Bundessozialgericht, Beschluss vom 27.06.2012, Az. B 6 KA 78/11 B

6. Senat | REWIS RS 2012, 5245

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Gegenstand

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Anforderungen an die Darlegung einer Rechtsprechungsabweichung - Verfahrensrüge - Verletzung der Aufklärungspflicht - Beweisantrag - Darstellungen gegenüber Vorhaltungen von Prüfungsstelle oder Beschwerdeausschuss im Verwaltungsverfahren


Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 31. August 2011 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens, mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 8221 Euro festgesetzt.

Gründe

1

I. Der Kläger, ein Zahnarzt, wendet sich gegen eine Honorarkürzung, die die Prüfgremien wegen richtlinienwidriger Parodontosebehandlungen bei 15 Versicherten im Zeitraum Mai bis Dezember 2000 festgesetzt haben.

2

Der Prüfungsausschuss setzte einen Regress in Höhe von knapp 9000 Euro fest (Bescheid vom 5.6.2003). Er stützte sich darauf, dass bei den geprüften Behandlungsverfahren die Richtlinien des [X.] nicht beachtet worden seien. Die Verstöße führte er auf 15 Seiten im Einzelnen auf.

3

Den Widerspruch des [X.] wies der beklagte Beschwerdeausschuss zurück (Bescheid vom [X.]). Im Bescheid ist ausgeführt, der Kläger habe erklärt, er könne gegen die vom Prüfungsausschuss festgestellten Mängel bei den Parodontalbehandlungen nichts vorbringen. Alle Fälle ergäben in mehrfacher Hinsicht Verstöße gegen die Richtlinien des Bundesausschusses.

4

Im Verfahren vor dem [X.] hat der Kläger nähere Ausführungen zu den einzelnen Vorhaltungen im Bescheid des Prüfungsausschusses vom 5.6.2003 gemacht (Schriftsatz vom 12.12.2005). Das [X.] hat seine Klage abgewiesen (Urteil vom 5.9.2007, nach Reduzierung des [X.] auf 8221,28 Euro und insoweit übereinstimmender Erledigung); das L[X.] hat seine Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 31.8.2011). In den Urteilen ist ausgeführt, der Regress wegen der 15 aufgeführten Parodontosebehandlungen sei rechtmäßig. Der Kläger habe im Verwaltungsverfahren die [X.] eingeräumt. Seine Behandlungsweise sei mit den Vorgaben der Richtlinien - unter anderem hinsichtlich der sog Vorbehandlung vor Parodontosebehandlungen - nicht vereinbar. Sowohl das [X.] als auch das L[X.] haben ausgeführt, auf die erst im Gerichtsverfahren vom Kläger vorgebrachten Einwände gegen die Beanstandungen in den Bescheiden der Prüfgremien nicht eingehen zu müssen. Dieser Vortrag sei verspätet.

5

Mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des L[X.] begehrt der Kläger die Zulassung der Revision.

6

II. Die Beschwerde des [X.] hat keinen Erfolg.

7

1. Die [X.] des [X.], das [X.] und das L[X.] hätten seine Ausführungen in der Klagebegründung zu den 15 Parodontosebehandlungen nicht unter Berufung auf das Urteil des B[X.] vom 15.11.1995 (6 [X.]/94 - [X.], insoweit in [X.]-1300 § 16 [X.] nicht abgedruckt) als präkludiert werten dürfen, erfüllt die von ihm angeführten Revisionszulassungsgründe des § 160 Abs 2 [X.] und [X.] [X.]G nicht. Die [X.] ist unzulässig (a), die Verfahrensrüge unbegründet (b).

8

a) Den Anforderungen gemäß § 160a Abs 2 Satz 3 [X.]G an die Darlegung einer Rechtsprechungsabweichung wird nur genügt, wenn Rechtssätze aus dem L[X.]-Urteil und aus einer höchstrichterlichen Entscheidung einander gegenübergestellt werden und dargelegt wird, dass sie nicht miteinander vereinbar sind und dass das Berufungsurteil auf dieser Divergenz beruht. Die Beschwerdebegründung enthält schon nicht die erforderliche Gegenüberstellung von Rechtssätzen; es fehlt aber auch an der ausreichenden Darlegung der inhaltlichen Unvereinbarkeit. Worin eine Divergenz zu dem Urteil des B[X.] vom 15.11.1995 liegen könnte, das das L[X.] gerade als Grundlage für seine Annahme der Präklusion herangezogen hat (Urteil [X.]), hat der Kläger in seiner Beschwerdebegründung nicht aufgezeigt. Die Ausführungen des L[X.] greifen vielmehr die Rechtsprechung des B[X.] auf, für die sich nicht nur das Urteil vom 15.11.1995, sondern auch weitere Urteile anführen lassen (Urteile vom 8.5.1985 - 6 [X.] 24/83 - USK 85190 S 1015 f; vom 11.12.1985 - 6 [X.] 30/84 - B[X.]E 59, 211, 215 = [X.] 2200 § 368n [X.]; vom 20.9.1988 - 6 [X.] 22/87 - [X.] 2200 § 368n [X.]; ebenso auch das nach Vorlage der Beschwerdebegründung ergangene Urteil des B[X.] vom 21.3.2012 - B 6 KA 17/11 R - Rd[X.] 40 ff, zur Veröffentlichung in [X.] vorgesehen). Die Art und Weise, wie das L[X.] diese Rechtsprechung fortgeführt hat, lässt eine Abweichung vom B[X.] nicht erkennen; das L[X.] hat seine Anwendung dieser Rechtsprechung auf die konkrete Gestaltung des vorliegenden Falles ausgerichtet, der durch das Gegenüber von einerseits der 15-seitigen Expertise der Prüfgremien und andererseits der 16-seitigen Erwiderung des [X.] mit Einzelaufstellungen zu allen 15 Behandlungsfällen gekennzeichnet ist: In einer solchen Situation drängt es sich auf, dass ein sachangemessener Abgleich der Darstellungen im Verhältnis zueinander nur durch die fachkundig besetzten Prüfgremien geleistet werden kann.

9

Dies gilt umso mehr, als der Kläger ausweislich des angefochtenen Bescheids in der Sitzung des Beklagten selbst eingeräumt hat, die Richtlinien über die Parodontosebehandlungen in mehrfacher Hinsicht nicht beachtet zu haben, und sich auf das Vorbringen beschränkt hat, deren Vorgaben seien nicht in jeder Hinsicht fachlich richtig. Hätte der Kläger sich offenhalten wollen, den Ausführungen des Prüfungsausschusses im Bescheid vom 5.6.2003 zu den Verstößen gegen die Richtlinien auch in tatsächlicher Hinsicht entgegen zu treten, so hätte er das zumindest im Sinne [X.] Vorbringens gegenüber dem Beklagten tun müssen.

b) Die vom Kläger weiterhin erhobene Verfahrensrüge greift ebenfalls nicht durch. Sie ist unbegründet. Ein Verfahrensmangel setzt voraus, dass dem L[X.] - auf der Grundlage seiner materiell-rechtlichen Auffassung - ein Fehler bei seinem verfahrensmäßigen Vorgehen angelastet wird. Ein solcher Fehler ist nicht erkennbar.

Der Kläger macht geltend, das L[X.] habe ihm nicht vorhalten dürfen, er hätte sein umfängliches Vorbringen zu den einzelnen 15 Behandlungsfällen (Klagebegründung vom 12.12.2005) bereits im Verfahren der Prüfgremien anbringen müssen. Darin liegt die [X.], das L[X.] sei von einer falschen Rechtsauffassung über seine - des [X.] - Pflichten zur Mitwirkung an der Sachverhaltsaufklärung ausgegangen, also das Vorbringen, dem Urteil des L[X.] liege eine unzutreffende Rechtsauffassung zugrunde. Dies stellt keine Verfahrensrüge im genannten Sinn dar, weil der Kläger in der Sache rügt, das L[X.] sei von einem unzutreffenden Verständnis der Mitwirkungspflichten des [X.] ausgegangen.

Ein Verfahrensmangel des L[X.] kommt insoweit auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Verletzung der Amtsermittlungspflicht gemäß § 103 [X.]G in Betracht. Bei einer Verfahrensrüge, die auf eine Verletzung des § 103 [X.]G gestützt wird, muss gemäß § 160 Abs 2 [X.] Halbsatz 2 iVm § 160a Abs 2 Satz 3 [X.]G ein Beweisantrag benannt und dazu ausgeführt werden, dass das L[X.] ihm ohne hinreichenden Grund nicht gefolgt sei, und der Beweisantrag muss im Berufungsverfahren - wenigstens hilfsweise - noch zuletzt zusammen mit den [X.] gestellt werden (zu diesem Erfordernis vgl zB B[X.] [X.]-1500 § 160 [X.]9 S 49; B[X.] [X.] 4-1500 § 160 [X.] Rd[X.] 5). Diese Voraussetzungen sind ersichtlich nicht erfüllt.

c) Schließlich besteht kein Anlass zu einer Überprüfung des [X.] grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 160 Abs 2 [X.] [X.]G. Der Kläger hat sich für sein Begehren auf Zulassung der Revision allein auf [X.] und [X.] aaO berufen, also den Zulassungsgrund grundsätzliche Bedeutung gemäß [X.] aaO in seiner Beschwerdebegründung vom 22.11.2011 gerade nicht benannt. Eine solche [X.] könnte im Übrigen auch nicht dem Gesamtzusammenhang entnommen werden; dafür müsste gemäß den Anforderungen des § 160a Abs 2 Satz 3 [X.]G wenigstens ansatzweise eine konkrete Rechtsfrage in eigener Formulierung klar bezeichnet sowie ausgeführt worden sein, inwiefern diese Rechtsfrage in dem mit der Beschwerde angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie klärungsbedürftig ist. Dabei müsste der Beschwerdeführer die einschlägige Rechtsprechung aufführen und sich mit ihr befassen; er müsste sich im vorliegenden Fall also mit der unter a) angeführten Rechtsprechung umfassend auseinandersetzen und aufzeigen, in welcher Richtung er die vom B[X.] aufgestellten Grundsätze für fortentwicklungsbedürftig hält. Auch diesen weiteren Anforderungen ist nicht genügt.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 [X.]G iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Danach trägt der Kläger die Kosten des von ihm erfolglos geführten Rechtsmittels (§ 154 Abs 2 VwGO). Eine Erstattung der Kosten der Beigeladenen ist nicht veranlasst; sie haben im Beschwerdeverfahren keinen Antrag gestellt (§ 162 Abs 3 VwGO; vgl B[X.]E 96, 257 = [X.] 4-1300 § 63 [X.], Rd[X.]6).

Die Festsetzung des Streitwerts hat ihre Grundlage in § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 [X.]G iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 3, § 47 Abs 1 und 3 GKG. Dessen Bemessung erfolgt entsprechend dem Rückforderungsbetrag, über den das L[X.] inhaltlich entschieden hat.

Meta

B 6 KA 78/11 B

27.06.2012

Bundessozialgericht 6. Senat

Beschluss

Sachgebiet: KA

vorgehend SG Berlin, 5. September 2007, Az: S 83 KA 138/05, Urteil

§ 103 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, § 160 Abs 2 Nr 2 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 27.06.2012, Az. B 6 KA 78/11 B (REWIS RS 2012, 5245)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 5245

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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