [X.] 122/09 -; 16. Dezember 2009 - 5 [X.] 888/08  - Rn. 14, [X.] § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 73 = EzA [X.] § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 44). Diese Auslegung entspricht der ständigen Rechtsprechung des [X.], wonach Bezugnahmen im Arbeitsvertrag auf anderweitige Regelungen in der Regel dynamisch zu verstehen sind (13. November 2002 -  4 [X.] 351/01  - zu III 1 b bb der Gründe, [X.]E 103, 338 ; vgl. auch 9. November 2005 -  5 [X.] 128/05  - Rn. 22, [X.]E 116, 185 ).

c) Der Wortlaut der Bezugnahmeklausel trägt allerdings neben der Erstreckung auf den [X.] auch eine solche auf den [X.]/[X.]. Denn beide haben den [X.] durch Tarifsukzession (vgl. dazu [X.] 16. Dezember 2009 - 5 [X.] 888/08  - Rn. 19 [X.], [X.] § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 73 = EzA [X.] § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 44) ersetzt, § 2 Abs. 1 [X.]-[X.], § 2 Abs. 1 Tarifvertrag zur Überleitung der Ärztinnen und Ärzte in kommunalen Krankenhäusern in den [X.]/[X.] und zur Regelung des Übergangsrechts (im Folgenden: [X.]/[X.]) vom 17. August 2006. Der [X.] wurde auf [X.] nicht nur von der [X.] [X.] bzw. deren [X.] abgeschlossen, diese handelte aufgrund einer 1994 zwischen der [X.] ([X.]) und dem [X.] geschlossenen Vereinbarung zugleich für den [X.], der im Jahre 2005 gegenüber der [X.] [X.] die zum Abschluss von Tarifverträgen erteilte [X.] widerrief, zugleich die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände zu [X.] über einen Tarifvertrag für Ärzte aufforderte und den [X.] zum 31. Dezember 2005 kündigte (vgl. dazu [X.] 27. Januar 2010 - 4 [X.] 549/08 (A) - Rn. 3, [X.] § 3 Nr. 46 = EzA [X.] § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 23; [X.] NZA 2009, 935 ).

2. Eine Auflösung der nach Vertragsschluss und bedingt durch die [X.] auf [X.] eingetretenen Regelungspluralität hat durch ergänzende Vertragsauslegung zu erfolgen.

a) Die Parteien wollten mit der Klausel des § 8 Abs. 1a des Arbeitsvertrags den den vereinbarten Tarifvertrag ersetzenden in Bezug nehmen, haben aber bei Abschluss des Arbeitsvertrags aufgrund der damaligen Tarifpraxis nicht bedacht (und auch nicht bedenken können), dass später auf [X.] [X.] eintreten könnte. Die Vergütung kann sich nach dem Wortlaut nach mehreren unterschiedlichen Tarifverträgen richten, während die Parteien die Orientierung ihrer Vergütung an (nur) einem Tarifwerk gewollt haben. Damit ist nachträglich ein regelungsbedürftiger Sachverhalt entstanden, denn die arbeitsvertragliche Vergütungsvereinbarung bestimmt nicht, nach welchem Tarifwerk sich die Vergütung richten soll, wenn es durch den späteren Abschluss mehrerer Tarifverträge nachträglich mehrere mögliche Bezugnahmeobjekte gibt.

b) Mithin ist die arbeitsvertragliche Vergütungsvereinbarung nach dem ihr zugrunde liegenden Regelungsplan zu vervollständigen und zu fragen, nach welchem Tarifwerk die Parteien ihre Vergütung gerichtet hätten, wenn sie bei Vertragsschluss bedacht hätten, dass der [X.] durch mehrere Tarifverträge ersetzt werden könnte. Als redliche Vertragsparteien hätten die Parteien dasjenige ersetzende Tarifwerk gewählt, das überhaupt eine Vergütungsgruppe enthält, die die im Arbeitsvertrag benannte „Vergütungsgruppe I [X.]“ ersetzt oder ihr am nächsten kommt. Eine „Überleitung“ bzw. „Ersetzung“ der [X.]. I der Vergütungsordnung zum [X.] erfolgte nur durch die [X.] 15Ü [X.] (§ 4 Abs. 1 Satz 1 iVm. der Anlage 1 [X.]-[X.], § 19 Abs. 2 [X.]-[X.]). Damit erhält der Kläger genau die Vergütung, die er arbeitsvertraglich vereinbart hat ([X.] 9. Juni 2010 - 5 [X.] 122/09 -).

Die [X.] 15Ü [X.] ist - jedenfalls bislang - auch dynamisch, ihre Tabellenwerte wurden zum 1. Januar 2008, 1. Januar 2009, 1. Januar 2010 sowie 1. Januar und 1. August 2011 erhöht. Dagegen enthält der [X.]/[X.] überhaupt keine der [X.]. I der Vergütungsordnung zum [X.] entsprechende [X.] und hat zudem ein gegenüber dem früheren [X.] vollständig neues Eingruppierungssystem für die von ihm erfassten Ärztinnen und Ärzte (also nicht für Chefärzte) geschaffen, §§ 16 ff. [X.]/[X.]. Einer derartigen diskontinuierlichen Ersetzung ihrer Vergütungsabrede hätten redliche Vertragsparteien nicht den Vorzug gegenüber der mit einer Vergütung entsprechend [X.] 15Ü [X.] kontinuierlichen Entwicklung gegeben (ähnlich Anton ZTR 2009, 2, 5 ). Es wäre keine angemessene Lösung, im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung die Vergütungsvereinbarung und die Vergütung der Parteien auf ein „neues System“ umzustellen, wenn ein die Kontinuität der bisherigen Vergütungsabrede wahrendes Vergütungssystem zur Verfügung steht. Dass über die von den Parteien gewollte Dynamisierung der Vergütung hinaus der Kläger auch an strukturellen Änderungen der tariflichen Vergütungsregelungen oder an neuen [X.] für Ärzte, die nicht Chefärzte sind, teilhaben soll, lässt sich dem Regelungsplan des § 8 Abs. 1a des Arbeitsvertrags nicht entnehmen (vgl. zu einer gleichlautenden Klausel [X.] 9. Juni 2010 - 5 [X.] 122/09 -). Dafür hat der Kläger auch keine durchgreifenden Anhaltspunkte vorgebracht.

c) Ein anderes Auslegungsergebnis lässt sich nicht damit begründen, der [X.]/[X.] sei der „speziellere“ Tarifvertrag. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob dem tatsächlich so ist (verneinend etwa [X.] NZA 2009, 935 : „tarifrechtlich (…) gleichwertig“). Jedenfalls für Chefärzte ist der [X.]/[X.] schon deshalb nicht „spezieller“, weil er für sie ebenso wie der [X.] nicht gilt, § 1 Abs. 2 [X.]/[X.], und keine Regelungen für die Berufsgruppe der Chefärzte enthält. Zudem handelt es sich bei dem Prinzip der [X.] oder Spezialität um eine tarifrechtliche Kollisionsregel, die dazu dient, eine Tarifkonkurrenz aufzulösen (vgl. dazu [X.]/[X.] 11. Aufl. § 4 [X.] Rn. 65 ff. [X.]; [X.] 9. Dezember 2009 - 4 [X.] 190/08  - Rn. 49, AP [X.] § 3 Nr. 48 = EzA [X.] § 3 Nr. 34). Eine Tarifkonkurrenz kann aber bei der arbeitsvertraglichen Bezugnahme auf einen Tarifvertrag nicht entstehen ( [X.] 29. August 2007 - 4 [X.] 767/06  - Rn. 20, [X.]E 124, 34 ; 27. Januar 2010 - 4 [X.] 549/08 (A) - Rn. 99, [X.] § 3 Nr. 46 = EzA [X.] § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 23). Für die ergänzende Vertragsauslegung ist deshalb das tarifrechtliche Prinzip der Spezialität ohne Belang, sofern sich nicht aus dem Regelungsplan des Vertrags Gegenteiliges ergibt.

d) Soweit der Kläger in der Revision auf das Urteil des [X.] des [X.] vom 19. Mai 2010 (- 4 [X.] 796/08 - Rn. 39 ff., [X.] § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 76 = EzA [X.] § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 48) hinweist, führt dies ebenfalls nicht zu einem anderen Auslegungsergebnis. Der Vierte Senat führt in der angezogenen Entscheidung zu einer Bezugnahmeklausel im Arbeitsvertrag eines Erziehers aus, nach Sinn und Zweck einer Inbezugnahme tariflicher Regelungen sei ua. das dem [X.] nachfolgende Tarifwerk zur Geltung zu bringen, das typischerweise gelten würde, wenn die ausgeübten Tätigkeiten innerhalb des Öffentlichen Dienstes erbracht würden. Im Weiteren wird erörtert, dass der Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst der Länder sachnäher als der [X.] sei. Die [X.] zum [X.]/[X.] fehlt jedoch, weil der [X.]/[X.] für Chefärzte nicht gilt und zudem keine der [X.]. I [X.] entsprechende bzw. aus dieser überleitende Vergütungsgruppe enthält. Sie ist im Gegenteil gerade im Hinblick auf die [X.] 15Ü [X.] gegeben. Allein, dass der Kläger Arzt ist, führt nicht zu einer doppelten Ersetzung der vereinbarten Vergütungsgruppe (zunächst am 1. Oktober 2005 und sodann erneut am 1. August 2006). Auch der (nicht festgestellte) Organisationsgrad von Chefärzten beim [X.] und die Tatsache, dass dieser ggf. auch Interessen von Chefärzten vertritt, führt nicht zu einer anderen Beurteilung. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass der [X.] einen Entgelttarifvertrag abgeschlossen hat, der nach seinem persönlichen Geltungsbereich Chefärzte erfasst.

e) Eine Vergütung entsprechend dem [X.]/[X.] hätten die Parteien nach [X.] und Glauben als redliche Vertragsparteien auch nicht deshalb vereinbaren müssen, weil Chefärzte stets mehr verdienen müssten als ihr in [X.]/[X.] eingruppierter ständiger Vertreter.

Einen allgemeinen Grundsatz, ein Vorgesetzter sei stets höher zu vergüten als seine ihm unterstellten Mitarbeiter, gibt es im Arbeitsrecht ebenso wenig wie ein „Abstandsgebot“ ([X.] 9. Juni 2010 - 5 [X.] 122/09 -; vgl. für tarifliche Vergütungsregelungen auch 17. Dezember 2009 - 6 [X.] 665/08  - AP [X.] § 4 Nr. 1). Überdies erzielt ein Chefarzt aufgrund der Einräumung des [X.] als variablen weiteren Vergütungsbestandteil neben der Festvergütung in der Regel ein höheres Einkommen als die ihm unterstellten Ärzte. Genauso wenig lässt sich (entgegen der Auffassung des [X.]s) dem Regelungsplan der Parteien entnehmen, dass der Kläger mit der Grundvergütung immer genauso viel verdienen müsse, wie ein ihm unterstellter Oberarzt. Der Vertrag spiegelt lediglich einen Willen der Parteien wider, dem Kläger die höchste bei Abschluss des Vertrags bekannte Vergütungsgruppe zu gewähren. Die vertragliche Orientierung an der [X.]. I [X.] lässt noch nicht einmal einen Schluss auf die Vereinbarung einer arztspezifischen Vergütung zu.

f) Eine Vergütung entsprechend der [X.]/[X.] im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung käme selbst dann nicht in Betracht, wenn die Beklagte allen Ärzten, die nicht Chefärzte sind und die sie vor dem 1. Oktober 2005 nach der Vergütungsordnung zum [X.] vergütete, ab 1. August 2006 Vergütung nach dem [X.]/[X.] gewähren würde. Aus einer zum Zeitpunkt des Abschlusses des Arbeitsvertrags erfolgten, der damaligen Tarifeinheit im öffentlichen Dienst folgenden einheitlichen Anwendung eines tariflichen Vergütungssystems auf alle bei ihr beschäftigten Ärzte einschließlich der Chefärzte ließe sich ein hypothetischer Wille der [X.], daran bei späterer [X.] für Ärzte, die nicht Chefärzte sind, festhalten zu wollen, nicht herleiten. Dafür bietet der Regelungsplan des § 8 Abs. 1a des Arbeitsvertrags keine Anhaltspunkte.

Auch der allgemeine arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz - so er im Bereich der Vergütung trotz des Vorrangs der Vertragsfreiheit überhaupt Anwendung findet (vgl. dazu [X.] 15. Juli 2009 - 5 [X.] 486/08 - AP BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 209 = EzA BGB 2002 § 242 Gleichbehandlung Nr. 20; 17. März 2010 - 5 [X.] 168/09 - AP BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 211 = EzA BGB 2002 § 242 Gleichbehandlung Nr. 22) - könnte in diesem Falle die Beklagte nicht zur „Überleitung“ der Chefärzte in den [X.]/[X.] verpflichten, weil eine Differenzierung zwischen der Gruppe der Chefärzte und der Gruppe der „sonstigen Ärzte“ schon aufgrund von § 1 Abs. 2 [X.]/[X.] sachlich gerechtfertigt wäre.

III. [X.] beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

        

    Laux    

        

    Schlewing    

        

    Spelge    

        

        

        

    Hromadka    

        

    Reinders    

                 

Meta

5 AZR 135/09

29.06.2011

Bundesarbeitsgericht 5. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Oldenburg (Oldenburg), 6. Mai 2008, Az: 5 Ca 30/08 E, Urteil

§ 133 BGB, § 157 BGB, § 242 BGB, § 2 Abs 1 TVÜ-VKA, § 4 Abs 1 TVÜ-VKA, § 19 Abs 2 TVÜ-VKA, § 1 Abs 2 TV-Ärzte/VKA, § 16 TV-Ärzte/VKA

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 29.06.2011, Az. 5 AZR 135/09 (REWIS RS 2011, 5366)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 5366

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