Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.03.2017, Az. AnwZ (Brfg) 3/17

Senat für Anwaltssachen | REWIS RS 2017, 13725

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:210317[X.]ANWZ.[X.]RFG.3.17.0

[X.]UN[X.]SGERICHTSHOF

[X.]ESCHLUSS

AnwZ ([X.]) 3/17
vom

21. März 2017

in der verwaltungsrechtlichen Anwaltssache

wegen belehrenden Hinweises
-
2
-

Der [X.]undesgerichtshof, [X.], hat
durch [X.] [X.], [X.] [X.]ünger und [X.] sowie die Rechtsanwältin Schäfer und den Rechtsanwalt Dr. Wolf

am
21. März 2017
beschlossen:

Der Antrag der
[X.]eklagten
auf Zulassung der [X.]erufung gegen das
am 24. Oktober 2016 verkündete Urteil des 4. Senats des [X.]ayeri-schen
[X.]s wird abgelehnt.

Die
[X.]eklagte
trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Wert des
Zulassungsverfahrens
wird auf 5.000

Gründe:

I.

Der Kläger wendet sich gegen einen von der [X.]eklagten ausgesproche-nen belehrenden Hinweis vom 31. März 2016. Darin wird beanstandet, der Klä-ger verstoße gegen die in § 27 Abs. 1 [X.] verankerte Kanzleipflicht, weil sei-ne Rechtsanwaltssozietät in ihren Kanzleiräumen eine Immobilienverwaltung beherberge, die unter Nutzung der gleichen Anschrift und der gleichen Kommu-nikationsverbindungen vom Kläger als namensgebendem Sozius der [X.] betrieben werde.

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Der [X.] hat den belehrenden Hinweis aufgehoben. Die
[X.]eklagte
beantragt die
Zulassung der [X.]erufung
gegen das Urteil des Anwalts-gerichtshofs.

II.

Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg.
Die von
der [X.]eklagten
geltend gemachten Zulassungsgründe
(§ 112e Satz 2 [X.], § 124
Abs.
2 Nr. 1 und 3
VwGO)
liegen nicht vor.

1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils beste-hen nicht (§ 112e Satz 2 [X.], § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Dieser Zulas-sungsgrund setzt voraus, dass ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt
wird (st. Rspr.; vgl. etwa [X.], [X.]eschluss vom 28. Oktober 2011 -
AnwZ ([X.]) 30/11, NJW-RR 2012, 189 Rn. 5 mwN). Daran fehlt es.
Ein Verstoß des [X.] gegen die Kanzleipflicht gemäß § 27 Abs. 1 [X.] liegt nicht vor.

a) Nach § 27 Abs. 1 [X.]
muss
der Rechtsanwalt im [X.]ezirk der [X.], deren Mitglied er ist, eine Kanzlei einrichten und unterhalten. Die Kanzlei dient dazu, die Erreichbarkeit des Anwalts für das rechtsuchende Publikum, [X.]erufskollegen, Gerichte und [X.]ehörden sicherzustellen. Von einer Kanzlei im Rechtssinne kann daher nur bei Vorhandensein organisatorischer Maßnahmen gesprochen werden, die der Öffentlichkeit den Willen des Anwalts offenbaren, anwaltliche Dienstleistungen bereitzustellen (Senat, [X.]eschlüsse vom 20. Oktober 2014 -
AnwZ ([X.]) 32/13, [X.]eckRS 2014, 20924 Rn. 11 und vom 6. Juli 2009 -
AnwZ ([X.]) 26/09, NJW-RR 2009, 1577 Rn. 5). Der [X.] muss dem rechtsuchenden Publikum in den Praxisräumen zu angemesse-2
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nen Zeiten für anwaltliche Dienste zur Verfügung stehen (Senat, [X.]eschluss vom 6.
Juli 2009 aaO). Letzteres erscheint fraglich, wenn die Praxisräume zur Wah-rung anwaltlicher Pflichten -
wie der Verschwiegenheitspflicht gemäß § 43a Abs. 2 [X.] -
ungeeignet sind
(vgl. hierzu [X.] in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches [X.]erufsrecht, 2. Aufl., § 27 [X.] Rn. 19).

b) Dies kann jedoch vorliegend dahinstehen. Denn der [X.] ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Ausübung der [X.] durch den Kläger in den Räumen seiner Rechtsanwaltssozietät nicht die Gefahr einer Verletzung der Verschwiegenheitspflicht gemäß §
43a Abs. 2 [X.] birgt.

aa) Entgegen der Auffassung der [X.]eklagten erfordert die Sicherung der strafprozessualen [X.]eschlagnahmeverbote (§ 97 [X.] i.V.m.
§ 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 [X.]) nicht eine räumliche Trennung von Kanzlei und [X.].

Der [X.] hat zutreffend darauf hingewiesen, dass Gegen-stände
i.[X.]. § 97 Abs. 1 [X.], die sich im [X.] eines Rechtsanwalts in dessen Kanzleiräumen befinden, auch dann vor einem staatlichen Zugriff geschützt sind, wenn der nichtanwaltliche Sozius an ihnen unmittelbaren [X.]esitz hat
(vgl. [X.]VerfG,
NJW 2016, 700 Rn. 76). Der Schutz vor staatlichem Zugriff besteht bei solchen [X.] unabhängig davon, ob
es sich bei demjenigen, der neben dem Rechtsanwalt [X.]esitz oder Mitbesitz an den be-treffenden Gegenständen hat, um einen Sozius des Rechtsanwalts oder einen [X.]erufsträger handelt, der sich seinerseits auf ein Zeugnisverweigerungsrecht gemäß § 53 Abs. 1 Satz 1 [X.] berufen kann. Eine derartige
[X.]egrenzung des Schutzes vor staatlichem Zugriff ergibt sich auch nicht aus dem [X.]eschluss des 6
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[X.]undesverfassungsgerichts vom 12. Januar 2016 (aaO). Dort wird -
nach Erör-terung des Schutzes bestimmter nichtanwaltlicher [X.]erufsgruppen vor einer [X.]e-schlagnahme -
ausgeführt, dass sich unabhängig hiervon ("zudem") der Schutz vor einem staatlichen Zugriff auch aus dem Gewahrsam des Rechtsanwalts ergebe, der kein [X.] sein müsse. Die Erwähnung des nichtanwalt-lichen
"Sozius"
dient
dabei nicht der
[X.]egrenzung des (Mit-)[X.]esitz ausübenden Personenkreises. Sie folgt
allein aus dem Zusammenhang der zur Entschei-dung stehenden Rechtsfrage eines Sozietätsverbots nach
§ 59a Abs. 1 Satz 1 [X.]. In der Entscheidung des [X.]undesverfassungsgerichts
wird vielmehr auf strafprozessuale Rechtsprechung verwiesen, in der -
ohne eine weitere [X.]e-grenzung des [X.] der nichtanwaltlichen [X.]sinhaber -
zur [X.]e-gründung des [X.]eschlagnahmeverbots gemäß § 97 Abs. 1 [X.] der Mitgewahr-sam des
Rechtsanwalts als ausreichend erachtet wird, sofern nicht der [X.]e-schuldigte [X.] inne hat
([X.]VerfG aaO unter Hinweis auf [X.], [X.]e-schluss vom 4. August 1964 -
3 St[X.] 12/63, [X.]St 19, 374
und
Urteil vom 28.
März 1973 -
3 [X.], [X.]St 25, 168, 169; [X.], [X.] 1981, 603).

Auch im strafprozessualen Schrifttum wird
einhellig die Auffassung ver-treten, dass für das [X.]eschlagnahmeverbot gemäß § 97 Abs. 1 [X.] der [X.] genügt, soweit nicht der wei-tere [X.] dem [X.]eschuldigten zusteht. Eine darüber hinausgehende [X.]egrenzung des [X.] der nichtanwaltlichen (Mit-)Gewahrsamsinhaber erfolgt ebenfalls nicht (vgl. [X.] in [X.], [X.], 26. Aufl., § 97 Rn. 29; MüKo[X.]/[X.], 1. Aufl., §
97 Rn.
20; [X.]eckOK[X.]/[X.], § 97 Rn. 6b [Stand: 01.01.2017]).

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Greift aber das [X.]eschlagnahmeverbot des § 97 Abs. 1 [X.] im Fall ei-nes Rechtsanwalts, der
neben einem anderen in den Kanzleiräumen tätigen, selbst nicht zeugnisverweigerungsberechtigten Gewahrsamsinhaber
Mitge-wahrsam ausübt, so gilt das [X.]eschlagnahmeverbot
erst recht in dem vorliegen-den Fall eines Rechtsanwalts, der Mit-
oder [X.] an den von einem [X.]eschlagnahmeverbot betroffenen Gegenständen innehat und zugleich in sei-nen Kanzleiräumen einen [X.]eruf ausübt, der nicht zur Verweigerung des [X.] berechtigt
(vgl. zum Gewahrsam eines [X.], der seine Ver-teidigungsunterlagen im [X.]üro des Unternehmens aufbewahrt: [X.], [X.], 47, 48; [X.] in [X.] aaO).

Entgegen der Auffassung der [X.]eklagten folgt aus der -
zutreffenden -
Auffassung des [X.]s nicht, dass der Rechtsanwalt [X.]eschlag-nahmeschutz für alle Unterlagen und sonstigen Gegenstände erlangt, die nicht seiner anwaltlichen Tätigkeit, sondern einem beliebigen Zweitberuf zuzuordnen sind. Geschützt sind stets nur die in § 97 Abs. 1 [X.] genannten Gegenstände, die dem Gewahrsam des Rechtsanwalts als gemäß § 53 Abs. 1 Satz 1 [X.] Zeugnisverweigerungsberechtigtem unterliegen. Dieser Schutz wird dadurch, dass der
Rechtsanwalt in seinen Kanzleiräumen einen weiteren, nicht zur Zeugnisverweigerung berechtigenden [X.]eruf
ausübt, weder erweitert noch
be-einträchtigt.

bb) Zu Recht ist der [X.] davon ausgegangen, dass auch eine etwaige im Hinblick auf die Immobilienverwaltung des [X.] durchge-führte Telefonüberwachung nicht die Gefahr einer Verletzung seiner anwaltli-chen Verschwiegenheitspflicht begründet. Erkenntnisse, die durch eine Ermitt-lungsmaßnahme erlangt werden, die sich nicht gegen den zeugnisverweige-rungsberechtigten Rechtsanwalt richtet, über die letzterer jedoch das Zeugnis 10
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verweigern dürfte, dürfen gemäß § 160a Abs. 1 Satz 2 und 5 [X.] nicht ver-wendet werden. Aufzeichnungen hierüber sind gemäß § 160a Abs. 1 Satz 3 und 5 [X.] unverzüglich zu löschen. Damit dürfen aber auch Erkenntnisse nicht verwendet werden, die aus einer sich gegen den Rechtsanwalt als [X.] richtenden Telefonüberwachung erlangt werden,
indes seine Tätigkeit als Rechtsanwalt betreffen und deswegen
gemäß § 53 Abs. 1 [X.] seinem Zeugnisverweigerungsrecht unterliegen. Hierdurch wird der Gefahr [X.] Verletzung der anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht hinreichend vorge-beugt.

2. Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche [X.]edeutung (§
112e Satz 2 [X.], § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Dieser Zulassungsgrund ist gegeben, wenn der Rechtsstreit eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (vgl. nur [X.], [X.]eschluss vom 6. Februar 2012 -
AnwZ ([X.]) 42/11, juris Rn. 25 mwN).

Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Die von der [X.]eklagten zur [X.]e-gründung ihres Antrags auf Zulassung der [X.]erufung formulierte Rechtsfrage ist, soweit sie sich in vorliegendem Zusammenhang konkret stellt und entschei-dungserheblich ist, eindeutig zu verneinen und nicht klärungsbedürftig. Auf die vorstehenden Ausführungen wird [X.]ezug genommen.

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[X.].

Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 [X.],
§ 154 Abs. 2 VwGO,
die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 1
[X.], § 52 Abs. 2 GKG.

Kayser
[X.]ünger
Remmert

Schäfer
Wolf
Vorinstanz:
[X.], Entscheidung vom 24.10.2016 -
[X.]ayAGH [X.] -
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1/16 -

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Meta

AnwZ (Brfg) 3/17

21.03.2017

Bundesgerichtshof Senat für Anwaltssachen

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.03.2017, Az. AnwZ (Brfg) 3/17 (REWIS RS 2017, 13725)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 13725

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