Bundessozialgericht, Beschluss vom 01.08.2013, Az. B 12 R 2/13 B

12. Senat | REWIS RS 2013, 3699

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Nichtzulassungsbeschwerde - Bezeichnung des Verfahrensmangels - Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör - unzulässige Überraschungsentscheidung nach dem Übergang des Rechtsstreits in die Zuständigkeit eines anderen Senats


Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 10. Dezember 2012 wird als unzulässig verworfen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beklagten. Außergerichtliche Kosten der Beigeladenen werden nicht erstattet.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5000 Euro festgesetzt.

Gründe

1

Die Klägerin wendet sich in dem der Beschwerde zugrundeliegenden Rechtsstreit gegen die Feststellung der Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1. in den Zweigen der Sozialversicherung und zur Arbeitsförderung in der [X.] vom [X.] bis 22.3.2002. In dieser [X.] war der Beigeladene zu 1. nach den Feststellungen des [X.] als Kranken- und Altenpfleger in Nachtwachen für die Klägerin tätig, die Inhaberin einer "Seniorenresidenz" ist.

2

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] Hamburg vom 10.12.2012 ist in entsprechender Anwendung von § 169 [X.] und 3 [X.] als unzulässig zu verwerfen. Die Klägerin hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen § 160a Abs 2 [X.] [X.] keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.

3

Das BSG darf gemäß § 160 Abs 2 [X.] die Revision gegen eine Entscheidung des [X.] nur dann zulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
- das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht oder
- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden.
Die Behauptung, das Berufungsurteil sei inhaltlich unrichtig, kann demgegenüber nicht zur Zulassung der Revision führen.

4

1. Ausdrücklich begründet die Klägerin ihre Beschwerde allein mit dem Vorliegen eines [X.] iS von § 160 Abs 2 [X.] [X.] in Form der Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör nach § 62 [X.]: Bei dem Urteil des [X.] handele es sich um eine unzulässige Überraschungsentscheidung, weil ihr nach dem Übergang des Rechtstreits in die Zuständigkeit des [X.]s des [X.] "weder im Rahmen einer erneuten mündlichen Verhandlung noch explizit schriftlich rechtliches Gehör gewährt worden" sei bevor [X.] dieses Senats als Einzelrichter im schriftlichen Verfahren ohne mündliche Verhandlung entgegen den "im Rahmen der mündlichen Verhandlung" durch eine Berichterstatterin des zuvor zuständigen 3. Senats des [X.] erteilten Hinweisen der Berufung zu ihren Lasten stattgegeben habe. Hierauf hätte der Senat sie vor seiner Entscheidung hinweisen müssen, sodass ihr weiterer, auf den Seiten 4 und 5 ihrer Beschwerdebegründung im Einzelnen aufgeführter, entscheidungserheblicher Vortrag möglich gewesen wäre.

5

Mit diesem Vorbringen wird der Verfahrensmangel der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nicht den hierfür geltenden, aus § 160a Abs 2 [X.] iVm § 160 Abs 2 [X.] [X.] hergeleiteten Anforderungen entsprechend bezeichnet. Für die Bezeichnung eines [X.] müssen die den Verfahrensmangel vermeintlich begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden (vgl [X.] § 160a [X.], 34, 36). Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des [X.] - ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht - auf dem Verfahrensmangel beruhen kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht (vgl [X.] § 160a [X.], 36). Diesen Anforderungen entspricht die Beschwerdebegründung der Klägerin nicht.

6

Die Klägerin hat zunächst nicht ausreichend dargelegt, dass während der "mündlichen Verhandlung" ein zur Begründung einer Überraschungsentscheidung iS von § 62 [X.] geeigneter Hinweis der Berichterstatterin des 3. Senates ergangen ist. So hätte die Klägerin zunächst [X.] darlegen müssen, welchen Aussagen der Berichterstatterin des 3. Senates zu entnehmen sein soll, sie habe den Beteiligten erklärt, "dass sie die Berufung zurückweisen werde, da sie sich in diesem Falle der Entscheidung des [X.] anschließen werde", obwohl das Protokoll der nichtöffentlichen Sitzung am [X.] zwar einen Hinweis der Berichterstatterin aber keine solche Aussage enthält. Aber auch die Richtigkeit dieses Vorbringens unterstellt, wäre damit ein Verfahrensmangel in Form der Gehörsverletzung durch eine Überraschungsentscheidung nicht den genannten Anforderungen entsprechend bezeichnet. Denn nur wenn das Gericht nach Durchführung einer förmlichen Beratung seine Rechtsauffassung zu einer entscheidungserheblichen Frage zu Protokoll gibt und hieran Vorschläge für eine sachgerechte Lösung und prozessuale Behandlung des Falles knüpft, beinhaltet dies eine zumindest vorläufige rechtliche Festlegung, die den Beteiligten als Grundlage für ihre weiteren Dispositionen dienen soll. Demgegenüber ist nicht jeder im Laufe des Verfahrens vom Vorsitzenden oder einem Mitglied des Spruchkörpers gegebene rechtliche Hinweis dazu angetan, ein solches Vertrauen zu begründen. Wird im Zuge der Erörterung des Sach- und Streitverhältnisses (§ 112 Abs 2 [X.] und [X.] bzw § 106 Abs 3 [X.] [X.]) mit den Beteiligten ein [X.] geführt, sind dies keine Festlegungen, auf die sich die Beteiligten bei ihrer weiteren Prozessführung einstellen können ([X.]-1500 § 124 [X.] RdNr 8; BSG Beschluss vom 18.7.2011 - [X.] [X.]/11 B). Dies gilt insbesondere, wenn wie vorliegend ein Erörterungstermin allein vom Berichterstatter durchgeführt wird und später dieser oder ein anderer Senat in abweichender Besetzung entscheidet. Eines Hinweises des Senats vor der Entscheidung bedarf es in einem solchen Fall regelmäßig nicht (vgl [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 10. Aufl, § 62 RdNr 8c mwN). Umstände, die hiernach geeignet wären, eine unzulässige Überraschungsentscheidung zu begründen, werden von der Klägerin nicht dargelegt.

7

Eine Gehörsverletzung wird auch durch den Vortrag der Klägerin nicht bezeichnet, den "Parteien" sei "durch den [X.] weder im Rahmen eines erneuten mündlichen Verhandlungstermins, noch explizit schriftlich gemäß § 62 Abs. 2 [X.] rechtliches Gehör gewährt worden. Die "Parteien" hätten "somit nie Gelegenheit" gehabt, "sich gegenüber [X.] zur Sache zu äußern". Hierzu teilt die Klägerin selber mit, sie sei zehn Monate vor dem Fällen des angegriffenen Urteils durch die Geschäftsstelle des [X.]s über den [X.] informiert worden. [X.], dass sie in dieser [X.] an weiterem schriftsätzlichen Vortrag gegenüber dem nunmehr zuständigen Senat gehindert worden sei oder aufgrund welcher rechtlichen oder tatsächlichen Umstände dieser Senat von sich aus weiteren Vortrag der Beteiligten hätte einfordern müssen, hat die Klägerin versäumt. Ebenso hat sie nicht dargelegt, dass nach ihrer Einverständniserklärung mit der konsentierten Entscheidungsform eine wesentliche Änderung der Prozesslage eingetreten sei, die geeignet wäre, deren Unwirksamkeit und eine damit einhergehende Gehörsverletzung (vgl [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 10. Aufl, § 124 RdNr 4a mwN) zu begründen. Allein ein nach Erklärung des Einverständnisses eingetretener Wechsel [X.] ist hierzu nicht geeignet (vgl [X.]-1300 § 13 [X.] [X.]8 f; BSG Beschlüsse vom 16.2.2006 - B 7a [X.] 246/05 B - und vom 26.8.2005 - B 9a V 13/05 B; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 10. Aufl, § 124 Rd[X.]e und 4b mwN).

8

2. Mit dem Vorbringen, an dem ohne mündliche Verhandlung durch konsentierten Einzelrichter ergangenen Urteil habe der Vorsitzende des [X.]s des [X.] mitgewirkt, obwohl dieser nicht an der einzigen mündlichen Verhandlung des Rechtsstreits durch die zuvor zuständige Berichterstatterin des 3. Senats teilgenommen habe, rügt die Klägerin sinngemäß auch eine § 129 [X.] widersprechende Besetzung des Gerichts beim Fällen des Urteils. Allerdings wird die Besetzungsrüge ebenfalls nicht den aus § 160a Abs 2 [X.] iVm § 160 Abs 2 [X.] [X.] herzuleitenden Anforderungen genügend bezeichnet. Hierzu hätte die Klägerin darlegen müssen, dass es sich bei der vor dem Wechsel der Senatszuständigkeit durchgeführte "Verhandlung" um die in § 129 [X.] angesprochene "dem Urteil zugrunde liegende(n) Verhandlung" gehandelt hat. Notwendig wäre dies insbesondere deshalb gewesen, weil rechtlich zwischen einem Erörterungstermin (§ 106 Abs 3 [X.] [X.]) - um einen solchen hat es sich auch nach dem Vortrag der Klägerin bei der am [X.] durchgeführten "Verhandlung" gehandelt - und einer "mündlichen Verhandlung" (§ 112 [X.]), aufgrund derer nach § 124 Abs 1 [X.] das Gericht regelmäßig entscheidet und auf deren Durchführung die Klägerin - wiederum nach eigenem Vortrag - verzichtet hat, unterschieden wird.

9

3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a [X.] [X.] Halbs 2 [X.]).

4. [X.] folgt aus § 197a Abs 1 S 1 Halbs 3 [X.] iVm § 154 Abs 2, § 162 Abs 3 VwGO. Eine Kostenerstattung allein zugunsten der Beklagten entspricht der Billigkeit, denn die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.

5. Der Streitwert war für das Beschwerdeverfahren gemäß § 197a Abs 1 S 1 Halbs 1 [X.] iVm § 63 Abs 2, § 52 Abs 2, § 47 Abs 1 und 3 GKG in Höhe des Auffangstreitwerts festzusetzen.

Meta

B 12 R 2/13 B

01.08.2013

Bundessozialgericht 12. Senat

Beschluss

Sachgebiet: R

vorgehend SG Hamburg, 12. September 2008, Az: S 12 R 1006/05, Urteil

§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, § 62 Abs 2 SGG, § 106 Abs 3 Nr 7 SGG, § 112 Abs 2 S 2 SGG, § 112 Abs 4 SGG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 01.08.2013, Az. B 12 R 2/13 B (REWIS RS 2013, 3699)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 3699

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

B 11 AL 23/17 B (Bundessozialgericht)

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Darlegung des Verfahrensmangels - Verletzung des rechtlichen Gehörs - richterliche …


B 12 KR 14/15 B (Bundessozialgericht)

(Sozialgerichtliches Verfahren - Verletzung rechtlichen Gehörs wegen nicht erfolgter Anhörung nach § 153 Abs 4 …


B 13 R 223/20 B (Bundessozialgericht)

Sozialgerichtsverfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensfehler - Beruhen einer Entscheidung auf einer gerügten Verletzung des Grundsatzes …


B 11 AL 22/18 B (Bundessozialgericht)

Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensmangel - Überraschungsentscheidung


B 9 SB 15/17 B (Bundessozialgericht)

Nichtzulassungsbeschwerde - grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache - Schwerbehindertenrecht - Merkzeichen RF - Ermäßigung des Rundfunkbeitrags …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.