Bundesgerichtshof, Urteil vom 07.03.2019, Az. IX ZR 143/18

9. Zivilsenat | REWIS RS 2019, 9606

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Gegenstand

Rechtsanwaltsvergütung: Pflicht zur Abrechnung und Rückzahlung erhaltener Vorschüsse nach Mandatskündigung; den gesetzlichen Anforderungen nicht genügende Rechnung


Leitsatz

1. Der Rechtsanwalt ist nach Kündigung des Mandats vertraglich verpflichtet, erhaltene Vorschüsse abzurechnen.

2. Der Rechtsanwalt ist vertraglich verpflichtet, erhaltene und nicht verbrauchte Vorschüsse nach Kündigung des Mandats an den Mandanten zurückzuzahlen.

3. Der Rechtsanwalt ist nicht allein deshalb zur Rückzahlung geforderter und erhaltener Vorschüsse verpflichtet, weil er pflichtwidrig keine den gesetzlichen Anforderungen genügende Rechnung erstellt und dem Mandanten mitgeteilt hat.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil der 8. Zivilkammer des [X.] vom 14. Mai 2018 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger beauftragte die beklagte Anwaltssozietät (fortan: Beklagte), die aus den Beklagten zu 2 und zu 3 besteht, mit der außergerichtlichen und gerichtlichen Wahrnehmung seiner Rechte gegenüber einem Pächter. Der Pächter klagte auf Vorschussleistungen für die Beseitigung bestimmter Mängel; der jetzige Kläger verlangte [X.] seinerseits einen Vorschuss für die Beseitigung von Mängeln. Noch vor Erlass des erstinstanzlichen Urteils, mit Schreiben vom 2. August 2011, kündigte der Kläger das Mandat und ließ sich anderweitig vertreten. Im Zeitpunkt der Kündigung hatte die Beklagte Vorschüsse in Höhe von insgesamt 5.920,25 € verlangt und erhalten.

2

Mit seiner am 11. Dezember 2015 bei Gericht eingegangenen und den Beklagten am 4. Januar 2016 zugestellten Klage verlangt der Kläger die Rückzahlung eines [X.] von 1.145,37 € nebst Zinsen und Kosten. Die Klage hatte in den Vorinstanzen Erfolg. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision wollen die Beklagten weiterhin die Abweisung der Klage erreichen.

Entscheidungsgründe

3

Die Revision hat teilweise Erfolg.

I.

4

Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Grundlage des Begehrens des [X.] sei § 667 BGB. Für ihre vorgerichtliche und gerichtliche Tätigkeit könne die Beklagte eine Geschäftsgebühr, eine Verfahrensgebühr, eine Terminsgebühr, die Pauschale für Post und Telekommunikation, jeweils zuzüglich Umsatzsteuer, verlangen. Der Gegenstandswert der im gerichtlichen Verfahren entstandenen Gebühren, der Verfahrens- und der Terminsgebühr, sei vom [X.] auf 90.549,87 € festgesetzt worden. Gemäß § 32 [X.] sei diese Festsetzung auch für die Beklagte bindend. Für die vorgerichtlich entstandene Geschäftsgebühr könne nur der vom Kläger zugestandene Betrag angesetzt werden, weil die Beklagte trotz Aufforderung keine Rechnung gelegt und sich auch im gerichtlichen Verfahren nicht auf eine Berechnungsweise festgelegt habe.

II.

5

Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nur teilweise stand.

6

1. Der Kläger hat aus dem zwischen ihm und der Beklagten geschlossenen Anwaltsvertrag einen Anspruch auf Rückgewähr desjenigen Teils des geleisteten Vorschusses, der die tatsächlich geschuldete Vergütung übersteigt. Die Rückzahlung derartiger Vorschüsse richtet sich nicht nach § 812 BGB. Für sie sind vielmehr §§ 675, 667 BGB mindestens entsprechend anzuwenden ([X.], Urteil vom 14. Dezember 2017 - [X.], NJW-RR 2018, 700 Rn. 11). Das hat das Berufungsgericht zutreffend erkannt.

7

2. Für ihre Tätigkeit im Vorprozess kann die Beklagte eine Verfahrensgebühr nach [X.] Nr. 3100, eine Terminsgebühr nach [X.] Nr. 3104, die Pauschale für Entgelte für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen gemäß [X.] Nr. 7002 sowie Umsatzsteuer gemäß [X.] Nr. 7008 beanspruchen. Der Gegenstandswert der Verfahrens- und der Terminsgebühr beträgt 90.549,87 €. In dieser Höhe hat das Gericht des [X.] den Streitwert festgesetzt.

8

a) Gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 [X.] bestimmt sich der Gegenstandswert im gerichtlichen Verfahren nach den für die Gerichtsgebühren geltenden Wertvorschriften. Wird der für die Gerichtsgebühren maßgebliche Wert gerichtlich festgesetzt, ist die Festsetzung gemäß § 32 Abs. 1 [X.] auch für die Gebühren des Rechtsanwalts maßgebend (vgl. [X.], Beschluss vom 26. September 2013 - [X.], [X.], 2173 Rn. 2; Urteil vom 14. Dezember 2017, aaO Rn. 21). Die Festsetzung des [X.] im Ausgangsprozess bindet das Gericht auch in einem Gebührenrechtsstreit, den der Anwalt wegen seiner Vergütung mit seinem Mandanten führt ([X.], [X.], 23. Aufl., § 32 Rn. 71; [X.]/[X.]/[X.], [X.], 7. Auf., § 32 Rn. 3; [X.]/[X.]/[X.], [X.], 10. Aufl., § 32 Rn. 28 f). Dies gilt allerdings nicht, wenn der Gegenstand der gerichtlichen Tätigkeit demjenigen der anwaltlichen Tätigkeit nicht entspricht. In einem solchen Fall ist der Rechtsanwalt nicht gehindert, Gebühren entsprechend seiner weitergehenden Tätigkeit gegen seinen Mandanten geltend zu machen ([X.], Urteil vom 14. Dezember 2017, aaO Rn. 22 mwN). Eine solche "überschießende" anwaltliche Tätigkeit haben die Beklagten hier aber nicht behauptet.

9

b) Die Beklagten halten die Berechnung, welche der Festsetzung des Streitwerts im Vorprozess zugrunde liegt, für offensichtlich unrichtig. Darauf kommt es nicht an. Einwendungen gegen den Streitwertbeschluss hätten im Vorprozess geltend gemacht werden können und müssen. Gemäß § 32 Abs. 2 Satz 1 [X.] kann der Rechtsanwalt aus eigenem Recht die Festsetzung des Werts beantragen und Rechtsmittel gegen die Festsetzung einlegen.

Demgegenüber meint die Revision, der Kläger habe durch sein Verhalten die Möglichkeit der Beklagten vereitelt, ein Rechtsmittel gegen die Festsetzung des Streitwerts im landgerichtlichen Urteil des [X.] einzulegen. Er habe der Beklagten das Urteil zur Kenntnis gegeben, nicht jedoch darauf hingewiesen, dass es ein noch nicht abgeschlossenes Berufungsverfahren gegeben habe. Von dem Berufungsverfahren habe die Beklagte erst nach Ablauf der Beschwerdefrist erfahren. Nach [X.] und Glauben dürfe sich der Kläger nunmehr nicht auf die Festsetzung berufen.

Dies trifft nicht zu. Nicht der Kläger hat sich vertragswidrig verhalten. Die Beklagte hätte unmittelbar nach der Kündigung des Mandats die erhaltenen Vorschüsse abrechnen müssen. Eine entsprechende vertragliche Pflicht des Rechtsanwalts, der gemäß § 9 [X.] Vorschüsse verlangt und erhalten hat, folgt aus §§ 675, 666 BGB ([X.], Beschluss vom 18. Juni 2018 - [X.] ([X.]) 61/17, NJW-RR 2018, 1328 Rn. 6). Zur Vorbereitung der Abrechnung hätte die Beklagte gemäß § 32 Abs. 2 Satz 1 [X.] die gerichtliche Festsetzung des Streitwerts beantragen können. Von dieser naheliegenden Möglichkeit hat sie keinen Gebrauch gemacht; sie hat auch - trotz Aufforderung durch den Kläger - keine Abrechnung erstellt.

3. Von [X.] beeinflusst ist das angefochtene Urteil insoweit, als es einen Rückforderungsanspruch des [X.] allein aufgrund einer fehlenden Abrechnung gemäß § 10 [X.] angenommen hat.

a) Gemäß § 10 Satz 1 [X.] kann der Rechtsanwalt die Vergütung nur aufgrund einer von ihm unterzeichneten und dem Auftraggeber mitgeteilten Berechnung einfordern. Die Beklagte macht hier jedoch keinen Vergütungsanspruch geltend. Sie verteidigt sich vielmehr gegen den Rückforderungsanspruch aus §§ 675, 667 BGB. Dieser Anspruch setzt voraus, dass der Vorschuss, welchen der Rechtsanwalt als Auftragnehmer zur Ausführung des Auftrags erhalten hat, nicht verbraucht worden ist. Insoweit ist zwischen der Entstehung der Gebühren, deren Fälligkeit und deren ordnungsgemäßer Abrechnung zu unterscheiden. Unter welchen Voraussetzungen eine Gebühr entsteht, richtet sich nach den Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1 [X.]), insbesondere nach dem Vergütungsverzeichnis zu § 2 Abs. 2 [X.]. Fällig wird die Vergütung, wenn der Auftrag erledigt oder die Angelegenheit beendet ist (§ 8 Abs. 1 Satz 1 [X.]). Weder die Entstehung des Vergütungsanspruchs noch seine Fälligkeit hängen also von der Berechnung der Vergütung gemäß § 10 [X.] ab. Diese ist nur Voraussetzung dafür, dass der Rechtsanwalt die Vergütung einfordern kann. Soweit sein Vergütungsanspruch entstanden und fällig geworden ist, braucht der Rechtsanwalt erhaltene Vorschüsse nicht zurück zu gewähren.

b) Für ihre vorgerichtliche Tätigkeit hat die Beklagte eine Geschäftsgebühr gemäß [X.] Nr. 2300 verdient, die gemäß Vorbemerkung [X.] 3 Abs. 4 zur Hälfte, höchstens mit einem Gebührensatz von 0,75 auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens angerechnet wird. Feststellungen zur Gebührenhöhe oder zum Gegenstandswert der außergerichtlichen Tätigkeit der Beklagten hat das Berufungsgericht - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - nicht getroffen. Ob und in welcher Höhe die Beklagte überzahlt worden ist, kann daher nicht beurteilt werden.

III.

Das angefochtene Urteil kann deshalb keinen Bestand haben. Es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, ist sie zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO). Für die weitere Verhandlung und Entscheidung weist der Senat auf folgende rechtliche Gesichtspunkte hin:

1. Darlegungs- und beweispflichtig für die tatsächlichen Voraussetzungen des Herausgabeanspruchs aus §§ 675, 667 BGB ist der Auftraggeber ([X.], Urteil vom 4. Februar 1991 - [X.], NJW 1991, 1884; vom 30. Mai 2000 - [X.], [X.], 1596, 1600, insoweit in [X.]Z 144, 343 nicht abgedruckt; vom 23. Juni 2005 - [X.], [X.], 1956, 1958), hier also der Kläger. Der Auskunftsanspruch des Auftraggebers gemäß §§ 675, 666 BGB und der Anspruch des Mandanten aus § 10 Abs. 3 [X.] auf Mitteilung der Berechnung auch dann, wenn der Mandant die Vergütung bereits gezahlt hat, ändern an dieser Verteilung der Beweislast nichts. Der Auftraggeber kann die Ansprüche auf Auskunft und Rechnungslegung erforderlichenfalls gesondert geltend machen, um den Zahlungsanspruch vorzubereiten, oder im Wege der Stufenklage zunächst die Mitteilung der Berechnung verlangen, um nach deren Vorlage seinen Zahlungsanspruch zu beziffern (vgl. [X.], Urteil vom 4. Februar 1991, aaO).

2. Gemäß § 60 Abs. 1 [X.] ist die Vergütung nach demjenigen Recht zu berechnen, welches im Zeitpunkt des Auftrags galt.

3. Hinsichtlich der Höhe der Geschäftsgebühr gemäß [X.] Nr. 2300 hat die Beklagte die Einholung eines Gutachtens der [X.] beantragt. Diesem Beweisantritt dürfte nachzugehen sein (§ 14 Abs. 2 [X.]).

4. Der Anspruch aus §§ 675, 667 BGB auf Rückzahlung nicht verbrauchter Vorschüsse verjährt gemäß § 195 BGB innerhalb von drei Jahren. Die Verjährungsfrist beginnt gemäß § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres, in welchem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Ob der Anspruch auf Rückzahlung nicht verbrauchter Vorschüsse mit der Fälligkeit des Vergütungsanspruchs gemäß § 8 [X.] (so etwa [X.], [X.], 23. Aufl., § 9 Rn. 23; von Seltmann in [X.] [X.], Stand 1. Dezember 2018, § 9 Rn. 23; [X.]/Klüsener, [X.], 8. Aufl., § 9 Rn. 42) oder erst mit der Abrechnung gemäß § 10 [X.] (so etwa [X.] in [X.]/Wolf, [X.], 8. Aufl., § 9 Rn. 95) entsteht, ist in der Kommentarliteratur umstritten. Richtigerweise ist auf den Zeitpunkt der Fälligkeit der [X.] gemäß § 8 [X.] abzustellen. Von diesem Zeitpunkt an lässt sich feststellen, ob und in welcher Höhe der Vorschuss verbraucht worden ist. Es ist kein Grund ersichtlich, den Rückforderungsanspruch des Mandanten von einer ordnungsgemäßen Berechnung gemäß § 10 [X.] abhängig zu machen. Der Schutz des Mandanten ist durch die subjektiven Voraussetzungen des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB gewährleistet. Kenntnis von seinem Rückforderungsanspruch wird der Mandant oft erst aufgrund einer ordnungsgemäßen Abrechnung erlangen, die den Anforderungen des § 10 [X.] entspricht ([X.]/[X.]/[X.], [X.], 10. Aufl., § 9 Rn. 21), oder aufgrund einer anderweitigen rechtlichen Beratung, die mit dem Hinweis auf eine drohende Verjährung verbunden ist.

Kayser     

      

Lohmann     

      

Pape   

      

Grupp     

      

Möhring     

      

Meta

IX ZR 143/18

07.03.2019

Bundesgerichtshof 9. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend LG Dresden, 14. Mai 2018, Az: 8 S 616/16

§ 9 RVG, § 10 RVG, § 32 RVG, § 666 BGB, § 667 BGB, § 675 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 07.03.2019, Az. IX ZR 143/18 (REWIS RS 2019, 9606)

Papier­fundstellen: MDR 2019, 1237-1239 WM2019,738 NJW 2019, 1458 REWIS RS 2019, 9606

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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