Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 29.06.2011, Az. 5 AZR 651/09

5. Senat | REWIS RS 2011, 5368

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Kleine dynamische Bezugnahmeklausel - Tarifsukzession - ergänzende Vertragsauslegung - Chefarztvergütung


Tenor

1. Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 13. August 2009 - 13 [X.] 1673/08 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger aufgrund arbeitsvertraglicher Vereinbarung Vergütung nach dem zwischen dem [X.] und der [X.] ([X.]) geschlossenen Tarifvertrag für Ärztinnen und Ärzte an kommunalen Krankenhäusern im Bereich der [X.] vom 17. August 2006 (im Folgenden: [X.]/[X.]) beanspruchen kann.

2

Die Beklagte betreibt ein Krankenhaus. Der 1950 geborene Kläger ist seit Juni 1991 als Leitender Arzt (Chefarzt) der Klinik für Kinderheilkunde beschäftigt. Im Arbeitsvertrag vom 26. April 1991 vereinbarten die Parteien ua.:

        

„§ 1   

        

Dienstverhältnis

        

…       

        

Das Dienstverhältnis ist bürgerlich-rechtlicher Natur. Neben den Regelungen dieses Vertrages finden auf das Dienstverhältnis die Paragraphen 7 - 10, 13, 14, 18 Abs. 3, 37 Abs. 1, 38, 48, 52, 66 und 70 des [X.] ([X.]) vom 23.02.1961 sowie die vom Krankenhausträger erlassenen Satzungen, Dienstanweisungen und Hausordnungen in der jeweils gültigen Fassung Anwendung.

        

§ 8     

        

Vergütung im dienstlichen Aufgabenbereich und Einräumung des [X.]es

        

Der Arzt erhält für seine Tätigkeit im dienstlichen Aufgabenbereich eine Vergütung entsprechend der Vergütungsgruppe I [X.] der Anlage 1a zum [X.] ([X.]), d. h. Grundvergütung nach § 27 [X.], [X.] nach Maßgabe des § 29 [X.] sowie eine Zuwendung und ein Urlaubsgeld entsprechend der tariflichen Regelungen zum [X.] in der jeweils gültigen Fassung, zahlbar jeweils am letzten eines Monats für den abgelaufenen Monat auf ein von dem Arzt eingerichtetes Bank- oder Postscheckkonto.

        

Darüber hinaus erhält der Arzt eine nicht ruhegehaltsfähige Zulage von jährlich [X.] 60.000,00 zahlbar in monatlichen Teilbeträgen von [X.] 5.000,00.

                 

Der Arzt erhält ferner

                 

a)    

das [X.] für die gesondert berechenbaren wahlärztlichen Leistungen bei denjenigen Kranken, die diese Leistungen gewählt, mit dem Krankenhaus vereinbart und in Anspruch genommen haben;

                 

b)    

das [X.] für das Gutachterhonorar bei Aufnahmen zur Begutachtung sowie die gesonderte Berechnung eines Gutachterhonorars neben dem Pflegesatz nach dem [X.] des Krankenhauses in der jeweils gültigen Fassung.

                 

…“    

        

3

Nach der Ersetzung des Bundes-Angestelltentarifvertrags (im Folgenden: [X.]) durch den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst vom 13. September 2005 (im Folgenden: [X.]) zum 1. Oktober 2005 vergütete die Beklagte nach den Feststellungen des [X.] den Kläger nach [X.] 15Ü der Anlage 1 zum Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten der kommunalen Arbeitgeber in den [X.] und zur Regelung des Übergangsrechts (im Folgenden: TVÜ-[X.]) vom 13. September 2005. In der Revisionsinstanz haben die Parteien übereinstimmend vorgetragen, der Kläger erhalte Vergütung nach [X.] 15 der Durchgeschriebenen Fassung des [X.] für den Dienstleistungsbereich Krankenhäuser im Bereich der [X.] ([X.]-K) vom 1. August 2006. An weitere Ärzte leistete die Beklagte ebenfalls Entgeltzahlungen nach dem [X.]-K.

4

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ihm stehe eine Vergütung nach [X.] IV des [X.]/[X.] zu. Eine ergänzende Vertragsauslegung ergebe die Anwendung der Vergütungsregelungen des [X.]/[X.]. Bei Letzterem handele es sich um einen seit dem 1. August 2006 geltenden speziellen Ärztetarifvertrag für die an kommunalen Krankenhäusern beschäftigten Ärztinnen und Ärzte. Der [X.] sei dagegen ein allgemeiner, berufsgruppenübergreifender Tarifvertrag für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes. Die Vergütung nach [X.] IV sei zudem um 15 % zu erhöhen, dh. um den Abstand zwischen [X.]. I [X.] und [X.]. Ia [X.], nach der die unterstellten Oberärzte vergütet worden seien.

5

Der Kläger hat beantragt,

        

1.    

festzustellen, dass sich seine Vergütung als Leitender Arzt der Klinik für Kinderheilkunde des [X.] gemäß § 8 des [X.] ab dem 1. März 2008 nach der [X.] IV, Stufe 1, des Tarifvertrags für die Ärztinnen und Ärzte an kommunalen Krankenhäusern im Bereich der Vereinigungen der Kommunalen Arbeitgeberverbände, in der jeweiligen Fassung, zuzüglich 15 % berechnet;

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 32.902,87 Euro brutto nebst Zinsen zu zahlen.

6

Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, der Kläger sei aufgrund der arbeitsvertraglichen Vereinbarung zum 1. Oktober 2005 in die [X.] 15 des [X.]-K übergeleitet worden. Mit dem rückwirkenden Inkrafttreten des [X.]/[X.] sei der [X.] nicht ersetzt worden. Ein Wille der Arbeitsvertragsparteien, von zwei Tarifwerken dasjenige zu wählen, welches die höchste Vergütungsgruppe enthalte, lasse sich weder dem Vertrag noch den sonstigen Umständen als hypothetischer Parteiwille entnehmen. Zudem gelte der [X.]/[X.] nicht für Chefärzte.

7

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das [X.] die Klage abgewiesen. Mit der vom [X.] zugelassenen Revision begehrt der Kläger die Zurückweisung der Berufung der Beklagten.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision des [X.] ist unbegründet. Das [X.] hat auf die Berufung der Beklagten die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Vergütung nach [X.]/[X.] zuzüglich eines Aufschlags von 15 %.

9

I. Der [X.]/[X.] findet auf das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht mit unmittelbarer und zwingender Wirkung Anwendung (§ 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 [X.]). Unabhängig von der fehlenden beiderseitigen Tarifgebundenheit gilt der [X.]/[X.] nach seinem § 1 Abs. 2 nicht für Chefärzte, deren Arbeitsbedingungen einzelvertraglich vereinbart worden sind. Darüber hinaus sind nach § 16 Buchst. d [X.]/[X.] in [X.] (nur) Leitende Oberärzte, denen die ständige Vertretung des Chefarztes übertragen ist (zu den [X.] des § 16 Buchst. d [X.]/[X.] vgl. [X.] 9. Dezember 2009 - 4 [X.] 836/08 - [X.] § 1 Tarifverträge: Arzt Nr. 5), nicht aber Chefärzte eingruppiert.

II. Ein Anspruch des [X.] auf Vergütung nach [X.]/[X.] nebst einem Aufschlag ergibt sich nicht aus dem Arbeitsvertrag.

Gemäß § 8 Abs. 1 des Arbeitsvertrags erhält der Kläger für seine Tätigkeit im dienstlichen Aufgabenbereich eine Vergütung entsprechend der Vergütungsgruppe [X.] der Anlage 1a zum [X.] in der jeweils gültigen Fassung. Diese Vereinbarung enthält eine kleine dynamische Bezugnahme.

1. Bei § 8 Abs. 1 des Arbeitsvertrags handelt es sich nach der Rechtsprechung des Senats (9. Juni 2010 - 5 [X.] 696/09 - [X.] 2011, 109; 1. März 2006 - 5 [X.] 363/05 - Rn. 20 ff., [X.]E 117, 155; vgl. auch [X.] 24. September 2008 - 6 [X.] 76/07 - Rn. 18, [X.]E 128, 73) um eine Allgemeine Geschäftsbedingung (§ 305 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BGB). Die [X.] ist einem Musterchefarztvertrag der [X.] entnommen. Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die [X.] des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Ansatzpunkt für die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der [X.]. Von Bedeutung für das Auslegungsergebnis sind ferner der von den Vertragsparteien verfolgte Regelungszweck sowie die der jeweils anderen Seite erkennbare Interessenlage der Beteiligten ([X.] 19. März 2008 - 5 [X.] 429/07 - Rn. 24 [X.], [X.]E 126, 198). Die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist durch das Revisionsgericht uneingeschränkt zu überprüfen ([X.] 26. September 2007 - 5 [X.] 808/06 - Rn. 13, [X.] § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 58 = EzA BGB 2002 § 305c Nr. 13).

2. Danach enthält § 8 Abs. 1 des Arbeitsvertrags eine kleine dynamische Bezugnahme.

In § 8 Abs. 1 knüpfen die Parteien die Vergütung, obwohl leitende Ärzte (Chefärzte) nach § 3 Buchst. i [X.] von dessen Geltungsbereich ausgenommen sind und dementsprechend die Vergütungsordnungen zum [X.] keine Eingruppierungsmerkmale für Chefärzte enthalten, pauschal an die [X.]. I der Anlage 1a zum [X.] einschließlich der in § 26 [X.] vorgesehenen Struktur einer Gesamtvergütung bestehend aus der Grundvergütung und dem [X.] an und gestalten sie dynamisch. Das ergibt sich aus dem Wortlaut der Vereinbarung. Die Vergütung soll sich nach der [X.]. I der Anlage 1a zum [X.] ([X.]) in der jeweils gültigen Fassung richten. Damit wollte die nicht tarifgebundene Beklagte in ihrem Krankenhaus das Vergütungssystem des [X.] für die Vergütung der Chefärzte im dienstlichen Aufgabenbereich anwenden und die dort stattfindende Vergütungsentwicklung nachvollziehen (vgl. [X.] 9. Juni 2010 - 5 [X.] 696/09 - [X.] 2011, 109; 16. Dezember 2009 - 5 [X.] 888/08 - Rn. 14, [X.] § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 73 = EzA [X.] § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 44). Diese Auslegung entspricht der ständigen Rechtsprechung des [X.], wonach Bezugnahmen im Arbeitsvertrag auf anderweite normative Regelungen in der Regel dynamisch zu verstehen sind (13. November 2002 - 4 [X.] 351/01 - zu [X.] der Gründe, [X.]E 103, 338; vgl. auch 9. November 2005 - 5 [X.] 128/05 - Rn. 22, [X.]E 116, 185).

3. Eine Erstreckung auf den [X.]/[X.] trägt der Wortlaut der Bezugnahmeklausel aber nicht. Der [X.]/[X.] ist keine „gültige Fassung“ des [X.]. § 8 Abs. 1 des Arbeitsvertrags ist zeit-, nicht jedoch inhaltsdynamisch ausgestaltet. Ein Zusatz, dass auch die den [X.] ersetzenden Tarifverträge Anwendung finden sollen, wurde nicht in die Vergütungsvereinbarung der Parteien aufgenommen (vgl. [X.] 9. Juni 2010 - 5 [X.] 696/09 - [X.] 2011, 109; 16. Dezember 2009 - 5 [X.] 888/08 - Rn. 15, [X.] § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 73 = EzA [X.] § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 44; 19. Mai 2010 - 4 [X.] 796/08 - Rn. 18 f., [X.] § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 76 = EzA [X.] § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 48).

III. Ein Anspruch des [X.] auf Vergütung nach dem [X.]/[X.] nebst einem Aufschlag lässt sich nicht auf eine ergänzende Auslegung des Arbeitsvertrags stützen.

1. Es ist nachträglich eine Regelungslücke entstanden.

Im kommunalen Bereich wurde der [X.] zum 1. Oktober 2005 durch den [X.] ersetzt, § 2 Abs. 1 TVÜ-[X.]. Ab diesem Zeitpunkt wurden der [X.] und die [X.] zum [X.] nicht mehr weiterentwickelt. Durch die Tarifsukzession ist die zeitdynamisch angelegte Bezugnahme auf den [X.] im Arbeitsvertrag zur statischen geworden. Der letzte [X.] Nr. 35 zum [X.] datiert vom 31. Januar 2003. Ihn als Grundlage der Vergütung des [X.] zu betrachten, wäre weder mit dem Wortlaut des § 8 Abs. 1 des Arbeitsvertrags noch dem Zweck einer zeitdynamischen Bezugnahme vereinbar. Es träte eine statische Fortgeltung der bereits heute überholten tariflichen Rechtslage des Jahres 2003 ein ([X.] 16. Dezember 2009 - 5 [X.] 888/08 - Rn. 18 ff., [X.] § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 73 = EzA [X.] § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 44). Mithin lässt sich ohne Vervollständigung der arbeitsvertraglichen Vergütungsvereinbarung nach dem ihr zugrunde liegenden Regelungsplan eine angemessene, interessengerechte Lösung nicht erzielen (vgl. [X.] 19. Mai 2010 - 4 [X.] 796/08 - Rn. 23, [X.] § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 76 = EzA [X.] § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 48; 21. April 2009 - 3 [X.] 640/07 - Rn. 33, [X.]E 130, 202).

2. Die zum 1. Oktober 2005 entstandene nachträgliche Regelungslücke ist zu diesem Zeitpunkt im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu schließen.

a) Bei [X.] hat die ergänzende Vertragsauslegung nach einem objektiv-generalisierenden Maßstab zu erfolgen, der am Willen und Interesse der typischerweise beteiligten Verkehrskreise (und nicht nur der konkret beteiligten Parteien) ausgerichtet sein muss. Die Vertragsergänzung muss deshalb für den betroffenen Vertragstyp als allgemeine Lösung eines stets wiederkehrenden Interessengegensatzes angemessen sein. Es ist zu fragen, was die Parteien bei einer angemessenen Abwägung ihrer Interessen nach [X.] und Glauben als redliche Vertragsparteien vereinbart hätten, wenn ihnen die Unvollständigkeit ihrer Regelung bekannt gewesen wäre ([X.] 9. Juni 2010 - 5 [X.] 696/09 - [X.] 2011, 109; 25. April 2007 - 5 [X.] 627/06 - Rn. 26, [X.]E 122, 182; 11. Oktober 2006 - 5 [X.] 721/05 - Rn. 34, [X.] § 308 Nr. 6 = EzA BGB 2002 § 308 Nr. 6).

b) Aus der dynamischen Ausgestaltung der Bezugnahme auf eine Vergütung entsprechend der [X.]. [X.] der Anlage 1a zum [X.] ergibt sich der Wille der Parteien, die Vergütung nicht in einer bestimmten Höhe bis zu einer Vertragsänderung festzuschreiben, sondern sie - dynamisch - an der jeweiligen Höhe der Vergütung eines Angestellten im öffentlichen Dienst, der in die [X.]. I der Vergütungsordnung zum [X.] eingruppiert ist, auszurichten. Deshalb hätten die Parteien [X.] für den Fall einer Tarifsukzession eine Vergütung entsprechend der Vergütungsgruppe vereinbart, die der im Arbeitsvertrag bezeichneten Vergütungsgruppe nachfolgt und ihr entspricht. Ein „Einfrieren“ der Vergütung auf den Zeitpunkt der Tarifsukzession entsprach nicht ihren Interessen.

Die [X.]. I der Vergütungsordnung zum [X.] galt zwar ab dem 1. Oktober 2005 - für neu eingestellte Beschäftigte - nicht fort, die Ausgestaltung entsprechender Arbeitsverhältnisse erfolgt außertariflich, § 17 Abs. 2 TVÜ-[X.]. Zum 30. September 2005 schon Beschäftigte der [X.]. I der Vergütungsordnung zum [X.] wurden aber in die [X.] 15Ü übergeleitet, § 4 Abs. 1 Satz 1 iVm. der Anlage 1 TVÜ-[X.], § 19 Abs. 2 TVÜ-[X.]. Es ist deshalb anzunehmen, dass die Parteien eine Vergütung entsprechend der [X.] 15Ü [X.] vereinbart hätten, wenn sie eine Ersetzung der [X.]. I der Vergütungsordnung zum [X.] bedacht hätten.

3. Mit dem Inkrafttreten des [X.]/[X.] zum 1. August 2006 ist entgegen der Auffassung des [X.] eine (weitere) Regelungslücke nicht entstanden.

a) Der [X.]/[X.] hat zwar, allerdings erst mit Wirkung zum 1. August 2006, den [X.] für die in den Geltungsbereich des [X.]/[X.] fallenden Ärztinnen und Ärzte ersetzt, § 2 Abs. 1 TVÜ-Ärzte/[X.]. § 8 Abs. 1 des Arbeitsvertrags ist dadurch aber nicht - erneut - lückenhaft geworden. Die von den Parteien gewollte Dynamik der Vereinbarung einer Vergütung „entsprechend der Vergütungsgruppe [X.] der Anlage 1a zum [X.] ([X.])“ war durch die Schließung der Lücke zum 1. Oktober 2005 durch die Anwendung der [X.] 15Ü [X.] erhalten geblieben. Diese ist - jedenfalls bislang - keine „statische“ [X.], ihre Tabellenwerte wurden zum 1. Januar 2008, 1. Januar 2009, 1. Januar 2010 sowie 1. Januar und 1. August 2011 erhöht. Zudem gibt es im [X.]/[X.] keine der [X.]. I der Vergütungsordnung zum [X.] entsprechende [X.]. Auch eine Zuordnung der [X.]. I der Vergütungsordnung zum [X.] bzw. der [X.] 15Ü [X.] zu einer der [X.]n des § 16 [X.]/[X.] erfolgte nicht.

b) Selbst wenn man eine Lücke deshalb annehmen würde, weil die Parteien zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht bedenken konnten, das Bezugsobjekt ihrer Vergütungsvereinbarung werde in Zukunft durch zwei die Arbeitsverhältnisse von Ärzten regelnde Tarifwerke (die allerdings beide Chefärzte aus ihrem Geltungsbereich ausgeschlossen haben) ersetzt (so wohl Bayreuther [X.] 2009, 935), ist nicht anzunehmen, dass die Parteien bei einer angemessenen Abwägung ihrer Interessen nach [X.] und Glauben als redliche Vertragsparteien eine Vergütung nach dem [X.]/[X.] vereinbart hätten.

aa) Als redliche Vertragsparteien hätten die Parteien, wenn sie bei Vertragsschluss bedacht hätten, dass die arbeitsvertraglich in Bezug genommene Vergütungsordnung durch mehrere tarifliche Vergütungssysteme ersetzt werden könnte, eine Anlehnung ihrer Vergütung an das Vergütungssystem gewählt, das der im Arbeitsvertrag benannten „Vergütungsgruppe [X.] der Anlage 1a zum [X.] ([X.])“ entspricht oder am nächsten kommt. Eine „Überleitung“ bzw. „Ersetzung“ der [X.]. I der Vergütungsordnung zum [X.] erfolgte nur durch die [X.] 15Ü [X.]. Dagegen enthält der [X.]/[X.] überhaupt keine der [X.]. I der Vergütungsordnung zum [X.] entsprechende [X.] und hat zudem ein gegenüber dem früheren [X.] vollständig neues Eingruppierungssystem für die von ihm erfassten Ärztinnen und Ärzte (also nicht für Chefärzte) geschaffen, §§ 16 ff. [X.]/[X.]. Einer derartigen diskontinuierlichen Ersetzung ihrer Vergütungsabrede hätten redliche Vertragsparteien nicht den Vorzug gegenüber der mit einer Vergütung entsprechend [X.] 15Ü [X.] kontinuierlichen Entwicklung gegeben (ähnlich [X.] 2009, 2, 5). Es wäre keine angemessene Lösung, im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung die Vergütungsvereinbarung und die Vergütung der Parteien auf ein „neues System“ umzustellen, wenn ein die Kontinuität der bisherigen Vergütungsabrede wahrendes Vergütungssystem zur Verfügung steht. Dass über die von den Parteien gewollte Dynamisierung der Vergütung hinaus der Kläger auch an strukturellen Änderungen der tariflichen Vergütungsregelungen oder an neuen tariflichen Entgeltsystemen für Ärzte, die nicht Chefärzte sind, teilhaben soll, lässt sich dem Regelungsplan des § 8 Abs. 1 des Arbeitsvertrags nicht entnehmen. Dafür hat der Kläger auch keine durchgreifenden Anhaltspunkte vorgebracht.

bb) Ein anderes Auslegungsergebnis lässt sich nicht damit begründen, der [X.]/[X.] sei der „speziellere“ Tarifvertrag. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob dem tatsächlich so ist (verneinend etwa Bayreuther [X.] 2009, 935: „tarifrechtlich […] gleichwertig“). Jedenfalls für Chefärzte ist der [X.]/[X.] schon deshalb nicht „spezieller“, weil er für sie ebenso wie der [X.] nicht gilt, § 1 Abs. 2 [X.]/[X.], und keine Regelungen für die Berufsgruppe der Chefärzte enthält. Zudem handelt es sich bei dem Prinzip der Sachnähe oder Spezialität um eine tarifrechtliche Kollisionsregel, die dazu dient, eine Tarifkonkurrenz aufzulösen (vgl. dazu [X.]/[X.] 11. Aufl. § 4 [X.] Rn. 65 ff. [X.]; [X.] 9. Dezember 2009 - 4 [X.] 190/08 - Rn. 49, [X.] § 3 Nr. 48 = EzA [X.] § 3 Nr. 34). Eine Tarifkonkurrenz kann aber bei der arbeitsvertraglichen Bezugnahme auf einen Tarifvertrag nicht entstehen ([X.] 29. August 2007 - 4 [X.] 767/06 - Rn. 20, [X.]E 124, 34; 27. Januar 2010 - 4 [X.] 549/08 (A) - Rn. 99, [X.] § 3 Nr. 46 = EzA [X.] § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 23). Für die ergänzende Vertragsauslegung ist deshalb das tarifrechtliche Prinzip der Spezialität ohne Belang, sofern sich nicht aus dem Regelungsplan des Vertrags Gegenteiliges ergibt.

cc) Eine Vergütung entsprechend dem [X.]/[X.] hätten die Parteien nach [X.] und Glauben als redliche Vertragsparteien auch nicht deshalb vereinbaren müssen, weil Chefärzte stets mehr verdienen müssten als ihr in [X.] IV [X.]/[X.] eingruppierter ständiger Vertreter.

Einen allgemeinen Grundsatz, ein Vorgesetzter sei stets höher zu vergüten als seine ihm unterstellten Mitarbeiter, gibt es im Arbeitsrecht ebenso wenig wie ein „Abstandsgebot“ ([X.] 9. Juni 2010 - 5 [X.] 696/09 - [X.] 2011, 109; vgl. für tarifliche Vergütungsregelungen [X.] 17. Dezember 2009 - 6 [X.] 665/08 - [X.] § 4 Nr. 1). Überdies erzielt ein Chefarzt aufgrund der Einräumung des [X.] als variablen weiteren Vergütungsbestandteil neben der Festvergütung in der Regel ein höheres Einkommen als die ihm unterstellten Ärzte.

dd) Eine Vergütung entsprechend der [X.]/[X.] im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung käme selbst dann nicht in Betracht, wenn die Beklagte allen Ärzten, die nicht Chefärzte sind und die sie vor dem 1. Oktober 2005 nach der Vergütungsordnung zum [X.] vergütete, ab 1. August 2006 Vergütung nach dem [X.]/[X.] gewähren würde. Aus einer zum Zeitpunkt des Abschlusses des Arbeitsvertrags erfolgten, der damaligen Tarifeinheit im öffentlichen Dienst folgenden einheitlichen Anwendung eines tariflichen Vergütungssystems auf alle bei ihr beschäftigten Ärzte einschließlich der Chefärzte ließe sich ein hypothetischer Wille der Beklagten, daran bei späterer [X.], die nicht Chefärzte sind, festhalten zu wollen, nicht herleiten. Dafür bietet der Regelungsplan des § 8 Abs. 1 des Arbeitsvertrags keine Anhaltspunkte.

Auch der allgemeine arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz - so er im Bereich der Vergütung trotz des Vorrangs der Vertragsfreiheit überhaupt Anwendung findet (vgl. dazu [X.] 15. Juli 2009 - 5 [X.] 486/08 - [X.] § 242 Gleichbehandlung Nr. 209 = EzA BGB 2002 § 242 Gleichbehandlung Nr. 20; 17. März 2010 - 5 [X.] 168/09 - [X.] § 242 Gleichbehandlung Nr. 211 = EzA BGB 2002 § 242 Gleichbehandlung Nr. 22) - könnte in diesem Falle die Beklagte nicht zur „Überleitung“ der Chefärzte in den [X.]/[X.] verpflichten, weil eine Differenzierung zwischen der Gruppe der Chefärzte und der Gruppe der „sonstigen Ärzte“ schon aufgrund von § 1 Abs. 2 [X.]/[X.] sachlich gerechtfertigt wäre.

IV. Nach den Feststellungen des [X.]s leistete die Beklagte an den Kläger seit dem 1. Oktober 2005 Vergütung nach der [X.] 15Ü [X.]. Erstmals in der Revisionsinstanz hat der Kläger geltend gemacht, dass seine Vergütung nicht der [X.] 15Ü [X.] entspreche. Er hat jedoch weder entsprechende Anträge gestellt noch eine Wahrung eventueller Ausschlussfristen für [X.] auf der Grundlage der [X.] 15Ü [X.] dargelegt.

V. Der Kläger hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Revision zu tragen.

        

    Laux    

        

    Schlewing    

        

    Spelge    

        

        

        

    Hromadka    

        

    Reinders    

                 

Meta

5 AZR 651/09

29.06.2011

Bundesarbeitsgericht 5. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Oberhausen, 14. August 2008, Az: 4 Ca 488/08, Urteil

§ 133 BGB, § 157 BGB, § 242 BGB, § 2 Abs 1 TVÜ-VKA, § 4 Abs 1 TVÜ-VKA, § 17 Abs 2 TVÜ-VKA, § 19 Abs 2 TVÜ-VKA, § 1 Abs 2 TV-Ärzte/VKA, § 16 TV-Ärzte/VKA

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 29.06.2011, Az. 5 AZR 651/09 (REWIS RS 2011, 5368)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 5368

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

5 AZR 186/10 (Bundesarbeitsgericht)

Kleine dynamische Bezugnahmeklausel - Tarifsukzession - ergänzende Vertragsauslegung - Chefarztvergütung


5 AZR 135/09 (Bundesarbeitsgericht)

Kleine dynamische Bezugnahmeklausel - Tarifsukzession - ergänzende Vertragsauslegung - Chefarztvergütung


5 AZR 384/09 (Bundesarbeitsgericht)

Kleine dynamische Bezugnahmeklausel - Tarifsukzession - Tarifpluralität - ergänzende Vertragsauslegung - Chefarztvergütung


5 AZR 855/09 (Bundesarbeitsgericht)

Einzelvertragliche Vergütungsabrede eines Chefarztes im Bereich des BAT-KF - Bezugnahmeklausel


5 AZR 696/09 (Bundesarbeitsgericht)

Kleine dynamische Bezugnahmeklausel - Tarifsukzession - Tarifpluralität - ergänzende Vertragsauslegung - Chefarztvergütung


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.