Bundespatentgericht, Beschluss vom 03.08.2010, Az. 24 W (pat) 35/07

24. Senat | REWIS RS 2010, 4311

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren - "Stradivari/Stradivarius(Wort-Bildmarke)" – teilweise begriffliche Verwechslungsgefahr - zur Kennzeichnungkraft -


Tenor

betreffend die Marke 301 33 973

hat der 24. Senat ([X.]) des [X.] auf die mündliche Verhandlung vom 3. August 2010 unter Mitwirkung des Richters [X.] als Vorsitzenden, des Richters [X.] und der Richterin Kortge

beschlossen:

Auf die Beschwerde der Widersprechenden werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 3 des [X.] vom 23. August 2005 und vom 20. Februar 2007 insoweit aufgehoben, als der Widerspruch aus der Gemeinschaftsmarke 506 469 bezüglich der Waren „Klasse 18: Lederwaren und Lederimitationen, Koffer und Reisetaschen, Reisekoffer, Gepäckstücke, Handkoffer, Sportreisetaschen, Taschen, Handtaschen, Kulturtaschen, Freizeittaschen, Aktentaschen, soweit in Klasse 18 enthalten; Dokumentenkoffer, Kosmetikkoffer, [X.], Brieftaschen und Geldbörsen“ und der Widerspruch aus der Gemeinschaftsmarke 1246164 bezüglich der Waren der jüngeren Marke in [X.] zurückgewiesen worden ist.

In diesem Umfang wird die Marke 301 33 973 gelöscht.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die am 5. Juni 2001 angemeldete Wortmarke

2

[X.]

3

ist am 18. Juni 2002 unter der Nr. 301 33 973 für die Waren

4

„Klasse 03:

5

Seifen, Parfümerien, ätherische Öle, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, Haarwässer, Zahnpflegemittel;

6

[X.]:

7

Edelmetalle oder Legierungen sowie daraus hergestellte oder damit plattierte Waren, soweit in [X.] enthalten; [X.], Schmuckwaren, Edelsteine, Uhren und Zeitmessinstrumente, Gold und Silberwaren, Armbänder, soweit in [X.] enthalten, Schlüsselanhänger in Lederetuis, Gegenstände aus [X.], soweit in [X.] enthalten; Krawattenhalter- und -nadeln, Manschettenknöpfe, Ringe, Modeschmuck;

8

Klasse 18:

9

Lederwaren und Lederimitationen, Koffer und Reisetaschen, Reisekoffer, Gepäckstücke, Handkoffer, Sportreisetaschen, Taschen, Handtaschen, Kulturtaschen, Freizeittaschen, Aktentaschen, soweit in Klasse 18 enthalten; Dokumentenkoffer, Kosmetikkoffer, Tragebehältnisse für Bekleidung, [X.], Dokumentenmappen, Brieftaschen und Geldbörsen, Regenschirme, Sonnenschirme, [X.], Teile und Bestandteile für alle vorstehend genannten Waren, soweit in Klasse 18 enthalten“

in das beim [X.] ([X.]) geführte Register eingetragen und am 19. Juli 2002 veröffentlicht worden.

Gegen die Eintragung der vorgenannten Marke hat die Widersprechende aus zwei prioritätsälteren [X.]smarken Widerspruch erhoben, nämlich

1. aus der Marke Nr. 506 469 (angemeldet am 9. April 1997 und eingetragen am 19. November 1998)

Abbildung

geschützt für

„18

Handtaschen, Geldbörsen, Brieftaschen, Aktentaschen, Handkoffer, Reisekoffer, Regenschirme, Sonnenschirme, Markisen, [X.], Peitschen, Pferdegeschirre und Sattlerwaren;

24

Handtücher, Bettlaken, Tischwäsche, Tagesdecken für Betten, Decken, Taschentücher, Tischdecken, Vorhänge, Gardinen und Webstoffe;

25

Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen“

2. aus der - hinsichtlich des Zeichens der ersten Widerspruchsmarke sehr ähnlichen - Marke Nr. 1 246 164 (angemeldet am 19. Juni 1999 und eingetragen am 22. September 2000), die für die Waren

„03

Wasch- und Bleichmittel; Putz-, Polier-, Fettentfernungs- und Schleifmittel; Seifen; Parfümerien; ätherische Öle, Haarwässer; Zahnputzmittel;

14

Edelmetalle und deren Legierungen sowie daraus hergestellte oder damit plattierte Waren; [X.], Edelsteine; Uhren und Zeitmessinstrumente;

16

Papier und Waren aus Papier, Pappe (Karton) und Waren aus Pappe (Karton); Formblätter, Zeitungen und Zeitschriften, Bücher, Buchbinderartikel; Photographien; Schreibwaren, Klebstoffe für Papier- und Schreibwaren, Künstlerbedarfsartikel; Pinsel; Schreibmaschinen und Büroartikel, ausgenommen Möbel; Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate); Spielkarten; Drucklettern; Druckstöcke“

registriert ist.

Beide Widersprüche sind jeweils auf alle Waren der [X.] gestützt, wobei jedoch der Widerspruch aus der [X.]smarke 506 469 sich nur gegen die Waren der Klasse 18 der angegriffenen Marke und der Widerspruch aus der [X.]smarke 1 246 164 sich nur gegen die Waren der Klassen 3 und 14 der angegriffenen Marke richtet.

Die mit einer Markenprüferin im gehobenen Dienst besetzte Markenstelle für [X.] des [X.] hat mit [X.]uss vom 23. August 2005 beide Widersprüche zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen ausgeführt, die beiden [X.] enthielten den Wortbestandteil jeweils nur in einer dermaßen verfremdeten Form, dass dieser kaum mehr beachtet würde. Der Gesamteindruck der [X.] werde vielmehr durch die Bildelemente geprägt; eine Verwechslungsgefahr scheide somit mangels hinreichender Markenähnlichkeit aus.

Nachdem die Widersprechende gegen den [X.]uss Erinnerung eingelegt hatte, hat die Markeninhaberin mit Eingabe vom 25. November 2005, die am nächsten Tag beim [X.] eingegangen ist, zu beiden [X.] die Einrede der Nichtbenutzung erhoben.

Die mit einer Beamtin im höheren Dienst besetzte Markenstelle für [X.] des [X.] hat eine Verwechslungsgefahr ebenfalls verneint und die Erinnerung mit [X.]uss vom 20. Februar 2007 zurückgewiesen. Die beiderseitigen Marken könnten sich - eine Benutzung der [X.] in der [X.] unterstellt - zwar teilweise, nämlich hinsichtlich der Waren „Koffer“, „Handtaschen“, „Aktentaschen“ sowie „Seifen“, „Parfümerien“, „[X.]“ und „Uhren“, auf identischen Waren begegnen und die Kennzeichnungskraft der [X.] sei mangels entgegenstehender Anhaltspunkte als durchschnittlich zu bewerten. Jedoch werde der hiernach gegenüber den [X.] zu fordernde deutliche Markenabstand von der angegriffenen Marke noch eingehalten. Der Gesamteindruck der [X.] werde durch den Wortbestandteil „[X.]“ geprägt, weshalb sich die beiden Markenwörter „[X.]“ und „[X.]“ gegenüberstünden. Diese unterschieden sich aber wegen der unterschiedlichen Wortendungen sowohl in klanglicher als auch schriftbildlicher Hinsicht erheblich. Andere Arten von Verwechslungsgefahr seien nicht ersichtlich. Daher komme es auf die Frage, ob eine Benutzung der [X.] in der [X.] ausreichend glaubhaft gemacht worden sei, nicht mehr an.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Sie ist der Auffassung, die Markenstelle habe zu Unrecht eine Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 [X.] verneint. Sie habe zwar zutreffend festgestellt, dass die Kollisionsmarken als „[X.]“ und „[X.]“ gegenübergestellt werden könnten, jedoch übersehen, dass die beteiligten Verkehrskreise nicht in der Lage seien, diese beiden Worte auseinanderzuhalten. Die Endung eines Wortes werde weniger beachtet und die Wortendung „-us“ sei zudem verbraucht. Die Wörter „[X.]“ und „[X.]“ stimmten zudem in Sprechrhythmus und Betonung überein. Einer klanglichen Verwechslungsgefahr werde ferner nicht durch einen abweichenden Sinngehalt entgegengewirkt. Die Vergleichswörter „[X.]“ und „[X.]“ erzeugten ein übereinstimmendes und klares Erinnerungsbild. Da der Name des Geigenbauers im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren in keiner Weise beschreibend sei, werde die Gefahr von Verwechslungen hierdurch noch verstärkt.

Darüber hinaus hat die Widersprechende Unterlagen vorgelegt, die die Bekanntheit der [X.] im Sinne von Art. 9 Abs. 1 c) [X.]smarkenverordnung ([X.]) belegen sollen. Derzeit existierten weltweit 515 „[X.]“-Geschäfte, davon 254 außerhalb [X.]. Die Widersprechende ist der Auffassung, dass die [X.] aufgrund ihrer Bekanntheit für Bekleidung, Schuhwaren und Kopfbedeckungen einen erweiterten Schutz beanspruchen könnten. Daraus folge, dass die angegriffene Marke insgesamt, insbesondere auch hinsichtlich der mit ihr beanspruchen Waren der [X.], löschungsreif sei.

Die Widersprechende beantragt (sinngemäß),

die [X.]üsse der Markenstelle für [X.] des [X.]s vom 23. August 2005 sowie vom 20. Februar 2007 aufzuheben und die angegriffene Marke zu löschen.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Nach ihrer Auffassung kann eine markenrechtliche Ähnlichkeit der Vergleichsmarken nicht festgestellt werden. Es müsse bereits bezweifelt werden, dass ein entscheidungserheblicher Teil der maßgeblichen Verkehrskreise die [X.] als grafisch gestaltete Wiedergaben des Wortes „[X.]“ erkenne. Sofern dies dennoch der Fall sein sollte, wäre festzustellen, dass die [X.] in klanglicher Hinsicht gut auseinander zu halten seien. Die angegriffene Marke ende auf dem markanten, hellen Vokal „i“, wohingegen die [X.] mit einem dunklen Vokal „u“, gefolgt vom Zischlaut „s“, schlössen. Auch eine schriftbildliche Ähnlichkeit der Vergleichsmarken müsse verneint werden, da die bis zur [X.] grafisch verfremdete Schrift der Widerspruchszeichen keine Entsprechung in der angegriffenen Marke finde. Eine Übereinstimmung im Sinngehalt liege ebenfalls fern. Der Wortbestandteil „[X.]“ der [X.] stelle ein reines Fantasiewort dar, so dass auch in begrifflicher Hinsicht keine Verwechslungsgefahr zu befürchten sei.

Die Widersprechende hat in Ergänzung ihrer bereits im patentamtlichen Erinnerungsverfahren vorgelegten Benutzungsunterlagen, welche die Jahre 2001 bis 2005 betreffen, in der mündlichen Verhandlung zwei weitere eidesstattliche Versicherungen des [X.] (Geschäftsführer des [X.]) vom 30. Juli 2010 vorgelegt. Beiden eidesstattlichen Versicherungen sind in Bezug genommene Warenabbildungen angeheftet, die einerseits Handtaschen und Gürtel und andererseits Armreife und Armbanduhren zeigen. Aus den eidesstattlichen Versicherungen selbst ergibt sich, dass die Widersprechende im Zeitraum von 2006 bis 2010 in der [X.] - mit Schwerpunkt in [X.] - durch den Verkauf von Taschen und Gürtel, die mit einer der [X.] gekennzeichnet waren, jährlich zwischen … und [X.] und durch den Verkauf entsprechend gekennzeichneter Schmuckwaren und Uhren jährlich zwischen … und [X.] umgesetzt hat.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde der Widersprechenden ist zulässig. In der Sache hat sie auch teilweise Erfolg.

Zwischen den beiden [X.] und der angegriffenen Marke besteht jedenfalls in begrifflicher Hinsicht teilweise eine markenrechtlich beachtliche unmittelbare Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 [X.], die im vorstehend tenorierten Umfang gemäß § 125 b Nr. 1 und Nr. 4 [X.] i. V. m. §§ 43 Abs. 2 Satz 1, 42 Abs. 2 Nr. 1 [X.] zur Teillöschung der angegriffenen Marke 301 33 973 „[X.]“ führt. Im Übrigen hat die Markenstelle die Widersprüche aus den [X.]smarken 506 469 und 1246164 zu Recht zurückgewiesen.

1. Widerspruch aus der [X.]smarke 506 469

Der Widerspruch aus der [X.]smarke 506 469 richtet sich nur gegen die Waren der Klasse 18 der angegriffenen Marke, weshalb eine gegebenenfalls bestehende Verwechslungsgefahr nicht zur Löschung der angegriffenen Marke in einem weitergehenden Umfang führen kann.

Im Übrigen gilt, dass die Beurteilung der Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 [X.] unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend vorzunehmen ist. Dabei ist von einer Wechselwirkung zwischen den Beurteilungsfaktoren der [X.] oder -ähnlichkeit, der Markenidentität oder -ähnlichkeit und der Kennzeichnungskraft einer Widerspruchsmarke in der Weise auszugehen, dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder der Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (vgl. u. a. [X.] [X.]. 2000, 899, 901 (Nr. 40) „[X.]/[X.]“; GRUR 2005, 1042, 1044 (Nr. 27) „[X.] LIFE“; [X.], 237, 238 (Nr. 18 f.) „[X.]“; [X.], 513, 514 „[X.]/[X.]“; [X.], 859, 860 (Nr. 16) „Malteserkreuz“; [X.], 905, 906 (Nr. 12) „[X.]“; [X.], 772, 776 (Nr. 5) „[X.]“; GRUR 2010, 729, 731 (Nr. 23) „MIXI“).

a) Im Zusammenhang mit der Frage nach der Ähnlichkeit der vorliegend betroffenen Waren muss die von der Inhaberin der angegriffenen Marke am 26. November 2005 nach § 125 b Nr. 4 [X.] i. V. m. § 43 Abs. 1 [X.] erhobene Einrede der Nichtbenutzung beachtet werden, die dazu führt, dass auf Seiten der Widerspruchsmarke nur solche Waren berücksichtigt werden dürfen, für die die Benutzung der Marke in der [X.] glaubhaft gemacht worden ist (§ 125 b Nr. 4 i. V. m. § 43 Abs. 1 Satz 3 [X.] und Art. 15 [X.]). Die Einrede ist zulässig, da die Widerspruchsmarke 506 469 am 26. November 2005 bereits 5 Jahre eingetragen war und sich daher außerhalb der so genannten Benutzungsschonfrist befand.

Die Widersprechende ist jedoch ihrer Obliegenheit, für die beanspruchten Waren eine rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke 506 469 in der [X.] im mittlerweile maßgeblichen [X.] - Juli 2005 bis Juli 2010 -, wie er sich aus § 43 Abs. 1 Satz 2 [X.] ergibt, glaubhaft zu machen, nur teilweise, nämlich in Bezug auf die Waren „Handtaschen“ und „Gürtel“ nachgekommen. Aus den in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Unterlagen (eidesstattliche Versicherungen vom 30. Juli 2010 mit [X.]) ergibt sich, dass die Widersprechende in den Jahren 2006 bis 2010, die den wesentlichen Teil des relevanten Benutzungszeitraums abdecken, in der [X.] - mit Schwerpunkt [X.] - mit „Handtaschen“ und „Gürtel“ jeweils Umsätze in Höhe von jährlich mindestens [X.] erzielt hat.

eines Mitgliedstaates bekannt ist (vgl. [X.] [X.], 1158, 1159 (Nr. 29) „PAGO/Tirolmilch“), hier entsprechend herangezogen werden kann.

Unschädlich ist ferner, dass die Widerspruchsmarke in der glaubhaft gemachten Benutzungsform geringfügig von der Form abweicht, in der sie eingetragen ist. Nach § 125 b Nr. 4 [X.] i. V. m. Art. 15 Abs. 1 Satz 2 a) [X.] wird hierdurch eine ernsthafte Benutzung der Widerspruchsmarke nicht in Frage stellen, da durch die vorhandene Abweichung die Unterscheidungskraft der Marke nicht beeinflusst worden ist.

Die Benutzung der Widerspruchsmarke ist jedenfalls für die Erzeugnisse „Handtaschen“ und „Gürtel“ glaubhaft gemacht worden. Somit kann eine rechtserhaltende Benutzung der [X.]smarke 506 469 im Sinne von § 43 Abs. 1 Satz 3 [X.] für die registrierten Waren „Handtaschen“ und „Sattlerwaren“ - unter diesen Oberbegriff fallen Gürtel - bejaht werden.

b) Neben einer hochgradigen, bis zur [X.] reichenden [X.] im Bereich der relevanten [X.] kann allerdings nur von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ausgegangen werden. Für einen erhöhten Schutzumfangs fehlt es an hinreichenden Anhaltspunkten. Die seitens der Widersprechenden vorgelegten Unterlagen reichen nicht aus, eine gesteigerte Kennzeichnungskraft zu belegen.

Die Widersprechende stützt ihre Behauptung einer gesteigerten Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke 506 469 im Wesentlichen darauf, dass es sich bei dieser um eine in der [X.] „bekannte“ Marke handele. Als Belege führt sie hierzu hohe Umsatzzahlen und [X.] sowie vor allem den Umstand an, dass es weltweit 515 ‚„[X.]“-Geschäfte’ gebe, von denen 254 außerhalb [X.] existierten. Die Widersprechende irrt jedoch insoweit, als sie meint, dass damit (d. h. mit der Verwendung als Unternehmenskennzeichen) zwangsläufig auch eine Steigerung der markenrechtlichen Kennzeichnungskraft verbunden wäre. Diese Überlegung mag vielleicht bei Dienstleistungsmarken zutreffen (vgl. [X.], 616, 618 (Nr. 16) „[X.]; [X.], 484, 487 (Nr. 29) „Metrobus“); auf die für Waren registrierten [X.] kann dagegen aufgrund einer etwaigen erhöhten Bekanntheit des identischen, parallel existierenden Unternehmenskennzeichens „[X.]“ nicht ohne weiteres auf eine Stärkung der markenrechtlichen Kennzeichnungskraft geschlossen werden. Die Benutzung einer eingetragenen Marke stärkt nur dann die markenrechtliche Kennzeichnungskraft - und wirkt nebenbei bemerkt auch nur dann rechtserhaltend -, wenn diese Benutzung der Hauptfunktion einer Marke entspricht, nämlich dem Verkehr die [X.] einer bestimmten Ware, für die sie eingetragen ist, dadurch zu garantieren, dass sie es ihm ermöglicht, diese Ware von Waren anderer Herkunft zu unterscheiden (vgl. [X.], 428, 430 „[X.]“ [X.], 150, 151 (Nr. 9) „[X.]“; [X.], 616, 617 (Nr. 10) „[X.]“). Hierzu muss die Marke in funktioneller Verbindung mit der Ware benutzt werden (vgl. [X.]/[X.], [X.], 9. Aufl., § 26 Rn. 16). Die vorgelegten Unterlagen liefern dagegen fast keine Belege (z. B. in Form von [X.], Etiketten oder Prospekten), aus denen auf eine markenmäßige Kennzeichnung von Waren geschlossen werden könnte. Auch die dem [X.] vorgelegten zahlreichen Veröffentlichungen aus Modezeitschriften zeigen keine funktional-markenmäßige Verbindung der Marken mit den abgebildeten Waren; dem entspricht wiederum der Text der eidesstattlichen Versicherung vom 6. Februar 2006, der lediglich aussagt, dass in ‚„[X.]-Geschäften“ die angegebenen Umsätze erzielt worden seien.

c) Ausgehend von einer hochgradigen [X.] (und zum Teil auch [X.]) im Bereich der Klasse 18 und einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ist ein deutlicher Markenabstand erforderlich, um eine Gefahr von Verwechslungen zu vermeiden. Die angegriffene Marke hält jedoch zumindest in begrifflicher Hinsicht den notwendigen Abstand nicht ein.

Bei der Beurteilung der Zeichenähnlichkeit ist maßgeblich auf den von den Kollisionsmarken hervorgerufenen Gesamteindruck unter Berücksichtigung der unterscheidungskräftigen und dominierenden Elemente abzustellen. Insoweit kommt es entscheidend darauf an, wie die Marken auf den Durchschnittsverbraucher der jeweiligen Waren wirken, der eine Marke regelmäßig als Ganzes wahrnimmt (vgl. [X.] [X.]. 1999, 734, 736 (Nr. 25) „[X.]“; [X.]. 2004, 843, 845 (Nr. 29) „[X.]“; BGH [X.], 60, 62 (Nr. 17) „[X.]“; [X.], 903, 904 (Nr. 18) „[X.]“). Hierbei ist auch relevant, dass sich die beiderseitigen Waren nicht an den Fachverkehr richten, sondern an Durchschnittsverbraucher, deren Aufmerksamkeit nicht durchweg hoch ist.

Jedenfalls besteht - wie die Widersprechende zu Recht ausgeführt hat - eine hochgradige begriffliche Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Marken. Der Begriff

Rechtsbeständig sind die angegriffenen [X.]üsse dagegen insoweit, als die Markenstelle den Widerspruch aus der [X.]smarke 506 469 hinsichtlich der Waren „Tragebehältnisse für Bekleidung“, „[X.]“, „Regenschirme“, „Sonnenschirme“ und „[X.]“ zurückgewiesen hat. Hierbei handelt es sich um Gegenstände einer jeweils eigenen Gattung, die mangels hinreichender [X.] zu den Widerspruchswaren „Handtaschen“ und „Sattlerwaren“ eine Verwechslungsgefahr nicht begründen können.

Dahingestellt bleiben kann vorliegend, ob auch eine Ähnlichkeit der Kollisionsmarken in klanglicher Hinsicht eine Verwechslungsgefahr begründen könnte. Eine solche Feststellung ist nicht notwendig, da für die Bejahung einer markenrechtlich beachtlichen Verwechslungsgefahr die Ähnlichkeit in einem Wahrnehmungsbereich ausreichend ist ([X.] GRUR 1998, 387, 390 (Nr. 23) „[X.][X.]“; BGH [X.], 60, 62 (Nr. 17) „[X.]“; [X.], 803, 804 (Nr. 21) „[X.]“; GRUR 2010, 235, 236 (Nr. 18) „[X.]/[X.]“; [X.], 78 - [X.]/Zero).

2. Widerspruch aus der [X.]smarke 1 246 164

Der Widerspruch aus der [X.]smarke 1 246 164 richtet sich ausschließlich gegen die Waren der Klassen 3 und 14 der angegriffenen Marke; dieser hat jedoch nur hinsichtlich der Waren der [X.] Erfolg.

a) Bezüglich der Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 [X.] gelten die oben unter Abschnitt 1. genannten Kriterien in gleicher Weise.

Die Widersprechende ist ihrer Obliegenheit, für die beanspruchten Waren eine rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke 1 246 164 in der [X.] im maßgeblichen [X.] - Juli 2005 bis Juli 2010 - glaubhaft zu machen, wiederum nur teilweise, nämlich nur in Bezug auf „[X.]“ und „Uhren“, nachgekommen. Aus den in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Unterlagen (eidesstattliche Versicherungen vom 30. Juli 2010 mit [X.]) ergibt sich, dass die Widersprechende in den Jahren 2006 bis 2010, die den wesentlichen Teil des relevanten Benutzungszeitraums abdecken, in der [X.] - mit Schwerpunkt [X.] - mit „[X.]“ und „Uhren“ jeweils Umsätze in Höhe von jährlich mindestens [X.] erzielt hat.

Hinsichtlich der räumlichen Verteilung der Benutzung in der [X.] und der glaubhaft gemachten Benutzungsform der Widerspruchsmarke 1 246 164 gilt das oben unter Abschnitt 1. Ausgeführte entsprechend auch hier.

Die Benutzung der Widerspruchsmarke ist jedenfalls für die Erzeugnisse „[X.]“ und „Uhren“ glaubhaft gemacht worden. Somit kann eine rechtserhaltende Benutzung der [X.]smarke 1 246 164 im Sinne von § 43 Abs. 1 Satz 3 [X.] für die registrierten Erzeugnisse „[X.]“ und „Uhren“ bejaht werden.

b) Zur Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke 1 246 164 gilt wiederum das oben unter Abschnitt 1. Ausgeführte entsprechend.

c) Ausgehend von einer hochgradigen [X.] (und zum Teil auch [X.]) im Bereich der [X.] und einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ist auch hier ein deutlicher Markenabstand erforderlich, um eine Gefahr von Verwechslungen zu vermeiden. Die angegriffene Marke hält jedoch in entsprechender Weise (vgl. oben) jedenfalls in begrifflicher Hinsicht den notwendigen Abstand nicht ein.

d) Entgegen der Auffassung der Widersprechenden gibt es jedoch keinen Grund wegen des Widerspruchs aus der [X.]smarke 1 246 164 die angegriffene Marke über die [X.] hinaus zu löschen. Dies verbietet sich bereits deshalb, weil sich zwischen „[X.]“ und „Uhren“ einerseits und den angegriffenen Waren „Parfümerien“, „Mittel zur Körper- und Schönheitspflege“ andererseits keine markenrechtlich relevante Ähnlichkeit feststellen lässt. Die Ähnlichkeit von Waren lässt sich nicht mit etwaigen im Mode- und [X.] bisweilen feststellbaren Vermarktungsstrategien und Lizenzpraktiken begründen (vgl. [X.], 594, 596 re. [X.] „Ferrari-Pferd“; [X.], 941, Nr. 12, 14 „[X.] [X.]“). Eine an sich bestehende (absolute) Warenunähnlichkeit - wie sie im vorliegenden Zusammenhang gegeben ist - kann mit einer solchen Praxis, die auf der Erfahrung beruht, dass sich die positiven Assoziationen, welche bekannte, als exklusiv geltende Marken erwecken, auch für völlig andere Produkte nutzbar machen lassen, nicht überwunden werden. Selbst wenn man den Begriff der einander ergänzenden Waren nicht nur in einem funktionalen Sinn versteht, sondern in den Bereichen der Mode, der [X.] und der Produkte für die Pflege des äußeren Erscheinungsbildes auch auf ein ästhetisches Ergänzungsverhältnis abstellt, kann im vorliegenden Zusammenhang nicht von einer [X.] ausgegangen werden (vgl. [X.], 347, Nr. 35 bis 37  „[X.] [X.]“; [X.], [X.]. vom 23. Februar 2010, 24 W (pat) 87/08 - Noor).

Auch durch die Erteilung von [X.] zum Zweck der Verkaufsförderung bleibt der [X.]sbereich grundsätzlich unberührt. Ein Ausnahmefall, in dem der Verkehr bei funktionsverwandten Produkten nicht nur von einem Image-, sondern auch von einem Know-how-Transfer ausgeht, liegt hier ersichtlich nicht vor. Voraussetzung für die Bejahung einer [X.] zwischen Mode/Bekleidungsstücken, [X.] und Produkten für die Pflege des äußeren Erscheinungsbildes wäre, dass die eine Ware für die Verwendung der anderen so unentbehrlich oder wichtig ist, dass die Verbraucher es als üblich und normal empfinden, die fraglichen Erzeugnisse zusammen zu benutzen, und dass sie die Vermarktung dieser Waren unter derselben Marke als gängig ansehen, was normalerweise impliziert, dass die jeweiligen Hersteller oder Händler der Produkte großteils dieselben sind (vgl. [X.], 344, Nr. 63  „SISSI [X.]“). Diese Voraussetzungen sind aber hier nicht gegeben.

Im Übrigen gilt, dass eine gänzlich fehlende Ähnlichkeit der Waren nicht durch die anderen Tatbestandsmerkmale der Verwechslungsgefahr ausgeglichen werden kann ([X.] GRUR 1998, 922 „[X.]“; vgl. auch: [X.]/[X.], [X.], a. a. [X.], § 9 Rn. 27, 57 m. w. N.).

e) Ohne Bedeutung ist ferner, dass sich die Widersprechende im Zusammenhang mit der Widerspruchsmarke 1 246 164 allgemein auf deren Bekanntheit in der [X.] beruft. Darin ist offensichtlich die Geltendmachung des [X.] nach § 9 Abs. 2 Nr. 3 [X.] (unlautere Rufausbeutung) zu sehen. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass die Regelung des § 42 Abs. 2 Nr. 1 [X.] in der seit 1. Oktober 2009 geltenden Fassung zwar über § 125 b Nr. 1 und Nr. 4 [X.] grundsätzlich zulässt, einen Widerspruch aus einer [X.]smarke auch - was die Widersprechende nunmehr in der Beschwerde versucht - auf diesen Tatbestand zu stützen. Diese Möglichkeit ist aber im vorliegenden Widerspruchsverfahren nicht gegeben, da die angegriffene Marke vor dem 1. Oktober 2009 angemeldet wurde. Daher gilt vorliegend nach der Übergangsregelung des § 165 Abs. 2 [X.] die alte, bis 30. September 2009 geltende engere Fassung des § 42 Abs. 2 Nr. 1 [X.], die den Missbrauchstatbestand des § 9 Abs. 2 Nr. 3 [X.] gerade ausklammert.

3. Für eine Entscheidung, einer der beiden Beteiligten aus Billigkeitsgründen die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen (§ 71 Abs. 1 [X.]), bestand kein Anlass.

Meta

24 W (pat) 35/07

03.08.2010

Bundespatentgericht 24. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 03.08.2010, Az. 24 W (pat) 35/07 (REWIS RS 2010, 4311)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 4311

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

24 W (pat) 28/12 (Bundespatentgericht)

Markenbeschwerdeverfahren – "neXtore/NEXT (Gemeinschaftsmarke)/NEXT DIRECTORY (Gemeinschaftsmarke" – Dienstleistungsidentität und –ähnlichkeit – keine unmittelbare Verwechslungsgefahr – …


28 W (pat) 30/13 (Bundespatentgericht)

Markenbeschwerdeverfahren – "REBELIGION TRUE SILVER (Wort-Bild-Marke)/TRUE RELIGION (Gemeinschaftswortmarke)/TRUE RELIGION (Gemeinschaftswort-Bildmarke)" – zu Kennzeichnungskraft – unterstellte …


24 W (pat) 31/11 (Bundespatentgericht)

Markenbeschwerdeverfahren – "Motiv/MOTIVI (Wort-Bild-Marke/IR-Marke)/ motivi (Wort-Bild-Marke/IR-Marke)/motivi (Wort-Bild-Marke/IR-Marke)" – zur Warenidentität und -ähnlichkeit – zur Kennzeichnungskraft …


28 W (pat) 502/17 (Bundespatentgericht)

Markenbeschwerdeverfahren – "viva westwood LONDON (Wort-Bild-Marke)/Vivienne Westwood (Unionsmarke, Wort-Bild-Marke)/VIVIENNE WESTWOOD (Unionswortmarke)" – zur Warenidentität - …


27 W (pat) 57/13 (Bundespatentgericht)

Markenbeschwerdeverfahren – "DaliBerlin (Wort-Bild-Marek)/DALI DESIGN (Gemeinschaftsmarke)/Salvador Dali (Wort-Bild-Marke)" – zur Waren- und Dienstleistungsidentität und –ähnlichkeit …


Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.